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“Aufruf an den Rechtspfleger beim AG Wernigerode – ich habe noch eine Altauflage für Sie…!!”

© Alex White - Fotolia.com

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Auf der Überfahrt gestern von Emden nach Borkum habe ich Emails gecheckt und dabei dann auch eine Mail des Kollegen Siebers aus Braunschweig gelesen. Übersandt hatte er mir den AG Wernigerode, Beschl. v. 30.01.2015 – 7 Ds 835 Js 81311/12 – mit der kurzen und knappen aber treffenden Anmerkung: „Lieber Kollege, zwar eine platte Selbstverständlichkeit, aber selbst die musste ich „erkämpfen“.

Und ich habe den Beschluss dann gelesen und bin danach dann erst mal auf Deck gegangen, um mich ein wenig abzukühlen. Nicht wegen des amtsrichterlichen Beschlusses und auch nicht wegen einer/der Stellungnahme des Bezirksrevisors oder so. Denn das ist beides richtig. Nein. Mir ist der Kamm wegen der Rechtsauffassung des zunächst entscheidenden Rechtspflegers geschwollen und ich habe mich gefragt: Hat der eigentlich ins Gesetz geschaut? Offenbar nicht. Und warum bitte nicht? Das würde nämlich Ressourcen der Justiz schonen, von denen es ja so wenig geben soll.

Worum geht es und was so offensichtlich ist: Das ergibt sich aus dem Beschluss selbst.

„Mit Beschluss vom 04.12.2013 hat das Oberlandesgericht Naumburg das Urteil d s Amtsgerichts Wernigerode vom 05.08.2013 mit den Feststellungen aufgehoben u d die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Mit Antrag vom 2609.2014 (Bd. II BI. 62 f.) hat der Rechtsanwalt Siebers seine Pflichtverteidigervergütung für das Verfahren nach Zurückverweisung geltend ge¬macht. Mit Beschluss vom 09.10.2014 hat das Amtsgericht Wernigerode die Pflichtverteidigervergütung festgesetzt und hierbei die geltend gemachte Verfahrensgebühr gemäß VV-Nr. 4104 (eigentlich 4106) der Anlage zum RVG und die Auslagenpauschale gemäß VV-Nr. 7002 der Anlage zum RVG abgesetzt mit der Begründung, dass diese bereits mit der Festsetzung vom 22.08.2013 gezahlt worden seien. Hie,- gegen wendet sich der Rechtsanwalt.

 Der Rechtsanwalt kann gemäß § 15 Abs. 2 RVG die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

 Gemäß § 21 Abs. 1 RVG ist, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neue Rechtszug. Gemäß § 17 Nr. 1 RVG sind verschiedene Rechtszüge verschiedene Angelegenheiten. Mithin kann der Rechtsanwalt Siebers für das Verfahren nach Zurückverweisung die Verfahrensgebühr nach VV-Nr. 4106 der Anlage zum RVG und auch die Auslagenpauschale gemäß VV-Nr. 7002 der Anlage zum RVG noch einmal fordern. Einer Nachfestsetzung in Höhe von 180,08 € wird deshalb nicht entgegen getreten.“

Noch Fragen? ich habe sie nicht. Im Übrigen: Wenn der Rechtspfleger mitlesen sollte: Sie können sich gern bei mir melden. Ich habe noch einige Exemplar von Altauflagen von Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012. Die stelle ich Ihnen gern zur Verfügung. Die neue brauchen Sie nicht. Das, was das AG entschieden hat, war nämlich schon vor dem 2. KostRMoG Gesetz. § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG a.F. lässt grüßen.

Ein Gebührenrätsel wollte ich übrigens nicht daraus machen. Dafür war mit die Frage zu „platt“.

Adventskalender Tür 3: Heute gibt es Schokolade/€€€€€€

entnommen wikimedia.org Urheber SolLuna - Own work CC BY-SA 3.0

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Heute im Adventskalender mal Gebühren, quasi ein virtuelles Schokoladentäfelchen, jedenfalls eine Entscheidung, in der Musik/€€€€€ stecken. Nämlich der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2014 – 1 Ws 148/14. Ich wollte ihn erst, als ich ihn von einem Rechtspfleger des OLG übersandt bekommen habe, an die Seite tun. War dann aber „angefixt“ durch die Bemerkung in der Übersendungsmail, dass ich mich über den Beschluss mal „freuen würde“. Und in der Tat: Ich freue mich und die Verteidiger können sich auch freuen.

Denn das OLG setzt in einer der großen Streitfragen des Teil 4 VV RVG neue Rechtsprechung des BGH und das 2. KostRMoG konsequent um. Es geht um die Honorierung der Tätigkeiten des sog. „Terminsvertreters“ des Pflichtverteidigers. Da wird immer noch darum gestritten, welche Gebühren der „Terminsvertreter“ erhält. Nur die Terminsgebühr für den Termin, an dem er teilgenommen hat, oder auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und ggf. die Verfahrensgebühr. M.E. alles kein Problem. ich bin immer davon ausgegangen, dass Grundgebühr, Terminsgebühr und auch Verfahrensgebühr anfallen. Das sieht die überwiegende Meinung in der OLG-Rechtsprechung aber leider anders und kommt mit unterschiedlichen Begründungen dazu, nur die Terminsgebühr festzusetzen. Anders nun das OLG Saarbrücken: Es zieht aus dem BGH, Urt. v. 13.08.2014 – 2 StR 573/13 (vgl. dazu hier “für Rechtsanwalt…” unterzeichnet – Schriftform gewahrt? Ja, aber!) den richtigen Schluss und lehnt die Möglichkeit einer Vertretung des Pflichtverteidigers ab (habe ich ja immer gesagt 🙂 ) und. Und das OLG wendet konsequent das 2. KostRMoG an und die Änderung in der Nr. 4100 VV RVG – „neben der Verfahrensgebühr“ – und folgert daraus zutreffend: Grundgebühr und Verfahrensgebühr fallen immer nebeneinander an. Das führt dann zu: Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr. Geht doch.

Hier dann „meine“ Leitsätze der Entscheidung:

Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidi­gers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger eines Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltli­che Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.

 Dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für die Dauer eines Hauptver­handlungstermins oder für einen Teil eines Hauptverhandlungstermins beigeordne­ten weiteren Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensab­schnitt die Verteidigung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidi­gerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung lediglich als Vertreter des be­reits bestellten Pflichtverteidigers dergestalt, dass der Beigeordnete gleichsam als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidigers in dessen Beiordnungsverhältnis mit einbezogen wird, kennt die Strafprozessordnung nicht. Durch die Beiordnung als Verteidiger für einen Terminstag oder Teile hiervon an­stelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffent­lich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Ver­teidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfas­send und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat.

Für die Tätigkeit in einem jeden gerichtlichen Verfah­ren entsteht eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des Betreibens des Geschäfts entgolten. Die daneben entstehende Grundgebühr soll den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt.

Ich habe da mal eine Frage: Eine oder zwei zusätzliche Verfahrensgebühren?

© AllebaziB - Fotolia.com

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Heute dann mal nicht eine Frage, die mir von einem Kollegen gestellt worden ist, sondern: Auf die Frage bin ich bei einem meiner gelegentlichen Besuche im „Rechtspflegerforum“ gestoßen. Ja, ich schaue dort immer mal wieder nach und diskutiere dort – natürlich unter Klarnamen – mit. Warum nicht? Kann m.E. gebührenrechtlich nur von Vorteil sein. 🙂 Diskutiert wird folgendes Problem:

„Der Rechtsanwalt ist Pflichtverteidiger im führenden Verfahren. Zu diesem wird ein weiteres Verfahren hinzuverbunden. Die Pflichtverteidigerbestellung – richtig muss es heißen: die Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung – wird gem. § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG auf das (hinzu)verbundene Verfahren erstreckt. Dann wird  gem. § 154 Abs.2 StPO das führende Verfahren vorläufig eingestellt.“

Frage: Entsteht die Nr. 4141 Abs.1 Nr. 1 VV RVG und wenn ja: Wie oft? Einmal oder zweimal?

 

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren im Strafbefehlsverfahren – nach Klagerücknahme?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Unsere „Freitagsfrage“ „Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren im Strafbefehlsverfahren – nach Klagerücknahme?“ hat keine Antworten gefunden. Manchmal frage ich mich, warum: Zu einfach oder interessiert die Problematik nicht? Letzteres kann an sich nicht der Fall sein, da die Fragen in der letzten Zeit häufiger eine Rolle gespielt haben. Also dann eben die Antwort hier von mir:

Zur Nr. 4104 VV RVG: Insoweit habe ich Bedenken, denn die gebührenrechtliche Angelegenheit „Vorverfahren“ ist abgeschlossen und wird m.E. durch die Rücknahme der Klage nicht wieder eröffnet. Kann man aber auch anders sehen und wird z.T. in der Literatur und auch in der Rechtsprechung anders gesehen (vgl. LG Oldenburg, Beschl. v. 25.06.2008 – 5 Qs 230/08).

Zur Nr. 4141 VV RVG: Die ist m.E. entstanden. Zwar wird die Rücknahme der Anklage in der Nr. 4141 VV RVG nicht ausdrücklich erwähnt, die Vorschrift wird aber entsprechend angewendet, wenn es sich um eine endgültige Rücknahme handelt (so auch unser RVG-Kommentar). Und davon ist dann ja wohl auszugehen.

Der Kollege wird es versuchen und ich werde berichten.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Verwarnungsgeldangebot angenommen –> Zusätzliche Verfahrensgebühr?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Hier dann die Lösung zu unserer Freitagsfrage: Ich habe da mal eine Frage: Verwarnungsgeldangebot angenommen –> Zusätzliche Verfahrensgebühr?.

Also: Rechtsprechung gibt es zu der Problematik nicht. Nun, noch nicht. Denn wenn ich den anfragenden Kollegen richtig einschätze, wird er es durchfechten.

Ich habe ihm geraten, es mal mit einer Analogie zu  Nr. 5115 Nr. 3 VV RVG zu versuchen. Dazu steht bei Burhoff in : Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014 bei Nr. 5115 Vv Rn. 47 neu:

Eine entsprechende Anwendung der Nr. 3 kommt auch dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde nach Einspruchseinlegung und Rücknahme des Einspruchs, keinen neuen Bußgeldbescheid erlässt, sondern die Festsetzung nur eines Verwarnungsgeldes »anbietet«, was vom Betroffenen/Verteidiger akzeptiert wird. Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 3 gebieten diese entsprechende Anwendung. Erfasst werden sollen durch sie gerade die Fälle, in denen nach Einspruchseinlegung durch eine neue vom Betroffenen/Verteidiger akzeptierte Entscheidung der Verwaltungsbehörde das Bußgeldverfahren endgültig erledigt wird.

Der Fall des Kollegen ist vergleichbar, so dass man es mal versuchen sollte. Die Rechtsschutzversicherung wird sicherlich nicht freiwillig zahlen. Aber: Nur ein (Klage)Versuch macht klug.