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OWi I: Kurzfristige Ladung im Bußgeldverfahren, oder: Anwalt des Vertrauens

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Und dann starten wir in die 31. KW., und zwar mit zwei Entscheidungen zu Terminsverlegungsfragen (aus dem OWi-Verfahren).

Zunächst hier der OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.06.2022 – 2 Ss (OWi) 95/22. Der Verteidiger des Betroffenen war am 02.02.2022 zur Hauptverhandlung, die auf den 09.02.2022 terminiert war, geladen worden. Er hat dann Verlegung des Hauptverhandlungstermins beantragt, was abgelehnt worden ist. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg:

„Jedoch greift die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge durch, mit der er den Verstoß gegen das Recht beanstandet, sich in der Hauptverhandlung durch einen gewählten Verteidiger vertreten zu lassen (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK, 137 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

Gemäß § 137 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG kann sich ein Betroffener in jeder Lage des Verfahrens des Beistands durch einen Verteidiger bedienen. Aber selbst im Strafverfahren hat nicht jede Verhinderung des gewählten Verteidigers zur Folge, dass eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden kann (vgl. BGH NStZ 199, 527). In diesen Fällen sind vielmehr das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung und das Interesse des Staates an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens gegeneinander abzuwägen, wobei im Zweifelsfall das Verteidigungsinteresse Vorrang hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2019, 4 RBs 71/19, zit. n. juris). Dabei sind unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Bedeutung der Sache, die Persönlichkeit des Betroffenen, die Prozesssituation, die Veranlassung der Verhinderung, die Dauer der Verzögerung, der Umfang der Behinderung der Verteidigungsmöglichkeit und das Verhalten des Betroffenen und seines Verteidigers hierzu u.Ä. in Rechnung zu stellen (vgl. BbgOLG, Beschluss vom 23. März 2012 – 1 Z 54/12 – m.w.N.).“ (OlG Brandenburg, BeckRS 2020, 35233).

Im vorliegenden Fall ist zum einen zu berücksichtigen, dass gegen den Betroffenen immerhin eine Geldbuße in Höhe von 290 € verhängt worden ist und Fragen der Ladungssicherung mitunter schwierig zu beurteilen sind. Insbesondere fällt aber ins Gewicht, dass der Verteidiger erst am 02.02.2022 zum Hauptverhandlungstermin am 09.02.2022 geladen worden ist und im Rahmen seines erstmaligen Verlegungsantrages belegt hatte, dass er bereits zuvor eine Ladung für eine Strafsache beim Amtsgericht Cloppenburg erhalten hatte. Hinzu kommt, dass die Sitzungstage bis Ende Mai 2022 lediglich „weitgehend belegt“ gewesen wären, somit eine Terminierung sogar noch bis Ende Mai nicht ausgeschlossen gewesen wäre.

Letztlich hätte die Hauptverhandlung ohnehin bei einem entsprechenden Antrag ausgesetzt werden müssen, da die Ladungsfrist des Verteidigers nicht eingehalten worden war ( §§ 218, 217 StPO ).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte das Amtsgericht dem Verlegungsantrag stattgeben müssen. Da es dies nicht getan hat, hat es das Recht des Betroffenen auf Verteidigung verletzt.“

Befangen II: Kurz vor HV gestellter Ablehnungsantrag, oder: „Taschenspielertrick“ beim AG Wismar?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den AG Wismar, Beschl. v. 21.12.2020 – 6 Ls 523/19. Der Beschluss ist also schon etwas älter, der Kollege Penneke hat ihn mir aber erst vor kurzem geschickt. Ich stelle ihn hier dann (noch) vor, vor allem wegen des bei mir verbleibenden Kopfschüttelns

Zur Sache: Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, ist der Kollege vom Mandanten nach dreitägiger Hauptverhandlung einen Tat vor dem vierten – abschließenden (?) – Termin mandatiert worden. Der Kollege hat das Mandat angenommen und, da er am nächsten Tag wohl verhindert war, Terminsverlegung beantragt. Die wird abgelehnt. Auf diese Ablehnung wird dann wohl vornehmlich ein Ablehnungsantrag gestützt, der keinen Erfolg hatte:

„Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Befangenheitsgesuchs.

Rechtsanwälte sind auch in ihrer Eigenschaft als Verteidiger Organe der Rechtspflege. Wenn dann ein Rechtsanwalt Entscheidungen eines Gerichts (hier: Ablehnung einer Terminsverlegung), die mit Rechtsmitteln nicht angreifbar sind, versucht, über Taschenspielertricks wie einen kurz vor der Verhandlung eingereichten Befangenheitsantrag einen Termin zum Platzen zu bringen, ist dies rechtsmissbräuchlich und führt zu einer Unzulässigkeit des Befangenheitsantrages. Hier ist es allerdings so, dass dem Verteidiger offenbar – und insoweit besteht kein Zweifel an seiner Darstellung – die Tatsachen, auf die er sein Befangenheitsgesuch stützt, erst einen Werktag vor Einlegung des Befangenheitsgesuchs bekannt geworden sind. Vor diesem Hintergrund ist das Befangenheitsgesuch zwar spät, aber nicht erkennbar lediglich vor dem Hintergrund des Versuchs, eine Terminsverlegung zu erzwingen, eingereicht worden.

Das Befangenheitsgesuch ist jedenfalls unbegründet. Gemäß § 24 Abs. 2 StPO findet die Be-sorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass die abgelehnte Richterin ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne. Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an. Es ist dabei allerdings nicht auf seinen subjektiven Eindruck und seine unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt abzustellen. Maßgebend ist vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann. Im vorliegenden Fall ist es nun so, dass drei Hauptverhandlungstermine stattgefunden haben und zum neuen Termin keine Zeugen geladen sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beweisaufnahme im neuen Termin abgeschlossen werden kann. Nun steht es dem Angeklagten naturgemäß frei, sich zu jedem beliebigen Verfahrenszeitpunkt neuer Verteidiger – naturgemäß als Wahlverteidiger – zu bedienen. Wenn dies aber automatisch zur Folge hätte, dass ein Verfahren nicht gefördert beziehungsweise abgeschlossen werden könnte, so stünde der Ausgang beziehungsweise der Abschluss eines jeden Strafverfahrens im offensichtlichen Belieben des Angeklagten. Dies ergibt sich unter anderem auch aus dem Regelungszusammenhang der §§ 143 a, 144 StPO. Insbesondere § 228 Abs. 2 StPO regelt den hier vorliegenden Fall. Auch wenn der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit der Auffassung ist, ein Verfahren könne ohne ihn nicht durchgeführt werden, sieht die StPO genau das anders. Wenn der Wahlverteidiger sich im vorliegenden Fall am 10.12.2020 für einen Termin am 11.12.2020 mandatiert, so muss er damit rechnen, dass das Verfahren ohne ihn weiter betrieben wird. Wenn in der Folgezeit es bei der Terminsabsprache möglicherweise Unzuträglichkeiten gegeben hat, mag dies sein, es rechtfertigt jedoch nicht eine Besorgnis der Befangenheit. Die erneute Ablehnung der Terminsverlegung für den Hauptverhandlungstermin am 21.12.2020 stellt gleichfalls vor dem Hintergrund des § 228 Abs. 2 StPO keinen Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit dar. Sie ist vielmehr Ausdruck einer angemessenen Verfahrensförderung.“

Wie gesagt: Kopfschütteln und Irritation. Warum? Nun:

Wir lassen mal die Frage, ob die Terminsverlegung nicht im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden ist, außen vor. Zur Frage der Terminsverlegung bei (zu) kurzfristiger Mandatierung des Verteidigers gibt es Rechtsprechung, die eine Terminsverlegung in den Fällen ablehnt. Jedenfalls wird man darauf auch nicht unbedingt die Besorgnis der Befangenheit stützen können, was man aber letztlich nicht ohne Kenntnis der Umstände usw. entscheiden kann.

Unabhängig davon frage ich mich irritiert: Was sollen eigentlich die Ausführungen zur Zulässigkeit? Es wird dem Kollegen doch ausdrücklich attestiert, dass sein Antrag nicht „rechtsmissbräuchlich“ war. Dann muss ich dazu doch auch nichts sagen. Und schon gar nicht etwas Falsches, denn das die Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen mit Rechtsmitteln nicht angreifbar ist, stimmt so nicht. Und erst recht muss ich nicht von „Taschenspielertricks“ sprechen. Was soll das, wenn der Antrag doch gerade nicht rechtsmissbräuchlich ist.  So entsteht der Eindruck, dass man den Vortrag des Kollegen nun doch nicht wirklich glaubt. Also: Überflüssig wie ein Kropf.

Genauso überflüssig ist im zweiten Absatz dann die Ausführung: „Auch wenn der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit der Auffassung ist, ein Verfahren könne ohne ihn nicht durchgeführt werden, sieht die StPO genau das anders.“ Auch das fragt man sich, was das soll? Wer ist gemeint? Der Verteidiger oder eben allgemein „der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit ….„?  Auch das muss nicht sein und ist letztlich nichts anderes als Polemik.

Um auf den letzten Satz zurück zu kommen: Ich habe den Eindruck, dass ganz andere Leute hier Probleme mit ihrer „Persönlichkeit“ haben. Und: Der entscheidende Richter scheint den Verteidiger nicht zu mögen. Muss er ja auch nicht. Aber er sollte dann vielleicht doch ein wenig sachlicher argumentieren.

OWI III: Terminverlegungsantrag wegen Erkrankung des Verteidigers zurückgewiesen, oder: Fehlerhaft

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Und dann zum Schluss noch der KG, Beschl. v. 08.02.2021- 3 Ws (B) 26/21. Ergangen in einem Rechtsbeschwerdeverfahren gegen ein Verwerfungsurteil. Geltend gemacht war die verfahrensfehlerhafte Zurückweisung eines Terminverlegungsantrages wegen Erkrankung des Verteidigers.

Das KG hat aufgehoben. Hier die Leitsätze der umfangreich begründeten Entscheidung:

  1. Der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren hat als Ausdruck des Anspruchs auf ein faires Verfahren grundsätzlich das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.

  2. U.U. ist es dem Betroffenen daher nicht zuzumuten, an einem Hauptverhandlungstermin ohne Beistand seines Rechtsanwalts teilzunehmen, nachdem ein Terminverlegungsantrag wegen Erkrankung des Verteidigers von dem Vorsitzenden des Bußgeldgerichts abgelehnt worden ist. Für die Entscheidung ist maßgeblich, ob die prozessuale Fürsorgepflicht eine Terminverlegung in Ansehung der Erkrankung des Verteidigers geboten hätte.

  3. Die Terminierung ist zwar grundsätzlich Sache des Vorsitzenden. Dieser ist aber gehalten, über Anträge auf Terminverlegung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu entscheiden.

  4. Im Falle einer Zurückweisung eines Terminverlegungsantrages wegen Erkrankung des Verteidigers bedarf es der Darlegung im Verwerfungsurteil gegen den zum Termin nicht erschienenen Betroffenen, warum das Interesse an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens Vorrang vor dem Verteidigungsinteresse des Betroffenen hat.

Corona I: Bitte Terminsverlegung wegen der Pandemie, oder: Keine Befangenheit bei Ablehnung des Antrags

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Und in die 6. KW. geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Corona bzw. zu Coronafragen.

Ich starte mit dem AG Plön, Beschl. v. 03.02.2021 – 34 OWi 563 Js 37777/20. An dem Aktenzeichen erkennt man: Es handelt sich um eine Bußgeldsachen. Der Verteidiger hatte unter Hinweis auf die gestiegenen Fallzahlen (ja, sie sinken) Terminsverlegung beantragt. Die hatte der Amtsrichter abgelehnt. Dagegen dann ein Befangenheitsgesuch, das (auch) keinen Erfolg hatte:

„Die Zurückweisung erfolgt, weil ein Befangenheitsgrund gegen Richter pp. tatsächlich nicht gegeben ist. Ein Richter kann als befangen abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 46 OWiG, § 24 StPO). Bei der hier in Rede stehenden Ablehnung einer Terminverlegung verhält es sich so, dass der erkennende Richter auch mit Blick auf die gegenwärtige Pandemielage und der vorgetragenen Risikofaktoren aufseiten des Betroffenen (Bezugsperson eines kleinen Kindes, zur Risikogruppe gehörende Eltern) keine Willkür hat erkennen lassen. Es war nicht sachfremd, insoweit auf die im Amtsgericht Plön getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zu verweisen.

Im Rahmen des für das Gericht beschlossenen Hygienekonzeptes wird der Gefahr der Verbreitung des Sars-CEO V-2-Virus dadurch Rechnung getragen, dass neben einer gestaffelten Terminierung in den verschiedenen Sitzungssälen die jeweiligen Dezernenten, soweit erforderlich, Zeugen ebenfalls zeitlich gestaffelt zu den jeweiligen Terminen laden, um auf diese Weise zu verhindern, dass im Wartebereich vor den Sitzungssälen eine höhere Personenzahl vorhanden ist. Zudem lässt sich der Wartebereich vor den Sitzungssälen gut lüften, so dass mit einer Aerosolanreicherung im nennenswerten Umfange nicht zu rechnen ist. Zudem sieht das Hygienekonzept die Bereitstellung ausreichenden Händedesinfektionsmittels vor. Solches befindet sich an mobilen Spendern im Eingangsbereich des Gerichtes, aber auch vor den Sitzungssälen. Im Laufe des Tages finden im Übrigen Desinfektionen im Bereich der öffentlich zugänglichen Flächen wie Eingangsbereich, Treppenhaus, WC-Bereich aber auch im Sitzungssaal statt.

Der für die Durchführung der Hauptverhandlung zur Verfügung stehende Sitzungssaal ist gekennzeichnet durch ein Raumangebot, welches einen Mindestabstand von 1,5 m der Verfahrensbeteiligten zueinander ohne Weiteres ermöglicht. Im Übrigen können mobile Schutzwände(Plexiglas) zwischen den Verfahrensbeteiligten aufgestellt werden, um einen weiteren Schutz vor Aerosolen in der Atemluft zu erreichen. Zudem befindet sich in Sitzungssaal ein mobiles Messgerät für den Raumluftgehalt an CO2. Eine Überschreitung des CO2-Gehaltes wird angezeigt, so dass bei Be-darf die Sitzung unterbrochen werden kann, um für eine ausreichende Lüftung zu sorgen. Zudem wird dem Risiko einer Anreicherung der Raumluft durch Aerosole dadurch Rechnung getragen werden, dass das Gericht in regelmäßigen Abständen Sitzungspausen einlegen und diese unter anderem zum Stoßlüften nutzen kann.

Diese organisatorischen und räumlichen Maßnahmen sind seit Monaten im Sitzungsbetrieb beim Amtsgericht erprobt, ohne dass ein einziger Fall bekannt geworden wäre, in dem sich eine Person infolge der Teilnahme an einer Sitzung in den Räumlichkeiten des Amtsgerichts mit dem neuartigen Coronavirus infiziert hätte. Zudem ist bekannt, dass in Schleswig-Holstein seit Auftreten der Corona-Pandemie landesweit von in der Justiz beschäftigten Personen lediglich ca. ein Dutzend an dem neuartigen Corona-Virus erkrankt sind/waren. Dies ist durchaus ein Beleg dafür, dass die in der Justiz angewendeten Hygienekonzepte die an sie gerichteten Erwartungen zu er-füllen vermögen. Zudem gehört es zu dem im Amtsgericht bestehenden Hygienekonzept, dass allen Verfahrensbeteiligten im Rahmen der Ladung zum Termin entsprechende schriftliche Hin-weise zum bestehenden Hygienekonzept und zu den Hygienemaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie übermittelt werden.

Konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen des Betroffenen selbst oder seines Verteidigers, die darüber hinausgehende weitere Schutzmaßnahmen erforderlich machen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Dem allgemeinen Risiko einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus auch vor dem Hintergrund erheblich gestiegener Fallzahlen in der Bundesrepublik Deutschland steht das Interesse an der Sicherung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege gegenüber. Angesichts der vorstehend dargelegten, vom Gericht ergriffenen Schutzmaßnahmen besteht kein Anlass, das Interesse an der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege hinter das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Gesundheit zurücktreten zu lassen.

Das durfte auch der erkennende Richter in diesem Verfahren so sehen. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt insoweit fern.“

So weit, so gut, oder auch nicht, kommt auf die Sichtweise an. Ich frage mich allerdings bei bei solchen Beschlüssen – auch schon vor Corona übrigens -immer, warum eigentlich gleich der Untergang des Rechtsstaates droht, wenn in einer Bußgeldsache ein Termin verlegt werden soll.

Corona I: Terminsverlegung in einer OWi-Sache, oder: Gibt es nicht, wir sind systemrelevant, basta

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Heute ist Montag. Und auch heute wie schon in den letzten Wochen: Zwei Entscheidungen zu Corona.

Zunächst der AG Hamburg-Harburg, Beschl. v.  01.02.2021 – 623 OWi 213/20 – zur Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags, der vom Verteidiger mit der pandemischen Lage (Stichwort: Corona) begründet worden ist. Das AG lehnt den Antrag kurz und zackig ab:

„Die Verteidigung begründet ihren Antrag auf Terminsaufhebung mit den „nach wie vor anhaftenden pandemischen Verhältnissen und einer nicht abebben wollenden Zahl von Neuinfektionen“ sowie „mit dem Hinweis der Bundesregierung darauf, dass nicht ausdrücklich erforderliche Kontakte vermieden werden sollen“. Es handele sich bei dem vorliegenden Verfahren weder um eine Eil- noch um eine Haftsache. Die Verfolgungsverjährung sei nicht zu besorgen.

Der Termin zur Hauptverhandlung wird von dem Vorsitzenden des Gerichts bestimmt (§ 213 StPO). Er legt Ort, Tag und Stunde der Hauptverhandlung fest. Die Terminsanberaumung hat alsbald nach Eröffnung des Hauptverfahrens zu erfolgen. Hierin spiegelt sich das Gebot der Verfahrensbeschleunigung wider, welches das Strafverfahren beherrscht. Neben der Wahrung der Interessen der Verfahrensbeteiligten wie dem Betroffenen, dessen Verteidiger oder Zeugen spielen nicht nur die Geschäftslage des Gerichts und dessen Terminsplanung wie auch der bereits aufgeführte Beschleunigungsgrundsatz eine Rolle. Vielmehr ist das Gericht auch verpflichtet, den Gesundheitsschutz aller Beteiligten und Zeugen zu berücksichtigen.

Unter Abwägung dieser Aspekte kam eine Verlegung des mit der Verteidigung abgestimmten Termins vom 05.02.2021 nicht in Betracht. Vorliegend datiert der Tatvorwurf bereits vom 23.04.2020. Im Verhältnis zu anderen Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten handelt es sich damit – eingedenk der zweijährigen Verfolgungsverjährung – um ein vergleichsweise altes und damit zu förderndes Verfahren. Grund für das Alter des Verfahrens sind zwei Terminsverlegungsanträge der Verteidigung wegen Terminskollisionen.

Soweit die Verteidigung ihren Terminsverlegungsantrag vom 01.02.2021 pauschal mit der anhaltenden pandemischen Lage, der absoluten Zahl der Neuinfektionen sowie dem Hinweis der Bundesregierung auf Kontaktvermeidung begründet, verfängt diese Argumentation nicht, da der hierdurch beschriebenen, alle Lebensbereiche umfassenden, abstrakten Gefährdungslage seitens des Gerichts und des Vorsitzenden mit Maßnahmen zum Gesundheitsschutz begegnet wird, die die Durchführung der Hauptverhandlung vertretbar ermöglichen. So werden alle Anwesenden durch den Vorsitzenden verpflichtet werden, während ihres Aufenthaltes im Gerichtssaal einen Mund-Nase-Schutz zu tragen und die Abstandsregelungen abseits des eigenen Sitzplatzes einzuhalten, wie auch im Übrigen im gesamten Gerichtsgebäude die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung sowie zur Einhaltung des Mindestabstandes von 1,50 m besteht. Soweit dieser an den Sitzplätzen der Beteiligten im Gerichtssaal nicht eingehalten werden kann, sind zwischen den Sitzplätzen zusätzlich Trennwände aus Plexiglas aufgestellt. Die Gerichtsleitung hat darüber hinaus für sämtliche Gerichtssäle ein Lüftungskonzept entwickelt, dessen Einhaltung durch den Vorsitzenden überwacht werden wird. Möglichkeiten zur Desinfizierung der Hände stehen am Eingang zum Gerichtsgebäude bereit. Durch diese auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus basierenden Maßnahmen kann das Risiko einer Ansteckung nach menschlichem Ermessen auf ein für alle Beteiligten vertretbares Maß reduziert werden.

Das Gericht hat in diesem Zusammenhang auch bedacht, dass neu aufgetretene Virusmutationen möglicherweise ansteckender sein können als der bislang bekannte Wildtyp des Virus. Allerdings bezieht sich diese Erkenntnis auf Prozesse auf zellulärer Ebene, konkret und vereinfacht ausgedrückt auf die Fähigkeit des Virus, an menschliche Zellen anzudocken und in diese einzudringen. Hingegen liegen bislang keine Erkenntnisse vor, dass mit den Mutanten zugleich eine Veränderung des Übertragungsweges einhergeht und die vorgenannten Schutzmaßnahmen an Wirksamkeit verlören.

Weiterhin hat das Gericht bedacht, dass ein potentielles Infektionsrisiko nicht nur im Gerichtsgebäude besteht, sondern auch auf dem Weg dorthin und die insoweit im öffentlichen Raum ggf. zustande kommenden Kontakte mit anderen Menschen durch das Gericht im weitesten Sinne veranlasst werden. Allerdings greifen auch im öffentlichen Raum die Maßnahmen nach der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 30.06.2020 i.d.F.v. 25.01.2021 sowie der vergleichbaren Verordnungen der angrenzenden Bundesländer, die u.a. einen Mindestabstand zwischen einzelnen Personen sowie unter bestimmten Voraussetzungen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung vorsehen. Die Einhaltung dieser Regeln im öffentlichen Raum obliegt in diesem Zusammenhang zuvorderst der Eigenverantwortung der Beteiligten. Die Einhaltung dieser Regeln ist ihnen auch objektiv möglich. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass die Beteiligten auf die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs angewiesen sein sollten. Denn insoweit ist das Ansteckungsrisiko seit dem 23.12.2020 aufgrund der stark gesunkenen Nachfrage und Frequentierung sowie durch die Anhebung des Schutzstandards durch die Verpflichtung zum Tragen einer FFP2- oder OP-Maske deutlich reduziert. Im Übrigen sind die allgemeinen Ansteckungszahlen gegenwärtig rückläufig.

Schließlich dient die Durchführung der Hauptverhandlung auch der Aufrechterhaltung der Rechtspflege und damit der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates. Es kann in diesem Zusammenhang bereits bezweifelt werden, ob die Appelle der Verantwortungsträger in der Exekutive zur Kontaktvermeidung sich auch auf die Durchführung von Gerichtsverfahren im Allgemeinen und auf Verfahren in Straf- oder Bußgeldsachen im Besonderen beziehen. Jedenfalls ist dem Gericht keine einzige derartige Äußerung bekannt. Die Tätigkeit der Gerichte, insbesondere der Strafgerichte ist elementarer Bestandteil des Rechtsstaates. Sie dient der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung sowie der Schaffung von Rechtsfrieden auch in Krisenzeiten. Sie steht damit in einer Reihe mit anderen, für das Gemeinwesen systemrelevanter Tätigkeiten wie z.B. denjenigen der Polizei, Feuerwehr oder Krankenhäuser. Aus diesem Grund lässt sich auch nicht anführen, dass es sich im vorliegenden Fall lediglich um eine dem Betroffenen vorgeworfene Verkehrsordnungswidrigkeit handele. Auch wenn die Bedeutung einer Ordnungswidrigkeit im Vergleich zu einer Strafsache wesentlich geringer ist, besteht aktuell unter den gegebenen Umständen kein Grund die Tätigkeit der Strafgerichte lediglich auf die Verhandlung von Straf-, insbesondere aber Haft- und andere Eilsachen zu beschränken, zumal sich der Tatvorwurf im vorliegenden Verfahren auch nicht nur auf einen Bagatellverstoß beschränkt, sondern im Bußgeldbescheid vom 16.07.2020 ein Fahrverbot verhängt worden ist. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlusswege liegen zudem nicht vor.

Soweit daher keine konkrete Gefährdungslage, sondern lediglich die ganz abstrakte Gefahr einer Infizierung mit dem SARS-CoV-2-Virus besteht, ist der Durchführung der Hauptverhandlung am 05.02.2021 unter Berücksichtigung des Alters des Verfahrens, des Anspruchs des Betroffenen auf eine gerichtliche Entscheidung, des bisherigen Verfahrensverlaufs, der Bedeutung der gerichtlichen Tätigkeit im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Rechtspflege und Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates und den durch die Exekutive und das Gericht ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Vjrus, die das Infektionsrisiko deutlich reduzieren, der Vorrang vor einer Terminsaufhebung und – verlegung einzuräumen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.“

Sehr staatstragend das AG. Es droht also offenbar der Untergang des Rechtsstaats, wenn die OWi-Sache nicht jetzt verhandelt wird. Ja, ich habe gesehen, dass ein Fahrverbot droht. Na und? Dann tritt der Betroffene das eben ein paar Wochen später an. Den Satz „Es kann in diesem Zusammenhang bereits bezweifelt werden, ob die Appelle der Verantwortungsträger in der Exekutive zur Kontaktvermeidung sich auch auf die Durchführung von Gerichtsverfahren im Allgemeinen und auf Verfahren in Straf- oder Bußgeldsachen im Besonderen beziehen. Jedenfalls ist dem Gericht keine einzige derartige Äußerung bekannt.“ wird die MPK sicherlich gern lesen 🙂 . Und ob wirklich nur eine abstrakte Gefährdungslage besteht, sondern nicht doch schon eine konkrete, kann man m.E. auch bezweifeln. Aber: Macht nichts: Der Richter/Beschlussverfasser ist mit seiner OWi-Sache eben systemrelevant. Und das alles natürlich im Interesse des Betroffenen, der ja einen Anspruch darauf hat, dass die Sache verhandelt wird. Allerdings: Der Betroffene hatte die Verlegung selbst beantragt.

Und da man von der Richtigkeit der eigenen Entscheidung überzeugt ist, hat man gleich die Beschwerdeentscheidung quasi mit erlassen und beschlossen: „Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.“ Vielleicht doch noch mal in einem Kommentar nachschauen, ob das stimmt. Ich wage das zu bezweifeln. Denn, wenn der Kollege sein Ermessen nicht richtig ausgeübt hat, dann ist auch dieser Beschluss anfechtbar. Dann steht § 305 Satz 1 StPO doch nicht entgegen. Und ob das der Fall ist, entscheidet nun hier nicht der Amtsrichter selbst. Oder ist das Hamburg anders?

Eine richtige „Basta-Entscheidung“ 🙂 .