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Ich habe da mal eine Frage: Kein Ping-Pong bei der Erstreckungsentscheidung

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Bei meinem „letzten Auftritt“ in einem FA-Kurs für Strafrecht war vor einigen Wochen folgender Fall Gegenstand der Diskussion:

Bei der StA sind mehrere selbständige Strafverfahren anhängig, in denen der Rechtsanwalt tätig. Die Verfahren werden dann von der StA verbunden. Die erhebt Anklage zu AG. Dort wird der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Er stellt sich die Frage: Erstreckung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG? Und wer muss darüber beschließen?

Der Kollege hatte bereits mit der Amtsrichterin gesprochen, die sagt: Ich nicht, da das Verfahren bei mir schon verbunden war.

Stand der Diskussion/Lösung:

Zunächst mal stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Erstreckung erforderlich ist, da hier ja die Pflichtverteidigerbestellung nach der Verbindung erfolgte. Dazu wird von der wohl h.M. in der Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten – zutreffend -, dass das kein Fall des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG ist. Das wird aber z.T. in der Rechtsprechung anders gesehen, so z.B. auch von dem „für den Kollegen zuständigen OLG“ Oldenburg. Also kommt man wahrscheinlich um einen Erstreckungsbeschluss nicht herum

Was aber machen wir nun mit der Zuständigkeit für den Erlass des Beschlusses? Die StA kann nicht mehr, bei ihr sind die Akten nicht mehr und sie hat auch nicht bestellt. Also bleibt nur die Amtsrichterin, die nicht will. Aber m.E. muss sie, da sie erste und einzige ist, die über die Pflichtverteidigung entschieden hat Wer sonst? Zudem handelt es sich bei der Erstreckungsentscheidung um eine Annex-Entscheidung zu Pflichtverteidigerbestellung und die muss m.E. nun die Amtsrichterin nachholen.

Wenn sie nicht will, muss sie einen entsprechenden Antrag zumindest zurückweisen. Dann kann die Frage im Rechtsmittel geklärt werden.

Alles in allem: Interessante Frage. Über den Ausgang wird der Kollege mir und ich dann hier berichten. M.E. kann es ein „Ping-Pong“ bei der Erstreckungsentscheidung nicht geben.

Nachtrag: Ich hatte den Beitrag wegen eines Kurzurlaubs 🙂 vorbereitet. Und dann kommt es natürlich. Die Ereignisse überholen sich :-). Ich hatte übersehen: In dem Forum auf meiner HP war die Frage auch schon mal diskutiert worden. Und da hat der Kollege heute (16.10.2013) mitgeteilt:

„….die Angelegenheit ist nunmehr auf meine Erinnerung hin durch das AG Hannover entschieden worden. Der Kostenbeamte hat nach Rücksprache mit der Bezirksrevision ausgeführt, dass eine Erstreckungserklärung durch das Gericht auch dann möglich und notwendig ist, wenn der RA vor Verbindung der Angelegenheiten durch die StA vorher Tätigkeit entfaltet hat. Die Richterin hat die Erstreckung nachgeholt; ich meine weiteren Gebühren anstandslos bekommen.

zum Zitieren: AG Hannover, Beschluss vom 10.09.2013; Az: 316 Ls 3513 Js 10095/13 ( 94/13 ) u.a. mit Verweis des Kostenbeamten in seinen zunächst ablehnenden, aber auf die Notwendigkeit der unterbliebenen Erstreckung hinweisenden Beschluss vom 31.07.2013 auf LG Magdeburg vom 20.05.2003, StV 2005, 84; AG Hannover vom 23.09.2009 – 237 Ds 248/09.

Pflichtverteidiger: Immer an den Erstreckungsantrag denken…

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Ich hatte im Juli 2012 über den OLG Koblenz, Beschl. v. 30.05.2012 – 2 Ws 242/12 – berichtet, der – m.E. unzutreffend – davon ausgeht, dass im Fall der Verbindung von Verfahren immer ein Erstreckungsantrag erforderlich ist und nicht nur, wenn die Verbindung der Verfahren nach der Beiordnung erfolgt. Wird nicht erstreckt, kann der Pflichtverteidiger danach keine gesetzlichen Gebühren für seine Tätigkeiten in den hinzuverbundenen Verfahren geltend machen.

In dieser umstrittenen Frage liegt nun der OLG Bremen, Beschl. v. 07.08.2012 – Ws 137/11 – vor. Der geht zutreffend davon aus, dass die kostenrechtliche Rückwirkung gemäß § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG die Tätigkeit als Wahlverteidiger in allen Verfahren erfasst , die vor der Beiordnung verbunden worden sind. Einer zusätzlichen Anordnung der Erstreckung auf verbundene Verfahren gem. § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG bedürfe es in diesen Fällen nicht. Eine Erstreckungsanordnung gem. § 48 Abs. 5 S. 3 RVG sei nur veranlasst, wenn die Verbindung der Verfahren nach der Beiordnung des Verteidigers erfolgt.

Freut einen Kommentator natürlich, wenn sich ein OLG der von ihm vertretenen Auffassung anschließt. Nur: Entwarnung bringt der Beschluss nicht. Denn die Frage bleibt umstritten. Und deshalb bleibt es bei meinem Rat: Vorsorglich bei Verbindung als Pflichtverteidiger immer die Erstreckung beantragen.

„Preis“Frage – hier ist meine Antwort……

Ich hatte ja vor einigen Tagen die (Preis)Frage eines Kollegen zu einer gebührenrechtlichen Problematik eingestellt, die mit der Verbindung von Verfahren zu tun hatte. Antworten habe ich darauf leider nicht bekommen. Aber: ich will natürlich den Lesern meine Antwort an den Kollegen nicht vorenthalten. Ich habe ihm wie folgt geantwortet:

M.E. handelt es sich bei der Verbindung, so wie Sie den SV mitteilen, nicht um eine nach den §§ 2 ff. StPO – Verschmelzungsverbindung – sondern um ein nach § 237 StPO. Der Unterschied ist gebührenrechtlich gewaltig, da bei der Verschmelzungsverbindung nach der Verbindung nur noch eine Angelegenheit vorliegt, mit der Folge, dass grds. die Gebühren über § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG auch nur noch einmal entstehen können. Bei der Verbindung nach § 237 StPO bleibt hingegen jede Angelegenheit – also bei Ihnen jedes Bußgeldverfahren – selbständig mit der Folge, dass die Gebühren auch alle eigenständig entstehen können.

Das hat m.E. zur Folge, dass in jedem Bußgeldverfahren die gerichtliche VG und die TG entstanden ist. Sie sollten also gegenüber der Staatskasse so abrechnen, und zwar in den insgesamt 9 eingestellten Verfahren die Gebühren für das vorbereitende Verfahren, so weit Sie dort tätig waren, und die Gebühren für das gerichtliche Verfahren. Die Staatskasse wird sich freuen.“

Die Fragen der Verbindung sind immer ein wenig problematisch. Ich darf dazu auf meinen Beitrag aus RVGreport 2008, 405 verweisen. Den findet man im Volltext auf meiner HP. Außerdem sind die Verbindungsfragen eingehend im RVG-Kommentar, 3. Aufl., behandelt.

„Preis“Frage: Wie viele Gebühren sind entstanden?

Ein Kollege hatte mich neulich wegen folgender gebührenrechtlicher Frage kontaktiert. Die gebe ich hier mal weiter: Ich bin gespannt auf Lösungen

Ich vertrete einen Betroffenen in 10 verschiedenen VerkehrsOwi-Sachen mit jeweiligem Rechtschutz. Nach Einspruch gegen die BG-Bescheide hat das AG vor der Hauptverhandlung alle Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der Hauptverhandlung habe ich dann im führenden Verfahren den Einspruch zurückgenommen. Anschließend hat das Gericht die 9 verbundenen Verfahren abgetrennt und in der Hauptverhandlung jeweils nach § 47II OWiG eingestellt mit Kosten und notwendigen Auslagen auf die Staatskasse.

Ist nur eine Termingebühr entstanden oder durch die Abtrennung in laufender Hauptverhandlung eine Vielzahl?

Wenn nur eine Termingebühr entstanden ist, wie wird sie verteilt zwischen Rechtschutzversicherung und Staatskasse? Sie müsste ja auch über § 14 RVG (10 Verfahren mit jeweils einem Punkt) erhöht werden.“

Problem lässt sich m.E. ohne Schwierigkeiten lösen mit Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2012, auf den ich hier noch einmal hinweise. Vorsicht: Das war jetzt Werbung 🙂 🙂

Verbindung von Verfahren und Pflichtverteidigung: Achtung bei den Gebühren

Eine – in meinen Augen mal wieder fiskalisch geprägte – Entscheidung des OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.12.2010 – 1 Ws 583/10 zwingt m.E. zum Umdenken bei der Erstreckung.

Das OLG Oldenburg will nämlich die Frage wohl bejahen, ob auch dann eine ausdrückliche Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG erforderlich ist, wenn erst verbunden wird und dann (später) die Pflichtverteidigerbestellung erfolgt. Die ganz h.M. sieht das anders und löst die Problematik über § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG. Das OLG Oldenburg will den Satz 3 nun auf alle Verbindungen anwenden, übersieht dabei aber m.E., dass dafür schon nach dem Wortlaut der Vorschrift überhaupt kein Raum mehr ist. Denn es liegt nur noch eine Angelegenheit vor.

Für die Verteidigungspraxis ist aus der Entscheidung der dringende Rat an den Verteidiger abzuleiten, jetzt in allen Verfahren, in denen verbunden wird, in Zusammenhang mit einer Pflichtverteidigerbestellung ausdrücklich die Erstreckung zu beantragen. Nur so lässt es sich vermeiden, dass Gebühren verloren gehen.