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StPO III: Wenn nach Aufhebung im zweiten Durchgang die eigenen Feststellungen fehlen, oder: Anfängerfehler

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Und als dritte Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 22.08.2018 – 3 StR 128/18 – mit einer Problematik, die den BGH immer wieder beschäftigt. Es geht um Folgendes: Der Angeklagte ist durch Urteil des LG vom 19.10.2015 von dem Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers hat der BGH diesen Freispruch insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben (BGH 3 StR 124/16). Das LG hatte nach Auffassungdes BGH eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung nicht rechtsfehlerfrei verneint, weil es sich bei der rechtlichen Würdigung in Widerspruch zu seinen Feststellungen gesetzt hatte. Im sich anschließenden zweiten „Durchgang“ ist der Angeklagte nunmehr vom LG wegen Beihilfe zur Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dagegen die Revision, die mit einer Verfahrens- und der Sachrüge Erfolg hatte: Begründung: Die Strafkammer hat keine eigenen ausreichenden Feststellungen getroffen:

„1. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte, dass die Strafkammer ihre Überzeugung nicht „aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung“ und unter Verstoß gegen § 353 Abs. 2 StPO geschöpft habe. Dem liegt Folgendes zugrunde:

In der Hauptverhandlung wurde nach der Verlesung des Anklagesatzes das Urteil des Landgerichts vom 19. Oktober 2015 auszugsweise verlesen. Gegenstand der Verlesung waren insbesondere die zur Person des Angeklagten und die zur Sache getroffenen Feststellungen. Anschließend wurde die Entscheidung des Senats, durch die das Urteil vom 19. Oktober 2015 hinsichtlich des Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden war, ebenfalls auszugsweise verlesen. Sodann ließ sich der Angeklagte durch eine von seinem Verteidiger vorgelesene schriftliche Erklärung zur Sache ein, bevor das Gericht in die Beweisaufnahme eintrat. Zu Beweiszwecken wurde das Urteil vom 19. Oktober 2015 weder verlesen noch auf anderem Wege in die Beweisaufnahme eingeführt.

In den Urteilsgründen hat die Strafkammer unter II. die dem Urteil vom 19. Oktober 2015 zugrunde liegenden Feststellungen zur Sache vollständig wiedergegeben und sodann unter III. „weitere“ Feststellungen getroffen. Diese betreffen in erster Linie das Tatgeschehen als solches und entsprechen im Wesentlichen denjenigen, die insoweit im ersten Rechtsgang getroffen worden waren. Außerdem hat das Landgericht Feststellungen zu den Folgen der Tat getroffen, unter denen der Nebenkläger aktuell noch leidet.

a) Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich einen Verstoß gegen § 261 StPO gerügt hat. Dem Revisionsvorbringen lässt sich unschwer entnehmen, dass er diese Vorschrift als verletzt ansieht.

b) Die Rüge ist auch begründet.

Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, dass das Landgericht die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen seinem Urteil zugrunde gelegt und nur noch ergänzende Feststellungen getroffen hat.

Das ergibt sich nicht nur daraus, dass die Strafkammer die im ersten Rechtsgang zur Sache getroffenen Feststellungen in den Urteilsgründen unter II. vollständig zitiert und im Anschluss daran unter III. nur noch „weitere“ Feststellungen getroffen hat, sondern auch daraus, dass sie unter III. sowie in den weiteren Urteilsgründen wiederholt inhaltlich auf die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen Bezug genommen hat, ohne eigene zu treffen. Das gilt etwa für das Geschehen im Vorfeld der Tat, insbesondere das Ereignis, bei dem der Bruder des Nebenklägers K. W. körperlich verletzt hatte.Gleichermaßen verhält es sich im Hinblick auf die dem Nebenkläger durch die Tat von K. W. zugefügten Verletzungen. So hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung und bei der Adhäsionsentscheidung die insoweit dem Urteil vom 19. Oktober 2015 zugrunde liegenden Feststellungen berücksichtigt; eigene Feststellungen hat es nur zu denjenigen Verletzungsfolgen getroffen, unter denen der Nebenkläger heute noch leidet.

Das Landgericht durfte die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen seinem Urteil jedoch nicht zugrunde legen, weil sie nicht Gegenstand der Beweisaufnahme waren (§ 261 StPO). Die Strafkammer hat verkannt, dass das den Angeklagten freisprechende Urteil mit den Feststellungen aufgehoben worden war (§ 353 Abs. 2 StPO) und es deshalb insgesamt neuer Feststellungen bedurfte.

Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil auch (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung ohne Berücksichtigung der im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen für den Angeklagten günstiger ausgefallen wäre.

2. Die Sachrüge ist ebenfalls begründet.

Es stellt auch einen sachlich-rechtlichen Mangel dar, wenn das Tatgericht, welches nach der Aufhebung eines früheren Urteils mit den Feststellungen zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufen ist, seinem Urteil – wie hier – nicht nur eigene, sondern auch aufgehobene Feststellungen zugrunde legt (BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2012 – 3 StR 156/12, juris Rn. 6; vom 15. März 1988 – 5 StR 87/88, NStZ 1988, 309; vom 28. März 2007 – 2 StR 62/07, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Tenorierung 1). …… “

Man fragt sich – jedenfalls ich frage mich: Muss das eigentlich sein bzw.: Merkt denn niemand in der Strafkammer, dass man es so nicht machen darf/kann? Ich halte das Vorgehen der Strafkammer schon für einen „Anfängerfehler“.

OWi I: Wenn das Laser-Messverfahren nicht mehr standardisiert ist, oder: Urteilsgründe?

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Heute dann ein wenig OWi, und zwar zunächst mit dem KG, Beschl. v. 23.07. 2018 – 3 Ws (B) 157/18. Es geht noch einmal um die Anforderungen an die Urteilsgründe beim standardisierten Messverfahren. H.M. in der Rechtsprechung ist: Die bei einem standardisierten Messverfahren möglichen Erleichterungen betreffend die Abfassung der Urteilsgründe können nur in Anspruch genommen werden, wenn die vom Hersteller vorgesehenen und in der Bedienungsanleitung beschriebenen Funktionstests ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Die Frage, die sich in dem Zusammenhang dann weiter stellt: Führt dann/deshalb ein Verstoß gegen die Bedienungsanleitung führt nicht zwingend zur Unverwertbarkeit der Messung? Die Antwort gibt der KG -Beschluss:

„Da die Durchführung der vorgeschriebenen Funktionstests somit den genannten Vorgaben der Gebrauchsanweisung für das eingesetzte Messgerät nicht genügt, kann im vorliegenden Fall nicht von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden. Die für die Darstellung im Urteil geltenden Erleichterungen bei standardisierten Messverfahren (vgl. BGHSt 39, 291) konnten daher nicht in Anspruch genommen werden (vgl. OLG Bamberg ZfSch 2017, 171).

Damit war die erfolgte Messung als solche zwar nicht generell unverwertbar. Vielmehr musste das Gericht von einem individuellen Messverfahren ausgehen, das nicht mehr die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich in Anspruch nehmen kann (vgl. OLG Bamberg a.a.O.). Will das Gericht eine Verurteilung des Betroffenen gleichwohl auf ein solches, durch den Mangel eines Verstoßes gegen die Gebrauchsanweisung belastetes Messergebnis stützen, muss es die Korrektheit der Messung individuell überprüfen, wobei es unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Aufklärungspflicht nicht ausnahmslos der Erhebung eines Sachverständigenbeweises bedarf (vgl. OLG Bamberg a.a.O. m.w.N.). Nimmt der Richter hierbei jedoch eigene Sachkunde für sich in Anspruch, muss er diese in den Urteilsgründen in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbaren und überprüfbaren Weise darlegen (vgl. BGH NStZ 2009, 346; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl. § 244 Rn. 73 m.w.N.).

Die Urteilsgründe enthalten nicht die erforderlichen Feststellungen hinsichtlich einer individuellen Überprüfung der Messung und genügen damit nicht den Anforderungen an die Darstellung eines außerhalb eines standardisierten Messverfahrens zustande gekommenen Messergebnisses. Zwar kann der Gesamtheit der Urteilsgründe aufgrund des sich aus den Feststellungen ergebenden Umstandes, dass der durch die beiden Messposten, die Zeugen H. und F., an Innen- sowie Außendisplay jeweils abgelesene Geschwindigkeitswert übereinstimmte, entnommen werden, dass das im Rahmen der Funktionstests nicht getestete Außendisplay zumindest bei der in Rede stehenden Messung fehlerfrei gearbeitet haben muss, das Amtsgericht die Funktionalität des Außendisplays mithin – für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar – einer individuellen Überprüfung unterzogen hat. Jedoch hat es den zur Messung gehörenden (technischen) Vorgang der Messwertbildung nicht individuell auf seine Korrektheit hin überprüft, obschon es dies unter Beachtung der obergerichtlichen Rechtsprechung hätte tun müssen. Indem das Gericht in den Urteilsgründen insofern lediglich ausgeführt hat, dass durch die unterlassene Überprüfung des Außendisplays die Messwertbildung selbst nicht beeinflusst worden, diese vielmehr nach gleichen Maßstäben weiterhin gegeben gewesen sei (UA S. 4), hat es für die Messwertbildung die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit des Messverfahrens für sich in Anspruch genommen, obschon ihm dies mangels Vorliegens einer Messung im standardisierten Messverfahren verwehrt war.“

Vollstreckung I: Bewährung beim Bewährungsversager, oder: Urteilsanforderungen

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Am heutigen Donnerstag dann mal ein Tag der Vollstreckungs/Bewährungsentscheidungen. Den Opener macht das KG, Urt. v. 15.08.2018 – (3) 121 Ss 123/18 (18/18)–, über das ich schon einmal berichtet habe (vgl. hier: Rechtsmittel I: Beschränkung der Berufung auf die Sperrfrist, oder: Wirksam?).

Heute geht es um die vom KG entschiedene materielle Frage, nämlich: Bewährung bei Bewährungsversager. Die Problematik ist in der Praxis ja (leider) nicht selten. So auch hier. Das LG hatte dem Angeklagten Straufaussetzung zur Bewährung gewährt (§ 56 StGB), obwohl er immer wieder wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Erscheiung getreten war. Das KG moniert, dass das LG der in diesem Fall erhöhten Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist:

„Bei einem schon mehrfach und dabei – wie vorliegend – auch wiederholt wegen einschlägiger Delikte vorbestraften Täter, der schon frühere Bewährungsfristen nicht bestanden oder die neue Tat während laufender Bewährung begangen hat – beides ist bei dem Angeklagten der Fall –, sind erhöhte Anforderungen an die Begründung einer dennoch bewilligten erneuten Strafaussetzung zur Bewährung zu stellen. Es sind die (besonderen) Umstände darzulegen, aus denen das Gericht trotz der mit dem Täter bisher gemachten negativen Erfahrungen die positive Erwartung herleitet. Denn der Täter hat durch seine neuerliche Straffälligkeit gezeigt, dass er nicht willens oder fähig ist, sich frühere Verurteilungen zur Warnung dienen zu lassen. Bei ihm kann daher in der Regel nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass er sich anders als in der Vergangenheit verhalten, sich also in Zukunft straffrei führen wird. Die vorbezeichneten Umstände müssen in den Urteilsgründen im Rahmen einer Gesamtwürdigung dargelegt werden, wobei eine Gegenüberstellung der bisherigen und der gegenwärtigen Lebensverhältnisse des Täters erforderlich ist und es einer eingehenden Auseinandersetzung mit den Vortaten und den Umständen, unter denen sie begangen wurden, bedarf (vgl. KG, Urteile vom 17. Januar 2018, 20. Januar 2017, 13. April 2016 und 13. Dezember 2006 jeweils a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen kann die angefochtene Aussetzungsentscheidung keinen Bestand haben.

b) Im Ansatz zunächst zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass es angesichts der Vorbelastungen des Angeklagten besonderer Umstände bedarf, um gleichwohl zu einer günstigen Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB zu gelangen. Jedoch ist die Darstellung der besonderen Umstände lückenhaft.

aa) Zwar hat das Landgericht die Delinquenzgeschichte des Angeklagten rechtsfehlerfrei als prognostisch ungünstigen Faktor berücksichtigt und seine Vortaten – insbesondere soweit es sich dabei um insgesamt 12 Fälle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis handelt –, wegen derer er seit dem Jahre 2003 mehrfach zu Geld- und – teils unbedingten – Haftstrafen verurteilt worden ist, aufgeführt. Jedoch wäre es darüber hinaus erforderlich aber auch ausreichend gewesen, die der letzten, die zur hiesigen Tatzeit laufende Bewährung auslösende Verurteilung vom 18. April 2012 zugrunde liegenden Umstände darzustellen. Es fehlen insofern Feststellungen zu der konkreten Tatzeit, dem der Verurteilung zugrundeliegenden Lebenssachverhalt und den prognostisch bedeutsamen Begleitumständen. Insbesondere hätte es der Mitteilung seiner jeweiligen Lebensumstände bedurft, weil das Landgericht als einen wesentlichen Grund für die erneute Bewährungsentscheidung deren Änderung seit seinem Wegzug aus seinem früheren Fürstenwalder Umfeld, das jedoch nicht näher dargestellt wird, angesehen hat. Auch hat die Kammer erkennbar nicht bedacht, dass der Umzug des Angeklagten nach Berlin und die Aufnahme seines im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnisses zur Zeit der verfahrensgegenständlichen Tat bereits erfolgt waren.

bb) Dem Umstand, dass der Angeklagte seit der hiesigen Tat vom 11. Oktober 2015 nicht erneut verurteilt worden ist, kommt nur begrenzte Aussagekraft für die prognostische Beurteilung zu. Denn seine mehrjährige Delinquenzgeschichte lässt auch ohne detaillierte Feststellungen zu den Tatzeiten erkennen, dass es immer wieder straffreie Phasen gegeben haben muss. Dies war insbesondere vor der hiesigen Tat der Fall, denn im Zeitpunkt des landgerichtlichen Erkenntnisses lagen ausweislich der Urteilsgründe der Rechtskrafteintritt der letzten Vorverurteilung etwa fünf Jahre und die letzte dieser Vorverurteilung zugrunde liegende Tat mehr als sieben Jahre zurück.

…“

OWi II: „Ich war nicht der Fahrer“, oder: Das anthropologische Identitätsgutachten im Urteil

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Auch schon etwas älter ist der KG, Beschl. v. 26.01.2018 – 3 Ws (B) 11/18, der noch einmal zu den Anforderungen an die Darstellung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens im Urteil Stellung nimmt. Es geht um ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO – Mobiltelefon im Straßenverkehr. Der Betroffene hatte bestritten, Fahrer gewesen zu sein. Das AG ist aufgrund eines anthropolgischen Gutachtens von der Fahrereigenschaft des Betroffenen ausgegangen. Dem AKG reichen die Urteilsgründe des AG:

„dd) Misst das Tatgericht – wie vorliegend – einem Sachverständigengutachten Beweisbedeutsamkeit bei, so muss es die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch gerade in Bußgeldsachen nur gedrängt) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wenigstens insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 13. Februar 2017 a.a.O.; 20. September 2016 a.a.O.; 30. Juli 2015 – 3 Ws (B) 368/15 -; 20. Mai 2014 – 3 Ws (B) 271/14 – = VRS 111, 449, juris m.w.N.; 13 September 2012 – 3 Ws (B) 512/12 – und 11. Januar 2010 – 3 Ws (B) 730/09 -). Der Umfang der Darlegungspflicht hängt dabei von der Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage, die dieser für die Entscheidung zukommt, ab (vgl. BGH NStZ 2000, 106, juris Rn. 2). Eine im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung kann nur in Ausnahmefällen ausreichen, wenn sich das Gutachten auf eine allgemein anerkannte und standardisierte Untersuchungsmethode gründet und von keiner Seite Einwände gegen die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben werden. In anderen Fällen sind neben den wesentlichen tatsächlichen Grundlagen und den daraus vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) vor allem auch die das Gutachten tragenden fachlichen Begründungen auszuführen (vgl. BGHSt 39, 291, juris Rn. 19 ff.).

ee) Bei einem – wie hier – anthropologischen Identitätsgutachten handelt es sich nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode, bei der sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann, denn von einem gesicherten Stand der Wissenschaft in diesem Bereich kann nicht die Rede sein (vgl. BGH NStZ 2005, 458, juris Rn. 16; Senat, Beschlüsse vom 13. September 2012, 20. September 2016 und 13. Februar 2017 jeweils a.a.O.). Erforderlich ist daher in den Urteilsgründen eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungs-tatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung, so dass die bloße Aufzählung der mit einem Foto übereinstimmenden morphologischen Merkmalsprägungen eines Betroffenen nicht ausreicht (vgl. OLG Bamberg NZV 2008, 211, juris Rn. 10; OLG Celle NZV 2002, 472, juris Rn. 6 ff.). Enthält das anthropologische Sachverständigengutachten – wie im vorliegenden Fall – keine Wahrscheinlichkeitsberechnung, so muss das Urteil, da den einzelnen morphologischen Merkmalen jeweils eine unterschiedliche Beweisbedeutung zukommt, Ausführungen dazu enthalten, welchen der festgestellten Übereinstimmungen – gegebenenfalls in Kombination mit anderen festgestellten Merkmalen – eine besondere Beweisbedeutung zukommt, das heißt, welche Aussagekraft der Sachverständige den Übereinstimmungen zumisst und wie er die jeweilige Übereinstimmung bei der Beurteilung der Identität gewichtet hat (vgl. Thüringer OLG VRS 122, 143, juris Rn. 17).

ff) Den vorgenannten Anforderungen werden die eingehenden Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Beweiswürdigung, soweit sie sich auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen beziehen, in ihrer Gesamtheit gerecht. Lückenlos und nachvollziehbar teilt das Tatgericht seine Überzeugungsbildung zur Fahrereigenschaft des Betroffenen in den Urteilsgründen mit. Insbesondere hat es die einzelnen, von der Sachverständigen im Messfoto festgestellten morphologischen Merkmalsprägungen im Detail beschrieben, sich sodann jeweils zu deren Abgleich mit dem in der Hauptverhandlung durch die Sachverständige gefertigten Vergleichsfoto vom Betroffenen Bl. 149 d.A. (oben rechts), auf das das Amtsgericht ebenfalls nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen hat, bzw. mit dem Erscheinungsbild des Betroffenen verhalten und schließlich Ausführungen zur Gewichtung der einzelnen Merkmale, bezüglich derer es in allen 37 Prägungen ausnahmslos Übereinstimmungen feststellte, gemacht.“

BGH: Die Urteilsgründe erfordern „gedankliche Vorarbeit, oder: „Ungenügend, Thema verfehlt.“

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Nachdem ich eben den 3. Strafsenat des BGh erwähnt habe, der m.E. für die Revisionen im sog. NSU-Verfahren zuständig ist, bietet sich als nächstes Posting/als nächste Entscheidung, über die ich berichten möchte der BGH, Beschl. v. 30.05.2018 – 3 StR 486/17 -, über den ja auch schon an anderen Stellen berichtet worden ist, an. Die Entscheidung zeigt sehr schön, dass der BGH mit den wohl teilweise ausufernden Ausführungen in landgerichtlichen Entscheidungen – gelinde ausgedrückt – „unzufrieden“ ist. Schließlich muss er/der Senat ja alles lesen. Daher ruft er immer wieder zur Mäßigung auf. So auch hier mit mehr als deutlichen Worten, wenn es heißt:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Zur Abfassung von Urteilsgründen hat der Bundesgerichtshof – wie vom Generalbundesanwalt und von einigen der Verteidiger zu Recht aufgeführt – bereits mehrfach entschieden, dass die Urteilsgründe nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; die Sachverhaltsschilderung soll kurz, klar und bestimmt sein und alles Unwesentliche fortlassen. Gleiches gilt entsprechend für die Beweiswürdigung, in der das Beweisergebnis nur so weit erörtert werden soll, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist, nicht aber eine Dokumentation der Beweisaufnahme vorgenommen werden soll. Ebenso wenig ist es angezeigt, zu jeder Feststellung, mag sie in Bezug auf den Tatvorwurf noch so unwesentlich sein, einen Beleg in den Urteilsgründen zu erbringen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2018 – 3 StR 586/17, juris; vom 4. Oktober 2017 – 3 StR 145/17, juris; vom 25. Juli 2017 – 3 StR 111/17, juris; jew. mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nötigt das angefochtene, knapp 1.300 Seiten lange Urteil zu dem Hinweis, dass mit dieser Rechtsprechung nicht bloß unverbindliche stilistische Maßgaben aufgestellt werden sollen, sondern dass es sich insoweit um die einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben des § 267 Abs. 1-3 StPO handelt. Die Urteilsgründe werden diesen nicht gerecht und offenbaren schwerwiegende handwerkliche Schwächen sowie grundsätzliche Verständnismängel, wenn – wie beispielsweise hier –

• in den Feststellungen zur Sache, die von Blatt 32 bis Blatt 414 der Urteilsgründe reichen, über mehr als 220 Seiten Mitschnitte von Telefongesprächen und Chatprotokolle ausführlich und teils wörtlich wiedergegeben werden;

• sich weitere 57 Seiten der Feststellungen zur Sache mit dem „Verfahrensgang“ befassen, ohne dass – mit Ausnahme weniger Ausführungen zu den Bemühungen einiger Angeklagter um einen Täter-Opfer-Ausgleich – ersichtlich wird, welche Konsequenzen sich daraus für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch ergeben könnten;

• in der „Beweiswürdigung“ die Einlassungen der Angeklagten auf mehr als 120 Seiten nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich ihrer Entstehung umfassend – einschließlich der Nachfragen von Verfahrensbeteiligten – dokumentiert werden;

• diese Einlassungen alsdann in der Würdigung der „Beweisaufnahme im engeren Sinne“ zur Bandenstruktur, den Motiven der Bandendiebstähle sowie zu den Einzeltaten erneut wiedergegeben werden;

• die bereits in den Feststellungen dokumentierten Telefongespräche und Chatprotokolle nunmehr in der Beweiswürdigung ebenfalls erneut umfänglich zitiert werden;

• die ohnehin entbehrlichen Feststellungen zum Verfahrensgang auf 50 Seiten auch noch belegt werden;

• für jeden Halbsatz der übermäßig ausführlichen Feststellungen auch zu gänzlich unwichtigen Details ein Beweismittel benannt und dessen Inhalt wiedergegeben wird.

Angesichts der zur Verurteilung gelangten zwölf Einzeltaten und der allenfalls durchschnittlich schwierigen Beweislage – die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegten Taten ganz überwiegend gestanden und lediglich die Bandenabrede sowie die Tatmotivation (Unterstützung islamistischer bzw. jihadistischer Bestrebungen in Syrien) bestritten – lässt der Umfang der Feststellungen mit gut 400 Seiten sowie der „Beweiswürdigung“, die insgesamt mehr als 720 Seiten lang ist, nur den Schluss zu, dass die Urteilsverfasser nicht die notwendige gedankliche Vorarbeit verrichtet haben, eine wertende Auswahl zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zu treffen. Gerade darin liegt aber die unverzichtbare geistige Leistung, die von einem Richter zu verlangen ist (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 270a). Im Übrigen zeigt sich in der dargelegten Vorgehensweise auch ein bedenklicher Umgang mit den Ressourcen der Justiz.“

Wenn es ein Schulaufsatz wäre, der beurteilt würde/wird, hätte man auch sagen können: „Ungenügend, Thema verfehlt.“ Nur, so ganz dann doch nicht. Denn:

„Das Urteil hat gleichwohl Bestand, weil es dem Senat letztlich doch noch möglich war, aus der Vielzahl überflüssiger Ausführungen diejenigen herauszufiltern, derer es zum Beleg der jeweiligen Schuld- und Rechtsfolgenaussprüche bedurfte.“

Das ist die Krux an diesen Geschichten/Beschlüssen. Den Worten folgen keine Taten/Aufhebungen, weil es immer „gerade eben noch“ reicht. Aber so deutlich wie hier habe ich es noch nie gelesen. Das spricht dafür, dass es „knapp“ war.