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Vergütungsfestsetzung gegen den Mandanten, oder: Nur gebührenrechtliche Einwendungen sind erlaubt

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Und dann als zweite Entscheidung etwas zu § 11 RVG – also Vergütungsfestsetzung gegen den Mandanten.

Die Sache kommt aus dem Zivilrecht. Der antragstellende Rechtsanwalt war Prozessbevollmächtigter der Antragsgegnerin in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Meiningen. Das Verfahren wurde durch Vergleich beendet.

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 23.12.2021 beantragte der Antragsteller die Festsetzung einer Vergütung gegen die Antragsgegnerin. Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten. Sie hat die Verjährungseinrede erhoben und eingewandt, das Mandatsverhältnis sei ein Gefälligkeitsverhältnis gewesen.

Die Rechtspflegerin hat die Vergütungsfestsetzung abgelehnt, da evtl. Vergütungsansprüche verjährt seien. Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Antragstellers hat die Rechtspflegerin dann abgeholfen und die Vergütung des Antragstellers auf insgesamt 3.160,48 EUR festgesetzt. Dagegen wendet sich nunmehr die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.  Zur Begründung hat sie erneut vorgetragen, das Mandatsverhältnis sei ein Gefälligkeitsverhältnis gewesen. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Dort hatte sie im OLG Jena, Beschl. v. 15.04.2024 – 1 W 118/24 – Erfolg:

„2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

Gemäß § 11 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Festsetzung der Vergütung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben.

Bei der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Einwendung, bei dem Mandatsverhältnis habe es sich um ein unentgeltliches Gefälligkeitsverhältnis gehandelt, handelt es sich um eine solche nichtgebührenrechtliche Einwendung (BeckOK RVG/v. Seltmann, 63. Ed. 1.9.2021, RVG § 11 Rn. 67; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 11 Rn. 172). Über die Begründetheit des Einwands ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu entscheiden. Deshalb ist grundsätzlich auch weder eine nähere Substantiierung des Einwandes zu verlangen, noch eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.04.2016 – 1 BvR 1255/14 -, Rn. 3, juris). Eine Vergütungsfestsetzung war daher bereits auf den Einwand hin abzulehnen.

Es liegt auch kein Fall vor, in dem ausnahmsweise trotz des nichtgebührenrechtlichen Einwands eine Vergütungsfestsetzung erfolgen kann, da die Behauptung eines unentgeltlichen Gefälligkeitsverhältnisses gemessen an dem im hiesigen Festsetzungsverfahren anzulegenden Maßstab nicht offensichtlich unbegründet ist (vgl. BVerfG, wie vor). Die Antragsgegnerin hat konkret fassbare Umstände genannt, die nicht bereits von vornherein – ohne materiell-rechtliche Prüfung – als unbeachtlich angesehen werden können. Sie hat vorgetragen, dass sie und ihr Ehemann Rechtsanwälte gewesen aber nicht mehr zur Rechtsanwaltschaft zugelassen seien. Ihr Ehemann und der Antragsteller seien befreundet gewesen. Ihr Ehemann habe den Antragsgegner für das Verfahren um „Postulationsfähigkeits-Leihe“ gebeten. Die gesamte Sachverhaltsaufarbeitung sowie die vollständige Ausformulierung der Klageerwiderung sei ausschließlich durch die Antragstellerin und ihren Ehemann erfolgt. Die Haltlosigkeit der Gefälligkeitsabrede liegt damit ohne nähere Sachprüfung nicht auf der Hand, zumal der Antragsteller auch nicht vorgetragen hat, dass er Hinweise gem. § 49 Abs. 5 BRAO erteilt hat. Zwar schließt ein Verstoß gegen § 49 Abs. 5 BRAO einen Vergütungsanspruch nicht aus. Ein solcher Hinweis hätte aber ggf. eventuellen Fehlvorstellungen der Antragsgegnerin entgegengestanden. Der Einwand eines unentgeltlichen Gefälligkeitsverhältnisses ist auch nicht rechtlich unbeachtlich. Denn § 49b Abs. 1 S. 2 BRAO lässt im Einzelfall etwa mit Blick auf die Person des Auftraggebers einen – wenn auch nachträglichen – Gebührenerlass zu und es wird vertreten, dass – ggf. über § 242 BGB – auch bei Gefälligkeitshandlungen ein Vergütungsanspruch nicht besteht (vgl. AG Kenzingen, Urteil vom 19. Februar 2004 – 1 C 222/03 –, juris; BeckOK RVG/v. Seltmann, 63. Ed. 1.9.2021, RVG § 5 Rn. 1; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 1 Rn. 94; a.A. HK-RVG/Hans-Jochem Mayer, 8. Aufl. 2021, RVG § 1 Rn. 23).

Der Beschluss vom 13.05.2022 war daher aufzuheben und die begehrte Vergütungsfestsetzung abzulehnen. Auf Fragen der Verjährung, an der die Antragsgegnerin wohl auch nicht mehr festhält, kommt es hierfür nicht mehr an. Ob ein Gefälligkeitsverhältnis tatsächlich vorliegt und ob bzw. in welchem Umfang ein solches einem Vergütungsanspruch entgegensteht, ist im Klageverfahren auf Zahlung der Anwaltsvergütung zu prüfen.“

Wenn der Zeugenbeistand wie ein Verteidiger agiert, oder: Dann auch Abrechnung wie ein Verteidiger

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Ich habe hier im Rahmen der Berichterstattung zum RVG ja auch schon zahlreiche Entscheidungen zur Abrechnung der Tätigkeiten des Zeugenbeistands eingestellt. Meist in der letzten Zeit leider falsche, wie z.B. zuletzt den OLG Dresden, Beschl. v. 10.12.2021 – 6 Ws 42/21 – (vgl. dazu Tätigkeit des Zeugenbeistands ist Einzeltätigkeit, oder: Danke BMJV für die Vorlage).

Aber gelegentlich gibt es zu der Problematik ja auch mal Lichtblicke. Und hier habe ich dann einen, nämlich den AG Duisburg-Hamborn, Beschl. v. 12.11.2021 – 14 Ls-293 Js 915/19-23/20. Das hat – so weit man das aus dem Beschluss entnehmen kann – nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG festgesetzt. Und das begründet das AG auch sehr schön:

Zur Frage der Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit als Zeugenbeistand werden mit guten Argumenten und unterschiedlichen Interessen verschiedene Rechtsauffassungen vertreten. Der Gesetzgeber hat es leider versäumt, eine eindeutige Regelung zu treffen. Die einzige im hiesigen Bezirk bekannt gewordene Entscheidung des Landgerichts vom 15.05.2014 (33 QS 208 Js 67/13 – 23/14) lässt die Frage, ob lediglich Nr. 4301 Ziffer 4 W RVG zur Anwendung kommt, weil es um eine Einzeltätigkeit handelt, oder ob der Zeugenbeistand vergleichbar mit einem Verteidiger im Strafverfahren zu vergüten ist, offen. Richtigerweise kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung an. Im vorliegenden Fall ging die Wahrnehmung der Aufgabe des Zeugenbeistandes weit über das übliche Maß hinaus.

Bei den Zeugen handelte es sich um Jugendliche, die im Verdacht standen, an der Straftat beteiligt gewesen zu sein oder an anderen Straftaten, die mit der hier verhandelten Straftat Verbindungen aufwiesen. Die Wahrnehmung der Aufgabe umfasste damit nicht nur rein rechtliche, sondern auch jugenderzieherische Aspekte. Um es deutlich zu sagen, den Zeugen wurde Beistände bestellt, weil das Gericht sich von ihren Aussagen nach Aktenlage wichtige Erkenntnisse erhoffte, die auf andere Weise nicht in die Hauptverhandlung hätten eingeführt werden können. Den Zeugen sollte vermittelt werden, dass sie sich durch eine Aussage, die sie selbst in die Gefahr der Strafverfolgung bringt, auch Vorteile für das eigene Verfahren verschaffen können, weil sie durch Aufklärungsbereitschaft Einsicht und Reue zeigen. Insofern kam die Tätigkeit der Anwältinnen als Zeugenbeistand einer Verteidigertätigkeit im Jugendstrafverfahren gleich, weil sie mit den Jugendlichen die Auswirkung ihres Aussageverhaltens auf das mögliche eigene Strafverfahren gründlich zu erörtern hatten. Hinzu kommt, dass die Rechtsanwältinnen pp. und pp. in der Sache zwei Termine wahrnehmen mussten, weil die Hauptverhandlung wegen eines gestellten Befangenheitsantrag unterbrochen werden musste. Es ist auch nicht richtig, dass die Tätigkeit von Rechtsanwältin pp. für zwei Mandanten in dem Verfahren nur mit einer Erhöhungsgebühr abzugelten ist, weil sie das Mandat für pp. erst übernehmen konnte, nachdem die Vernehmung des Zeugen pp. vollständig abgeschlossen war.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind die durch die Rechtspflegerin festgesetzten Gebühren richtig und angemessen.“

Der Beschluss ist rechtskräftig. Dazu hier der LG Duisburg, Beschl. v. 25.01.2022 – 31 Qs-293 Js 915/19-74/21, 31 Qs 75/21 und 31 Qs 76/21. Mal sehen, ob der Bezirksrevisor das schluckt.

Und das dicke Ende kommt dann noch hinterher, oder: Dolmetscherkosten im Strafverfahren

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In Strafverfahren kommt das dicke Ende für ausländische Angeklagte häufig hinterher, wenn Wortprotokolle aus Telekommunikationsaufzeichnungen übersetzt werden musste. Denn das ist meist zeitintensiv und verursacht hohe Kosten, die dann der verurteilte Angeklagte ggf. zu tragen hat. Die damit zusammenhängenden Fragen haben dann auch im OLG Celle, Beschl. v. 05.11.2021 – 5 StS 2/20 – eine Rolle gespielt.

Gestritten worden ist um die Angemessenheit einer Dolmetschervergütung. Der antragstellende Dolmetscher wurde vom OLG in einem Staatschutzverfahren damit beauftragt, Telefongespräche in kurdischer (?) und türkischer (?) Sprache anhand von Audiodateien aus einer Telekommunikationsüberwachung in die deutsche Sprache zu übersetzen und schriftliche Wortprotokolle anzufertigen. Geltend gemacht worden sind für doe Jahre 2020 und 2021 insgesamt 19.770,184 EUR. In seinem Antrag hatte der Dolmetscher für die im Jahr 2020 erteilten Aufträge 247,36 Gesprächsminuten, für einen Auftrag aus dem Jahr 2021 setzte er 42,35 Gesprächsminuten an. Als Stundensatz machte er für die Aufträge aus 2020 75,00 EUR geltend. Den Mehrwertsteuersatz legte er einheitlich mit 19 % zugrunde.

Das OLG hat zunächst Stellung nehmen müssen zu der Frage, ob der Anspruch ggf. im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG erloschen war, weil der Dolmetscher die Antragsfrist versäumt hatte. Das hat das OLG verneint. Dazu nur der Leitsatz:

Die Verlagerung des Beginns der Erlöschensfrist für den Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG ist auch in Verfahren anzuwenden, in denen der Berechtigte mehrfach in unterschiedlichen Funktionen, etwa als Dolmetscher, Übersetzer und Sprachsachverständiger, herangezogen worden ist.

Zur Höhe führt das OLG dann aus:

„2. Hinsichtlich der Höhe der Vergütung ist zwischen dem Zeitraum vor und nach Inkrafttreten der Änderungen des JVEG am 1. Januar 2021 zu unterscheiden. Denn gemäß § 24 Satz 1 JVEG sind die Vergütung und die Entschädigung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der Auftrag an den Sachverständigen, Dolmetscher oder Übersetzer vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Berechtigte vor diesem Zeitpunkt herangezogen worden ist.

a) Seit dem 1. Januar 2021 erhält der Übersetzer gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 2 JVEG n.F. ein Honorar wie ein Dolmetscher, wenn die Leistung des Übersetzers darin besteht, aus einer Telekommunikationsaufzeichnung ein Wortprotokoll anzufertigen. Das Honorar des Dolmetschers beträgt gemäß der ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderung des § 9 Abs. 5 Satz 1 JVEG für jede Stunde 85 Euro.

Für die nach dem 1. Januar 2021 in Auftrag gegebenen Übersetzungen sind gemäß entsprechender Überprüfung anhand der Senatsakten die insoweit von dem Antragsteller in seiner Aufschlüsselung vom 13. September 2021 zutreffend angesetzten 42,35 Gesprächsminuten zugrunde zu legen. Der von dem Antragsteller veranschlagte Zeitaufwand von 45 Minuten pro Gesprächsminute entspricht dem insoweit anerkannten Maß (OLG Stuttgart aaO; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Februar 2019 – 4 Ws 150/18, juris; Binz in: Binz/Dorndörfer/Zimmermann, JVEG 5. Aufl., § 11 Rn. 24). Er ist zur Überzeugung des Senats vor dem Hintergrund der Schwierigkeit der Übersetzungsaufgabe, insbesondere der stellenweise schlechten Tonqualität und undeutlichen Sprache sowie der Notwendigkeit, zum Verständnis der – in Teilen konspirativ geführten – Gespräche immer wieder verschiedene Gesprächsaufzeichnungen miteinander abzugleichen, nicht überzogen.

Mithin ergibt sich für die im Jahr 2021 beauftragten Übersetzungen folgende Berechnung:  42,35 x 45 Minuten = 1. 905,75 Minuten = 31,76 Stunden x 85 Euro = 2.699,60 Euro.

b) Für die vor Inkrafttreten der Neuregelung erteilten Aufträge berechnet sich die Vergütung hingegen nach einem Stundensatz von 70 Euro.

Grundlage der Berechnung ist insoweit § 9 Abs. 1 JVEG. Der Senat bewertet die Leistung des Antragstellers aufgrund ihrer strafprozessualen Einordnung und mit Blick auf die bereits oben dargelegten besonderen Anforderungen als Sachverständigentätigkeit. Gemäß § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige für jede Stunde ein Honorar, dessen Höhe sich nach der Zuordnung zu einer bestimmten Honorargruppe richtet. Der Senat ordnet das Anfertigen von Wortprotokollen aus Telekommunikationsaufzeichnungen, das nicht einem der in Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG aufgeführten Sachgebiete unterfällt, der Honorargruppe 2 mit einem Stundensatz von 70 Euro zu (ebenso OLG Stuttgart aaO; KG, Beschluss vomApril 2014 – 1 Ws 65/13, juris). Gestützt wird diese Einordnung auch dadurch, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des JVEG für diese Übersetzerleistung das Honorar eines Dolmetschers vorsieht, welches nach § 9 Abs. 3 Satz 1 JVEG in der bis zumDezember 2020 gültigen Fassung für jede Stunde 70 Euro betrug. Der vom Antragsteller insoweit angesetzte erhöhte Stundensatz von 75 Euro ist nur bei Heranziehung für simultanes Dolmetschen veranlasst. Die Anfertigung von Wortprotokollen aus Audiodateien zeichnet sich im Gegensatz zum simultanen Dolmetschen aber dadurch aus, dass das schriftlich fixierte Ergebnis der Übersetzung wiederholt korrigiert werden kann (vgl. OLG Stuttgart aaO).

Für die bis zum 31. Dezember 2020 in Auftrag gegebenen Übersetzungen sind gemäß entsprechender Überprüfung anhand der Senatsakten die insoweit von dem Antragsteller in seiner Aufschlüsselung vom 13. September 2021 zutreffend angesetzten 247,36 Gesprächsminuten zugrunde zu legen. Der von dem Antragsteller veranschlagte Zeitaufwand von 45 Minuten ist auch hier nicht zu beanstanden.

Mithin ergibt sich für die im Jahr 2021 beauftragten Übersetzungen folgende Berechnung:   247,36 x 45 Minuten = 11.131,20 Minuten = 185,52 Stunden x 70 Euro = 12.986,40 Euro.“

Die Umsatzsteuer hat das OLG dann gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG  auf die gesamte Vergütung mit dem Steuersatz von 19 Prozent festgesetzt. Dabei hat es auf den Zeitpunkt der Vollendung der Leistungen abgestellt, der hier am 04.02.2ß21 gelegen hatte.

Kopien der digitalisierten Akte, oder: Leider wie gehabt.

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Und als zweites Posting dann eine weitere Entscheidungen, die mit der Erstattung von Kosten der Akteneinsicht pp. zu tun hat.

Im OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.04.2018 -2 Ws 1/18 – geht es mal wieder um die Festsetzung der Vergütung betreffend die Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. lit a in den Fällen, in denen dem Verteidiger die Verfahrensakte komplett in digitalisierter Form zur Verfügung gestellt worden ist. Das OLG Frankfurt sagt/meint (mal wieder): In der Regel wird nicht erstattet.

Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Wird dem Verteidiger die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen, sind Kopierkosten nach Nr. 7000 Nr. 1 lit. a VV RVG vom Grundsatz her keine erforderlichen Auslagen im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG.
  2. Dieser Grundsatz kann durch entsprechenden Sachvortrag durchbrochen werden, da derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur ausschließlichen Verwendung einer elektronischen bzw. digitalisierten Verfahrensakte besteht.
  3. Aus dem Regelausnahmeprinzip folgt (insoweit Fortführung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. März 2012, 2 Ws 49/12), dass den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast trifft, warum dies „zusätzlich“ zu der zur Verfügung gestellten digitalisierten Akte, die eine sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglicht, notwendig war, wenn er diese zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt.

Ist leider schwer und für mich nicht nachvollziehbar, in den Fällen die Festsetztung der Dokumentenpauschale zu erreichen. Die OLG lehnen es fast einheitlich ab. Ggf. ändert sich da aber etwas durch ein hoffentlich kommendes 3. KostRMoG.

„Ich versichere alles, aber nur, wenn ich muss…“, oder: Wenn der Bezirksrevisor nichts zu tun hat?

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Freitags ist die Entscheidung, welche Urteile/Beschlüsse ich hier vorstellen soll, immer einfach. Denn Freitag ist „Gebührentag“ und da gibt es – nach Möglichkeit – nur Entscheidungen mit gebührenrechtlichem Einschlag. Daher die Bitte: Bitte „Gebührenentscheidungen“ schicken. Ich kann sie hier, aber auch im Kommentar gut gebrauchen.

Heute eröffne ich dann mit dem AG Braunschweig, Beschl. v. 01.02.2018 – 6 Ds 558 Js 32017/16. Für mich mal wieder ein Beispiel, womit Bezirksrevisoren teilweise ihre Zeit vertun und den AG, die ja eh schon über knappe Ressourcen klagen, die Zeit stehlen.

In der Sache geht es um die Abrechnung einer Pflichtverteidigung. Der Kollege hat nahc Beendigung des Verfahrens seinen Vergütungsfestsettzungsantrag (§ 55 RVG) gestellt und „schön brav“ erklärt, dass die von ihm vertretene Person nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei, er tätig gewesen sei, als die von ihm vertretene Person inhaftiert gewesen sei und dass er Vorschüsse in Höhe von 0,00 € erhalten habe. DerUrkundsbeamte beim AG hat offenbar nichts anderes zu tun und schreibt dem Kollegen:

„In pp. haben Sie mit Schreiben vom 13.11.2017 Ihre Pflichtverteidigergebühren geltend gemacht.

Gemäß § 58 Abs. 3 RVG werden Sie aufgefordert mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wann und in welcher Höhe Vorschüsse oder Zahlungen Dritter an Sie geleistet worden sind.

Ferner müssten Sie versichern, dass Sie spätere Zahlungen seitens des Mandanten oder Dritten unverzüglich anzeigen werden (§ 55 Abs. 5 S. 2 RVG).“

Der Kollege schreibt zurück – sinngemäß etwa: Ich versichere alles, aber nur, wenn ich muss und das, was du willst, muss ich nicht versichern. Die Sache landet dann bei der Bezirksrevisorin, die offenbar auch nichts zu tun hat. Sie schreibt:

„…. dass gemäß § 55 Abs. 5 RVG im Rahmen eines Antrages auf Vergütungsfestsetzung als Pflichtverteidiger folgende Angaben zu machen seien:

– ob und welche Zahlung der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat,

–  bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben,

– Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.

Weiterhin führt sie aus: „Diese Angaben sind auch in dem amtlichen Vordruck erhalten, der für den Antrag auf Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung genutzt werden kann. Da insoweit kein Formularzwang herrscht, ist eine Beantragung formlos möglich, jedoch sind die notwendigen Angaben innerhalb dieses Antrages vorzunehmen.“

Der Kollege versichert nichts weiter mehr – wir haben die Frage übrigens in der Facebook-Gruppe der Fachanwälte für Strafrecht diskutiert. Sein Vergütungsantrag wird daraufhin abgelehnt. Begründung: „Es fehlt die Erklärung „spätere Zahlungen werden unverzüglich angezeigt“ § 55 V S. 2 RVG).“

Dagegen dann die Erinnerung. Und der Amtsrichter darf es dann richten. Und er richtet wie folgt:

„Dem Verteidiger stehen die mit dem Kostenantrag vom 13.11.2017 geltend gemachten Pflichtverteidigergebühren zu.

Soweit die Bearbeitung des Kostenantrages daran scheiterte, dass der Verteidiger trotz Aufforderung des Urkundsbeamten nicht versichert hat, dass er spätere Zahlungen seitens des Mandanten oder Dritten unverzüglich anzeigen werde, ist dies unerheblich und steht der Bescheidung des Antrages nicht entgegen.

Der Kostenantrag des Verteidigers vom 13.11.2017 entspricht den gesetzlichen Vorgaben des § 55 Abs. 5 RVG. So hat der Verteidiger auch insbesondere erklärt, dass er keine Vorschüsse erhalten habe. Eine Versicherung, zukünftige Zahlungseingänge unverzüglich anzuzeigen, ist dagegen vom Gesetz nicht vorgesehen. § 55 Abs. 5 Satz 4 RVG bestimmt lediglich, dass Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, unverzüglich anzuzeigen sind. Diese Verpflichtung ergibt sich daher aus dem Gesetz und ist zu befolgen. Eine dahingehende Versicherung, sich gesetzestreu zu verhalten, ist jedoch nicht Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen und daher zu bescheidenden Kostenantrag.

Eine solche Formvoraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes, noch aus den dem Gericht zur Verfügung stehenden Kommentierungen aus den Kommentaren von Schneider/Volpert/Fölsch, Meyer/Kroiß und BeckOK RVG.“

Ende gut alles gut. Nun nicht alles, denn der Kollege hat unnötigerweise länger auf seine ansonsten unstreitigen Gebühren gewartet. Gut allerdings dann zumindest insoweit, dass der Bezirksrevisor nun weiß, dass seine Auffassung falsch war und er nicht schlauer ist als das Gesetz und die dazu vorliegenden Kommentare. Warum man dafür allerdings einen Amtsrichter braucht? Der Hüter der Staatskasse wird es schon wissen….