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Haftaufhebung/Überprüfung der Sicherungshaft, oder: BGH entscheidet sich für zwei Angelegenheiten

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Und dann noch Gebührenrecht zum (Fast)Abschluss der Woche. Und heute dann mal von ganz oben, also vom BGH. So häufig macht der ja nicht Gebührenrecht.

Hier dann der BGH, Beschl. v. 21.03.2023 – XIII ZB 76/20 – mit Ausführungen zur Gebühren betreffend Teil 6 VV RVG, also die sog. „Sonstigen Verfahren“.

Der Betroffene, ein türkischer Staatsangehöriger, hielt sich im Gebiet der Bundesrepublik auf, obwohl er ausreisepflichtig war. Am 24.03. 2017 wurde er festgenommen. Mit Beschluss vom gleichen Tag ordnete das AG gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum 25.05.2017 an. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des von Rechtsanwalt K. vertretenen Betroffenen stellte das Beschwerdegericht fest, dass der die Haft anordnende Beschluss des AG den Betroffenen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts in seinen Rechten verletzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde zurück und hielt die Haftanordnung aufrecht.

Im Kostenfestsetzungsverfahren setzte das Amtsgericht zugunsten von Rechtsanwalt K. u.a. eine Verfahrensgebühr nach Nr. 6300 VV RVG und eine Terminsgebühr nach Nr. 6301 VV RVG , eine Entgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG fest.

Mit Schriftsatz vom 05.05.2017 hat der Betroffene, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt F., die Aufhebung der Haft und die Feststellung der Verletzung seiner Rechte seit Eingang des Aufhebungsantrags beantragt. Mit Schriftsatz vom 22.05.2017 hat der Betroffene weitergehend die Feststellung beantragt, dass seine vorläufige Ingewahrsamnahme durch die beteiligte Behörde bis zum Erlass der Haftanordnung vom 24.03.2017 rechtswidrig gewesen sei.

Nach Ablauf der Haftzeit hat das AG mit Beschluss vom 14.08.2018 die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme festgestellt. Mit weiterem Beschluss vom 29.11.2017 hat es – nachdem es bereits mit Beschluss vom 16.06.2017 dem Betroffenen für das Haftaufhebungsverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. gewährt hatte – festgestellt, dass die Haftanordnung den Betroffenen seit Eingang des Aufhebungsantrags in seinen Rechten verletzt hat. Mit Beschluss vom 08.12.2017 hat das Amtsgericht seinen Beschluss vom 29.11.2017 ergänzt und ausgesprochen, dass die Gerichtskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse zur Last fallen.

Auf Grundlage des Beschlusses von 08.12.2017 hat das AG mit Beschluss vom 19.12.2019 zugunsten von Rechtsanwalt F. die im Haftaufhebungsverfahren zu erstattenden Kosten u.a. in Höhe einer Verfahrensgebühr nach Nr. 6302 VV RVG, einer Pauschale für die Herstellung von Kopien nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a VV RVG, einer Entgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG festgesetzt. Für das Verfahren zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme hat das AG mit Beschluss vom 23.01.2019 eine Verfahrensgebühr nach Nr. 6300 VV RVG, eine Entgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG festgesetzt.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.11.2017 (?) im Haftaufhebungsverfahren hat die Stadt C. Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass sie nach der Kostengrundentscheidung des AG nicht die richtige Kostenschuldnerin sei. Mit Beschluss vom 14.04.2020 hat das Amtsgericht der Beschwerde der Stadt C. abgeholfen und die dem Betroffenen zu erstattenden Kosten im gleichen Umfang gegen die weitere Beteiligte (Landeskasse) festgesetzt. Die von der Landeskasse dagegen erhobene Beschwerde hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 22.09.2020 zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Landeskasse ihr Begehren weiter.

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg:

„2. Das Beschwerdegericht meint, für die Tätigkeit im Haftaufhebungsverfahren könne Rechtsanwalt F. eine Verfahrensgebühr nach VV-RVG Nr. 6302 und eine Pauschale nach VV-RVG Nr. 7002 verlangen, weil das Haftaufhebungsverfahren ein vom Verfahren über die Anordnung und Überprüfung der Sicherungshaft verschiedenes Verfahren sei. Da es sich mithin um zwei Angelegenheiten handele, gelte die für das Anordnungsverfahren zugunsten des Rechtsanwalts K. festgesetzte Gebühr nach VV-RVG Nr. 6300 nicht die Tätigkeit des Rechtsanwalts F. im Aufhebungsverfahren ab. Auch die im Verfahren über die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Ingewahrsamnahme festgesetzte Verfahrensgebühr nach VV-RVG Nr. 6300 decke die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten im Haftaufhebungsverfahren nicht mit ab.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Verfahrensbevollmächtigte nach VV-RVG Nr. 6302 für seine Tätigkeit im Verfahren über die Aufhebung der Freiheitsentziehung eine Verfahrensgebühr neben den Verfahrensgebühren erhält, die das Amtsgericht nach VV-RVG Nr. 6300 zugunsten des Rechtsanwalts K. im Haftanordnungsverfahren und in dem weiteren vom jetzigen Verfahrensbevollmächtigten geführten Verfahren gegen die behördlich angeordnete Freiheitsentziehung festgesetzt hat.

a) Die Vergütung des Rechtsanwalts für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach den in Teil 6, Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz enthaltenen Sonderregelungen. Nach der gesetzlichen Anmerkung zu VV-RVG Nr. 6302 entsteht eine Verfahrensgebühr für jeden Rechtszug des Verfahrens über die Verlängerung (§ 425 FamFG) oder Aufhebung (§ 426 Abs. 2FamFG) einer Freiheitsentziehung. Bei dem Antrag des Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Mai 2017 handelt es sich um einen Antrag auf Aufhebung einer Freiheitsentziehung nach § 426 Abs. 2 FamFG, der eine Verfahrensgebühr nach VV-RVG Nr. 6302 auslöst.

b) Die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten im Haftaufhebungsverfahren ist nicht durch andere Gebührentatbestände abgegolten. Weder das Haftanordnungsverfahren noch das gegen die behördliche Ingewahrsamnahme gerichtete Verfahren bilden im Verhältnis zum Haftaufhebungsverfahren dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG, wonach der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann.

aa) Die Annahme derselben Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betreffen weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (BGH, Urteile vom 26. Mai 2009 – VI ZR 174/08, AfP 2009, 394 Rn. 23; vom 12. Juli 2011 – VI ZR 214/10, NJW 2011, 3657 Rn. 22; vom 6. Juni 2019 – I ZR 150/18, ZIP 2020, 242 Rn. 24 – Der Novembermann).

Soweit der Auftrag die Wahrnehmung der Interessen in gerichtlichen Verfahren betrifft, bildet das gerichtliche Verfahren in einem Rechtszug regelmäßig eine Angelegenheit (BGH, Beschluss vom 24. März 2016 – III ZB 116/15, NJW-RR 2016, 883 Rn. 7; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., § 15 Rn. 10; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., § 15 Rn. 5 f., 14). Das gilt allerdings nicht nur dann, wenn mehrere Ansprüche gegen zwei unterschiedliche Parteien zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gemacht werden, sondern im Grundsatz auch für den umgekehrten Fall, dass ein Recht einer Person in unterschiedlichen Gerichtsverfahren zur Geltung gebracht werden soll.

Anhaltspunkte für eine gebührenrechtliche Selbständigkeit können sich insbesondere aus der Systematik des gesetzlichen Gebührenverzeichnisses ergeben, wenn dort für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in unterschiedlichen Verfahren gesonderte Gebührentatbestände vorgesehen sind.

bb) Bei dem hier in Rede stehenden Haftaufhebungsverfahren handelt es sich im Verhältnis zum Haftanordnungsverfahren um ein eigenständiges Verfahren mit unterschiedlichen Voraussetzungen, das mit Blick auf die von Art. 104 GG hervorgehobene Bedeutung des Freiheitsgrundrechts sicherstellen soll, dass eine angeordnete Haft aufgehoben wird, wenn die Haftanordnung fehlerhaft war oder der Betroffene durch die Fortdauer der Haft in seinen Rechten verletzt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2020 – XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 23; vom 23. Februar 2021 – XIII ZB 52/20, juris Rn. 14). Der Betroffene darf unabhängig von der Einlegung und Durchführung einer Beschwerde gegen die Haftanordnung eine Aufhebung der Haft gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG beantragen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2020 – XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 8 ff.). Solange er sich in Haft befindet, kann er daher sowohl vor als auch nach Eintritt formeller Rechtskraft im Haftanordnungsverfahren die Aufhebung der Haft ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht beantragen. Die Haftanordnung kann damit nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (BGH, Beschluss vom 20. April 2021 – XIII ZB 93/20, juris Rn. 13 f.).

(1) Hat sich der Haftaufhebungsantrag – wie hier – durch die Entlassung des Betroffenen erledigt und begehrt der Betroffene gemäß § 62 FamFG die Feststellung, durch die Haft ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht in seinen Rechten verletzt zu sein, kann über den Gegenstand dieses Antrags – anders als bei der Aufhebung einer noch andauernden Haft – aber nur einmal abschließend entschieden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2021 – XIII ZB 93/20, juris Rn. 21). Nach Eintritt der Erledigung sperrt daher der zuerst rechtshängig gewordene Feststellungsantrag den inhaltsgleichen Antrag im anderen Verfahren. Kommt es in einem dieser Verfahren zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag, bleibt es dabei.

(2) Hier liegt eine solche rechtskräftige Entscheidung für den Zeitraum ab Erlass der Beschwerdeentscheidung im Haftanordnungsverfahren aber nicht vor. Die Beschwerdeentscheidung im Haftanordnungsverfahren stellte zwar die Rechtswidrigkeit der Haft bis zur Entscheidung fest, hielt aber die noch andauernde Haft aufrecht. Da eine im Haftanordnungsverfahren ergangene Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Haft keine in die Zukunft gerichtete Feststellungswirkung hat (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2023 – XIII ZB 20/21, juris Rn. 9), steht sie einer Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Haft im Aufhebungsverfahren nicht entgegen, soweit damit – wie hier – Zeiträume im Anschluss an die Entscheidung im Anordnungsverfahren erfasst werden sollen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, stand daher die Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 13. April 2017 im Anordnungsverfahren der auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten vom 22. Mai 2017 ergangenen Entscheidung des Amtsgerichts im Aufhebungsverfahren nicht entgegen. Daran ändert auch die formelle Rechtskraft der Entscheidung vom 13. April 2017 nichts.

(3) Die Eigenständigkeit von Anordnungs- und Aufhebungsverfahren hat sich auch in den Sonderregelungen der Gebührentatbestände gemäß Teil 6, Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz niedergeschlagen. Danach richtet sich die Verfahrensgebühr für das Haftanordnungsverfahren gemäß Anlage 1 nach VV-RVG Nr. 6300, während VV-RVG Nr. 6302 die Verfahrensgebühr für das Aufhebungsverfahren regelt (v. Seltmann in BeckOK RVG, Einl. VV-RVG 6300; Schmitt in Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., VV-RVG 6300 Rn. 17; Toussaint in: Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 15 RVG Rn. 32 „Freiheitsentziehungsverfahren“).

cc) Die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten im Haftaufhebungsverfahren ist auch nicht durch die Gebühren abgegolten, die das Amtsgericht für das gegen die behördliche Ingewahrsamnahme gerichtete Verfahren festgesetzt hat. Das folgt schon daraus, dass sich dieses Verfahren gegen eine von der gerichtlichen Haftanordnung verschiedene Maßnahme der Freiheitsentziehung (BVerfG, Beschluss vom 16. April 2021 – 2 BvR 2470/17, InfAuslR 2021, 289 Rn. 29) richtet, die einen selbständigen Verfahrensgegenstand bildet (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2013 – V ZB 224/12, juris Rn. 13). Dieses Verfahren stellt daher ebenfalls eine eigene Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG dar…..“

M.E. so zutreffend. Allerdings habe ich Probleme mit dem Satz: „Da es sich mithin um zwei Angelegenheiten handele, gelte die für das Anordnungsverfahren zugunsten des Rechtsanwalts K. festgesetzte Gebühr nach VV-RVG Nr. 6300 nicht die Tätigkeit des Rechtsanwalts F. im Aufhebungsverfahren ab.“  „Zwei Angelegenheiten“ – ok, aber warum die an Rechtsanwalt K. gezahlten Gebühren die Tätigkeit von Rechtsanwalt F. abdecken sollen, erschließt sich mir nicht.

Rechtsänderung während des Rechtsmittelverfahrens, oder: Es gilt dann ggf. neues Recht

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Und im zweiten Posting dann ein (kleiner) Beschluss des AG Korbach, der aber für den Verteidiger positive Auswirkungen hat(te). Das AG sagt zu Berufungs- und Revisionsverfahren im AG Korbach, Beschl. v. 09.01.2023 – 41 Ls – 4750 Js 20444/19:

Bei Berufungs- und Revisionsverfahren handelt es sich gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 17 Nr. 1 RVG. Gem. § 60 Abs. 1 Satz 3 RVG ist daher bei einer Rechtsänderung im laufenden Verfahren ggf. für die Abrechnung des erstinstanzlichen Verfahrens für die Vergütung altes Recht anzuwenden, gem. § 60 Abs. 1 Satz 4 RVG für das Berufungs- und Revisionsverfahren hingegen neues Recht.

Ergebnis: Für das Rechtsmittelverfahren gelten dann die erhöhten Gebührensätze des zum 01.01.2021 geänderten RVG.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Pflicht zur Zwischenabrechnung – hat die ARAG Recht?

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Mit der Antwort auf meine Frage vomn letzten Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Pflicht zur Zwischenabrechnung – hat die ARAG Recht?, habe ich mich auch erst ein wenig schwer getan. Ist ja an sich auch Zivilrecht und das kann ich nicht mehr so richtig.  Der Ansatz in meinen Überlegungen war, dass es zwar zutreffend ist, dass es sich nach § 17 Nr. 10a RVG nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG um verschiedene Angelegenheiten handelt, aber: Die eine Angelegenheit – „gerichtliches Verfahren“ – läuft ja noch. Ganz wohl war mir dabei aber nicht, denn mit der Überlegung wäre man zurückgekehrt zur (falschen) Auffassung des BGH, der für den Rechtszustand vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG von einer einheitlichen Sicht des Verfahrens ausgegangen ist.

Und in solchen Situationen ist es immer gut, wenn man jemanden fragen kann. Und das habe ich dann auch getan und habe mich bei N. Schneider rückversichert. Und von dem kam dann das, was ich befürchtet hatte:

„…. die ARAG hat leider Recht. Siehe 

  1. Mit Fälligkeit der Vergütung des Rechtsanwalts gem. § 8 Abs. 1 RVG kann ein Vorschuss nach § 9 RVG nicht mehr verlangt werden, vielmehr muss der Rechtsanwalt nach § 10 RVG abrechnen.
  2. Wenn nach Abschluss eines Mandats nur eine Vorschussrechnung vorliegt, genügt es für die Begründetheit einer Vergütungsklage des Rechtsanwalts nicht, diese im Prozess zur Berechnung nach § 10 RVG zu erklären.

AG Berlin-Lichtenberg, Urt. v. 1.3.2013 – 114 C 138/11^

Man muss mit der Klage auf Freistellung von einer Vorschussanforderung schnell sein. Das neue System des § 17 Nr. 10a und 11 RVG macht das allerdings schwieriger.“

Und fällig ist der „erste Teil“ nun mal. Das steht auch so im RVG, Kommentar. Nun man kann nicht immer Recht haben/bekommen. Der Kollege hat es dann auch hingenommen und – wie er ja auch hier in einem Kommentar mitgetielt hat – die Klage zurückgenommen.

Dreimal Pech für die Frau Bezirksrevisorin mit der Dokumentenpauschale

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Und dann habe ich vor dem RVG-Rätsel noch einen interessanten Beschluss des OLG Frankfurt am Main. Interessant in doppelter Hinsicht. Einmal, weil es sich – so weit ich den Überblick habe – um die erste gerichtliche Entscheidung zu einer Frage handelt, die sich aus Änderungen aus dem 2. KostRMoG ergeben hat. Zum anderen aber auch deshalb „interessant“, weil die h.M. in der Literatur auf die Frage eine einhellige Antort gegeben hat, die aber mal wieder einem Bezirksrevisor nicht gepasst hat. Und der hat dann das Verfahren   durch dei Gerichtsinstanzen gejagt, die ihm alle bescheinigt haben, dass er nicht Recht hat. Zuletzt das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.06.2015 – 2 Ws 10/15.

Es stellte sich folgende (Abrechnungs)Problematik: Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Verurteilten. Gestritten wird im Kostenfestsetzungsverfahren noch um die Festsetzung von Kopierkosten. Der Pflichtverteidiger hat für das Ermittlungsverfahren und das gerichtliche Verfahren die Erstattung von Auslagen wie folgt beantragt:
Kopierkosten vorbereitendes Verfahren Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG
72 Seiten (50 x 0,50 €; 22 x 0,15 €)                                                        28,30 €
Kopierkosten gerichtliches Verfahren Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG
51 Seiten (50 x 0,50 €; 1 x 0,15 €)                                                         25,15 €

Die Staatskasse/der Bezirksrevisor war der Ansicht, dass die Kopien für das Ermittlungsverfahren und das Hauptverfahren einheitlich zu zählen und zu berechnen seien. Deshalb seien nur für die ersten 50 Kopien des Ermittlungs- und Hauptverfahrens 0,50 €/Kopie anzusetzen, für die übrigen 73 Kopien jeweils 0,15 €.

Die Frage – wie gesagt von allen drei Instanzen – wird im OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.06.2015 – 2 Ws 10/15 – im Sinne des Pflichtverteidigers entschieden:

„b) Die Auslagenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV-RVG ist im Lichte der gesetzlichen Regelung in § 17 Nr. 10 RVG, der durch das am 1. August 2013 in Kraft getretene 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (vgl. zur alten Rechtslage noch BGH NJW 2013, 1610 m. w. N.) neu eingeführt wurde, auszulegen. In § 17 Nr. 10 RVG ist geregelt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten darstellen. Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber die Frage der „verschiedenen Angelegenheiten“ in Bezug auf das Gebührenrecht entschieden und dabei auch die Auswirkungen auf die Auslagentatbestände („in erster Linie […] auf die in jeder Angelegenheit entstehende Postlauslagenpauschale“) im Blick gehabt (BT-Drucksache 17/11741, S. 267). Gestützt wird diese Auslegung von Nr. 7000 Nr. 1 VV¬RVG durch deren Anmerkung 1, wonach die Höhe der Dokumentenpauschale (nur) in derselben Angelegenheit einheitlich zu berechnen ist, mithin bei „verschiedenen Angelegenheiten“ — so nun ausdrücklich § 17 Nr. 10 RVG — nicht einheitlich, sondern getrennt zu berechnen ist.

Diese Auslegung von Nr. 7000 Nr. 1 VV-RVG unter Berücksichtigung von § 17 Nr. 10 RVG hat zur Folge, dass die Dokumentenpauschale sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht werden kann. Dies führt dazu, dass die Reduzierung der Vergütung ab der 50. Kopie für das Ermittlungsverfahren und das erstinstanzliche Verfahren jeweils erst ab der 50. Kopie anfällt und der Verteidiger im Ermittlungsverfahren und im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren jeweils für die ersten 50 Seiten die volle Dokumentenpauschale berechnen darf (ebenso Rohn, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage, Rdnr. 84; BeckOK RVG, 27. Ed., v. Seltmann § 17 RVG Rdnr. 21 in Verbindung mit Sommerfeld/Sommerfeldt, W 7000 RVG, Rdnr. 15; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, § 17 RVG Rdnr. 127; Pankatz, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage, § 17 RVG Rdnr. 47; Burhoff, StraFo 2013, 411; ders., RVG-Report 2014, 290; Schneider, NJW 2013, 3768, a. A. noch zur alten Rechtslage LG Zweibrücken, BeckRS 2012, 17846.).“

Mich wundert es mal wieder, warum es drei Gerichtssinstanzen braucht, bis die Bezirksrevisorin es dann hoffentlich begriffen/eingesehen hat.