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Wenn der Strafgefangene Jura studiert, oder: Immer Ausbildungsbeihilfe?

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Schon etwas älter ist die Entscheidung, mit der ich heute die 43. KW. eröffne. Es ist der OLG Hamm, Beschl. v. 28.04.2017 – 1 Vollz (Ws) 127/17. In ihm hat das OLG zu der  Frage Stellung genommen, ob ein Strafgefangener, der ohne Genehmigung seitens der JVA ein Fernstudium aufnimmt und betreibt, keinen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsbeihilfe hat. Der Strafgefangene verbüßt(e) wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz eine mehrjährige Freiheitsstrafe in der JVA Bochum. Im Herbst 2015 hatte er ohne Genehmigung der JVA ein Jura-Fernstudium aufgenommen. Eine ihm zugewiesene Tätigkeit in einem Unternehmensbetrieb der Anstalt stellte der Strafgefangene im Januar 2016 ein, um sich seinem Studium in Vollzeit widmen zu können. Seinen Antrag, ihm eine Ausbildungshilfe für sein Studium zu gewähren, wies die JVA unter Hinweis auf das nicht genehmigte Studium zurück. Die StVK des LG Bochum verpflichtete die JVA, den Antrag des Strafgefangenen auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe erneut zu prüfen, wobei sie die Auffassung vertrat, dass ein selbst organisiertes Studium eines Gefangenen – soweit Ordnungs- oder Sicherheitsbelange nicht berührt seien – grundsätzlich genehmigungsfrei und zulässig sei. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Leiters der JVA, die erfolgreich war:

„Die Rechtsbeschwerde erweist sich auch als begründet. Die JVA hat den Antrag des Betroffenen auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe zu Recht zurückgewiesen, da ihm ein Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe für das Studium in Vollzeit als Aus- oder Weiterbindungsmaßnahme nicht zusteht. § 32 Abs. 2 StVollzG NW gewährt Gefangenen einen Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe nur, wenn die betroffenen Gefangenen zum Zwecke der Ausbildung von der Arbeitspflicht freigestellt sind und mithin die Durchführung der Ausbildung während der üblichen Arbeitszeit seitens der Vollzugsanstalt zumindest konkludent genehmigt worden ist.

Während der bis zum Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes NRW maßgebliche § 44 Abs. 1 StVollzG (Bund) die Zahlung einer Ausbildungsbeihilfe ausdrücklich nur für den Fall vorsieht, dass der Gefangene aufgrund seiner Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme von seiner Arbeitspflicht freigestellt, und zudem wegen der Bezugnahme auf § 37 StVollzG die Teilnahme an der Maßnahme genehmigt worden ist, weist § 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG NW seinem Wortlaut nach eine solche Einschränkung nicht auf. Aus dieser geänderten Formulierung ergibt sich aber nicht die Pflicht der JVA, für jede Bildungsmaßnahme auch eine Ausbildungsbeihilfe zu zahlen. Vielmehr ist § 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG dahin auszulegen, dass eine Ausbildungsbeihilfe nur gewährt wird, wenn dem Gefangenen die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme genehmigt und er zur Teilnahme an dieser Bildungsmaßnahme von seiner Arbeitspflicht gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NW freigestellt worden ist.

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, dass beabsichtigt war, auf das Erfordernis einer Freistellung von der Arbeitspflicht gemäß § 44 Abs. 1 StVollzG (Bund) oder einer Genehmigung zu verzichten. Vielmehr wird dort ausgeführt, dass die §§ 32 ff. StVollzG NW die in § 43 StVollzG (Bund) getroffenen Regelungen aufgreifen und neu ordnen (vgl. LT- Drucksache 16/5413, S. 114). Aus der weiteren Begründung ergibt sich, dass den Gefangenen, die an einer schulischen oder beruflichen Fortbildungsmaßnahme teilnehmen, ein Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe zustehen soll, „der an die Stelle des Arbeitsentgelts tritt“. Hiermit wird jedoch der Grundsatz des § 44 StVollzG aufgegriffen, dass Ausbildung und Arbeit grundsätzlich gleichwertig sind und dementsprechend die Ausbildungsbeihilfe an die Stelle des Arbeitsentgelts tritt (Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 44 Rn. 1, Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 44 Rn. 2).

Im Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 StVollzG (Bund) ist aber allseits anerkannt, dass eine Ausbildungsbeihilfe nicht bereits dann zu bewilligen ist, wenn dem Gefangenen die Genehmigung zur Teilnahme an einer Weiterbildung erteilt wird. Zusätzlich ist erforderlich, dass er zu diesem Zweck von seiner Arbeitspflicht freigestellt wird (vgl. Callies/Müller-Dietz, a.a.O., § 44, Rn. 1 u. 2; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 44 Rn. 3, Däubler/Spaniol in Feest, StVollzG, 5. Aufl., § 44 Rz. 1, Arloth/Krä a.a.O., Rn. 2, KG Berlin ZfStrVo 1988, S. 312 f.). Denn die Vorschrift des § 44 StVollzG (Bund) verfolgt das Ziel, Ausbildungsmaßnahmen gleichwertig neben Arbeitsleistung treten zu lassen. Dem Gefangenen soll kein Nachteil daraus erwachsen, dass er anstelle einer Arbeit, für die er Lohn erhalten würde, einer genehmigten Ausbildung nachgeht.

Die Auslegung des § 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG NW hat sich an diesen Vorgaben zu orientieren und ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NW sind Gefangene verpflichtet, eine ihnen zugewiesene Beschäftigung auszuüben, so dass in Nordrhein-Westfalen für Strafgefangene grundsätzlich eine Arbeitspflicht besteht. Für die Ausübung zugewiesener Arbeit besteht ein Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 StVollzG NW. Da aber Arbeit und Ausbildung grundsätzlich gleichgestellt sein sollen (vgl. Arloth/Krä, a.a.O.), soll derjenige, der statt der Arbeit eine Ausbildungsmaßnahme gemäß § 30 StVollzG NW durchläuft, ebenso entlohnt werden und zu diesem Zweck eine Ausbildungsbeihilfe erhalten. Dies ergibt sich  für das Strafvollzuggesetz NW zudem aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG NW, der voraussetzt, dass die Teilnahme an der Maßnahme während (Unterstreichung durch den Senat) der Arbeitszeit zu erfolgen hat („Gefangenen, die während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, wird Ausbildungsbeihilfe gewährt, …“). Insofern soll die Ausbildungsbeihilfe sicherstellen, dass ein Gefangener, der an einer Maßnahme der beruflichen oder schulischen Fortbildung teilnimmt, nicht schlechter gestellt ist als der Gefangene, der eine ihm zugewiesene Arbeit verrichtet (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 10.02.1999 – 5 Ws 4/99 -, Rn. 7, juris). Hieraus folgt, dass bei Bestehen einer Arbeitspflicht Gefangene zum Zwecke der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme von der Arbeitspflicht freigestellt werden müssen und darüber hinaus auch die Teilnahme an der schulischen oder beruflichen Fortbildungsmaßnahme genehmigt sein muss. Aus diesem Grund erhält z.B. auch ein Gefangener, der arbeitslos ist und aus eigener Initiative ein Fernstudium aufnimmt, keine Ausbildungsbeihilfe (vgl. Feest/Lesting/Lindemann, StVollzG, 7. Auflage, Teil II, § 55 Rn. 4, 5).

Vorliegend ist dem Betroffenen die Aufnahme des Studiums nicht gemäß § 30 Abs. 1 StVollzG NW genehmigt worden. Er hat das Studium aus eigener Initiative heraus ohne Genehmigung seitens der JVA aufgenommen und betreibt es weiter ohne Genehmigung seitens der Vollzugsbehörde. Mangels Genehmigung besteht daher auch kein Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsbeihilfe im Sinne des § 32 Abs. 2 StVollzG NW.

Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Betroffene seit dem 17.03.2016 als unverschuldet ohne Arbeit geführt wird. Insoweit besteht keine Arbeitspflicht des Betroffenen mehr. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass das Studium nunmehr quasi als konkludent durch die Vollzugsbehörde genehmigt und der Betroffene als von der Arbeitspflicht freigestellt zu gelten hat.

Da der Betroffene aus eigener Initiative die Arbeit niedergelegt hat und zudem seit dem 17.03.2016 als unverschuldet ohne Arbeit geführt wird, ist der Betroffene dementsprechend als arbeitslos einzustufen. Als arbeitsloser Strafgefangener hat er allerdings auch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 32 Abs. 1 StVollzG NW, so dass auch eine Ausbildungsbeihilfe nicht gewährt werden kann, da durch diese – wie oben ausgeführt wurde – an die Stelle des Arbeitsentgelts tritt, um zu verhindern, dass allein aus monetären Erwägungen heraus durch den Gefangenen die Aufnahme einer Maßnahme der beruflichen oder schulischen Bildung abgelehnt wird. Durch die Justizvollzugsanstalt wurde der Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe ab dem 01.01.2016 daher zu Recht abgelehnt.

Strafvollzug I: Dicke Luft im Knast, oder: Passiv Rauchen

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Die mit dem „Passivrauchen“ zusammenhängenden Fragen spielen in der Vollzugsrechtsprechung immer wieder eine Rolle. So auch in dem Verfahren, das mit dem BVerfG, Beschl. v. 18.05.2017 – 2 BvR 249/17 – geendet hat. Dort hatte der beschwerdeführende Gefangene  eine Verletzung der nach der Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzpflicht geltend gemacht, weil er vom 08.12.2015 bis zum 05.01.2016 als Nichtraucher in einer Zelle mit rauchenden Häftlingen untergebracht war. Er hatte damit beim AG Bamberg, LG Traunstein und OLG München keinen Erfolg.

Das BVerfG hat in seinem Beschluss noch einmal umrissen, worauf bei diesen Fragen zu achten ist:

Lohn ohne Arbeit gibt es nicht, auch nicht im (Straf)Vollzug

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Um Arbeit und Arbeitslohn geht es im KG, Beschl. v. 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz, nämlich um Arbeit im Vollzug der Sicherungsverwahrung. Der Untergebrachte war für mehrere Jahre im Bereich A der Anstalt beschäftigt und in Lohnstufe 5 eingestuft. Zuletzt war er dort als Vorarbeiter tätig. Im Oktober 2015 wurde er von dem ihm zugewiesenen Arbeitsplatz unverschuldet abgelöst, weil er nach Mitteilung der Arztgeschäftsstelle der Einrichtung für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zur damaligen Zelt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, die ihm übertragenen Aufgaben zu erledigen. Mit Bescheinigung vom 29.09.2015 wurde eine vollständige Arbeitsunfähigkeit hinsichtlich aller beruflichen Tätigkeiten vom 29.09.2015 bis zum 15.10.2015 attestiert. Bis zum 21.02.2016 war der Beschwerdeführer sodann ohne Beschäftigung. Seit dem 22.02.2016 ist er im Bereich Z mit einer Vergütung nach der Lohnstufe 2 beschäftigt.

Der Untergebrachte hatte dann beantragt, ihn – möglichst ab sofort – wieder als Vorarbeiter im Bereich A einzusetzen und diese Tätigkeit wie zuvor nach Lohnstufe 5 zu vergüten, ihm für die Zeit der (vermeintlich) rechtswidrigen Ablösung von dieser Arbeit, in der er beschäftigungslos war, den Verdienstausfall (ca. 2.500 Euro) zu ersetzen, hilfsweise – für den Fall dass eine sofortige Beschäftigung im Bereich A aus tatsächlichen Gründen nicht möglich wäre – ab dem 22.02.2016 bis zum Zeitpunkt der erneuten Tätigkeitsaufnahme im Bereich A den Differenzbetrag zwischen Lohnstufe 2 und Lohnstufe 5 zu erstatten.

Das hat die JVA abgelehnt. Die StVK ist dem beigetreten. Die Rechtsbeschwerde beim KG hatte dann keinen Erfolg:

„a) Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer es abgelehnt, die Vollzugsbehörde zu verpflichten, dem Untergebrachten einen bestimmten Arbeitsplatz – nämlich einen solchen als Vorarbeiter im Bereich A – zuzuweisen.

Unter der Geltung des § 37 Abs. 2 StVollzG war anerkannt, dass einem Gefangenen nach einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers (vgl. RegE, BT-Drucks. 7/918, 65 ff.) kein Rechtsanspruch auf Arbeit, Ausbildung oder arbeitstherapeutische Beschäftigung zusteht, sondern lediglich auf ermessenfehlerfreie Entscheidung der Vollzugsbehörde, insbesondere im Hinblick auf die beschränkten Beschäftigungskapazitäten bei der Auswahl der Bewerber (vgl. OLG Nürnberg NStZ 1981, 200; Arloth, StVollzG 3. Aufl., § 37 Rdn. 3). Erst recht bestand danach kein Rechtsanspruch auf Zuweisung einer bestimmten Arbeit (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Mai 2007 – 2 Ws 316/07 Vollz –) und zwar selbst dann nicht, wenn mehrere freie Arbeits- oder Ausbildungsplätze vorhanden sind (vgl. Arloth, a.a.O. § 37 Rdn. 3.). Der Vollzugsbehörde stand insoweit auch bei Eignung des Bewerbers ein Ermessenspielraum zu (vgl. KG, a.a.O.; KG, Beschlüsse vom 18. Mai 2004 – 5 Ws 228/04 Vollz –; vom 26. März 2002 – 5 Ws 188/02 Vollz – und vom 30. April 1984 – 5 Ws 532/83 Vollz –). Dabei durfte die Vollzugsbehörde auch die generelle Eignung des Gefangenen berücksichtigen (vgl. OLG Frankfurt NStZ 1983, 381).

In § 37 Abs. 2 StVollzG heißt es: „Die Vollzugsbehörde soll dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen.“ Ähnlich lautet nun § 23 Abs. 1 Satz 1 SVVollzG-Berlin: „Den Untergebrachten soll Arbeit angeboten werden.“ Der Wortlaut spricht danach klar für eine Ermessensentscheidung.

Aus den Materialien zum Entwurf des Berliner Gesetzes, das im GVBl. Berlin vom 6. April 2013 verkündet wurde und am 1. Juni 2013 in Kraft getreten ist, ergibt sich kein Hinweis darauf, dass den Untergebrachten – anders als im Strafvollzug – ein unbedingter Anspruch auf Arbeit oder etwa auf einen bestimmten Arbeitsplatz erwachsen sollte. Im Gegenteil: Absatz 1 des § 23 SVVollzG-Berlin trägt dem Angleichungsgrundsatz Rechnung und legt deshalb fest, dass Arbeit in der Sicherungsverwahrung (wie in Freiheit und anders als im Strafvollzug) freiwillig ist. Im Übrigen betont die Begründung zum Gesetzentwurf zwar die positiven Auswirkungen regelmäßiger Arbeit, enthält aber keine Anhaltspunkte dahingehend, dass das Auswahlermessen der Vollzugsbehörde für die Besetzung der vorhandenen Arbeitsplätze eingeschränkt werden sollte (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 17/0689 vom 28. November 2012, S. 69).

Ermessensfehler hat die Strafvollstreckungskammer nicht festgestellt; sie sind von der Rechtsbeschwerde, die sich weitgehend in allgemeinen Betrachtungen erschöpft, nicht geltend gemacht worden und dem Senat auch sonst nicht ersichtlich.

b) Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer es zudem abgelehnt, die Vollzugsbehörde zu verpflichten, eine (zusätzliche) Vergütung für die Zeiten der Beschäftigungslosigkeit oder der Beschäftigung in einer niedrigeren Lohngruppe zu zahlen.

Ein Vergütungsanspruch steht dem Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs.1 Nr. 3 und § 9 Abs.1 Nr.10 SVVollzG-Berlin nur für tatsächlich geleistete Arbeit zu.

Ebenso wie Strafgefangene haben auch Sicherungsverwahrte für Tage ohne Arbeit keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, sei diese Nichtarbeit auch unverschuldet – etwa bei nicht erfolgter Zuweisung von Arbeit, vollzuglichen Maßnahmen oder Krankheit – (so etwa auch LSG-NRW [Essen], Urteil vom 20. Juni 2016 – L 20 AL 135/14 –, Rdn. 40 [juris] zur Rechtslage bei Strafgefangenen gemäß § 43 Abs. 2 StVollzG [Bund]). Dies ergibt sich in Berlin auch aus Nr. 15 Abs. 2 Sätze 4 und 5 der Geschäftsordnung für die Beschäftigung und Qualifizierung der Gefangenen sowie der Arbeitsverwaltungen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Berlin (GAV) vom 22. Juni 2015, deren Regelungen auf die in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten mangels alternativer Regelungen jedenfalls solange anzuwenden sind wie sie in einem anstaltsinternen Betrieb beschäftigt sind. Ebenso wie Strafgefangene bedürfen Sicherungsverwahrte im Hinblick auf ihre kostenlose Versorgung im Krankheitsfall (Heilbehandlung, Verpflegung und Unterkunft) keiner besonderen Absicherung durch eine Fortzahlung ihrer Vergütung, wenn sie nicht arbeiten können.

Eine Differenzierung erscheint danach auch sachlich nicht geboten. Eine Ausnahme besteht lediglich gemäß § 25 Abs. 3 SVVollzG-Berlin im Falle der Freistellung von der Arbeit. Diese Ausnahmeregelung stellt ein weiteres Indiz dafür dar, dass der Gesetzgeber im Übrigen wie selbstverständlich davon ausgegangen ist, dass in allen anderen Fällen der Nichtbeschäftigung auch bei Sicherungsverwahrten kein Vergütungsanspruch besteht.“

Playstation im Strafvollzug, oder: Wenn der Minister nicht mehr will

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Im Strafvollzug gibt es immer wieder Streitum die Zulässigkeit des Besitzes bestimmter Gegenstände. Einen solchen Streit hat jetzt der OLG Hamm, Beschl. v. 01.12.2106 – 1 Vollz (Ws) 479/16 – entschieden. Der betroffene Strafgefangene verbüßt eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe Haftstrafe wegen Mordes sowie wegen Raubes mit Todesfolge. Am 05.04.2016 wurde dem Betroffenen die von ihm am selben Tag beantragte Anschaffung einer modifizierten Spielekonsole Playstation II genehmigt. Mit schriftlicher Verfügung vom 03.05.2016 widerrief die JVA die Genehmigung vom 05.04.2016 mit der Begründung, dass der Betroffene nicht über die erforderlichen Barmittel verfüge und die Spielekonsole seit dem 21.04.2016 nicht mehr zulässig sei. Dies hat sie im gerichtlichen Verfahren dahingehend erläutert, dass ihm mit Erlass des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2016 die Zustimmung zur Aushändigung von Spielekonsolen des Typs „Sony PlayStation I und II light“ aufgrund von Sicherheitsbedenken versagt worden sei. Man habe daher entschieden, derartige Spielekonsolen zukünftig nicht mehr zu genehmigen und nur noch solche Spielekonsolen zur Wahrung des Vertrauensschutzes auszuhändigen, die bereits vor dem 21.04.2016 genehmigt und bezahlt worden seien.

Das OLG sagt: So einfach geht das nicht. Dazu der Leitsatz der Entscheidung:

„Eine lediglich andere Bewertung der Gefährlichkeit von Gegenständen (hier: Spielkonsole Playstation II „ligth“) durch die Behörden stellt keinen neuen Umstand im Sinne des § 83 Abs. 3 Nr. 1 StVollzG NRW dar, der den Widerruf einer erteilten Genehmigung zu deren Besitz oder Beschaffung rechtfertigt, ebenso auch nicht allein der Erlass einer ministeriellen Verordnung, nach deren Inhalt die Genehmigung des Besitzes bestimmter Gegenstände generell für unzulässig erklärt wird.“

Nacktkontrollen im Strafvollzug, oder: Ausnahmen müssen sein

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Ich habe schon länger nicht mehr über Entscheidungen zum/aus dem Strafvollzug berichtet. Das will ich dann heute nachholen. Ich eröffne den Reigen mit dem schon etewas älteren BVerfG, Beschl. v. 05.11.2016 – 2 BvR 6/16. Es geht um die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen, die sich gegen dessen Durchsuchung vor dem Gang zu einem Besuch richtete. Der Strafgefangene musste sich dafür vollständig entkleiden, die körperliche Durchsuchung umfasste auch eine Inspektion der Körperöffnungen. Grundlage der Durchsuchung war eine gemäß Art. 91 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG erlassene Durchsuchungsanordnung, wonach jeder fünfte Gefangene und Sicherungsverwahrte vor der Vorführung zum Besuch zu durchsuchen sei. Der Strafgefangene hatte sich dagegen gewehrt, mit seinen Rechtsmitteln aber weder beim LG noch beim OLG Erfolg. Erst das BVerfG hat dem – zumindest vorerst – Einhalt geboten. Dazu aus der PM des BVerfG:

„1. Der Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG).

a) Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Dies gilt in besonderem Maße für Durchsuchungen, die mit einer Inspizierung von normalerweise verdeckten Körperöffnungen verbunden sind. Diese Wertung liegt auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde, die bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes zu berücksichtigen ist. Mit Entkleidungen und der Inspektion von Körperöffnungen verbundene Durchsuchungen können durch die Erfordernisse der Sicherheit und Ordnung der Haftanstalt gerechtfertigt sein. Insofern erlaubt Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG im Einzelfall die mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung von Gefangenen auf Anordnung des Anstaltsleiters. Die Definition des „Einzelfalls“ wird sehr weit gefasst, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, solange nicht fast alle Gefangenen von der Anordnung betroffen sind. Demnach ist für eine Einzelfallanordnung ausreichend, dass sie durch Ort, Zeit, Art und Umfang der Maßnahme im Einzelnen so bestimmt abgegrenzt werden kann, dass dadurch für jeden denkbaren Einzelfall erkennbar ist, worin die Maßnahme im Einzelnen besteht und welcher Gefangene ihr unterworfen sein soll.

b) Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht vertretbar davon ausgegangen, bei der Durchsuchungsanordnung vom 17. Mai 2015 handele es sich um eine Einzelfallanordnung im Sinne des Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG. Allerdings verletzt die Anordnung der Durchsuchung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers, weil sie keine Abweichungen zulässt und daher dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ausreichend Rechnung trägt. Mit Blick auf den weiten Begriff des „Einzelfalls“ hätte die Verfügung der Anstaltsleitung erkennen lassen müssen, dass von der Anordnung der Durchsuchung jedes fünften Gefangenen ausnahmsweise abgewichen werden kann. Um einen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der Wahrung der Intimsphäre des Gefangenen und dem Sicherheitsinteresse der Vollzugsanstalt zu erreichen, hätte den die Durchsuchungsanordnung vollstreckenden Vollzugsbeamten durch den Wortlaut der Anordnung zumindest die Möglichkeit belassen werden müssen, von ihr abzuweichen, wenn die Gefahr des Missbrauchs des Besuchs fernliegt.

c) Die Entscheidung der Frage, ob die Justizvollzugsanstalt vorliegend zu Gunsten des Beschwerdeführers von der getroffenen Anordnung hätte abweichen müssen, da die Gefahr eines Missbrauchs des Besuchs durch den Beschwerdeführer fernliegend war, obliegt den Fachgerichten. Dies ist insbesondere mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer sich bei dem Empfang von Besuchen in der Vergangenheit bewährt hatte, jedenfalls nicht ausgeschlossen.“

Dazu passt dann ganz gut der OLG Hamm, Beschl. v. 03.11.2016 – 1 Vollz (Ws) 385/16.