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Erstreckung – Gebührenrecht am Hochreck, aber…

vom LG Aurich, Beschl. v. 04.01.2011 – 12 Qs 213/10 schön aufgedröselt und dargestellt. Das LG befindet sich mit seiner Entscheidung im Schoße der h.M. Denn: werden Verfahren verbunden, kommt es auf eine Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG nicht an, nicht, wenn mehrere Verfahren zunächst verbunden werden und dann die Beiordnung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger erfolgt ist. Dann gilt § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG.

Verbindung von Verfahren – dann Mehrfachverteidigung –> Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung kann die Folge sein

Das OLG Celle, Beschl. v. 16.09.2010 – 2 Ws 312/10 ob § 146 StPO – Verbot der Mehrfachverteidigung – auch für den Fall einer Verbindung nach § 237 StPO gilt (so KK-Laufhütte, StPO, 6. Aufl., § 146 Rn. 8), oder ob dafür eine Verbindung nach §§ 3 ff. StPO erforderlich ist (in diesem Sinne wohl OLG Stuttgart, NStZ 1985, 326. Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 146 Rn. 17), weil durch § 237 StPO nur die gleichzeitige Verhandlung möglich wird, aber keine Verfahrensidentität eintritt (vgl. Meyer Goßner a. a. O. § 237 Rn. 1).

Nach Auffassung des OLG kann es für das Vertretungsverbot nach § 146 Satz 2 StPO nicht auf die formale Frage nach dem Grund der Verfahrensverbindung ankommen, sondern allein darauf, ob bei gleichzeitiger Verhandlung verschiedener Straftaten für den Verteidiger, der darin mehrere Angeklagte vertritt, ein Interessenkonflikt entstehen kann. Nur dies entspricht dem Sinngehalt von § 146 StPO, der den Beschuldigten vor typischerweise auftretenden Interessenkonflikten seines Verteidigers schützen soll (Meyer Goßner, a. a. O. Rn. 1 m.w.N.).

N aja, liest sich ja o.k., aber: Es besteht natürlich immer die Gefahr, die Verbindung ggf. als ein Mittel zu nehmen, um einen Pflichtverteidiger aus einem Verfahren herauszuschießen.

Wer A sagt, muss auch B sagen, meint auch das LG Braunschweig…

Ich hatte vor einiger Zeit über eine interessante/zutreffende kostenrechtliche Entscheidung des AG Braunschweig berichtet, in der das AG dem Verteidiger Gebühren für insgesamt 27 Ermittlungsverfahren zugesprochen hatte. Die StA hatte aus statistischen Gründen zunächst 27 Verfahren eingetragen, obwohl man letztlich nur von 7 Verfahren ausging. Gebühren für den Pflichtverteidiger, der in allen 27 Verfahren Akteneinsicht hatte und das Verfahren mit seiner Mandantin ausführlich erörtert hat, mehr als 10.000 €.  Dagegen (natürlich) das Rechtsmittel des Bezirksrevisors, der ebenso wie die StA nur von sieben Verfahren ausgegangen ist.

Nichts da, hat jetzt das LG Braunschweig im Beschl. v. 19.07.2010 – 7 Qs 22/10 ebenso zutreffend 🙂 gesagt: Wer A sagt, muss eben – auch kostenrechtlich – B sagen. Es gibt 27 Grund- und Verfahrensgebühren :-). Jedes Ermittlungsverfahren ist eben so lange ein eigenständiger Rechtsfall i.S. der Nr. 4100 VV RVG wie nicht die Verbindung mit anderen Verfahren erfolgt ist. Allein die Absicht der Staatsanwaltschaft, später die Verbindung mit anderen Verfahren herbeizuführen, nimmt dem Verfahren – so auch das LG – nicht die Qualität als eigenständiger Rechtsfall.

Und: Erörtert der Rechtsanwalt die Sach- und Rechtslage ausführlich mit seinem Mandanten, wird diese Tätigkeit nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der Verfahrensgebühr umfasst. Der RA hat – was wichtig/richtig ist – zur Verfahrensgebühr vorgetragen.

Interessant folgende Passage in der Entscheidung:

„…Diese Absicht der Verbindung der Verfahren war für Rechtsanwalt H. nicht erkennbar. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sollte vielmehr ihre Eintragungspraxis überdenken, um diese für die Staatskasse sehr nachteiligen Kostenfolgen zukünftig zu vermeiden.“

Tja, recht deutlich der Rüffel für die StA. Wer A sagt, muss eben B sagen, auch wenn es teuer wird.

Wer A sagt, muss auch B sagen: Oder, wenn ich einen Vorteil habe, dann bitte aber auch für den Rechtsanwalt

Die Abrechnung der Grundgebühr mach immer wieder Schwierigkeiten. So auch vor kurzem beim AG Braunschweig (AG Braunschweig, Beschl. v. 12.12.2009 – Ls 107 Js 12216/08). Dort wurden gegen den Beschuldigten 27 Ermittlungsverfahren geführt, in denen der Rechtsanwalt Akteneinsicht genommen hatte. Diese Verfahren wurden bei der StA im Js-Register einzeln eingetragen. Die StA plante aber von vornherein eine Verbindung. Die 27 Verfahren sind dann später auch zu sieben Verfahren verbunden worden. Im Rahmen der Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung ist dem Rechtsanwalt vom Rechtspfleger nur eine Vergütung für das Tätigwerden in sieben Verfahren gewährt worden. Auf seine Erinnerung hin hat das AG den Beschluss aufgehoben und den Rechtspfleger „angewiesen“, die Vergütung neu festzusetzen. Jedes Ermittlungsverfahren sei so lange ein eigenständiger Rechtsfall i.S. der Nr. 4100 VV RVG wie nicht die Verbindung mit anderen Verfahren erfolgt ist. Allein die Absicht der Staatsanwaltschaft, später die Verbindung mit anderen Verfahren herbeizuführen, nimmt dem Verfahren aber nicht die Qualität als eigenständiger Rechtsfall.

Recht so: Abgesehen davon, dass jede andere Ansicht der Manipulation Tür und Tor öffnen würde, gilt: Wenn die StA sich schon 27 Verfahren einträgt und damit 27 Zählkarten vorliegen, die für die Pensenberechnung von Bedeutung sind, dann bitte aber auch mit allen (kostenrechtlichen) Konsequenzen.