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Wo gefährliche Körperverletzung drauf steht, muss sie auch festgestellt sein….

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Der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) in der Form der „gemeinschaftlichen Begehung“ – Nr. 4 – macht in der Rechtsprechung häufig Schwierigkeiten. Verwirklicht wird der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB , „wer die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht“. Dabei wird weder Eigenhändigkeit noch Mittäterschaft vorausgesetzt; ausreichend ist vielmehr schon das gemeinsame Wirken eines Täters und eines Gehilfen bei der Begehung einer Körperverletzung (BGHSt 47, 383, 386). Gerade dieses gemeinsame Einwirken auf das Opfer bei der Begehung der Körperverletzungshandlung ergibt sich aus den geschilderten Feststellungen indes nicht; insoweit ist auch nicht ersichtlich, dass das gemeinsame Ziehen an dem Opfer bereits die Voraussetzungen einer Körperverletzung erfüllte. So noch einmal der BGH, im BGH, Beschl. v. 08.03.2016 – 3 StR 524/15, in dem er die Verurteilung eines Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB aufgehoben hat. Begründung: Die tatsächlichen Feststellungen des LG und die rechtliche Würdigung passen nicht zueinander.

Festgestellt hatte die Strafkammer:

„a) Zu diesem Fall hat die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte und ein unbekannter Begleiter mit einem Pkw auf offener Straße in zügigem Tempo nah an den Geschädigten L. heranfuhren und beide aus dem Auto sprangen. Während der Unbekannte den Kofferraum öffnete, schlug der Angeklagte das Opfer mit einem Faustschlag ins Gesicht nieder. Der Unbekannte kam nun hinzu und zog zusammen mit dem Angeklagten an dem am Boden liegenden Geschädigten, der um Hilfe rief. Der Angeklagte nahm diesem im Anschluss daran gewaltsam eine Schreckschusswaffe weg, als L. diese aus seinem Hosenbund ziehen wollte.“

Bei der rechtlichen Würdigung hatte die Kammer dann aber wie folgt subsumiert:

„In der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht allerdings einen Sachverhalt subsumiert, der ein gemeinschaftliches Vorgehen belegen würde. Dieser kann der Entscheidung aber nicht zugrunde gelegt werden, denn er weicht in einem entscheidenden Punkt von den Feststellungen ab, indem er schildert, der Unbekannte habe „zumindest mit an dem am Boden liegenden Zeugen gezogen“, „während der Angeklagte (…) durch Schläge auf diesen einwirkte“. Diese Gleichzeitigkeit des Vorgehens ist gerade nicht festgestellt und wird auch durch die Beweiswürdigung nicht belegt. Dort hat das Landgericht die Aussage des Geschädigten L. , auf die es die Feststellungen gegründet hat, so wiedergegeben, dass der Angeklagte allein auf sein Opfer eingeschlagen habe, während der unbekannt gebliebene Dritte den Kofferraum des Wagens öffnete. Dieser sei dann zwar hinzugekommen und er und der Angeklagte hätten – nach dem Eindruck des Zeugen – versucht, ihn in den Kofferraum zu zerren. Als der Unbekannte alsdann aber der Schreckschusswaffe des Geschädigten gewahr geworden sei, habe er von ihm abgelassen; der Angeklagte allein habe sich wieder auf ihn gestürzt und ihm die Waffe abgenommen.“

Tja: Wo gefährliche Körperverletzung drauf steht, muss sie auch festgestellt sein….

Messung mit Typ Riegl FG 21, oder: Dass der Messbeamte „sein Handwerk versteht“, reicht nicht

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Die zweite Entscheidung, die mir der Kollege Brunow geschickt hat, ist der OLG Brandenburg, Beschl. v.  31.05.2016 – (2 B) 53 Ss-OWi 217/16 (119/16) (zur ersten Entscheidung, dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 02.06.2016 – Ss (BS) 8/2016 (7/16 OWi) hier bei: OLG Saarbrücken ändert Rechtsprechung bei Provida, oder: Einsatzmöglichkeiten?). Die Rechtsbeschwerde war erfolgreich. Das AG hatte wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt und auch ein Fahrverbot verhängt. Das OLG beanstandet die Beweiswürdigung bei der mit Typ Riegl FG 21 durchgeführten Messung als nicht ausreichend:

„Die Rechtsbeschwerde dringt mit der Sachrüge durch, da die Prüfung der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils einen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen lässt. Das Beschwerdegericht prüft zwar nur eingeschränkt, ob die Würdigung in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., etwa BGH NStZ-RR 2015, 255). Die vorliegenden Urteilsgründe werden diesem Maßstab jedoch nicht in vollem Umfang gerecht.

Das Gericht ist aufgrund der Angaben des als Zeugen vernommenen Messbeamten T. zur Überzeugung gelangt, dass der festgestellte Messwert dem Motorrad des Betroffenen zuzuordnen gewesen sei. Dieser habe bekundet, kein anderes Fahrzeug im Sichtfeld des Visiers des Messgerätes gesehen zu haben (UA S. 4f.). In diesem Zusammenhang hat das Gericht ausdrücklich dahinstehen lassen, ob zum Zeitpunkt der Messung, die nach den Urteilsfeststellungen aus einer deutlichen Entfernung von 315,6 Metern stattfand, neben oder hinter dem Betroffenen ein weiteres Motorrad des vom Betroffenen benannten Zeugen K. in einem Abstand von nur 1,50 Metern fuhr. Eine fehlerhafte Zuordnung könne aufgrund der Angaben des Zeugen T. ausgeschlossen werden (UA S. 6).

Diese Erwägungen vermögen die Feststellungen zur sicheren Zuordnung des Messwertes nicht zu tragen. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Anwendung standardisierter Messverfahren, die für das vorliegend verwendete Gerät vom Typ Riegl FG 21 ebenfalls heranzuziehen sind (zuletzt etwa OLG Bamberg DAR 2016, 146), verlangten, dass sich der Tatrichter davon überzeugt haben muss, dass bei der Messung die Vorgaben der Bedienungsanleitung eingehalten wurden (a.a.O.). Hierzu hat das Gericht jedoch vorliegend die notwendigen Feststellungen (vgl. auch Senatsbeschl. v. 21.06.2012, 2 B 155/12, juris, Rn. 18-19) im Urteil nicht getroffen. Obgleich der Betroffene ausweislich der Urteilsgründe einen konkreten Messfehler geltend gemacht hat, teilt das Urteil nicht mit, welche konkreten Anforderungen die Bedienungsanleitung des verwendeten Messgerätes in Bezug auf die Zielerfassung von Motorrädern aus größerer Entfernung aufstellt und ob diese befolgt wurden. Das Gericht gibt vielmehr zu erkennen, diesbezüglich über keine eigene Sachkunde zu verfügen und pauschal auf die Zuverlässigkeit des Messbeamten vertraut zu haben: Jener habe glaubhaft bekundet, das Messgerät entsprechend den Vorschriften aufgebaut, getestet und bedient zu haben. Das Gericht habe den Eindruck gewonnen, dass „der Zeuge T. sein Handwerk versteht“ (UA S. 4). Dieser habe angegeben, dass im Visierbereich kein anderes Fahrzeug zu sehen sein dürfe (UA S. 5). Zu der hier maßgeblichen Frage, ob im Falle eng nebeneinander oder versetzt fahrender Zielobjekte zusätzliche Anforderungen bei der Messung aus großer Entfernung einzuhalten waren, ob sie eingehalten wurden bzw. ob sie angesichts des unterstellten Sachverhalts überhaupt eingehalten werden konnten, verhält sich das Urteil dagegen nicht. Davon hätte sich das Gericht möglicherweise durch Beweiserhebung über den Wortlaut der Bedienungsanleitung oder nach sachverständiger Beratung überzeugen können.“

Fazit: Der Tatrichter muss sich davon überzeugt haben, dass bei der Messung die Vorgaben der Bedienungsanleitung eingehalten wurden. Das bedeutet, dass man ihn dazu befragen muss. Das hat aber wiederum zur Folge, dass der Messbeamte ggf. in der Hauptverhandlung anwesend sein muss. Beweisantrag lässt grüßen……

OLG Saarbrücken ändert Rechtsprechung bei Provida, oder: Einsatzmöglichkeiten?

entnommen Wikimedia.org Urheber Federico Cantoni (Jollyroger)

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Den – „richtigen“ – Wochenauftakt will ich heute mit zwei OWi-Entscheidungen machen, die mir der Kollege Brunow aus Berlin in der vergangenen Woche geschickt hat. Seine „Trefferquote“: 50 : 50, also eine Aufhebung und eine Verwerfung. Anfangen will ich mit der Verwerfung, nämlich mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 02.06.2016 – Ss (BS) 8/2016 (7/16 OWi). Es ging um die Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsrichters bei einer Messung mit Provida. Das Messsystem lässt ja verschiedene Einsatzmöglichkeiten zu, nämlich Messung aus einem stehenden Fahrzeug, Messung aus einem fahrenden Fahrzeug durch Nachfahren oder Vorwegfahren mit gleichbleibendem Abstand, Weg-Zeit-Messung. Und da stellt sich die Frage, ob im Urteil zusätzlich zur Mitteilung des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes auch mitgeteilt werden muss, welche der verschiedenen Betriebsarten zum Einsatz gekommen ist. Die ganz h.M. in Rechtsprechung und Literatur sagt: Ja. Das OLG Saarbrücken sagt (jetzt): Nein, und gibt vorsorglich Rechtsprechung, aus der man das Gegenteil ableiten könnte, auf:

„c) Der Annahme, dass der Tatrichter durch die Mitteilung des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes den Darlegungsanforderungen vorliegend genügt hat, steht auch nicht entgegen, dass in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich mitgeteilt wird, welche der bei diesem Messgerät möglichen Betriebsarten konkret zum Einsatz gekommen ist, und sich dies auch nicht aus dem Zusammenhang der Darlegungen in dem angefochtenen Urteil entnehmen lässt (zu letzterer Fallgesta-tung vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2016 – Ss (B) 12/2016 [8/16 OWi] -).

Allerdings wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Hinblick darauf, dass das Messsystem ProViDa verschiedene Einsatzmöglichkeiten — Messung aus einem stehenden Fahrzeug, Messung aus einem fahrenden Fahrzeug durch Nachfahren oder Vorwegfahren mit gleichbleibendem Abstand, Weg-Zeit-Messung (vgl. Thüring. OLG VRS 111, 211 ff.; Schleswig-Holsteinisches OLG, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 3 Ss OWi 948/09 -, juris; Löhle/Beck, Fehlerquellen bei Geschwindigkeitsmessungen, DAR 1994, 465, 475 ff.; Cierniak, a.a.O., S. 667) — zu-lässt, gefordert, dass der Tatrichter — zusätzlich zur Mitteilung des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes — in den Urteilsgründen auch mitteilen muss, welche der verschiedenen Betriebsarten zum Einsatz gekommen ist (vgl. Thü-ring. OLG, a.a.O. sowie Beschluss vom 22. August 2011 – 1 Ss Rs 68/11 -, juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, OLG Hamm, jew. a.a.O.; OLG Bamberg DAR 2012, 154 ff.; DAR 2014, 334 f.; Burhoff, a.a.O., Rn. 2377 m.w.N. aus der Rechtsprechung; a.A. OLG Frankfurt, a.a.O.). Auch ist der Generalstaatsanwaltschaft zuzugeben, dass der Beschluss des Senats vom 27. Dezember 2007 (Ss (B) 88/2007 [98/07]) ebenfalls in diesem Sinne verstanden werden könnte.

Diese Auffassung vermag der Senat jedoch nicht zu teilen; eine eventuell entgegenstehende Rechtsprechung gibt er (vorsorglich) auf. Dabei ist Folgendes zu berück-sichtigen: Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es für sich allein genommen keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils darstellt, wenn sich die Verurteilung eines nicht geständigen Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens auf die Mitteilung des Messverfahrens und der nach Abzug der Messtoleranz ermittelten Geschwindigkeit stützt (vgl. BGHSt 39, 291 ff.; 43, 277, 282), liegt die Überlegung zugrunde, dass die amtliche Zulassung technischer Messgeräte und -methoden durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt — und mithin auch die Anerkennung eines Messsystems als standardisiertes Messverfahren — ebenso wie die Reduzierung des gemessenen Wertes um einen — die systemimmanenten Messfehler erfassenden — Toleranzwert gerade den Zweck verfolgt, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalls frei-zustellen (vgl. BGHSt 39, 291, 297). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen festgestellt, dass Zweifel an der Funktionstüchtigkeit und der sachgerechten Handhabung von Geschwindigkeitsmessgeräten, deren tatsächliche Grundlagen in den Urteilsfeststellungen keinen Niederschlag gefunden haben, im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht aufgrund einer Sachrüge berücksichtigt werden können (BGHSt 39 291 LS 2; 43, 277, 282). Das bedeutet nach Auffassung des Senats aber, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten, sofern aus dem Urteil keine (erörterungsbedürftigen) Besonderheiten ersichtlich sind, in allen Fällen, in denen der Nachweis des Verkehrsverstoßes auf dem Einsatz standardisierter Messverfahren beruht, die Mitteilung des zum Einsatz gekommenen Messverfahrens und die Höhe des von der gemessenen Geschwindigkeit in Abzug gebrachten Toleranzwertes genügt (vgl. Cierniak, a.a.O., S. 666) und weitergehende Ausführungen zur angewandten Betriebsart nicht erforderlich sind. Dies gilt auch mit Blick auf den in Ansatz zu bringenden Toleranzabzug. Denn es ist insoweit anerkannt, dass zum Ausgleich systemimmanenter Messungenauigkeiten im Regelfall jedenfalls ein Toleranzabzug von 5 Prozent der gemessenen Geschwindigkeit ausreichend ist (vgl. H.-P. Grün/Eichler/D. Schäfer/M. Grün/Böttger in: Burhoff, a.a.O., Rn. 2101 m.w.N.; s.a. Beck/Löhle, Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren, 9. Aufl., S. 151).

Zu einer Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG sieht sich der Senat nicht veranlasst, da er sich seiner Auffassung nach in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs befindet (vgl. BGHSt 43, 277, 282).“

Ich sehe es nach wie vor anders – so wie die h.M. Schön auch der „Trick“ mit der Nichtvorlage an den BGH, denn die Vertreter der Gegenauffassung sehen sich ja auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH. So kann man die Vorlagepflicht abschaffen.

Täteridentifizierung mit Lichtbild: Du warst es!, oder: Die zu knappen Urteilsgründe

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In straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren bestehen, wenn im Verfahren die Fragen der Fahrereigenschaft des Betroffenen im Streit sind, häufig gute Chancen auf einen Freispruch oder zumindest die Aufhebung einer Verurteilung in der Rechtsbeschwerde mit der Folge des Zeitgewinns. Denn die Instanzgerichte machen hier trotz der klaren Vorgaben des BGH in BGHSt 41, 376 bei der Verwertung von Lichtbildern, die es von dem Verkehrsvorgang gibt, zur Feststellung der Fahrereigenschaft immer wieder/noch Fehler. Das zeigen noch einmal folgende Entscheidungen aus der letzten Zeit:

1. Zunächst der OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.02.2016 – (2 B) 53 Ss-OWi 664/15. Das AG hatte der Verurteilung des Betroffenen ein Lichtbild zugrunde gelegt, dass nach Auffassung des OLG von sehr schlechter Qualität war. Das Bild war sehr unscharf und kontrastarm. Die Konturen des aufgenommenen Gesichts waren – so teilt es das OLG mit – flach und kaum erkennbar, die Körnung des Fotos war grob. Zudem war die linke Gesichtshälfte der aufgenommenen Person fast vollständig verdeckt.

Das OLG sagt unter Hinweis auf BGHSt 41, 376: „Bestehen Zweifel an der Eignung eines qualitativ schlechten Bildes zur Identifikation des Betroffenen, so muss der Tatrichter zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind umso höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist.“ Das hatte der Amtsrichter nicht getan, deshalb Aufhebung und Zurückverweisung. Davor geretttet haben den Amtsrichter auch nicht seine weiteren Ausführungen, denn: „Soweit das Amtsgericht weiter ausführt, dass „Indizien für eine Überlassung des Fahrzeuges an Dritte“ fehlten, erlaubt dies für sich genommen keine ausreichend zuverlässigen Rückschlüsse darauf, dass die Betroffene Fahrzeugführerin war. Entsprechendes gilt, soweit das Amtsgericht seine Beweiswürdigung darauf stützt, die Betroffene habe „keinerlei konkrete Angaben gemacht, dass das Fahrzeug außer ihr noch durch Dritte genutzt werde“ und zudem nicht behauptet habe, „dass eine andere Person ihr ähnlich sehe“ (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juni 2013, Az.: (2 B) 53 Ss-OWi 232/13 (108/13)).“

2. Die zweite Entscheidung ist dann der OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.10.2015 – 2 Ss 644/15: Da hatte das AG im urteil lediglich mitgeteilt, dass das Lichtbild von „mäßiger Bildqualität“ sei und verschiedene Kriterien geprüft werden konnten „vom Stirnansatz bis zum Oberkörper“. Das OLG hat das als lückenhaft angesehen, wenn sich aus den Gründen des Urteils nicht ergibt, welche Kriterien anhand welcher bildlich erkennbarer Merkmale dies konkret waren. Das Messfoto und Vergleichslichtbilder eines Sachverständigen waren zudem nicht gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht worden. Dennoch hatte das AG nicht Merkmale in ausreichender Anzahl angeführt, die für die Täterschaft des Betroffenen sprechen.

Amtsrichterliches 1 x 1: Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes?

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Diejenigen, die bei mir in FA-Kursen aber auch in Fortbildungen waren, wissen: Eine Chance auf Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und damit zusammenhängender Zeitgewinn besteht häufig dann, wenn es um die Identifizierung des Fahrers anhand eines Lichtbildes geht, das vom Verkehrsverstoß vorliegt. Obwohl die damit zusammenhängenden Fragen in Rechtsprechung und Literatur mehr als „durchgekaut“ sind, werden an der Stelle in den amtsgerichtlichen Urteilen doch immer wieder und immer noch Fehler gemacht, die die Aufhebung des Urteils zur Folge haben. Das zeigt noch einmal bzw. ruft in Erinnerung der OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.07.2015 – (1 B) 53 Ss-OWi 278/15 (149/15), von dem ich daher auch nur die Leitsätze einstelle. Damit ist alles gesagt:

1. Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer – wenn auch nur gedrängten ¬zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben.

2. Sieht der Tatrichter von der Verweisung auf ein von einem Verkehrsverstoß gefertigtes Lichtbild (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) ab, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch wenn er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen abstrakten Merkmale auflistet. Vielmehr muss er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist.

Mich wundern solche Aufhebungen dann doch immer. Denn die angesprochenen Fragen sind in meinen Augen amtsrichterliches 1 x 1, bzw: Sollten es sein.