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Verfahrensverzögerung II, oder: Acht Monate „Fahrtzeit“ vom AG/der StA zum OLG sind zu viel

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Bei der zweiten Entscheidung zur Verfahrensverzögerung handelt es sich um dem OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.06.2018 –  3 Rb 26 Ss 786/17, den mir der Kollege Beyrle aus Nürnberg übersandt hat. Da hat das Rechtsbeschwerdeverfahren nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist noch acht Monate gedauert, so lange haben AG und/oder StA gebraucht, bis die Akten beim OLG waren. Das ist dem OLG zu lang – die Verfahrensverzögerung wird aber nur „festgestellt“.

„Eine Einstellung des Verfahrens, wie von der Verteidigung gefordert, ist nicht angezeigt. Allerdings ist vorliegend trotz Unbegründetheit des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde im Tenor auszusprechen, dass das Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtsstaatswidrig verzögert worden ist i.S.d. § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 199 Abs. 3 Satz 1.

Das Beschleunigungsgebot gilt auch im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und ist vorliegend dadurch verletzt worden, dass die Akten dem Senat — ohne aus den Akten ersichtlichen Grund – erst acht Monate nach Ablauf der Begründungsfrist vorgelegt worden sind. Die Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG), setzt nicht voraus, dass die Rechtsbeschwerde zugelassen worden ist, sondern allein, dass das Rechtsbeschwerdegericht auf einen in zulässiger Weise gestellten und begründeten Zulassungsantrag — wie vorliegend der Fall – mit der Sache befasst worden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v, 23.12.2014 – 1\/-2 RBs 160/14, NStZ-RR 2015, 90, 91 , juris Rz 12) .

2. Ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, d. h. das Verfahren ohne zwingenden Grund für eine nicht unerhebliche Dauer zum Stillstand gekommen ist, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab, Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das vorliegende Verfahren auf der einen Seite keine erheblichen Schwierigkeiten aufweist, auf der anderen Seite mit Blick auf den dem Betroffenen drohenden Eingriff nämlich lediglich einer Geldbuße von 120,00 € hingegen nicht besonders eilbedürftig ist, Denn es ist nicht ersichtlich, dass vorliegend die Ungewissheit über den Verfahrensausgang die Lebensführung des Betroffenen in signifikanter Weise beeinträchtigt hat. Denn diesem droht insbesondere kein Fahrverbot. Unabhängig davon, innerhalb welcher Zeit die Generalstaatsanwaltschaft vorliegend spätestens ihre Zuschrift hätte dem Oberlandesgericht übermitteln müssen, ist jedenfalls eine Zeitspanne von acht Monaten zu lang.

Auch wenn dies beim Betroffenen faktisch lediglich zu einem Vollstreckungsaufschub geführt hat, ist hier aufgrund der Vermutungswirkung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG von einem Nachteil für den Betroffenen auszugehen, da zumindest nicht auszuschließen ist, dass diesen das nicht abgeschlossene Bußgeldverfahren beschäftigt und damit belastet hat.

4. Der Ausspruch im Tenor, dass eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, reicht vorliegend als Kompensation aus. Selbst wenn men mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf (vgl. a. a. O., juris Rz. 9) im Fall einer Zulassungsrechtsbeschwerde fordern würde, dass die Zuschrift binnen eines Monats nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist dem Oberlandesgericht hätte zugehen können, was aus Sicht des Senats mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität eines solchen Verfahrens für den Betroffenen wohl eher zu streng sein dürfte, wäre auch bei einer hieraus folgenden rechtsstaatswidrigen Verzögerung von sieben Monaten der bloße Ausspruch im Tenor als Kompensation ausreichend.“

Verfahrensverzögerung, oder: Drei Jahre beim BGH bringen drei Monate „Straferlass“

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Die 25. KW. beginnt, ich hoffe der Strat wird nicht genau so holperig wie der gestrige Start der WM für „unsere2 .-) Jungs. Eins ist allerdings klar: Am Ende der Woche sind „wir“ immer noch Weltmeister 🙂 .

Hier starte ich dann mit zwei Entscheidungen zur Verfahrensverzögerung in die Woche, und zwar zunächst mit dem BGH, Beschl. v. 08.03.2018 – 3 StR 63/15. Das ist das Verfahren, das zum BGH, Beschl. v. 24.07.2017 – GSSt 3/17 – geführt hat (vgl. Der Alkohol und die Strafrahmenverschiebung, oder: “gesellschaftliches Steuerungselement”). Naturgemäß dauern die Verfahren, in denen dem Großen Senat vorgelegt wird, immer sehr lange. So auch dieses, was man schon am 2015-er-Aktenzeichen erkennen kann. Und dann stellt sich immer die Frage, ob und wie diese Verfahrensverzögerung zu kompensieren ist. Und darauf will ich hier, nachdem ich zu der eigentlich entschiedenen Frage ja bereits berichtet habe, eingehen.

Der BGH führt dazu aus:

„3. Die – mittlerweile eingetretene – zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung führende Verletzung des Beschleunigungsgebots gebietet eine Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 135 ff.), die der Senat auf drei Monate der verhängten Freiheitsstrafe bemisst. Eine Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht scheidet aus, weil weder das landgerichtliche Verfahren noch dessen Urteil an einem Rechtsfehler leidet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 2 StR 495/12, juris Rn. 33).

a) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK fordert eine Erledigung des Strafverfahrens in angemessener Zeit. Wird das hieraus folgende Beschleunigungsgebot in rechtsstaatswidriger Weise verletzt, ist eine Kompensation angezeigt.

Nicht jede im Strafprozess vorkommende Verzögerung führt zu einer derartigen Verletzung des Beschleunigungsgebots. Dies gilt auch für besondere Verfahrensvorgänge, die das Gesetz vorsieht, wie das in § 132 GVG geregelte Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 429/09, StV 2011, 407 f.). Die für die Anfrage, die Vorlage und die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen benötigten Zeiträume sind für sich genommen keine Gründe für eine Kompensation.

Etwas anderes gilt bei überlanger Verfahrensdauer, die das Maß des Angemessenen überschreitet. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist durch eine auf die Verhältnisse des konkreten Einzelfalles bezogene Gesamtwürdigung zu prüfen. Dabei sind vor allem die durch Verhalten der Justizorgane verursachten Verzögerungen, aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Prozessstoffs sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des Verfahrens für den Betroffenen verbundenen Belastungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 2 StR 495/12, juris Rn. 35; Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 147).

b) Hieran gemessen war das nunmehr mehr als drei Jahre währende Revisionsverfahren überlang.

Das angefochtene Urteil ist am 8. August 2014 ergangen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte bereits nahezu acht Monate in Untersuchungshaft, die bis zum heutigen Tag vollzogen wird. Am 24. Februar 2015 sind die Akten mit dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof eingegangen. Am 28. Februar 2015 hat der Beschwerdeführer die Begründung der Sachrüge nachgereicht. Nachdem der Senat die Sache zweimal vorberaten hatte, ist am 15. Oktober 2015 der Anfragebeschluss ergangen, der am 10. November 2015 an die anderen Strafsenate abgesandt worden ist. Deren Antworten sind am 15. März 2016 (5. Strafsenat), 28. Juni 2016 (1. Strafsenat), 22. August 2016 (4. Strafsenat) sowie 20. Januar 2017 (2. Strafsenat) eingegangen. Noch bevor sämtliche Antworten vorlagen, hat der Senat am 20. Dezember 2016 den Vorlagebeschluss erlassen; er ist dem Großen Senat für Strafsachen am 22. Februar 2017 übermittelt worden. Dieser hat über die Vorlage am 24. Juli 2017 beraten und beschlossen; anschließend sind die Gründe abgesetzt worden. Der Beschluss ist beim Senat am 1. März 2018 eingegangen.

Die Prüfung der geschilderten Abläufe ergibt, dass – trotz der für die Richter aller Strafsenate und des Großen Senats erforderlichen zeitintensiven Befassung mit der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage – die Zeiträume zwischen der Absendung der Anfrage an die anderen Strafsenate und der Übermittlung der Vorlage an den Großen Senat (mit fast 15 Monaten) sowie zwischen dieser Übermittlung und dem Eingang dessen Beschlusses (mit knapp 13 Monaten) unangemessen groß waren. Darüber hinaus ist bei der Prüfung insbesondere auch die Gesamtdauer des Revisionsverfahrens von mehr als drei Jahren in den Blick zu nehmen, die es unter den gegebenen Umständen im Ganzen als (um ein Jahr) zu lang erscheinen lässt.

c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Umfang der zur Kompensation erforderlichen Vollstreckungsanrechnung nicht mit dem Ausmaß der Verfahrensverzögerung gleichzusetzen, sondern sie hat nach den Umständen des Einzelfalls grundsätzlich einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu betragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 147; vom 7. Juni 2011 – 4 StR 643/10, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 41; vom 12. Februar 2015 – 4 StR 391/14, wistra 2015, 241, 242). Um jede Benachteiligung auszuschließen, erklärt der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der gegen den Angeklagten vollzogenen Untersuchungshaft, drei Monate der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt.“

Ungleichartige Wahlfeststellung, oder: Wenn zwei sich streiten

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Was ist immer noch „nachreichen“ muss, ist die „Abschlussentscheidung“ des 2. Strafsenats zur ungleichartiegn Wahlfeststellung. Ja, das war doch was, was dann schließlich im Beschluss des Großen Senats für Strafsachen in der Frage geführt hat. Den Abschluss hat dann das BGH, Urt. v. 25.10.2017 – 2 StR 495/12 – gemacht, und zwar:

„Der Senat hat durch Beschluss vom 28. Januar 2014 (StV 2014, 580 ff. mit Anm. Bauer, wistra 2014, 475 ff.; Freund/Rostalski, JZ 2015, 164 ff.; Frister, StV 2014, 584 ff.; Kotsoglou, ZStW 127 [2015], 334 ff.; Kröpil, JR 2015, 116 ff.; Schuhr, NStZ 2014, 437 ff.; Stuckenberg, ZIS 2014, 461 ff. und JZ 2015, 714 ff.) gemäß § 132 Abs. 3 GVG bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob diese an der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung festhalten. Die anderen Strafsenate haben dies bejaht (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 ARs 14/14, NStZ-RR 2014, 308 f.; Beschluss vom 30. September 2014 – 3 ARs 13/14, NStZ-RR 2015, 39 f.; Beschluss vom 11. September 2014 – 4 ARs 12/14, NStZ-RR 2015, 40 f.; Beschluss vom 16. Juli 2014 – 5 ARs 39/14, NStZ-RR 2014, 307 f.; zum Ablauf SK-StGB/Wolter, 9. Aufl., Anh. zu § 55 Rn. 5 ff.).

Mit Beschluss vom 11. März 2015 (StV 2016, 212 ff. mit Anm. Haas, HRRS 2016, 190 ff. und Pohlreich, ZStW 128 [2016], 676 ff.) hat der Senat erstmals dem Großen Senat für Strafsachen die Frage vorgelegt, ob die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung mit Art. 103 Abs. 2 GG ver-einbar ist. Der Senat hat diese Vorlage am 9. August 2016 zur Klärung der ergänzenden Frage des Verhältnisses zwischen Geldwäsche und einer Wahlfeststellung von Katalogtaten zurückgenommen. Nachdem der 5. Strafsenat durch Urteil vom 16. August 2016 – 5 StR 182/16 (BGHSt 61, 245 ff.) diese Frage dahin entschieden hat, dass die gesetzesalternative Verurteilung wegen ge-werbsmäßig begangenen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei bei gleich-zeitiger Verwirklichung des Tatbestands der Geldwäsche einen Schuldspruch wegen Geldwäsche ausschließe, hat der Senat durch Beschluss vom 2. November 2016 gemäß § 132 Abs. 4 GVG dem Großen Senat für Strafsa-chen die Fragen vorgelegt, ob die gesetzesalternative Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei verfassungsgemäß ist, bejahendenfalls, ob sie bei gleichzeitiger Erfüllung des Tatbestands der Geldwäsche ausgeschlossen ist.

Der Große Senat für Strafsachen hat durch Beschluss vom 8. Mai 2017 – GSSt 1/17 (NJW 2017, 2842 ff. mit Anm. Jahn, für BGHSt bestimmt) entschieden: „Eine gesetzesalternative Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei ist entsprechend den zum Rechtsinstitut der Wahlfeststellung durch den Bundesgerichtshof entwi-ckelten Grundsätzen weiterhin zulässig; sie schließt bei gleichzeitiger Verwirkli-chung eines Tatbestands der Geldwäsche einen Schuldspruch wegen Geldwä-sche aus.“

III.

Die Revisionen der Angeklagten sind auf der Grundlage der vom Großen Senat für Strafsachen mit bindender Wirkung bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richten…….“

Der 2. Strafsenat macht sich dann aber an die lange Verfahrensdauer, und zwar wie folgt:

Die zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung führende Verletzung des Beschleunigungsgebotes gebietet eine Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell der Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 135 ff.). Eine Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht scheidet aus, weil weder das landgerichtliche Verfahren noch dessen Urteil an einem Rechtsfehler leidet.

1. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK fordert eine Erledigung des Strafverfahrens in angemessener Zeit; wird das hieraus folgende Beschleunigungsgebot ver-letzt, ist eine Kompensation angezeigt.

Nicht jede im Strafprozess vorkommende Verzögerung führt zu einer derartigen Verletzung des Beschleunigungsgebots. Dies gilt auch für besondere Verfahrensvorgänge, die das Gesetz vorsieht, wie das Verfahren zum Diver-genzausgleich gemäß § 132 GVG (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 429/09, StV 2011, 407 f.). Demnach sind hier die Zeiträume für das An-frageverfahren und die Vorlageverfahren für sich genommen kein Grund für eine Kompensation. Etwas anderes gilt bei einer überlangen Verfahrensdauer, die das Maß des Angemessenen überschreitet. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist durch eine auf die Verhältnisse des konkreten Einzelfalles bezogene Gesamt-würdigung zu prüfen. Dabei sind vor allem die durch Verhalten der Justizorgane eingetretenen Verzögerungen, aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Prozessstoffs sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des Verfahrens für den Betroffenen verbundenen Belastungen zu berücksichtigen (BGH aaO, BGHSt 52, 124, 147).

2. Nach diesem Maßstab war das Revisionsverfahren überlang.

a) Das angefochtene Urteil ist am 30. Mai 2012 ergangen. Zugleich wur-de der Haftbefehl gegen die Angeklagten aufgehoben, so dass sie sich wäh-rend des Revisionsverfahrens in Freiheit befanden. Die Sache ist am 7. November 2012 mit dem Antrag des Generalbundesanwalts beim Bundesge-richtshof eingegangen. Hiernach haben die Beschwerdeführer am 28. November und am 7. Dezember 2012 weitere Ausführungen zur Begrün-dung der Sachrüge eingereicht. Die Zuteilung der Sache an den Berichterstatter ist am 20. Januar 2013 erfolgt. Nach einer ersten Beratung wurde die Sache zur Revisionshauptverhandlung am 4. Dezember 2013 terminiert. An diesem Tag wurde eine Fortsetzung der Revisionshauptverhandlung auf den 11. Dezember 2013 bestimmt, die später auf den 22. Januar 2014 verlegt wurde. Sodann erging der Anfragebeschluss des Senats vom 28. Januar 2014, der nach Fas-sungsberatungen am 4. Juni 2014 an die Verfahrensbeteiligten abgesandt wur-de. Die Antworten der anderen Senate gingen am 24. Juni, 16. Juli, 11. und am 30. September 2014 beim Senat ein. Darauf erging am 11. März 2015 der erste Vorlagebeschluss des Senats, der nach Fassungsberatungen am 17. Dezem-ber 2015 an die Verfahrensbeteiligten versandt wurde. Die Beratung des Großen Senats für Strafsachen wurde am 17. Februar 2016 auf den 13. Juni 2016 verfügt. Am 1. April 2016 ging die Stellungnahme des Generalbundesanwalts beim Großen Senat für Strafsachen ein. Nach der ersten Beratung des Großen Senats für Strafsachen nahm der Senat seine Vorlage mit Beschluss vom 9. August 2016 zur Prüfung einer ergänzenden Frage zurück. Am 18. Oktober 2016 wurde die Fortsetzung der Revisionshauptverhandlung auf den 2. November 2016 bestimmt. Dort wurde erneut eine Vorlage der Sache an den Großen Senat für Strafsachen mit erweiterter Fragestellung beschlossen. Am 27. Februar 2017 ging die Stellungnahme des Generalbundesanwalts hier-zu ein. Die Beratung des Großen Senats für Strafsachen wurde am 1. Februar 2017 auf den 8. Mai 2017 verfügt. Der sodann ergangene Beschluss wurde am 1. August 2017 an die Verfahrensbeteiligten versandt. Die neue Revisionshauptverhandlung des Senats wurde hiernach auf den 25. Oktober 2017 bestimmt.

b) Bei diesen Abläufen war zunächst der Zeitraum von einem Jahr zwischen dem Eingang der Sache beim Bundesgerichtshof und der Durchfüh-rung der ersten Revisionshauptverhandlung überdurchschnittlich lang; insoweit ist von einer Verzögerung des Verfahrens von vier Monaten auszugehen. Ferner ist die Zeitspanne von rund neun Monaten zwischen Beschlussfassung und Absendung des ersten Vorlagebeschlusses unbeschadet zwischenzeitlich erfolgter Besetzungsänderungen im Senat als überlang zu bezeichnen; insoweit ist die Verzögerung auf sechs Monate zu veranschlagen. Darüber hinaus ist bei der Prüfung einer qualifizierten Überlänge auch die Gesamtdauer des Revisionsverfahrens von rund fünf Jahren und vier Monaten in den Blick zu nehmen, selbst wenn im Übrigen einzelne Verfahrensschritte jeweils für sich genommen nicht zu beanstanden sind. Daraus ergibt sich im Ganzen eine überlange Dauer des Revisionsverfahrens.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Umfang der zur Kompensation erforderlichen Vollstreckungsanrechnung nicht mit dem Umfang der Verfahrensverzögerung gleichzusetzen, sondern sie hat nach den Umständen des Einzelfalles grundsätzlich einen eher geringen Bruchteil der verhängten (Gesamt-) Strafe zu betragen (vgl. BGH, aaO, BGHSt 52, 124, 147). Um jede Benachteiligung auszuschließen erklärt der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände jeweils sechs Monate der gegen die Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafen als bereits vollstreckt.“

Nun ja, immerhin sechs Monate hat das Hin und Her für die Angeklagten gebracht. Wenn zwei sich streiten……

Strafzumessung II: Verfahrensverzögerung im Jugendrecht, oder: So geht es

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Drei Punkte kombiniert der BGH, Beschl. v. 09.05.2017 – 4 StR 73/17, nämlich: Strafzu-/bemessung, Jugendstrafrecht und Verfahrensverzögerung. Letztere wird nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich über die sog. Vollstreckungslösung des BGH berücksichtigt. Im Jugendrecht ist das aber wegen des Erziehungsgedankens nicht so ganz einfach. Da muss man dann ggf. einen anderen Weg gehen, und zwar:

„Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bei der Bestimmung des Maßes des Erziehungsbedarfs berücksichtigt. Bei den hier angeordneten Auflagen (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 JGG) und Weisungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 JGG) ist die Anwendung der Vollstreckungslösung (BGH – GS –, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) nicht geeignet, die mit Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln verfolgten erzieherischen Zwecke zu erreichen und damit dem Erziehungsgedanken Rechnung zu tragen (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – III-3 RVs 102/11, StRR 2012, 110, zum Jugendarrest; vgl. hingegen zur Jugendstrafe BGH, Beschlüsse vom 27. November 2008 – 5 StR 495/08, NStZ 2010, 94, und vom 28. September 2010 – 5 StR 330/10, NStZ 2011, 524, 525).“

Geht also anders als im Erwachsenenstrafrecht. Und: Ich liebe diese „knackigen“ BGH-Entscheidungen 🙂 .

Verfahrensverzögerung II, oder: „Siedlungspolitik“ bei der Kompensation

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Die zweite Entscheidung, die ich heute vorstellen möchte (zur ersten: Verfahrensverzögerung I, oder: Vielleicht geht in 2017 beim 2. Strafsenat ja schneller…..), ist das BGH, Urt. v. 06.09.2016 – 1 StR 104/15 -, ergangen in dem beim LG München I anhängigen Verfahren gegen ein früheres Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG wegen der Zahlung von Schmiergeldern in Südamerika. Das LG München I hatte mit Urteil v. 30.05.2016 frei gesprochen. Der BGH hat die Freisprüche teilweise aufgehoben. Geltend geamcht war im Verfahren ein

Der Aufhebung des Freispruchs und der Zurückverweisung der Sache insoweit steht ein zur Verfahrenseinstellung führendes Verfahrenshindernis nicht entgegen.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung liegt kein durch einen Ver-stoß gegen den Grundsatz der Aktenvollständigkeit in Kombination mit einer Verletzung des Akteneinsichtsrechts und einer rechtsstaatswidrigen Verzöge-rung des Verfahrens begründetes Verfahrenshindernis vor.

„Ein Verfahrenshindernis wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Die Umstände müssen dabei so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (vgl. BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 – 3 StR 104/87, BGHSt 35, 137, 140; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 168 f. mit zahlr. w.N. und vom 11. August 2016 – 1 StR 196/16 Rn. 6; siehe auch Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl., Einl. Rn. 353 und Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., Einl. K. Rn. 37 mwN). Bei bloßen Verfahrensfehlern wird dies in der Regel nicht der Fall sein. Der Gesetzgeber sieht selbst bei einem Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO keinen Anlass, ein Verfahrenshindernis anzunehmen, sondern legt in § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO nur ein (nicht disponibles) Verwertungsverbot fest (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159). Für den Fall der rechtsstaatswidrigen Tatprovokation hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zuletzt unter sehr hohen Anforderungen und unter Berufung darauf, dass dies bei der „schonenden Einpassung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in das nationale Rechtssystem“ erforderlich sei, ein Verfahrenshindernis bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276; vgl. aber auch Senat, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238). Diese Entscheidung kann jedoch nicht ohne Weiteres auf andere Verfahrensfehler übertragen werden. Ein durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in außergewöhnlichen Einzelfällen, in denen eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen der Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht mehr in Betracht kommt, zu einem Verfah-renshindernis führen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 171; vgl. auch Meyer-Goßner, Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse, 2011, S. 5 ff.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier offensichtlich nicht vor. Selbst die Kombination einer Verfahrensverzögerung mit einer fehlerhaften Aktenführung seitens der Staatsanwaltschaft wiegt nicht derart schwer, dass sich eine Entscheidung in der Sache verbietet. Der Senat kann offen lassen, ob das Hinzutreten von Fehlern in der Aktenführung bei gravierenden Verfahrensverzöge-rungen ein Verfahrenshindernis entstehen lassen könnte. Bei der hier gegebenen Sachlage lässt sich die Verzögerung des Verfahrens, die nicht einmal in der Nähe eines Verfahrenshindernisses angesiedelt werden kann, unter Beachtung der Regelungen der §§ 199, 198 GVG (vgl. hierzu Graf in BeckOK-StPO, Ed. 26, § 199 GVG Rn. 8 ff.) ausreichend kompensieren. Die unzureichende Aktenführung kann ein Gesichtspunkt sein, der im Rahmen der Beweiswürdigung Belang gewinnen kann.“

Na ja, immerhin. Auf der Grundlage der „Siedlungspolitik“ des BGH wird man m.E. sicherlich eine „Kompensation“ diskutieren können/müssen. Denn das Verfahren läuft schon seit 2008, Anklage dann in 2011, Urteil in 2014, Revisionsentscheidung in 2016……Ende offen.