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Wer zu spät belehrt, den bestraft der BGH

UhrWer zu spät (als Vorsitzender) belehrt, den bestraft der BGH. Das ist das Fazit aus dem BGH, Beschl. v. 11.05.2016 – 1 StR 71/16, in dem der BGH noch einmal zum richtigen Zeitpunkt für die im Verständigungsverfahren (§ 257c StPO) vorgeschriebene Belehrung Stellung genommen hat. Und die Strafe ist auf die Verfahrensrüge hin dann hart: Das Urteil wird i.d.R. aufgehoben werden. So auch im BGH, Beschl., in dem der BGH ausgeführt hat:

1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 3. Juli 2014, teilte der Vorsit-zende mit, bei einer Verfahrensweise nach § 154 Abs. 2 StPO für einige der angeklagten Taten könne ein zuvor erfolgtes „Angebot der Kammer hinsichtlich der Vereinbarung einer verfahrensbeschleunigenden Regelung gemäß § 257c StPO dahingehend geändert werden, dass … der Rahmen, aus dem die Gesamtstrafe für die verbliebenen Taten A 1 bis A 27 gegebenenfalls zu entnehmen wäre, auf sieben Jahre und sechs Monate bis acht Jahre und sechs Monate reduziert werden würde“. Zugleich gab er bekannt, dass eine Verständigung noch nicht erzielt worden sei, der Angeklagte aber bis zu seiner Vernehmung zur Sache eine abschließende Stellungnahme abgeben werde. Dies sei der letzte Zeitpunkt für die Vereinbarung, danach „sehe sich die Kammer an ihren Vorschlag nicht mehr gebunden“. Daraufhin wurde die Sitzung unterbrochen. Am nächsten Verhandlungstag fragte der Vorsitzende nach, ob der vom Gericht unterbreitete Vorschlag angenommen werde, woraufhin der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Verteidigerin und der Angeklagte erklärten, dem am letzten Hauptverhandlungstag gemachten Vorschlag zuzustimmen.

Erst danach belehrte der Vorsitzende den Angeklagten über den Inhalt des § 257c Abs. 4 StPO. Die Verteidigerin gab eine Erklärung zur Sache ab, wonach die Taten A 1 – 27 in vollem Umfang eingeräumt werden, was vom An-geklagten als richtig bestätigt wurde.

a) Die Rüge ist zulässig erhoben. Der Angeklagte hat einen Sachverhalt vorgetragen, der es dem Revisionsgericht ohne weiteres ermöglicht, allein aufgrund des Revisionsvortrags zu überprüfen, ob der gerügte Rechtsfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Be-schluss vom 15. Januar 2014 – 1 StR 302/13 mwN) und damit die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllt. Soweit der Generalbundesanwalt den Vortrag des den Verteidigern des Angeklagten vorab schriftlich mitgeteilten Verständigungsvorschlags des Gerichts vermisst, bedarf es dessen für die Prüfung der Frage, ob ein Rechtsfehler vorliegt, nicht.

b) Die Rüge ist auch begründet. Der von dem Angeklagten gerügte Rechtsfehler liegt vor. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG NStZ 2014, 721; BGH, Be-schlüsse vom 10. Februar 2015 – 4 StR 595/14 mwN und vom 25. März 2015 – 5 StR 82/15).

Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Hierauf hat die Strafkammer die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem nicht vorbestraften und in Spanien wohnhaften Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht.“

Verständigungspantomime

entnommen wikimedia.org Author Bagnuk

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Länger nichts Neues mehr von der Verständigung (§ 257c StPO) gehört. Da kommt dann der BVerfG, Beschl. v. 21.04.2016 – 2 BvR 1422/15 – gerade recht. Der reiht sich ein in die Reihe der Entscheidungen des BVerfG, mit der das Verfassungsgericht akribisch über die Einhaltung der Vorgaben seiner Rechtsprechung aus dem Urteil vom 19.03.2013 (BVerfGE 133, 168 = NJW 2013, 1058 = StRR 2013, 179) wacht. Und wieder ist es der BGH, der beim BVerfG angeeckt ist, und zwar dieses Mal der 1. Strafsenat, der sich bescheinigen lassen muss, dass seinem Beschl. v. 25.06.2015 – 1 StR 120/15, „eine Auslegung und Anwendung des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO zugrunde[liegt], die den verfassungsrechtlichen Schutzgehalt der Vorschrift grundlegend verkennt und auch bei einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 133, 168 <200 Rn. 59>) als nicht mehr hinnehmbar erscheint.

Ausgegangen ist das BVerfG von folgendem Sachverhalt: Es handelte sich um ein Verfahren wegen Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue. Bereits vor der Hauptverhandlung hatte es ein wegen des Widerspruchs der Staatsanwaltschaft erfolgloses Gespräch über eine höhenmäßige Beschränkung des Vermögensnachteils gem. § 154 a StPO gegeben. In der Hauptverhandlung stellte der Verteidiger dann mehrere Beweisanträge. Daraufhin kündigte die Staatsanwaltschaft an, einer Beschränkung des Verfahrens auf einen Schaden in Höhe von ca. 800.000 EUR zuzustimmen, wenn das Verfahren ohne die Erledigung weiterer Beweisanträge und damit ohne weitere Verzögerung der Hauptverhandlung abgeschlossen werden könne. Am folgenden Hauptverhandlungstermin erörterte der Vorsitzende mit den Verfahrensbeteiligten dann erneut die Frage einer solchen Verfahrensbeschränkung. Er wies darauf hin, dass „diesbezüglich keine (ausdrückliche oder gar konkludente) Absprache in Betracht komme“. Die Staatsanwaltschaft stimmte der Beschränkung zu, woraufhin der Pflichtverteidiger die gestellten Beweisanträge weitgehend zurücknahm. Das LG erließ einen entsprechenden Beschränkungsbeschluss. Daraufhin ließ sich der Angekalgte geständig ein. Der BGH hat die Revision des Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen und das Vorliegen einer Verständigung wegen fehlenden Rechtsbindungswillen des Gerichts verneint.

Das sieht das BVerfG anders:

Über was man sich alles verständigen kann: Auch über die Verfahrensverzögerung

© Thomas Jansa - Fotolia.com

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Im Moment gibt es nicht ganz so viel Entscheidungen zur Verständigung (§ 257c StPO) bzw. zur damit korrespondierenden Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO). Da erweckt dann ein Beschluss, der für BGHSt vorgesehen ist, schon (besonderes) Interesse, zumal es auch um den zulässigen Inhalt einer Verständigung geht. Dazu hat der 1. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 29.11.2015 – 1 StR 79/15 – ausgeführt, dass die Höhe der Kompensation für eine hinsichtlich Art, Ausmaß und ihrer Ursachen prozessordnungsgemäß festgestellte überlange Verfahrensdauer ein zulässiger Verständigungsgegenstand ist:

„b) Danach erweist sich die Verständigung über Art und Ausmaß einer Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer als zulässiger Verständigungsgegenstand (Moldenhauer/Wenske in KK-StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 15; Temming in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 5. Aufl., § 257c Rn. 23; Wenske, DRiZ 2011, 393, 395; vgl. hierzu auch Eschelbach in BeckOK-StPO, 23. Ed., § 257c Rn. 11.3, der zwar Bedenken anmeldet, diese aber an der als problematisch erachteten Vollstreckungslösung festmacht, die jedoch st. Rspr. entspricht; aA Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 257c Rn. 10 freilich ohne Begründung).

aa) Die tatsächlichen Grundlagen, aufgrund derer das Gericht Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen ermittelt hat, sind – ungeachtet der nicht mit dieser Angriffsrichtung erhobenen Rüge – nicht Verständigungsgegenstand gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht eine Verbindung zwischen der Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung oder deren Umfang mit dem Einlassungsverhalten des Angeklagten hergestellt oder diese Feststellung als bloße Honorierung sonstigen prozessualen Wohlverhaltens des Angeklagten behandelt hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14), ergeben sich weder aus dem vorgetragenen Verfahrensgeschehen noch aus dem vom Gericht unterbreiteten Verständigungs-vorschlag. Zwar ist dem von der Revision vorgetragenen Schreiben der Verteidigung, welches an die Vorgespräche anknüpfte, zu entnehmen, dass das Gericht seine vorläufige Bewertung zu der sich aus den Akten ergebenden Dauer der Verzögerung, insbesondere des der Justiz zuzurechnenden Anteils, kundgetan und diese letztlich auch seinem Verständigungsvorschlag zugrunde gelegt hat. Das ist aber nicht zu beanstanden, vielmehr ist eine Klarstellung der materiellen Grundlagen der zu gewährenden Kompensation Voraussetzung für eine nachvollziehbare Bemessung derselben (vgl. zur strafzumessungsrechtlichen Bewertung des Anklagevorwurfs BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13 mit insoweit zust. Anm. Kudlich NStZ 2014, 284, 286). 

Anders als in dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. Oktober 2010 – 2 StR 354/10 (JR 2011, 167) zugrunde lag, gab es kein gerichtliches „Angebot“ einer die tatsächlichen Grundlagen entbehrenden Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Lag es dort „auf der Hand, dass eine Art. 6 Abs. 1 MRK widersprechende Menschenrechtsverletzung nicht vorlag“ (BGH aaO; abl. auch Ignor in Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 257c Rn. 43), konnte hier angesichts des zwischen der ersten Anklage und der Eröffnungsentscheidung liegenden Zeitraums von annähernd 45 Monaten – auch unter Berücksichtigung von Phasen nicht der Justiz zuzurechnender Verzögerung – ein kompensationspflichtiger Konventionsverstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz des Art. 6 Abs. 1 MRK nicht zweifelhaft sein.“

Mitteilungspflicht verletzt, aber alles nicht so schlimm, oder: Wir schließen das Beruhen aus

© MK-Photo - Fotolia.com

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Nach dem BGH, Urt. v. 17.06.2015 – 2 StR 139/14 (vgl. dazu Auch „Einstellungs“mauscheleien“/-gespräche“ mit der StA gehören auf den Tisch), dann eine weitere Entscheidung aus der Serie: Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 05.08.2015 – 5 StR 255/15 -, in dem die mit der Mitteilungspflicht zusammenhängenden Fragen noch einmal schön zusammengefasst werden:

„2. Die Erklärung des Vorsitzenden über das Verständigungsvorgespräch vom 11. Dezember 2014 hat die Informationspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verletzt.

Nach dieser Vorschrift muss der Vorsitzende zu Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten (§ 212 i.V.m. § 202a StPO), die nach Beginn, aber außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung deren wesentlichen Inhalt mitteilen. Hierzu zählt zumindest, welchen Standpunkt die Gesprächsteilnehmer vertreten und wie sie sich zu den Ansichten der übrigen verhalten haben (vgl. BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 85; BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313; Beschlüsse vom 14. Juli 2014 – 5 StR 217/14, NStZ-RR 2014, 315, 316, vom 11. Februar 2015 – 1 StR 335/14, NStZ 2015, 416, und vom 25. Februar 2015 – 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353, 354).

Dieser Anforderung an eine der Informationspflicht des § 243 Abs. 4 StPO genügenden Mitteilung entsprach die Erklärung des Vorsitzenden nicht, da sie lediglich das Ergebnis der Besprechung mit dem von den Gesprächsteilnehmern abgestimmten Verständigungsvorschlag wiedergab. Zum Inhalt der diesem Vorschlag vorausgegangenen Erörterung und insbesondere zu den von den Beteiligten vertretenen Standpunkten enthielt der verlesene Gesprächsvermerk keine Angaben.“

Aber: Alles nicht so schlimm, denn: Der BGH schließt das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß aus. Zwar führt ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung und hat zur Folge, dass ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen ist, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 97). Aber ausnahmsweise kann nach einer wertenden Gesamtbetrachtung das „Beruhen“ (§ 337 StPO) verneint werden. Und das tut der BGH hier und stellt auf folgende Argumente ab:

  • Die Initiative für das Verständigungsvorgespräch erfolgte von Seiten der Verteidigung in öffentlicher Hauptverhandlung. Damit war sowohl für die Öffentlichkeit als auch für sämtliche Verfahrensbeteiligten nicht nur das Thema des durchzuführenden Gesprächs, sondern auch der Umstand offenkundig, dass die Frage nach einer Verständigung von der Verteidigung aufgeworfen worden war.
  • Die Gesetzesverletzung war hier unter dem Aspekt des Transparenzgebotes und des Gebotes des fairen Verfahrens nicht als gewichtig anzusehen: Eine Unterrichtung über die Besprechung wurde nicht gänzlich unterlassen, sondern fand als solche mit Bekanntgabe ihres Ergebnisses statt. Mit dem damit verbundenen Hinweis auf eine gemeinsame Verständigung über den unterbreiteten vorläufigen, unter dem Vorbehalt abschließender Kammerberatung stehenden Vorschlag war klar, dass nicht nur die Berufsrich-ter, sondern auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft die von der Verteidigung aufgeworfene Frage nach einer Verständigung zustimmend beantwortet hatten.
  • Die nicht mitgeteilten, allerdings nicht weit voneinander entfernten Sanktionsvorstellungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und des Instanzverteidigers lagen von vornherein innerhalb des alsbald gemeinsam mit den Berufsrichtern abgestimmten Strafrahmens.
  • „Völlig fernliegend“ ist es für den BGH angesichts der Initiative des Instanzverteidigers für eine Verständigung, der unmittelbar vor ihrem Abschluss stehenden Beweisaufnahme und des nach dem zehnten Hauptverhandlungstag bereits unter den Besprechungsteilnehmern erfolgten Austauschs über Einschätzungen der Beweislage und Aspekte der Beweiswürdigung, dass der Vorsitzende mit seiner Stellungnahme auf das Zustandekommen einer Verständigung gedrängt haben und ein entsprechender Druck durch die Unvollständigkeit seiner späteren Mitteilung nicht offengelegt worden sein könnte.

Ich habe mit solchen „wertenden Gesamtbetrachtungen“ immer so mein Problem. Man kann, muss ihnen aber nicht folgen. Und „völlig fernliegend“ ist auch so eine Formulierung, die mich immer stutzen lässt.

Auch „Einstellungs“mauscheleien“/-gespräche“ mit der StA gehören auf den Tisch

© Andrey Burmakin - Fotolia.com

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Mitteilung, Mitteilung, Mitteilung – also § 243 Abs. 4 StPO -, das ist im Moment das große Thema in der „Verständigungsrechtsprechung“. Es geht also gar nicht (mehr) so sehr um das „Ob“ und den Inhalt, sondern um das „Wie“, also das Prozedere. In die Flut von Entscheidungen reiht sich dann auch das BGH, Urt. v. 17.06.2015 – 2 StR 139/14 – ein, das erst jetzt auf der Homepage des BGH veröffentlicht worden ist. Ergangen ist es in einem Verfahren mit dem Vorwurf des schweren Raubes.

In dem hatten die Vorsitzende der Strafkammer und die Berichterstatterin in der Zeit zwischen dem vorletzten und dem letzten Sitzungstag – nach den Schlussvorträgen – eine Vorberatung durchgeführt und waren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sache hinsichtlich eines  zweiten Anklagevorwurfs gegen den Angeklagten noch nicht entscheidungsreif sei. Jedoch beabsichtigten sie, das Verfahren insoweit nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, falls die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag stellen würde. Die Vorsitzende bat die Berichterstatterin, den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft anzurufen, ihn über das Ergebnis der Zwischenberatung der Berufsrichter zu informieren und ihn zu fragen, ob er mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden sei. Die Berichterstatterin telefonierte mit dem Staatsanwalt, der einen Einstellungsantrag ankündigte. Die Verteidiger wurden hierüber zunächst nicht informiert. Im nächsten Hauptverhandlungstag trat das Gericht erneut in die Beweisaufnahme ein, worauf der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens über den zweiten Tatvorwurf gegen den Angeklagten I. C. beantragte. Dazu erhielten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei teilte die Vorsitzende mit, dass die Frage der Teileinstellung des Verfahrens im Vorfeld mit der Staatsanwaltschaft geklärt worden sei. Diese Mitteilung wurde aber nicht im Protokoll der Hauptverhandlung vermerkt. „Nach Beratung am Tisch“ beschloss die Strafkammer die Teileinstellung des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Anklagepunktes. Es folgten eine Wiederholung der Schlussvorträge, die Erteilung des letzten Wortes an die Angeklagten, die Urteilsberatung und -verkündung.

Das Verfahren war nach Auffassung des BGH rechtsfehlerhaft:

„Aus diesem Grund unterliegen auch Gespräche von Richtern mit Verfahrensbeteiligten über eine Teileinstellung des Verfahrens in der Hauptverhandlung entsprechenden Transparenz- und Dokumentationsregeln. Dies muss auch deshalb gelten, weil die Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ohne Verletzung des Verbots der Verständigung über den Schuldspruch gemäß § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO (krit. LR/Stuckenberg, StPO 26. Aufl., § 257c Rn. 29) Gegenstand einer förmlichen Verständigung sein kann (vgl. BeckOK-StPO/Eschelbach, 21. Ed., § 257c Rn. 16; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl., § 257c Rn. 13; KK/Moldenhauer/Wenke, StPO 7. Aufl., § 257c Rn. 15; SK/Velten, StPO 4. Aufl., § 257c Rn. 11). Ein Gesetzentwurf des Bundesrats, wonach die §§ 154 ff. StPO ausdrücklich von einer Verständigung unberührt bleiben sollten (§ 243a Abs. 2 Satz 3 StPO des Ent-wurfs in BT-Drucks. 16/4197), ist nicht Gesetz geworden (SSW/Ignor, StPO § 257c Rn. 58). Zur Vermeidung informeller Absprachen hierüber sind die Förmlichkeiten zur Herstellung von Transparenz und zur Dokumentation des Verfahrensablaufs an den Maßstäben der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO zu messen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2014 – 5 StR 351/14, StV 2015, 153).

bb) Im vorliegenden Fall wäre es demnach erforderlich gewesen, in der Hauptverhandlung darauf hinzuweisen, dass das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung mit der Staatsanwaltschaft die fehlende Entscheidungsreife des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Anklagepunkts sowie die Möglichkeit einer Teileinstellung des Verfahrens besprochen und die Staatsanwaltschaft einem solchen Vorgehen zugestimmt hatte. Dieser Hinweis hätte sodann in das Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen werden müssen.

Die genaue Mitteilung und Dokumentation des Vorgangs war auch deshalb angezeigt, weil ein Wahlverteidiger, der für den Verhandlungstag vom 6. November 2013 nur noch mit der Urteilsverkündung rechnete, dann nicht mehr anwesend war. Dieser Verteidiger hat aus eigenem Recht eine Rechts-mittelbefugnis für die Urteilsanfechtung; er muss auch deshalb den Vorgang nachvollziehen können.“