Schlagwort-Archive: Urkundenfälschung

Die falsche Unterschrift auf dem elektronischen Lesegerät- Urkundenfälschung?

© Gina Sanders - Fotolia

© Gina Sanders – Fotolia

Neue Techniken führen immer/häufig auch zu neuen rechtlichen Problemen. Das kennen wir vom Telefonieren beim Autofahren, aber auch in anderen Bereichen. Und dazu gehört sicherlich auch der der Urkundenfälschung. Mit einem solchen (neuen) Problem befasst sich der OLG Köln, Beschl. v. 01?.?10?.?2013? – 1 RVs ?191?/?13?, nämlich mit der Frage, ob die falsche Unterschrift auf dem elektronischen Lesegerät des Paketzustellers eine Urkundenfälschung ist oder nicht. Das OLG sagt nein:

„Insoweit hat die Kammer festgestellt, der Angeklagte habe am 04.01.2011 in 47 Fällen und am 05.01.2011 in weiteren 20 Fällen ihm als Kurierfahrer zur Auslieferung von der Firma I überlassene Pakete entsorgt oder an verschiedenen Stellen deponiert, weil er sich mit der ihm übertragenen Aufgabe überfordert gefühlt habe. In jedem dieser Fälle habe er in seinem elektronischen Lesegerät die dort vorbereitete Empfangsbescheinigung jeweils mit dem Namen des eigentlich vorgesehenen Empfängers unterzeichnet. Insoweit habe er einen Stift genutzt, mit welchem auf der Benutzeroberfläche des elektronischen Lesegeräts in derselben Art und Weise geschrieben werden könne wie mit einem Kugelschreiber oder Bleistift auf Papier. Dabei entstehe als sichtbare Datei eine Unterschrift des angeblichen Paketempfängers, die in dem Lesegerät gespeichert und auf diesem jederzeit wieder abgerufen bzw. von diesem ausgedruckt werden könne. Mit der vorstehend beschriebenen Unterschriftenmanipulation habe der Angeklagte zu erreichen beabsichtigt, dass in dem elektronischen Buchungssystem der Firma I die jeweiligen Pakete als zugestellt ausgebucht würden. Auf diesem Wege habe er verschleiern wollen, dass er die Pakete tatsächlich nicht ausgeliefert, sondern an anderen Orten deponiert habe.

Zur rechtlichen Würdigung hat die Kammer ausgeführt, diese Taten seien jeweils als Urkundenfälschung im Sinne von § 267 Abs. 1 StGB in der Alternative des Herstellens einer unechten Urkunde gewürdigt worden. Problematisch sei allein das Merkmal der „verkörperten“ Gedankenerklärung, da die fragliche Unterschrift nicht, wie wenn sie auf Papier geleistet werde, dauerhaft auf der entsprechenden Oberfläche verbleibe, sondern als Datei elektronisch gespeichert werde. Nach Überzeugung der Kammer, die insoweit die Rechtsauffassung der ersten Instanz teile, liege dennoch eine verkörperte Gedankenerklärung im Sinne von § 267 StGB vor. Es könne keinen Unterschied machen, ob die – wie auch hier – tatsächlich mit einem Schreibgerät auf einer Oberfläche geleistete Unterschrift dort dauerhaft sichtbar bleibe oder zunächst in Form einer Datei optisch „verschwinde“, aber jederzeit reproduzierbar sei und ausgedruckt werden könne. Bei einer der technischen Entwicklung angepassten Auslegung des Urkundenbegriffs seien die fraglichen Unterschriften daher noch unter den Urkundenbegriff zu subsumieren.

Diese rechtliche Würdigung der Kammer kann keinen Bestand haben. Der von ihr festgestellte Sachverhalt erfüllt den Straftatbestand der 67fachen Urkundenfälschung nicht. Eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung scheitert, wie die Kammer jedenfalls als „problematisch“ erkannt hat, an der Verkörperung einer menschlichen Gedankenerklärung.

Wird die Empfangsbestätigung sofort digital erzeugt, indem sie auf einem sogenannten Touchscreen oder Notepad erzeugt und direkt digital archiviert wird, so wird durch die Wiedergabe des digital archivierten Ablieferbelegs und dessen Ausdruck auf Papier keine Urkunde erzeugt, weil das digitale Dokument nicht auf einem Material dauerhaft verkörpert ist, solange es nur im Speicher oder auf dem Bildschirm existiert, und weil es nur die Kopie eines elektronisch gespeicherten Dokuments ist, wenn es ausgedruckt wird (zu vgl. Tunn, VersR 2005, 1646, unter V., zitiert nach […], m. w. N).

„Kennkarte Deutsches Reich“ – Urkunde?

© M. Schuppich – Fotolia.com

Das LG hat den Angeklagten wegen einer Urkundenfälschung verurteilt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen (vgl. dazu den OLG Bamberg, Beschl. v.  23. 10. 2012 – 2 Ss 63/12):

„Nach den Feststellungen des LG befand sich der Angekl. im Juni 2011 auf dem Weg zum sog. „Bayerntag“ der NPD, als er einer polizeilichen Kontrolle unterzogen wurde. In deren Rahmen händigte er dem kontrollierenden Beamten eine sog. „Kennkarte Deutsches Reich“ aus. Die Karte hat ein Format von ca. 10,5 x 15,0 cm, umfasst 4 Seiten und besteht aus einem grauen Papier, wie es früher für amtliche Ausweise, z.B. Führerscheine verwendet worden ist. Auf der Vorderseite befinden sich die Aufdrucke „Deutsches Reich“ und „Kennkarte“, dazwischen ein Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenlaubkranz. Die linke Innenseite enthält neben Angaben zu Person und Wohnort des Angekl. einen „Kennort“, eine „Kennnummer“ und ein Gültigkeitsdatum bis zum „12.11.2015“. Auf der rechten Innenseite ist im linken oberen Bereich das Passbild des Angekl. angebracht, das mit einer Klarsichtfolie überklebt und zusätzlich mit Ringnieten in der linken oberen und der rechten unteren Ecke befestigt ist. Rechts daneben befindet sich in zwei übereinander angeordneten Feldern mit der Bezeichnung „Rechter Zeigefinger“ und „Linker Zeigefinger“ jeweils ein mit blauer Stempelfarbe aufgebrachter Fingerabdruck. Im unteren Bereich befindet sich zunächst als Unterschrift des „Kennkarteninhabers“ der handschriftliche Namenszug des Angekl., sowie darunter (eingedruckt) der „Kennort“ mit Ausstellungsdatum und als ausstellende Behörde die Bezeichnung „Der Landrat“, sowie der unterschriftliche Namenszug des ausfertigenden Beamten nach dem Vertretungszusatz „i.V.“. Darüber hinaus sind auf dieser Seite insgesamt drei „Dienstsiegel“ aufgestempelt, die in der Mitte einen Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenlaubkranz zeigen und darüber bzw. darunter die bogenförmigen Schriftzüge „Der Landrat“ mit zugehörigem „Landkreis“. Jeweils einer der Stempel befindet sich in der rechten oberen und der linken unteren Ecke des Passbildes, sowie schließlich links neben der Bezeichnung der Ausstellungsbehörde und der Unterschrift des ausfertigenden Beamten. Die vierte Seite (Rückseite) der Karte ist leer. Die ‚Kennkarte‘ hatte der Angekl., wie er wusste, nicht von dem als Ausstellungsbehörde angegebenen Landratsamt erhalten. Hergestellt wurde das Dokument vielmehr von einer namentlich bekannten Person in M., welcher der Angekl. die notwendigen Informationen in einem ‚Antrag‘ hatte zukommen lassen. Bei dieser Person handelt es sich, wie der Angekl. ebenfalls wusste, um eine Person, die in keiner Beziehung zur angeblichen Ausstellungsbehörde steht. Die ‚Kennkarte‘ ist geeignet, den Eindruck einer amtlichen Ausstellung zu erwecken.“

Das OLG Bamberg verneint die Urkundeneigenschaft,  da die „Kennkarte“ nicht geeignet sei, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Der Leitsatz.

„Die Verwendung einer auf Bestellung von einer Privatperson neu angefertigten „Kennkarte“ des „Deutschen Reiches“ mit Reichsadler und Hakenkreuz im Eichenlaubkranz auf der Vorderseite und dreifacher Anbringung eines entsprechenden Dienstsiegels auf der Innenseite ist nicht als Urkundenfälschung strafbar, da ein solches Dokument selbst bei oberflächlicher Betrachtung oder bei Betrachtung ohne ausreichenden Bildungs- und Informationshintergrund nicht für ein amtliches Dokument der Bundesrepublik Deutschland gehalten werden kann (Anschluss an OLG München NStZ-RR 2010, 173 ff.= StraFo 2010, 123 ff.). Bei Vorlage eines solchen Dokuments anlässlich einer polizeilichen Ausweiskontrolle kommt aber eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 32 I Nr. 2, 1 I 2 PAuswG in Betracht.“

 

VorRiLG vom Vorwurf der Urkundenfälschung und Strafvereitelung im Amt frei gesprochen

© Gina Sanders – Fotolia.com

Bei LTO finde ich gerade die Meldung „Suspendierter Richter freigesprochen“, in der über ein Urteil des LG Halle vom 10.10.2012 berichtet wird, mit dem ein Richter am LG  frei gesprochen worden ist.

Dem Richter war vorgeworfen worden  „zwischen April 2005 und August 2007 als Vorsitzender Richter am LG Dessau-Roßlau nach seinem Richterspruch fünf Urteile schriftlich ergänzt und überarbeitet zu haben. Das habe dazu geführt, dass Strafen später vollstreckt wurden.“ Deshalb war er  wegen Urkundenfälschung und Strafvereitelung im Amt angeklagt. Der Freispruch ist – so die Meldung bei LTO – damit begründet worden:“Die nachträgliche Bearbeitung der Urteile nach ihrer mündlichen Verkündung, habe nicht dazu geführt, dass das jeweilige Strafmaß verändert wurde, stellte das Landgericht (LG) Halle am Mittwoch fest (Urt. v. 10.10.2012, Az. 3 KLs 16/12).“

Urkundenfälschung: TÜV-Plakette als Urkunde

Ich hatte vor einigen Tagen ja schon über OLG Celle, Beschl. v. 25. 7. 11. 31 Ss 30/11 berichtet, und zwar zu den dort vom OLG gemachten Ausführungen zu den Grundlagen für die Bemessung der Tagessatzhöhe (Stichwort: Keine Sippenhaft). Der Beschluss des OLG ist aber auch noch wegen der angesprochenen materiellen Fragen ganz interessant:

Der Angeklagte hatte die bei seinem Lkw bereits im Oktober 2009 nach der StVZO vorge­schriebene Hauptuntersuchung nicht durchführen lassen. Um sein Fahrzeug dennoch im Straßenver­kehr nutzen zu können, brachte er am hinteren Kennzeichen eine HU-Plakette auf, die allerdings nur eine Gültigkeitsdauer bis Oktober 1993 aufwies. Diese hatte aber denselben Farbton, wie die HU-Plaketten, deren Gültigkeit erst 2011 ablief. Um den Anschein zu erwecken, dass die nächste HU erst im Oktober 2011 erforderlich sein würde, überzeichnete der Angeklagte die Zahl „93″ mit der Ziffer „11″.

Das AG hat das als Urkundenfälschung i.S. des § 267 StGB angesehen. Die inhaltlich abgeänderte HU-Plakette habe aufgrund ihrer fes­ten Verbindung zum Kfz-Kennzeichen eine zusammengesetzte Urkunde dargestellt. Dem ist das OLG unter Zugrundelegung der h.M., wonach die Prüfplakette nach § 29 StVZO eine Urkunde i.S.d. § 267 StGB darstellt, gefolgt (vgl. dazu BGHSt 26, 9 = NJW 75, 176; OLG Karlsruhe DAR 02, 229). Es handelt sich dabei um ein Beweiszeichen, dessen Aussteller sich i.V.m. der entsprechenden Eintragung im Kfz-Schein bzw. der Prüfbescheinigung ergibt. In dem Zusammenhang hat das OLG darauf hingewiesen, dass seine Entscheidung in NZV 91, 318 wegen der dortigen Besonderheiten des Falles nicht entgegensteht. Im dortigen Fall hatte nämlich ein Kfz-Schein überhaupt nicht vorgelegen, weshalb die HU-Plakette nur scheinbar auf die Möglichkeit verwiesen hat, den Aussteller der Erklärung zu ermitteln. Es habe sich daher nur scheinbar um eine Ur­kunde gehandelt, hingegen nicht um eine unechte Urkunde.

Nichts bahnbrechendes Neues, aber immerhin Bestätigung der h.M.