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Strafzumessung: Straferschwerend wird berücksichtigt, dass es fast ein Mord war…

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Ein Juraposting habe ich dann noch vor Weihnachten – zum Abschluss noch ein wenig Strafzumessung. Da gibt es immer wieder eine Menge zu berichten aus der BGH-Rechtsprechung. Hier z.B. den BGH, Beschl. v. 29.08.2013 – 2 StR 44/13. Etwas verwickelt bzw. ein wenig überraschend. Bei der Strafzumessung wegen Totschlags darf zwar straferschwerend berücksichtigt werden, wenn der Täter objektiv zurechenbar die äußeren Mordmerkmale verwirklicht hat, auch wenn der Mordtatbestand in subjektiver Hinsicht nicht erfüllt ist. Hierfür müssen die Urteilsgründe jedoch die Verwirklichung der äußeren Mordmerkmale uneingeschränkt nachweisen. Es genügt nicht  nur die „Nähe zu den äußeren Mordmerkmalen“.

Der BGH drückt es vornehmer 🙂 aus:

„2. Der Strafausspruch kann hingegen nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten „die Nähe zum Mordmerkmal der Heimtücke“ (UA S. 57) bewertet. Zwar darf es straferschwerend berücksichtigt werden, wenn der Täter eines Totschlags objektiv zurechenbar die äußeren Mordmerkmale verwirklicht hat, auch wenn der Mordtatbestand in subjektiver Hinsicht nicht erfüllt ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 24. November 1983 – 4 StR 551/83, NStZ 1984, 311, 312). Dass die Tat des Angeklagten eine objektiv heimtückische Tötung darstellt, ergibt sich jedoch nicht aus den Urteilsgründen. Das Landgericht hat ausgeführt, dass das Tatopfer „bei Abgabe der tödlichen Schüsse und damit bei Vornahme der maßgeblichen ersten vom Tötungsvorsatz getragenen Angriffshandlung des Angeklagten bereits nicht mehr arglos“ (UA S. 51), jedenfalls aber nicht wehrlos gewesen sei. Angesichts dieser von den bisherigen Feststellungen getragenen Wertungen lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, worin die äußeren Mordmerkmale des § 211 StGB liegen; die Strafe muss deshalb neu bemessen werden.“

Und wenn man liest:

„3. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich eingehender als bislang geschehen mit dem „teilweise sogar strafbare(n) Vorverhalten des Opfers“ (UA S. 55) auseinanderzusetzen haben; die Ausführungen, mit denen das Landgericht gemeint hat, das Verhalten des Angeklagten könne nicht als„notwehrähnliche Situation“ (UA S. 56) bezeichnet werden, berücksichtigen dieses nicht.“

dann kann das Verfahren im „2. Durchlauf“ eine ganz andere Wendung nehmen.

Zweimal geschossen – deshalb höhere Strafe?

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Der Angeklagte wird vom LG wegen Totschlags verurteilt. Bei der Strafzumessung wird berücksichtigt, dass der Angeklagte zweimal geschossen hat. Der BGH, Beschl. v. 14.11.2012 – 3 StR 368/12 – beanstandet das und sagt: In diesem Fall unzulässig.

„2. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben.
Die Strafkammer hat sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zum Nachteil des Angeklagten berücksich-tigt, dass er zwei Schüsse auf sein Opfer abgegeben hat. Damit hat es aber den ersten Schuss als straferschwerend bewertet, obgleich dieser möglicher-weise durch das Notwehrrecht des Angeklagten gerechtfertigt war. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese rechtsfehler-hafte Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Das Urteil musste deshalb im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben werden, soweit sie für die Frage von Bedeutung sind, ob die Abgabe des ersten Schusses durch den Angeklagten in Wahrnehmung eines Notwehrrechts geschah.…“

 

Strafzumessung – Doppelverwertungsverbot – manchmal ist es auch richtig

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I.d.R. führen Verstöße gegen das sog. Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB zu Aufhebung des Urteils, zumindest aber zu der Feststellung, dass die Strafzumessung fehlerhaft ist. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Eine Ausnahme behandelt der BGH, Beschl. v. 28.06.2012 – 2 StR 61/12, ergangen in einem Totschlagsverfahren. Da merkt der 2., Strafsenat an:

Zwar verstößt es in der Regel gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, wenn der Umstand, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hat, als solcher straferschwerend verwertet wird, weil damit nur der Normalfall des § 212 StGB gekennzeichnet wird (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1, 3, 4, 5; BGH NStZ 2008, 624; aA S/S/W-StGB/Eschelbach § 46 Rn. 185). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Täter – wie hier festgestellt – absichtlich einen Menschen tötet, er also nicht nur um den Todeseintritt sicher weiß, sondern es ihm vielmehr darauf ankommt. Ebenso ist
es nicht ausgeschlossen, eine zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges notwendige, das Mordmerkmal der Grausamkeit noch nicht erfüllende Tötungshandlung unter dem Gesichtspunkt der besonderen Handlungsintensität straf-schärfend zu berücksichtigen.

Verlust des Vaters als Strafzumessungsgrund?

Zwei Strafzumessungsfehler moniert der BGH in seinem Beschl. v. 27.10.2010 – 27. 10. 2010, in dem er eine Totschlagsverurteilung zu beurteilen hatte, und zwar:

„Es begegnet bereits im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer den Verlust des Vaters für die gemeinsamen Kinder als bestimmenden Strafschärfungsgrund bewertet hat. Jedenfalls in dieser Allgemeinheit erscheint die Erwägung rechtsfehlerhaft (vgl. BGH Beschluss vom 3. Februar 2004 – 4 StR 403/03), denn es gehört zu den regelmäßigen Tatfolgen eines vollendeten Tötungsverbrechens, dass der Täter den Angehörigen des Opfers Leid zufügt. Ob die Strafkammer zum Ausdruck bringen wollte, dass die (erwachsenen) Kinder, die nach der Todesnachricht „sehr geschockt und tief getroffen“ waren sowie unmittelbar nach der Tat vom Kriseninterventionsteam betreut wurden (UA S. 9), in ungewöhnlich schwer wiegender Weise von der Tat betroffen waren, kann offen bleiben.

Jedenfalls kann der Strafausspruch wegen der weiteren Erwägung, dass der durch Beleidigungen motivierte Totschlag eine „völlig unangemessene Reaktion“ gewesen sei, keinen Bestand haben. Diese Erwägung steht im Widerspruch dazu, dass der Provokationsaffekt im Sinne von § 213 (1. Alternative) StGB als die Tat auslösendes Moment, unbeschadet der Tatsache, dass die Tötung eines Menschen als Reaktion auf Kränkungen stets unangemessen ist, strafmildernd wirkt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit mehrere Auseinandersetzungen vorangegangen waren, bei denen die Angeklagte auch erheblich körperlich verletzt worden war, ferner dass sie die der Tat unmittelbar vorausgehenden Handlungen des Ehemanns mit dem Dolch als Bedrohung empfand. In der Gesamtschau erlangen diese Umstände größeres Gewicht als dasjenige von bloßen Beleidigungen. Zudem ist zu besorgen, dass die Strafkammer mit ihrer Erwägung letztlich die Erfüllung des Straftatbestands zu Lasten der Angeklagten bewertet und dadurch § 46 Abs. 3 StGB verletzt hat.“

Strafzumessung ist eben nicht einfach bzw. bei der Begründung muss man als Gericht schon vorsichtig sein und das schreiben, was man meint.

(Kleine?) Sensation: Freispruch im Fall Wörz hält beim BGH – keine neue Runde…

Was lange währt, wird dann für den Angeklagten endlich gut: Der BGH teilt heute in einer PM mit, dass der Freispruch im Fall Harry Wörz rechtskräftig ist. In der PM heißt es:

„Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe legt dem Angeklagten Harry Wörz zur Last, derjenige gewesen zu sein, der in den frühen Morgenstunden des 29. April 1997 die Geschädigte (die vom Angeklagten getrennt lebende Ehefrau) in deren Wohnung mit einem Schal strangulierte und so versuchte, sie zu töten. Durch die Tat erlitt die Geschädigte schwerwiegende und dauerhafte gesundheitliche Schäden (Lähmungen, Verlust des Sprachvermögens), weil die Sauerstoffzufuhr zu ihrem Gehirn infolge des Strangulationsvorganges für längere Zeit unterbrochen war.

Der Angeklagte war zunächst durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 1998 wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt worden, die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten verwarf der Bundesgerichtshofes mit Beschluss vom 12. August 1998 (1 StR 394/98). Nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens hob das dann zuständige Landgericht Mannheim mit Urteil vom 6. Oktober 2005 die Verurteilung aus dem Jahr 1998 auf und sprach den Angeklagten frei. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Mannheim wegen durchgreifender Mängel in der Beweiswürdigung auf und verwies die Sache zu erneuter Verhandlung zurück (Beschluss vom 16. Oktober 2006, 1 StR 180/06). Nach daraufhin durchgeführter neuer Hauptverhandlung hat eine andere Strafkammer des Landgerichts Mannheim den Angeklagten mit Urteil vom 22. Oktober 2009 erneut freigesprochen. Sie vermochte nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass der Angeklagte die Tat begangen hat.

Gegen diesen Freispruch richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der als Nebenklägerin zugelassenen Geschädigten, mit denen jeweils eine Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend gemacht wird.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 15. Dezember 2010 die Revisionen verworfen. Das Tatgericht habe alle relevanten Umstände in seine Würdigung einbezogen und seine Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten rechtsfehlerfrei begründet.“

Damit hat ein langes Hin und Her für den Angeklagten ein glückliches Ende gefunden…