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Strafzumessung: Das strafschärfende „Leugen der Tat“, oder: Wir können leider nicht anders

© Alex White - Fotolia.com

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In dem dem BGH, Beschl. v. 22.07.2015 – 1 StR 323/15 – zugrundeliegenden Verfahren hatte das LG Ulm den Angeklagten wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte wegen des Strafausspruchs Erfolg. Die Strafkammer hatte ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten „das rechtsfeindliche Leugnen der Tat im Prozess, bei dem er sehenden Auges die uneidliche Falschaussage seiner Mutter zuließ“, berücksichtigt.

Das geht natürlich – so – nicht. Denn:

„Danach ist zu besorgen, dass es das bloße Dulden der falschen Aussage in der Hauptverhandlung als Strafschärfungsgrund angesehen hat. Ein solches Prozessverhalten strafschärfend zu verwerten, wäre nur dann zulässig, wenn es nicht allein auf Furcht vor Bestrafung beruhte, sondern Ausdruck von Rechtsfeindlichkeit und Uneinsichtigkeit wäre (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1993 – 3 StR 491/92, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 20; BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2003 – 4 StR 439/03, StrafFo 2004, 104). Dies käme insbesondere dann in Betracht, wenn der Angeklagte die Zeugin zu der Falschaussage zu seinen Gunsten veranlasst oder sie in Kenntnis ihrer Bereitschaft hierzu als Zeugin benannt hätte. Hierzu ist jedoch nichts festgestellt. Nachdem das Leugnen der Tat ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10, NStZ 2010, 692), dessen Grenzen auch dann nicht überschritten sein dürften, wenn dadurch der Tatver-dacht gegen einen anderen, hier den Mittäter I. , wesentlich verstärkt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012 – 5 StR 453/12), kann auch dieses Verhalten für sich genommen nicht zur Begründung einer entsprechenden Gesinnung herangezogen werden sein.“

Das hat er BGH so aus der Stellungnahme des GB übernommen, der, da nicht auszuschließen war, dass die konkrete Strafzumessung auf diesem Rechtsfehler beruhte, die Aufhebung des Strafausspruchs beantragt hatte.

„….Dem kann sich der Senat nicht verschließen….“

„Schöne“ Formulierung. Klingt so ein bisschen nach: Wir können leider nicht anders 🙂 .

Strafzumessung: Straferschwerend ist „eine Vielzahl von Straftaten“

© eyetronic Fotolia.com

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Strafzumessung ist nicht einfach – so hat man zumindest den Eindruck, wenn man die BGH-Rechtsprechung verfolgt. Denn immer wieder sind es häufig – im Grunde genommen – Kleinigkeiten, die zur Aufhebung im Strafausspruch führen. So auch im BGH, Beschl. v. 28.05.2015 – 2 StR 32/15, bei dem es um eine Verurteilung wegen Wohnungseinbruchsdiebstahlstaten ging. Der BGH hat den Strafausspruch aufgehoben:

Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung hinsichtlich der Bemes-sung der Einzelstrafe im Fall II 1 der Urteilsgründe nicht stand. Das Landgericht hat für die am 4. Dezember 2004 begangene erste von insgesamt sechs in einem Zeitraum von sieben Jahren begangenen Taten die Annahme eines min-der schweren Falls des Wohnungseinbruchsdiebstahls (§ 244 Abs. 3 StGB) geprüft. Im Rahmen der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände hat es straferschwerend berücksichtigt, dass „dem Angeklagten mit insgesamt sechs Fällen eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt wird […]“ (UA S. 42, 43). Dabei hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass die straferschwe-rende Berücksichtigung der später begangenen Straftaten rechtlich nur dann unbedenklich ist, wenn der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt zur Bege-hung weiterer Straftaten entschlossen war oder wenn die spätere Tatbegehung auf seine besondere Rechtsfeindlichkeit schließen ließe (vgl. Senat, Beschluss vom 26. September 2001 – 2 StR 383/01 -, wistra 2002, 21; BGH, Beschluss vom 9. November 2006 – 5 StR 338/06 -, NStZ 2007, 150; vgl. auch BGH, Be-schluss vom 30. September 2009 – 2 StR 270/09 -, NStZ-RR 2010, 40; Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 46 Rn. 37b). Dies ist durch die Feststellungen nicht belegt.

Bei dieser Sachlage begegnet die Strafrahmenwahl in diesem Fall durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Da das Landgericht in seine im Übrigen sorgfältig abgefasste Gesamtwürdigung alle Umstände zahlreiche strafmildernde Umstände von Gewicht eingestellt und dabei insbesondere strafmildernd die lange zurückliegende Tatzeit bedacht hat, vermag der Senat unter den hier gegebenen Umständen nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Abwägung aller Umstände zur Annahme eines minder schweren Falles und zu einer milderen als der verhängten Einzelstrafe von acht Monaten gelangt wäre. Die Sache bedarf daher mit Blick auf diese Einzelstrafe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe neuer Verhandlung und Entscheidung.“

In Dresden gilt das „St.Florians-Prinzip“ – doch nicht

entnommen openclipart.org

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Strafzumessung mal anders bzw. das BGH, Urt. v. 14.07.2015 – 5 StR 181/15 – moniert auf die Revision der StA einen Strafzumessungsfehler, der sich zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hatte. Das LG Dresden hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. verurteilt. Nach den Feststellungen des LG Dresden hatte der Angeklagte aus Prag kommend als Fahrgast eines Fernbusses mit Fahrtziel Kopenhagen 1.044,33 g Crystal mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 636,4 g Methamphetaminbase in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Rauschgift sollte in Kopenhagen einem Abnehmer übergeben werden. Zur Strafzumessung dann der BGH:

„Die Strafzumessungserwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass „die Drogen nicht für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestimmt wa-ren“ (UA S. 8). Damit hat es einem Umstand maßgebliche Bedeutung beigemessen, dem von Rechts wegen strafmildernde Wirkung nicht zukommen kann. Die Bekämpfung von Rauschgiftdelikten ist – im Interesse des über die deut-schen Staatsgrenzen hinausreichenden Schutzes vor Gesundheitsbeeinträchtigungen – ein weltweites Anliegen (vgl. § 6 Nr. 5 StGB). Der Umstand, dass das eingeführte Rauschgift nicht für den deutschen Markt bestimmt war, sondern ins Ausland weitertransportiert und dort veräußert werden sollte, stellt deshalb keinen Strafmilderungsgrund dar (BGH, Urteil vom 6. September 1995 – 2 StR 378/95, NStZ-RR 1996, 116).“

Das „St.Florians-Prinzip“ bzw. die Überlegung: Strafbar ist es, aber wenn das Zeug fürs Ausland bestimmt ist, ist es nicht so schlimm, gilt also in der Strafzumessung nicht. Auch nicht in Dresden.

Knast oder Einkauf im Bayern-Fanshop

Logo_FC_Bayern_MuenchenDa lese ich gerade in der SZ-online oder auch hier bei GMX:

„Zwei Fans des TSV 1860 München hatten nach dem kleinen Münchner Derby vor einem Jahr einen Fan des FC Bayern im Hauptbahnhof überfallen und ihm die Fan-Kleidung vom Leib gerissen. Wegen gemeinschaftlichen Raubes wurden sie dafür zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Allerdings räumt ihnen die Justiz im Rahmen des „Täter-Opfer-Ausgleichs“ die Chance auf eine mildere Strafe ein, wenn die Löwen-Fans einen Einkauf im FC-Bayern-Fanshop machen…….“

Na, das ist doch mal eine Strafe 🙂 bzw. ein Angebot. Was wohl der BGH dazu sagen würde….? Für den ein oder andern sicherlich Höchststrafe und ein angemessener Schuldausgleich mehr.

 

Klassischer Fehler XXVII: „Gewinnstreben“, aber ohne Folgen

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In meinen Augen wird im BGH, Beschl. v. 01.06.2015 – 4 StR 91/15 – ein klassischen Fehler im Bereich der Strafzumessung bei einer Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäbungsmitteln angesprochen, bleibt dann aber ohne Folgen für das angefochtene Urteil:

„Das Landgericht durfte dem Angeklagten nicht straferschwerend anlasten, dass er „aus reinem Gewinnstreben“ mit Betäubungsmitteln Handel getrieben hat (BGH, Beschlüsse vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, StV 2011, 224; vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13). Der Senat kann hier jedoch ausschließen, dass die Einzelstrafen, die nach der Menge des gehandelten Betäubungsmittels abgestuft sind und ganz überwiegend die gesetzliche Mindeststrafe nur gering überschreiten, auf dem Rechtsfehler beruhen.“

Bei solchen oder ähnlichen Formulierungen in tatrichterlichen BtM-Urteilen müssten an sich alle Alarmglocken schellen, oder?