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Verjährung des Kostenanspruchs, oder: Lang, lang ist es her

Und als zweite „Friday for money“ 🙂 – Entscheidung dann noch ein BGH-Beschluss, und zwar der BGH, Beschl. v. 06.08.2019 – 4 StR 315/13. In ihm geht es auch um einen Kostenansatz.

Der BGH hat mit Beschluss vom 12.09.2013 die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des LG Aachen als unbegründet verworfen. Vom Ansatz der Kosten hatte die Kostenbeamtin des BGH gemäß § 10 KostVfg. in der Folge zunächst abgesehen. Nachdem die JVA – der Angeklagte war also wohl in Strafhaft – mitgeteilt hatte, der Verurteilte verfüge über pfändbares Eigengeld, brachte die Kostenbeamtin die Kosten für das Revisions- und das Entschädigungsverfahren mit der dann angefochtenen Kostenrechnung in Ansatz.

Dagegen hat der Verurteilte geltend macht, die Forderungen seien bereits verjährt. Und er hatte damit Erfolg:

„2. Die Erinnerung des Verurteilten hat Erfolg. Der Anspruch auf Zahlung der im Revisionsverfahren entstandenen Kosten ist verjährt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GKG).

…..

c) Die Erinnerung des Verurteilten ist begründet. Dem Ansatz der im Revisionsverfahren entstandenen Kosten steht die Verjährung des Zahlungsanspruchs entgegen, die auf die ausdrücklich erhobene Einrede des Verurteilten zu berücksichtigen war (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 GKG). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG verjähren Ansprüche auf Zahlung von Kosten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten beendet ist. Die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Zahlung der Kosten, die in dem im September 2013 rechtskräftig beendeten Revisionsverfahren entstanden, endete danach mit Ablauf des 31. Dezember 2017. Umstände, die gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GKG in Verbindung mit §§ 203 ff. BGB bzw. nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GKG zur Hemmung oder zum Neubeginn der Verjährung geführt hätten, sind nicht gegeben. Vielmehr sah die Kostenbeamtin in zutreffender Anwendung des § 10 KostVfg. bis zum Erlass der angefochtenen Kostenrechnung vom Ansatz der Kosten ab.“

Vorsicht beim Pauschgebührantrag (nur) ans LG, oder: Verjährung kann drohen!!!

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Die zweite „Pauschvergütungs-Entscheidung ist dann nicht so schön. Das OLG Braunschweig hat nämlich im OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.04.2019 – 1 ARs 5/19 – den Pauschvergütungsantrag eines Pflichtverteidigers wegen Verjährung abgelehnt. Der Pflichtverteidiger hatte den Antrag beim LG und nicht beim OLG eingereich. Das hat – so das OLG – die Verjährung nicht unterbrochen/gehemmt:

„Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG liegen nicht vor. Der Antrag des Pflichtverteidigers ist abzulehnen. Die Bezirksrevisorin, die das Land Niedersachsen im gerichtlichen Verfahren vertritt (VII Nr. 1 des Gem. RdErl. d. StK u. sämtlicher Min. vom 12.07.2012 = VORIS 20120), durfte die Zahlung wegen Verjährung verweigern (§ 214 BGB).

Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr verjährt gemäß § 195 BGB in drei Jahren (KG, Beschluss vom 15.04.2015, 1 Ars 22/14 = NStZ-RR 2015, 296). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das setzt grundsätzlich – so auch bei der Pauschgebühr gemäß § 51 RVG – die Fälligkeit der Forderung voraus (KG, a.a.O.). Die Fälligkeit tritt beim Pauschgebührenanspruch mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ein (OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. April 2016, 1 ARs 9/16, juris, Rn. 11; KG, a.a.O., jeweils m.w.N.). Vorliegend endete die Verjährungsfrist mithin am 31. Dezember 2018.

Der Antrag des Pflichtverteidigers ist jedoch erst nach diesem Datum, nämlich am 11. Februar 2019, und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist bei dem Oberlandesgericht Braunschweig eingegangen. Dass der Antrag schon am 28. Dezember 2018 bei dem Landgericht Göttingen angebracht wurde, hemmte die Verjährung nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss der Einzelrichterin vom 24.10.2017, 1 ARs 29/17, nicht veröffentlicht) wird die Verjährung nur durch den Eingang des Antrags bei dem gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 RVG für die Entscheidung zuständigen Oberlandesgericht gehemmt (so auch Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., § 51 Rn. 91).

Es ist zwar regelmäßig sinnvoll, den Antrag unbeschadet der Entscheidungszuständigkeit des Oberlandesgerichts über das erstinstanzliche Gericht anzubringen, da dieses dann – wie hier – über das Verfahren berichten und sowohl zum besonderen Umfang als auch zur besonderen Schwierigkeiten des Verfahrens Stellung nehmen kann. Diese Vorgehensweise verbietet sich aber, wenn der Antrag so spät eingereicht wird, dass mit einem fristwahrenden Eingang beim Oberlandesgericht nicht mehr gerechnet werden kann. Hier war eine rechtzeitige Weiterleitung an das Oberlandesgericht im normalen Geschäftsgang nicht mehr möglich, weil der Antrag erst Freitag, den 28. Dezember 2018, angebracht wurde, so dass sich bis zum Ablauf des Kalenderjahres nur noch das folgende Wochenende (29. und 30. Dezember) sowie der Silvestertag (31. Dezember) anschlossen.

Ein anderes Ergebnis folgt im Gegensatz zur Ansicht des Antragstellers nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach einzelne Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB unabhängig von der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts eingreifen. So ist es zwar anerkannt, dass beispielsweise die Erhebung einer Klage bei einem unzuständigen Gericht die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmt (BGH, Urteil vom 09.12.2010, III ZR 56/10, juris, Rn. 13; BGH, Urteil vom 19.01.1994, XII ZR 190/92, juris, Rn. 9). Diese Rechtsprechung knüpft die Wirkung der Verjährungshemmung jedoch nicht nur daran, dass der Berechtigte seinen Willen zur Durchsetzung seines Rechts zu erkennen gibt. Sie betont vielmehr auch, dass dem Verpflichteten mit der Zustellung die Inanspruchnahme verdeutlicht wird (BGH, Urteil vom 19.01.1994, XII ZR 190/92, juris, Rn. 9 m. w. N.). Sofern die notwendige Information des Schuldners über die Geltendmachung der Forderung noch innerhalb der Verjährungsfrist (sei es durch Zustellung der Klage oder eines sonstigen Antrags i. S. d. § 204 Abs. 1 BGB) erfolgt, ist es deshalb nachvollziehbar, die Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 BGB unabhängig von der Zuständigkeit des Gerichts eintreten zu lassen. Entscheidend ist in diesen Fällen, dass entweder das Prozessrechtsverhältnis schon innerhalb der Verjährungsfrist begründet wird oder zumindest durch Vorschriften (vgl. hierzu beispielsweise § 167 ZPO oder § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) gesichert ist, dass es zur Verjährungshemmung nur kommt, wenn der Schuldner zeitnah nach Ablauf der Verjährungsfrist Kenntnis von der Forderung des Gläubigers erlangt.

Solche Regelungen fehlen beim Antrag gemäß § 51 RVG, weshalb die Situation nicht vergleichbar ist. Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr ist nicht unverzüglich zuzustellen, wie das § 271 ZPO – auch für die beim unzuständigen Gericht angebrachte – Klage fordert, und es gibt auch keine gesetzliche Vorschrift, die die unverzügliche Bekanntgabe des Pauschgebührenantrags an die Staatskasse verlangt. § 51 Abs. 2 S. 3 setzt demgegenüber nur voraus, dass die Staatskasse irgendwann während des Verfahrens zu hören ist. Von solchen Zufälligkeiten darf der Eintritt der Verjährung nicht abhängen. Würde man anders entscheiden, könnte die Verjährung durch Antragsstellung bei jedem entlegenen Gericht herbeigeführt werden.

Dem steht ferner die vom Antragsteller zitierte Vorschrift des § 11 Abs. 7 RVG nicht entgegen. Die Regelung des § 11 Abs. 7 RVG ist auf den Antrag nach § 51 RVG bereits nicht anwendbar, weil sie sich auf die Festsetzung einer schon nach § 42 RVG festgesetzten Pauschgebühr gegen den Mandanten bezieht und dazu dient, dem Rechtsanwalt einen Vollstreckungstitel gegen diesen zu verschaffen (Bischof in Bischof/Jungbauer, RVG, 8. Aufl., § 11 Rn. 31). Dass auch ein Antrag beim unzuständigen Gericht die Verjährung hemmen kann, lässt sich § 11 Abs. 7 RVG ohnehin nicht entnehmen.

Auf Vertrauensschutz kann sich der Antragsteller nicht berufen. Die Bezirksrevisorin, die die Interessen der Staatskasse vertritt, hat schon keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt. Dass sie in anderer Sache (1 ARs 1/19) von der Erhebung der Einrede abgesehen hat, bindet sie nicht für das aktuelle Verfahren.

Es bestand schließlich kein Anlass, die Sache zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S. 2 RVG auf den Senat zu übertragen. Die Rechtsauffassung, wonach die Verjährung nur durch Antragstellung beim zuständigen Gericht gehemmt wird, entspricht dem Beschluss der zweiten beim Oberlandesgericht Braunschweig für Verfahren gemäß § 51 RVG zuständigen Einzelrichterin vom 24.10.2017 (1 ARs 29/17, nicht veröffentlicht). Abweichende Rechtsprechung zu dieser Problematik ist nicht veröffentlicht. Der Senatsbeschluss vom 25. April 2016 in der Sache 1 ARs 9/16 befasst sich allein mit der Fälligkeit der Pauschgebühr und wirft das Problem, ob die Verjährung durch Antragstellung beim unzuständigen Gericht gehemmt wird, nicht auf. Es war daher konsequent, dass die zuständige Einzelrichterin die Sache 1 ARs 29/17 ebenfalls nicht auf den Senat übertragen hat.“

Tja, das war es dann, denn die Entscheidung ist so richtig. Daraus kann man nur die Lehre ziehen: Pauschvergütungsantrag beim LG nur, wenn nicht die Verjährung droht. Denn sonst ist das Risiko zu groß.

OWi I: Keine Vollmacht vorlegen, oder: Dieser Beschluss zeigt/beweist noch einmal, warum!

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Wer kennt ihn nicht den Satz: Keine Vollmacht vorlegen. Der AG Kleve, Beschl. v. 14.02.2019 – 11 OWi-309 Js 481/18-217/18 – beweist, warum dieser Satz gilt bzw. richtig ist.

Das Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen ist nämlich wegen Verjährung eingestellt worden:

„Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ist ausgeschlossen, weil am 04.09.2018 Verfolgungsverjährung eingetreten ist, welche nicht durch Zustellung des Bußgeldbescheids unterbrochen wurde.

Die letzte die Verfolgungsverjährung unterbrechende Handlung ist das an den Betroffenen gerichtete Anhörungsschreiben vom 04.06.2018.

Innerhalb der damit erneut in Gang gesetzten Verjährungsfrist von 3 Monaten ist keine weitere verjährungsunterbrechende Handlung vorgenommen worden.

Eine Zustellung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen selbst war nicht erfolgreich. Alleine der Erlass des Bußgeldbescheids ist nicht verjährungsunterbrechend, soweit nicht innerhalb von 2 Wochen zugestellt wird (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG).

Die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger hat ebenfalls nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt. Insoweit ist keine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides erfolgt. An den gewählten Verteidiger kann nur dann wirksam zugestellt werden, wenn sich gemäß § 51 Abs: •3 Satz 1 OWiG eine Urkunde über seine Bevollmächtigung bei den Akten befindet. Diese Voraussetzung war nicht gegeben. Eine Vollmacht ist bis heute nicht zu den Akten gelangt.

Dem Verteidiger war auch keine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden. Hierfür lassen sich aus der Akte keine Anhaltspunkte entnehmen. Der Schriftsatz des Verteidigers, mit dem dieser sich bestellt hat, enthält eine Vertretungsanzeige. Der Anwalt versichert, zur Vertretung seiner Mandantschaft bevollmächtigt zu sein. Nicht hingegen kann aus dem Halbsatz „…, eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert“ geschlossen werden, dem Verteidiger sei eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden. Der Halbsatz bezieht sich eindeutig auf die Vertretungsanzeige. Auch enthält der Bestellungsschriftsatz nicht die sonst übliche Bitte, Korrespondenz ausschließlich über den Verteidiger zu führen, was möglicherweise als Anzeige einer rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht ausreichen könnte, hier aber auch nicht entschieden werden braucht.

Das Einspruchsschreiben ist nicht anders formuliert als der Bestellungsschriftsatz, so dass sich hieraus keine anderweitige Beurteilung ergibt.

Die Verjährung ist daher durch den Bußgeldbescheid nicht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden.

Dass Verjährung von dem Verteidiger nicht „gerügt“ wurde, steht dem entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht entgegen. Die Verfolgungsverjährung ist durch das Gericht von Amts wegen zu beachten.“

Alles richtig gemacht vom Verteidiger. Na ja, fast alles, denn die ordnungsgemäße Versicherung einer anwaltlichen Bevollmächtigung ist nicht gatnz ungefährlich, wie man sieht.

„Niedlich“ der Rettungsversuch der Staatsanwaltschaft. Hallo. Wir befinden uns im Bußgeld- und nicht in einem Zivilverfahren.

Beweisantrag III: Verjährung?, oder: Zur Feststellung reicht der Freibeweis

entnommen openclipart.org

Und die dritte Entscheidung ist der OLG Bamberg, Beschl. v. 07.01.2019 – 3 SsOWi 1710/18. Er behandelt die Ablehnung eines „Beweisantrages“, der auf die Feststellung eines Verfahrenshindernissesn nämlich der Verjährung, gerichtet war. Dazu das OLG Bamberg:

„1. Bei dem Antrag auf Vernehmung der Zeugin handelte es sich nicht um einen Beweisantrag, der den Vorschriften der §§ 244 III StPO, 77 OWiG unterlag, weil er die Feststellung eines Verfahrenshindernisses und nicht unmittelbar den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch betraf. Da es um die Frage des Vorliegens des Verjährungseintritts und damit eines Verfahrenshindernisses ging, mussten die entsprechenden Tatsachen nicht im Strengbeweisverfahren geklärt werden, sondern konnten freibeweislich festgestellt werden (vgl. nur BGH, Beschl. v. 17.07.2018 – 5 StR 250/18 [bei juris]; 06.05.2010 – 4 StR 98/10 = StraFo 2010, 255 = NStZ 2010, 504). Die Klärung, ob die Verjährung unterbrochen wurde, konnte das AG durch Verlesung des Anhörungsprotokolls vornehmen, so dass auch die erhobene Aufklärungsrüge nicht durchgreift, weil sich das Tatgericht im Hinblick auf den eindeutigen Inhalt dieser Urkunde nicht zu weiterer Aufklärung gedrängt sehen musste.

2. Die durch den Senat von Amts wegen freibeweislich an Hand des Akteninhalts vorzunehmende Prüfung der Verjährung (vgl. nur BGH, Beschl. v. 18.11.2015 – 4 StR 76/15 = NStZ-RR 2016, 42 = wistra 2016, 109 = BGHR StGB § 78a Satz 1 Betrug 4 = StV 2017, 85) führt zu keinem anderen Ergebnis. Unter Zugrundelegung des Anhörungsprotokolls besteht kein Zweifel daran, dass die Anhörung des Betr. am 10.09.2017 mit der Folge der Verjährungsunterbrechung nach § 33 I 1 Nr. 1 OWiG durchgeführt wurde.“

OWi I: Nachträgliche Heilung der Zustellung, oder: Vorsicht mit der Vollmacht

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Heute ist an vielen Orten wahrscheinlich der letzte Tag, an dem vor Weihnachten noch „richtig“ gearbeitet wird. So auch hier im Blog mit drei Entscheiudungen, bevor es dann morgen noch Gebührenrecht gibt, dem am Samstag der „Kessel Buntes“ folgt. Und ich eröffne heute mit dem KG, Beschl. v. 08.11.2018 – 3 Ws (B) 249/18 – zur Frage der Heilung eines Zustellungsmangels durch nachträgliche Ausstellung der Verteidigervollmacht.

Der Verteidiger hattemit der Rechtsbeschwerde u.a. das Verfahrenshindernis der Verjährung geltend gemacht. Dazu hatte er vorgetragen, dass er sei zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheids vom 22.01.2018 nicht Verteidiger und mithin nicht zustellungsbevollmächtigt gewesen sei. Die mit Schriftsatz vom 07.12.2017 zu den Akten gereichte Vollmacht habe sich lediglich auf die beantragte Akteneinsicht bezogen. Die Entgegennahme von Zustellungen sei hierin jedoch ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die dennoch am 25.01.2018 mittels Einwurf in den Kanzleibriefkasten erfolgte Zustellung sei daher unwirksam. Empfangsberechtigt sei er vielmehr erst mit der am 28.01.2018 erteilten Verteidigervollmacht geworden. Die Verjährung sei mithin nicht wirksam durch Erlass des Bußgeldbescheids unterbrochen worden.

Das KG hat das . mit dem AG Tiergarten – anders gesehen:

„b) Die auf die ordnungsgemäß erhobene Sachrüge von Amts wegen veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass die festgestellte Ordnungswidrigkeit – entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers – nicht verjährt ist.

(1) Gemäß § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung für Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei Monaten, danach sechs Monate.

Die Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG der am 8. November 2017 begangenen Ordnungswidrigkeit ist zunächst durch die Übermittlung des Anhörungsbogens am 28. November 2017 an den Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden.

(2) In der Folge ist die Verjährung durch den Erlass des Bußgeldbescheids am 22. Januar 2018 gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden. Die Zustellung des Bußgeldbescheids ist spätestens am 28. Januar 2018 gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 2 OWiG i.V.m. § 7 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung i.V.m. § 8 VwZG fingiert. Der Bußgeldbescheid ist mithin innerhalb von zwei Wochen nach dessen Erlass zugestellt. Zugleich wurde die Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG auf sechs Monate verlängert.

Der Senat kann es im Ergebnis offen lassen, ob Rechtsanwalt K. zum Zeitpunkt der Zustellung aus den im amtsgerichtlichen Urteil aufgeführten Gründen nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG ermächtigt war, Zustellungen entgegenzunehmen oder zumindest – wovon die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme ausgeht – aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht, die neben der gesetzlichen nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG bestehen kann, zustellungsbevollmächtigt war (vgl. hierzu KG NStZ-RR 2016, 289). Denn jedenfalls wäre ein etwaiger Zustellungsmangel geheilt.

Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG gelten im Zustellungsverfahren die landesrechtlichen Vorschriften zur Zustellung. Nach § 7 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung gilt das Verwaltungszustellungsgesetz. Dementsprechend findet § 8 VwZG Anwendung, nach dem ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung von zwingenden Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt gilt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat.

Das Rechtsbeschwerdevorbringen und damit eine (zunächst) fehlende Empfangsvollmacht des Rechtsanwalts K. unterstellt, hätte der Bußgeldbescheid dem Betroffenen zugestellt werden müssen. Wegen dieses Verstoßes gegen zwingende Zustellungsvorschriften ist der Anwendungsbereich des § 8 VwZG eröffnet.

Die Heilung ist dadurch eingetreten, dass der Beschwerdeführer dem Rechtsanwalt am 28. Januar 2018 eine Verteidigervollmacht erteilt hat und seit diesem Tag gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG kraft Gesetzes empfangsberechtigt war.

Ohne Belang für die Heilung nach § 8 VwZG ist hierbei, dass dem Rechtsanwalt der Bußgeldbescheid zugegangen ist, bevor er empfangsberechtigt wurde. Nach allgemeiner Auffassung erfordern es nämlich Sinn und Zweck der Heilungsvorschriften diese auch dann anzuwenden, wenn ein Rechtsanwalt erst durch spätere Bevollmächtigung zum Verfahrensbeteiligten wird und er bereits vorher in den Besitz eines zuzustellenden Schriftstücks gelangt ist. Hat er zu diesem Zeitpunkt das Schriftstück noch im Besitz, dann hat er es mit der Bevollmächtigung gemäß § 8 VwZG erhalten, so dass es als zugestellt gilt (BVerwG NVwZ 1999, 178; OLG Düsseldorf NJW 2008, 2727).

Nach dem Rechtsbeschwerdevorbringen ist der Bußgeldbescheid – wie auch aus der Postzustellungsurkunde ersichtlich – dem Rechtsanwalt am 25. Januar 2018 tatsächlich zugegangen. Da bereits drei Tage nach Zustellung die Verteidigervollmacht erteilt wurde, ist – auch mangels gegenteiligen Anhaltspunkte – davon auszugehen, dass der Rechtanwalt zu diesem Zeitpunkt noch immer im Besitz des Bußgeldbescheids war. Der Betroffene hat nach der Bußgeldakte eine Ablichtung des Bescheids erhalten, so dass auch kein erkennbares Bedürfnis für eine eventuelle vorherige Weitergabe des Bescheids an den Betroffenen durch den Rechtsanwalt besteht. Im Übrigen wäre auch in diesem Fall eine Heilung nach § 8 VwZG zu prüfen (vgl. hierzu OLG Hamm DAR 2017, 642).

Die Bußgeldbehörde hatte auch den von den Heilungsvorschriften vorausgesetzten Zustellungswillen.

Dieser erfordert, dass die Behörde eine förmliche Zustellung tatsächlich vornehmen wollte, was schon immer dann anzunehmen ist, wenn die Behörde – wie hier – das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger zuleitet. Es kommt nicht darauf an, dass der behördliche Wille auch auf die Einhaltung der für die Zustellungsart erforderlichen Förmlichkeiten gerichtet ist (BVerwG a.a.O; Smollich in Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1. Aufl. 2014 VwZG § 8 Rn.2).

Mithin ist der Verstoß gegen die Zustellungsvorschriften geheilt worden.“

Also wie immer in Vollmachtsfragen: Vorsicht!!