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Vergessene Abladung des entbundenen Pflichtverteidigers, oder: Geplatzter Termin

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Den heutigen Gebührenfreitag eröffne ich mit dem AG Nürnberg, Beschl. v. 09.12.2020 – 401 Ds 419 Js 6551/16 (3), den mir der Kollege Jendridke aus Amberg geschickt geschickt hat.

Folgender Sachverhalt: Der Kollege war Pflichtverteidiger des Angeklagten. Mit Beschluss vom 10.04.2019 ist er als Pflichtverteidiger entbunden worden. Der Kollege wurde dann aber (noch) mit Ladung vom 11.04.2019 zum Hauptverhandlungstermin am 20.05.2019 geladen. In der Ladung befand sich der Satz: „zu diesem Termin werden sie als Pflichtverteidiger des Angeklagten pp. geladen“. Gegen die Entpflichtungsentscheidung hat der Kollege Beschwerde eingelegt, die das LG mit Beschluss vom 15.05.2019 als unbegründet verworfen hat. Der Beschluss wurde dem Kollegen nicht vor der Hauptverhandlung am 20.05. 2019 bekannt gemacht. Der landgerichtliche Beschluss ging erst am 22.0.2019 bei ihm ein.

Der Kollege ist/war zum Hauptverhandlungstermin erschienen. Er hat dafür die Terminsgebühr geltend gemacht. Die ist vom AG auf die Erinnerung des Kollegen festgesetzt worden:

„Angesichts dieser Ladung des Amtsgerichts Nürnberg konnte der Verteidiger darauf vertrauen, dass er als Pflichtverteidiger erscheinen muss. Auch wenn die Ladung nach dem Entbindungsbeschluss erfolgte, bestand das Vertrauen des Verteidigers insoweit fort, als dass das Landgericht Nürnberg in einer Beschwerde über die Entbindung zu entscheiden hatte. Da die Beschwerdeentscheidung dem Verteidiger aber nicht vor dem Hauptverhandlungstermin zuging und da er zuvor eine Ladung zum Termin als Pflichtverteidiger erhalten hatte, war es gerechtfertigt, dass er die Pflichtverteidigergebühren auch für das Antreten zum Termin vom 20.05.2019 erhält. lnsoweit musste die Erinnerung erfolgreich sein.“

Eine zutreffende Entscheidung. Das AG hätte zur Begründung der Entscheidung auch gar nicht allgemeine Vertrauensschutzgrundsätze bemühen müssen, um die Terminsgebühr festzusetzen. Denn die war nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG auf jeden Fall entstanden. Dazu ist es weitgehend einhellige Meinung, dass für das Entstehen der Terminsgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV entscheidend ist, ob der Termin für den jeweiligen Rechtsanwalt „nicht stattgefunden hat“, unerheblich ist, wenn der Termin ggf. mit einem anderen Rechtsanwalt durchgeführt worden ist (vgl. LG Marburg, Beschl. v. 16.8.2011 – 4 Qs 56/11). Die Gebühr ist also „personenbezogen“ zu verstehen. Nur das OLG Frankfurt am Main sieht das mal wieder anders (vgl. RVGreport 2012, 64 = StRR 2012, 11). Das wird aber dem Sinn und Zweck der Regelung, die nutzlosen Aufwand des RA/Verteidigers honorieren soll, nicht gerecht.

 

Wenn der entbundene Pflichtverteidiger zur Hauptverhandlung erscheint, oder: Terminsgebühr?

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So, heute dann noch einmal vor Weihnachten „Moneyfriday“, also Gebührenrecht.

Und die Vorstellung beginnt mit dem AG Nürnberg, Beschl. v. 09.12.2019 – 401 Ds 419 Js 65519116 (3). In ihm hat das AG Pflichtverteidigergebühren, und zwar auch eine Terminsgebühr, für den Pflichtverteidiger, der im Vertrauen auf eine Ladung zur Hauptverhandlung erschienen war, obwohl er bereits entbunden war, festgesetzt:

„Mit Beschluss vom 10.04.2019 wurde der Antragsteller als Pflichtverteidiger entbunden. Gegen die zutreffende Entscheidung des Amtsgerichts wurde Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Nürnberg verwarf die Beschwerde Mit Beschluss vom 15.05.2019 als unbegründet. Der Beschluss wurde dem Verteidiger nicht vor der Hauptverhandlung am 20.05. 2019 bekannt gemacht. Der landgerichtliche Beschluss ging erst am 22.05.2019 beim Verteidiger ein. Er wurde dem Verteidiger auch in der Hauptverhandlung vom 20.05.2019 vom Amtsgericht übergeben. Der Verteidiger wurde mit Ladung vom 11.04.2019 auf 20.05.2019 geladen. In der Ladung befand sich der Satz: „zu diesem Termin werden sie als Pflichtverteidiger des Angeklagten pp. geladen“.

Angesichts dieser Ladung des Amtsgerichts Nürnberg konnte der Verteidiger darauf vertrauen, dass er als Pflichtverteidiger erscheinen muss. Auch wenn die Ladung nach dem Entbindungsbeschluss erfolgte, bestand das Vertrauen des Verteidigers insoweit fort, als das das Landgericht Nürnberg in eine Beschwerde über die. Entbindung zu entscheiden hatte. Da die Beschwerdeentscheidung dem Verteidiger aber nicht vor dem Hauptverhandlungstermin zuging und da er zuvor eine Ladung zum Termin als Pflichtverteidiger erhalten hatte, war es gerechtfertigt, dass er die Pflichtverteidigergebühren auch für das Antreten zum Termin vom 20.05.2019 erhält. Insoweit   musste die Erinnerung erfolgreich sein. „

M.E. zutreffend. Das ist der Rechtsgedanke der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG.

Grundgebühr angemessen bemessen, Terminsgebühr außerhalb des Toleranzbereichs

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Als zweite Gebührenentscheidung des Tages dann nach längerer Zeit mal wieder etwas zu § 14 RVG, und zwar der LG Hechingen, Beschl. v. 21.05.2019 – 3 Qs 31/19, den der Kollege Kabaus aus Bad Saulgau erstritten hat.

Das LG äußert sich zur Höhe der Grundgebühr und zur Höhe einer Terminsgebühr, und zwar wie folgt:

„Die Geltendmachung einer Gebühr in Höhe der Mittelgebühr von 200,00 € als Grundgebühr nach Nr. 4100 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG erscheint im vorliegenden Fall nicht unangemessen. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Die Festsetzung der Gebühr ist jedoch nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbillig ist ein Gebührensatz in der Regel dann, wenn er den Rahmen des Angemessenen um mehr als 20 % übersteigt (Winkler in: Mayer/ Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, § 14 Rn. 56, OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, LG Saarbrücken, Beschluss vom 04. Dezember 2008, 4 II 50/60 I, Entscheidungen jeweils zitiert nach <juris>). Die Mittelgebühr soll im „Normalfall“ gelten, geht also jeweils vom durchschnittlichen Gewicht der vom Gesetzgeber aufgeführten Kriterien aus (Winkler, aaO, Rn. 39). Vorliegend mag der Aktenumfang zum Zeitpunkt der Akteneinsicht des Verteidigers mit ca. 30 Seiten eher gering gewesen sein. Jedoch ist vorliegend weiter zu berücksichtigen, dass die Angelegenheit für den (ehemaligen) Angeklagten durchaus bedeutend gewesen ist, nachdem er noch keine Eintragung im Bundeszentralregister aufwies, im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zu befürchten hatte, dass sein Führungszeugnis nach §§ 30 ff. BZRG nicht mehr eintragungsfrei sein würde und und ihm ein für sein berufliches Fortkommen als Physiotherapeut massiv schädigender Vorwurf eines sexuellen Übergriffes zur Last gelegt wurde. Darüber hinaus ist der Sachverhalt in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht jedenfalls durchschnittlich gelagert, zumal in Ermangelung weiterer Tatzeugen eine Aussage-gegen-Aussage Konstellation gegeben war, die eine besonders sorgfältige Auseinandersetzung mit den Angaben der Belastungszeugin erforderte (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. September 2013, 2 Ws 263/13, zitiert nach <juris>). Die Geltendmachung der Mittelgebühr ist somit nicht zu beanstanden.

Was die Geltendmachung der Höchstgebühr von 480 € als Terminsgebühr nach Nr. 4108 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG anbelangt, erscheint diese im vorliegenden Fall – auch unter Berücksichtigung des zuzubilligenden Toleranzspielraums von bis zu 20 % – unbillig. Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände bewegt sich demzufolge die Geltendmachung der Höchstgebühr außerhalb des Toleranzbereiches des ausgeübten anwaltlichen Ermessens. Bei der Terminsgebühr für einen Hauptverhandlungstermin ist die Dauer der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung, da durch die Gebühr der zeitliche Aufwand vergütet werden soll, den der Rechtsanwalt durch die Teilnahme an diesem Termin hat (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG VV 4108 Rn. 18). Bei der Bemessung ist zunächst von der Mittelgebühr auszugehen und der Wahlanwalt kann sich an den Grenzen der Längenzuschläge nach Nrn. 4110, 4111 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG orientieren (OLG Köln, aaO, Rn. 11, KG, Beschluss vom 24. November 2011, 1 Ws 113-114/10, zitiert nach <juris>), sodass unter deren Berücksichtigung eine Hauptverhandlungsdauer von mehr als fünf bis acht Stunden eine erheblich über die Mittelgebühr hinausgehende Terminsgebühr rechtfertigt (so auch BeckOK RVG-Knaudt, Stand 1. März 2019, RVG VV 4108, Rn. 24.2) und wenn mehr als acht Stunden verhandelt wird, auf jeden Fall die Höchstgebühr gerechtfertigt sein wird (Gerold/Schmidt/Burhoff, aaO). Gemessen hieran bewegt sich unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände die Geltendmachung der Höchstgebühr im vorliegenden Fall außerhalb des Toleranzbereiches des ausgeübten anwaltlichen Ermessens. Die Hauptverhandlungsdauer hat vorliegend die Grenzen der Längenzuschläge nach Nrn. 4110, 4111 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG nicht einmal erreicht; vielmehr sind diese mit einer Verhandlungsdauer von knapp 4 Stunden noch erheblich unterschritten. Selbst im Falle deren Erreichens ist nach den einschlägigen Kommentierungen lediglich eine „erheblich über die Mittelgebühr hinausgehende Terminsgebühr“ gerechtfertigt, sodass es wertungswidersprüchlich erschiene, wenn im Falle deren Unterschreitens bereits die Höchstgebühr verlangt werden könnte. Vor diesem Hintergrund ist die festgesetzte Höchstgebühr unbillig und erscheint die in der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Gebühr von 360,00 €, mit welcher die Mittelgebühr um 30% überschritten wird, angemessen.“

Mal wieder ein schönes Beispiel dafür, dass die gesetzlichen Rahmen einfach zu niedrig sind.

Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr, oder: So viel gibt es beim AG Hagen

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Heute dann der erste Gebührenfreitag am neuen (Wohn)Ort.

Ich beginne dann mit dem AG Hagen, Beschl. v. 22.05.2019 – 61 Ls 512 Js 444/17 – 53/18, den mit der Kollege P. Ziental geschickt hat. Nichts Weltbewegendes, aber an der ein odr anderer Stelle kann man ihn als Argumentationshilfe vielleicht dann doch mal ganz gut gebrauchen.

Festgesetzt sind die dem Nebenkläger vom Angeklagten zu erstattenden Kosten, und zwar wie folgt:

„Der mit Übernahme des Mandats entstehende Arbeitsaufwand wird mit der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG abgegolten. Erfasst werden das erste Mandantengespräch und die Informationsbeschaffung. Maßgeblich sind folglich die Dauer des ersten Gesprächs mit dem Mandanten und eventuelle tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Angelegenheit sowie der Umfang der Akte (LG Hagen, Beschluss vom 21.06.2010, 51 Qs 34/10). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Nr. 4100 VV RVG für alle Angelegenheiten in Strafsachen gilt, die gebührenmäßig in Teil 4 Abschnitt 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs.2 RVG geregelt sind, also für alle Verfahren vor dem Strafrichter beim Amtsgericht bis hin zum Strafsenat beim Bundesgerichtshof.

Bei der Akteneinsicht bestand die Akte aus 121 Seiten. Da das Aktenstudium von bis zu 50 Seiten noch als unterdurschnittlich einzustufen ist, dürfte es sich vorliegend um eine leicht über dem Durchschnitt liegende Tätigkeit handeln(vgl. LG Hagen, Beschluss vom 07.06.2000, 44 Qs 82/200). Die Grundgebühr wird daher auf 230,00 € festgesetzt.

Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG honoriert das Betreiben des Geschäfts bis zur Anklageerhebung, soweit es nicht in den Abgeltungsbereich der Grundgebühr nach VV 4100 RVG fällt. Der Nebenklägervertreter trägt vor, dass er mehrere Rücksprachen mit den Angehörigen geführt hat, sodass die Gebühr unzweifelhaft entstanden ist. Aus der Akte sind jedoch keine weitergehenden Tätigkeiten, die in diesen Abgeltungsbereich fallen ersichtlich, sodass hier lediglich die Mittelgebühr i.H.v. 165,00 € festsetzungsfähig ist.
Mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG werden sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung abgegolten. Der Rechtsanwalt trägt vor, dass mehrere Rücksprachen mit dem Auftraggeber sowie eine persönliche in Augenscheinnahme. der Unfallörtlichkeit erfolgt sind. Ferner ist mit der Gebühr die Tätigkeit für die Vorbereitung der Hauptverhandlung abzugelten, sodass insgesamt von einer leicht über dem Durchschnitt liegenden Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die Gebühr ist daher i.H.v. 200,00 € zu berücksichtigen.

Die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG honoriert die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Termin (vgl. Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 1 VV RVG). Außerhalb des Termins entfaltete Tätigkeiten werden nicht von der. Terminsgebühr VV 4108 RVG, sondern von der Verfahrensgebühr VV 4106 abgegolten (LG Hagen, Beschluss vom 21.03.2006, 44 Qs 61/06). Das Wesentliche Kriterium bei der Bemessung der Terminsgebühr ist die Dauer der Hauptverhandlung. Die Grenze bei einer zumindest durchschnittlichen Tätigkeit dürfte bei einem amtsgerichtlichen Verfahren etwa bei einer Stunde zu suchen sein ( vgl. LG Hagen, Beschluss vom 23.02.2005, 44 QS 1/05). Der Termin am 12.03.2019 dauerte eine Stunde und fünfzig Minuten, sodass unter der Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG eine Gebühr i.H.v. 300,00 € als erstattungsfähig angesehen wird.“

(K)Eine Terminsgebühr im Auslieferungsverfahren, oder: Bitte Entscheidungen schicken.

entnommen openclipart.org

So, heute Gebührenfreitag, also gebührenrechtliche Entscheidungen. Der ersten Entscheidung stelle ich aber einen Aufruf voran, nämlich: Bitte weiterhin gebührenrechtliche Entscheidungen schicken. Mein Ordner „RVG“ ist nämlich leer und ich brauche dringend Nachschub für die Berichterstattung hier und auch für meine Homepage und natürlich für den RVG-Kommentar, den man übrigens <<Werbemodus an>> hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>. Also: ich erwarte dann Entscheidungen 🙂 .

Heute stelle ich dann aus meinem knappen Reservoir den OLG Köln, Beschl. v. 10.01.2018 – 6 AuslA 195/17 – vor. Der Kenner sieht am Aktenzeichen, dass es um Gebühren im Auslieferungsverfahren geht. Das stimmt, und zwar mal wieder um die Frage, ob für die für Teilnahme an einem Anhörungstermin zur Verkündung des Auslieferungshaftbefehls eine Terminsgebühr entsteht. Das OLG Köln sagt – ebenso wie die h.M.: Nein:

2. Die zulässige Erinnerung ist unbegründet, da der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu Recht die Terminsgebühr abgesetzt hat, da am 04.12.2017 vor dem Amtsgericht Köln keine Verhandlung im Sinne von Nr. 6102 VV-RVG stattfand.

a) Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass die Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV-RVG lediglich für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht gemäß §§ 30 Abs. 3, 31, 33 Abs. 3 IRG anfällt (vgl. zuletzt SenE vom 18.07.2017, 6 AuslA 174/16 – 118 -; SenE vom 14.03.2006, 2 ARs 35/06, NJW-RR 2007, 71) und folgt damit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2006, 2 (s) Sbd IX 43/06, StraFo 2006, 259; OLG Hamm vom 25.10.2016, III-1 Ws 241/16, RVGreport 2017, 52; OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2007, 33 Ausl 84/06, JurBüro 2007, 252; KG Berlin, Beschluss vom 13.08.2007, 1 Ws 109/07, AGS 2008, 130-131; OLG Koblenz, Beschluss vom 29.02.2008, (1) Ausl-III-20/07, NStZ-RR 2008, 263; OLG Rostock, Beschluss vom 12.03.2009, Ausl 14/08 I 7/08, JurBüro 2009, 364; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.03.2009, Ausl 56/08, NStZ-RR 2009, 192; OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08, NStZ-RR 2009, 392; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.10.2009, 1 (3) Ausl 1110/09, NStZ 2010, 710; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, NdsRpfl 2010, 95; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 05.05.2011, (1) 53 AuslA 43/10 (20/10), StRR 2011, 247; außerdem Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, Nr. 6100-6101 VV Rn. 4). Die Gegenansicht (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 14.05.2007, 1 Ws 122/07, NStZ-RR 2008; Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 22. Auflage 2015, VV 6100-6102 Rn. 7; Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 7. Auflage 2014, VV 6100-6102 RVG Rn. 26 f.; Riedel/Sußbauer-Schneider, RVG, 10. Auflage 2015, VV 6100-6102 Rn. 8; Burhoff-Volpert, RVG, 4. Aufl. 2014, Nr. 6102 VV RVG Rn. 7; krit. auch Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Auflage 2014, Nr. 6102 VV RVG Rn. 3) überzeugt aus verschiedenen Gründen nicht.

aa) Nach dem Wortlaut der Regelung in Nr. 6102 VV-RVG (bzw. Nr. 6101 a.F.) fällt bei Verfahren nach dem IRG „je Verhandlungstag“ eine Terminsgebühr für den gerichtlich bestellten Verteidiger i.H.v. 424 Euro an. In der Vorbemerkung 6 Abs. 3 VV-RVG heißt es ferner, dass die Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen entsteht, soweit nichts anderes bestimmt ist. Zwar stellt die Anhörung nach § 28 IRG vor dem Amtsgericht zweifelsfrei einen gerichtlichen Termin dar und wird daher vom Wortlaut der Vorbemerkung 6 Abs. 3 VV-RVG erfasst, jedoch ist in Nr. 6102 VV-RVG eine von der Vorbemerkung zugelassene abweichende Bestimmung zu sehen.

Nr. 6102 VV-RVG sieht die Terminsgebühr „je Verhandlungstag“ vor. Eine „Verhandlung“ im eigentlichen Wortsinne ist jedoch nach dem IRG nur vor dem Oberlandesgericht vorgesehen, wenn insbesondere über die Zulässigkeit der Auslieferung oder die Fortdauer der Auslieferungshaft (vgl. §§ 30 Abs. 3, 31, 33 Abs. 3 IRG) verhandelt wird (ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2007, 33 Ausl 84/06, a.a.O.). Das Amtsgericht hingegen, welches die hier maßgebliche Anhörung nach § 28 IRG durchführt und den Auslieferungshaftbefehl verkündet, hat im Wesentlichen keine eigenen Sachentscheidungsbefugnisse, sondern ist auf die Prüfung formeller Aspekte begrenzt (vgl. §§ 21 Abs. 3 und 5, 22 Abs. 3, 23 IRG). Die Aufgaben beschränken sich auf die Verkündung des Auslieferungshaftbefehls, die Vornahme von Belehrungen und die Protokollierung von Erklärungen (vgl. §§ 28 Abs. 2 S. 2, 41 Abs. 4, 79 Abs. 2 S. 4 IRG). Eine inhaltliche Auseinandersetzung im Sinne einer Verhandlung erfolgt grundsätzlich nicht (ebenso OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.10.2009, 1 (3) Ausl 1110/09, a.a.O.).

Soweit die Gegenansicht anführt, die Formulierung „Terminsgebühr pro Verhandlungstag“ spreche nicht für eine Einschränkung in dem Sinne, dass eine Terminsgebühr nur bei Verhandlungen nach §§ 30, 31 IRG anfalle, sondern diene lediglich der Klarstellung, dass die Gebühr mehrfach anfallen kann (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 14.05.2007, 1 Ws 122/07, a.a.O.), ändert dies nichts daran, dass der Wortlaut der Regelung eine einschränkende Auslegung nahelegt. Hierfür streiten nach der folgenden Gesamtschau auch die besseren Gründe.

bb) Für eine solche einschränkende Auslegung spricht entgegen der Ansicht des Thüringer Oberlandesgerichts die Gesetzesentstehung, wonach durch die Neufassung im RVG die bis dahin geltende Regelung in §§ 106, 107 BRAO inhaltlich übernommen werden sollte (BT-Drs. 15/1971, S. 231). Auch nach der überwiegenden Ansicht zur früheren Regelung wurde die Teilnahme am Anhörungstermin jedoch bereits durch die Verhandlungsgebühr abgegolten (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.03.2009, Ausl 56/08, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, a.a.O.). Eine abweichende Regelung hat der Gesetzgeber im Rahmen der Neufassung lediglich beispielsweise für Vernehmungen im Ermittlungsverfahren für notwendig erachtet (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 222 bzw. Nr. 4102 VV-RVG), nicht jedoch für Verfahren nach dem IRG. Auch im Rahmen des 2. KostRMoG vom 23.07.2013 hat der Gesetzgeber – in Kenntnis des Streitstandes – eine Änderung nicht für erforderlich gehalten.

cc) Gleichfalls sprechen systematische Erwägungen für das gefundene Ergebnis, etwa der Vergleich mit Nr. 4102 Nr. 3 VV-RVG. Danach lösen Termine zur Verkündung eines die Untersuchungshaft anordnenden Haftbefehls nur dann eine Terminsgebühr aus, wenn über Anordnung und Fortdauer verhandelt wird. Zudem wird in diesem Fall auch nur eine geringere Gebühr als bei Nr. 6102 VV-RVG fällig, die außerdem nur einmal anfällt für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen. Es wäre systemwidrig, anzunehmen, dass im Falle einer Anhörung nach § 28 IRG dennoch für jeden Termin ohne inhaltliche Verhandlung in der Sache die deutlich höhere Gebühr nach Nr. 6102 VV-RVG anfallen soll (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08, a.a.O., OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2006, 2 (s) Sbd IX 43/06, a.a.O.; OLG Rostock, Beschluss vom 12.03.2009, Ausl 14/08 I 7/08, a.a.O.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.03.2009, Ausl 56/08, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, a.a.O.).

Weiterhin entspricht die in Nr. 6102 VV-RVG festgesetzte Gebührenhöhe der bei erstinstanzlichen Terminen vor dem OLG (bzw. Schwurgericht, Staatsschutz- oder Wirtschaftsstrafkammern, vgl. Nr. 4120 VV RVG), was ebenfalls dafür spricht, dass die Regelung Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht, nicht aber Anhörungen vor dem Amtsgericht erfassen soll. Soweit gegen diese Argumentation eingewandt wird, dass in Strafsachen eher inhaltliche Gesichtspunkte und nicht das Gericht für die Gebührenhöhe maßgeblich seien (so Thüringer OLG Jena, Beschluss vom 14.05.2007, 1 Ws 122/07, a.a.O.), ist dem entgegenzuhalten, dass dem RVG eine Differenzierung nach Art des Gerichts auch in Strafsachen keineswegs fremd ist.

Nicht überzeugen kann weiterhin die Erwägung, dass bei Nr. 4126 VV-RVG, der von „Hauptverhandlungstag“ spricht, auch Anhörungen und Vernehmungen erfasst würden, nämlich durch die Anwendung etwa in Rehabilitierungsverfahren nach § 13 StRehaG (so Thüringer OLG, Beschluss vom 14.05.2007, 1 Ws 122/07, a.a.O.). Denn insoweit ordnet das Gesetz ausdrücklich eine entsprechende Anwendung an (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08, a.a.O.).

dd) Schließlich führt das gefundene Ergebnis auch zu keiner unbilligen Härte. Zwar ist einzuräumen, dass der Anhörung nach § 28 IRG im Einzelfall Bedeutung zukommen kann und sie der Vorbereitung der Auslieferungsentscheidung dient. Die Erklärungen des Verfolgten können, da unwiderruflich, weitreichende Folgen für das weitere Verfahren haben, so dass die Begleitung durch den Beistand erforderlich bzw. wünschenswert sein kann. Jedoch kann ein besonderer Umfang im Einzelfall im Wege der Festsetzung einer Pauschgebühr (nach § 42 bzw. 51 I RVG) auf Antrag des Beistands berücksichtigt werden (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, a.a.O.; vgl. auch OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2007, 33 Ausl 84/06, a.a.O.).

b) Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass die Anwesenheit des Antragstellers bei der am 20.12.2017 vor dem Amtsgericht Köln erfolgten Verkündung des Auslieferungshaftbefehls sowie der gleichzeitig durchgeführten Anhörung gemäß § 28 IRG keine Terminsgebühr auszulösen vermag, sondern vielmehr bereits durch die Verhandlungsgebühr nach Nr. 6101 VV-RVG abgegolten ist. Ein Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 IRG wurde nicht gestellt, insoweit ist zudem nach Aktenlage ein besonderer Umfang oder eine besondere Schwierigkeit der Sache für den Senat auch nicht erkennbar.“

Ist m.E. auch ein Punkt, den das 3. KostRMoG regeln sollte.