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Schlechtes Geschäft nach der Tat? Das gibt einen Härteausgleich…

Da hat ein Angeklagter ein schlechtes Geschäft gemacht: Er erbeutet bei mehreren schweren räuberischen Erpressungen Schmuck – so stellt es das LG fest im Wert von 51.600 €, der er dann in einem An- und Verkauf für (nur) 2.400 € „absetzen“ kann. Das LG stellt im Urteil im Hinblick auf mögliche Ansprüche der Geschädigten fest „dass der Angeklagte Vermögenswerte in Höhe von mindestens 51.600,- € aus den Taten erlangt hat“. Dabei hat es allerdings im Gestrüpp der Verfall und Einziehung betreffenden Vorschriften im StGB den § 73c StGB übersehen. Auf diese sog. Härtevorschrift weist der BGH, Beschl. v. 11.04.2013 – 4 StR 39/12 hin. Er hebt das landgerichtliche Urteil auf,  „soweit dort festgestellt ist, „dass der Angeklagte Vermögenswerte in Höhe von mindestens 51.600,- € aus den Taten erlangt hat„:

„1. Die ersichtlich auf § 111i Abs. 2 Sätze 1 und 3 StPO gestützte Feststellung (vgl. zur Tenorierung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 51) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Härtevorschrift des § 73c StGB nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen. Es entspricht jedoch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen ist (BGH, aaO S. 44 mwN). Die Voraussetzungen dieser Bestimmung bedürfen der Erörterung, wenn nahe liegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 75/11, NJW 2011, 2529, 2530). So liegt es hier:

Das Landgericht hat den Wert des im Fall II.5 der Urteilsgründe erbeuteten Schmucks ersichtlich in voller Höhe in die Wertberechnung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO eingestellt. Es hat aber selbst festgestellt, dass der Angeklagte den Schmuck später bei einem An- und Verkaufsgeschäft zum Preis von 2.400 € veräußert hat (UA 13). Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich damit eine weitgehende Entreicherung im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB. Daran anknüpfend hätte das Tatgericht die Voraussetzungen dieser Härtevorschrift erörtern müssen (vgl. zu den rechtlichen Anforderungen im Einzelnen BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234).

Nun, das Zusammenspiel der §§ 73 ff. StGB ist nicht so ganz einfach, und wenn dann noch die §§ 111b ff. StPO mit ins Spiel kommen, wird es richtig unübersichtlich.

 

Zunächst mal ein paar Euros „Dealgeld“ gerettet, oder: Manchmal denkt der BGH auch wirtschaftlich

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Zunächst mal 500 € gerettet hat eine Revision gegen ein landgerichtliches Urteil, durch das der Angeklagte wegen eines Verstoßes gegen das BtMG verurteilt worden ist. Außerdem hatte die Strafkammer 500 € „Dealgeld“ für verfallen erklärt. Hinsichtlich des Dealgeldes hatte die Revision Erfolg. Dem BGH, Beschl. v. 05.07.2012 – 3 StR 210/12 – reicht diese „Feststellung“ für die Verfallserklärung nicht aus:

„Die auf § 73 StGB gestützte Verfallsanordnung der beim Angeklagten sichergestellten 500 € hat keinen Bestand. Nach den Feststellungen handelte es sich hierbei um „Dealgeld“. Allein mit dieser pauschalen, auch in der Beweiswürdigung („Kurierlohn oder Spesen zur Abwicklung der Schmuggelfahrt“) nicht hinreichend konkretisierten Bezeichnung sind die Voraussetzungen des § 73 StGB nicht belegt. Die Anordnung des Verfalls nach dieser Vorschrift wäre etwa in Betracht gekommen, wenn es sich bei den 500 € um Kurierlohn gehandelt hätte, den der Angeklagte von seinem Auftraggeber bereits vor der Einkaufsfahrt für die hier abgeurteilte Tat erhielt. Dies legen die bisherigen Feststellungen, die sich zu Absprachen zwischen dem Angeklagten und einem Auftraggeber nicht verhalten, allerdings nicht nahe. Nicht ausgeschlossen erscheint deshalb auch, dass das „Dealgeld“ aus weiteren, hier nicht abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten des Angeklagten stammt und somit dem erweiterten Verfall nach § 73d StGB unterliegen könnte (BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – 3 StR 144/11, BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3). Die insoweit notwendigen Feststellungen enthält das Urteil allerdings ebenfalls nicht. Schließlich kommt in Betracht, dass die 500 € – etwa als Reisespesen – der Durchführung der Tat dienen sollten. In diesem Fall wären sie nicht nach § 73 StGB abzuschöpfen; vielmehr unterlägen sie als Tatmittel möglicherweise der Einziehung nach § 74 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2002 – 3 StR 240/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 3; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 74 Rn. 8). Die entsprechende Anordnung stünde dann – bei Vorliegen aller Voraussetzungen – im Ermessen des Tatgerichts.

Vor diesem Hintergrund versetzt die mehrdeutige Feststellung, bei den sichergestellten 500 € habe es sich um „Dealgeld“ gehandelt, den Senat hier nicht in die Lage, in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst auf eine bestimmte Rechtsfolge zu erkennen. Die Sache muss deshalb insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Das neue Tatgericht wird allerdings zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Aufwands auch erwägen können, mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 430, 442 StPO die Verfolgung der Tat auf die anderen Rechtsfolgen zu beschränken.“

Der Hinweis im zweiten Absatz bedeutet: Macht jetzt bloß nicht für die 500 € eine neue Hauptverhandlung. Kosten und Nutzen stehen in keinem angemessenen Verhältnis. Manchmal denkt der BGH eben auch wirtschaftlich.

 

Verfall beim Hartz-IV Empfänger?

Das LG verurteilt den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz und ordnet den Verfall eines Geldbetrags in Höhe von 37.140 € an. Der Angeklagte legt Revision ein und hat beim BGH Erfolg. Der BGH, Beschl. v. 29.02.2012 – 2 StR 426/11 hat die Anordnung des Verfalls aufgehoben:

„..Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 37.140 € begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da das Landgericht die Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StPO nicht erörtert hat, obwohl dazu Anlass bestanden hätte.

Der Angeklagte bezog nach den getroffenen Feststellungen vor seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren Hartz IV-Leistungen und hatte nicht unerhebliche Geldschulden, die nicht aus Drogengeschäften stammten. Es liegt daher nicht fern, dass der Angeklagte die für die Tat erlangten Beträge zumindest teilweise verbraucht oder zur Schuldentilgung verwendet hat. Das Landgericht hätte deshalb Veranlassung zu der Prüfung gehabt, ob der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden war und sie deshalb ganz oder teilweise zu unterbleiben hatte…“

Dem Verfall verfallen – außer Spesen nichts gewesen…

Das AG hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und den Verfall des bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten  aufgefundenen und sichergestellten Bargeldes im Gesamtwert von 2.499,20 € angeordnet.  Das LG verwirft die Berufung des Angeklagten und bestätigte die Anordnung des Verfalls der „sichergestellten 2.499,20 €“. Dagegen die Revision des Angeklagten, die keinen – wirtschaftlichen – Erfolg hat.

Zwar hat der OLG Hamm, Beschl. v. 28.02.2012 – III-3 RVs 7/12 – die Verfallsanordnung, die auf § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützt war, aufgehoben, denn:

Die getroffene Anordnung findet keine Grundlage in § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Der Verfall von Bargeld nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erfordert, dass das in Rede stehende Bargeld als solches – also unmittelbar – für die Tat oder aus ihr erlangt wurde (BGH, NStZ 2010, 85; 2003, 198). Da Gegenstand des Rechtsverkehrs nicht ein „Sammelbestand“ an Bargeld ist, sondern die einzelnen Banknoten und Münzen als jeweils eigenständige körperliche Gegenstände (§ 90 BGB), setzt die auf § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützte Anordnung des Verfalls einer – wie im vorliegenden Falle – aus mehreren Banknoten und Münzen bestehenden Bargeldmenge mithin voraus, dass für jede einzelne Banknote und für jede einzelne Münze die Feststellung getroffen wird, dass diese für die Tat oder aus ihr erlangt wurde.

Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht indes nicht getroffen. Nach den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil stammte das sichergestellte Bargeld „überwiegend“ – eine konkrete Bezifferung enthält das Urteil nicht – aus dem Weiterverkauf des an den Angeklagten gelieferten Kokains und im Übrigen aus Unkostenbeiträgen für Speisen und Getränke, die der Angeklagte von den Gästen einer von ihm kurz vor der Wohnungsdurchsuchung veranstalteten Party erhalten hatte. Auf der – allein entscheidenden – Ebene der einzelnen Banknote bzw. der einzelnen Münze muss nach diesen Feststellungen in jedem Einzelfall nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon ausgegangen werden, dass die jeweils konkret betrachtete Banknote oder Münze nicht aus dem Drogenverkauf, sondern aus den – strafrechtlich unbedenklichen – Unkostenbeiträgen der Partygäste stammte. Eine auf § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützte Anordnung des Verfalls des sichergestellten Bargeldes scheidet damit aus.“

Aber:
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen indes die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes (§ 73a Satz 1 StGB) in Höhe von 2.499,20 € (in der Formulierung des § 73a Satz 1 StGB: die Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages von 2.499,20 €), also die Titulierung eines staatlichen Zahlungsanspruches gegen den Angeklagten in der vorgenannten Höhe.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte aus dem Weiterverkauf der an ihn gelieferten Drogen einen Bruttoerlös – das „Erlangte“ im Sinne der §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a Satz 1 StGB bemisst sich nach dem Bruttoprinzip (Fischer, a. a. O., § 73 Rdnrn. 7 ff m. w. N.) – von mehr als 30.000 € erzielt. Der Anordnung des Verfalls des Wertersatzes in einer derartigen Höhe stünde indes das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegen. Der Verfall des Wertersatzes kann daher nur in Höhe von 2.499,20 € angeordnet werden. Die Änderung des Verfallsinhaltes (Verfall des Wertersatzes statt Verfall bestimmter Gegenstände) als solche stellt keine für den Angeklagten nachteilige Änderung des angefochtenen Urteils dar.“

Also: Außer Spesen nichts gewesen.

Immer häufiger: Verfallanordnung auch im Bußgeldverfahren

Es mehren sich in Bußgeldverfahren die amtsgerichtlichen  Entscheidungen, die selbständige Verfallanordnungen zum Gegegnstand haben (§ 29a OWiG). Demgemäß werden zu den Fragen auch immer mehr OLG-Entscheidungen veröffentlicht.

In dem Zusammenhang ist hinzuweisen auf OLG Celle, Beschl. v. 30.08.2011 -322 SsBs 175/11, in dem sich das OLG mit einer in einer Verkehrs-OWi-Sache ergangenen Verfallsentscheidung – Nichteinhaltung des Sonntagsfahrverbots – zu befassen hatte. Die Leitsätze:

  1. Die Verfallanordnung gemäß § 29 a OWiG setzt eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem aus dieser oder für diese erlangten Etwas, dem Vorteil, voraus.
  2. Die Feststellung des Vorliegens einer solchen Kausalbeziehung erfordert zunächst die Ermittlung des konkret Erlangten und erst anschließend die Bestimmung von dessen Wert.
  3. Bei der Ermittlung und Bestimmung des Wertes des durch oder aus der Tat Erlangten können im Rahmen bei dem Verfall nach § 29 Abs. 1 und 2 OWiG sogenannte rechtmäßige hypothetische Kausalverläufe nicht berücksichtigt werden.