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„A.C.A.B. ..“ – solche T-Shirts sind im Strafvollzug nicht erlaubt

Das OLG Celle hatte folgenden Sachverhalt zu beurteilen:

Der Antragsteller, der sich offen zur radikalen rechten Szene bekennt, verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren u.a. wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie wegen Beleidigung; daneben ist er zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt worden wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Am 2. August 2012 fand eine Kontrolle seines Haftraums statt, in deren Folge eine Reihe von Gegenständen sichergestellt und zur Habe genommen wurde, deren Besitz dem Antragsteller zuvor gestattet gewesen war. Hierbei handelte es sich zum einen um szenetypische Bekleidungsstücke mit offensichtlich gewaltverherrlichendem und rechtsradikalen Gepräge, u.a. ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „A.C.A.B. wir können auch anders“, mit der Abbildung von 2 Schlagringen, ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „Nationalist Deutschland“ sowie eine Sporthose mit dem auch von der SS genutzten Symbol der schwarzen Sonne. Soweit daneben eine Reihe von Gegenständen (Fotos, Schilder und dergl.) sichergestellt wurde, die offensichtlich Bezug zur na-tionalsozialistischen Gewaltherrschaft haben, ist dies nicht Gegenstand der Rechtsbeschwerde. Hintergrund der im Rahmen der Haftraumkontrolle erfolgten Sicherstellung der Gegenstände war ein Erlass des Niedersächsischen Justizministeriums vom 10. Juli 2012, demzufolge der Besitz einschlägiger, im Erlass näher beschriebener typischer Bekleidung der rechten Szene in Vollzugseinrichtungen des Landes Niedersachsen nicht zulässig ist.“

 Der Inhaftierte wendet sich gegen die Sicherstellung. Die StVK hat beschlossen, dass dem Inhaftierten die Kleidungsstücke wieder ausgehändigt werden müssen. Die Rechtsbeschwerde – vertreten durch den Zentralen Juristischen Dienst für den Niedersächsischen Justizvollzug des Landes Niedersachsen – hatte Erfolg. Dazu der OLG Celle, Beschl. v. 03.05.2013 – 1 Ws 117/13 (StrVollz):

b) Die Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hingewiesen, dass die frühere Gestattung zum Besitz der fraglichen Gegenstände nicht hätte erteilt werden dürfen. Denn der Besitz der beim Antragsteller im Rahmen der Haftraumkontrolle sichergestellten Kleidungsstücke war von vornherein rechtswidrig. Der Besitz von offenkundig Gewalt verherrlichenden und Sympathie zur radikalen rechten Szene bekundenden Kleidungsstücken ist fraglos geeignet, die Sicherheit und Ordnung einer Justizvollzugsanstalt zu beeinträchtigen. Hierbei kommt es entgegen der angefochtenen Entscheidung weniger darauf an, dass Gleichgesinnte sich durch das Tragen der szenetypischen Kleidung untereinander erkennen und finden können. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, dass das Tragen entsprechender Kleidung zumindest auch dazu dient, sich von übrigen Strafgefangenen abzugrenzen und diese – als auch Vollzugsbedienstete – zu provozieren, was namentlich im Hinblick auf Strafgefangene – und Vollzugsbedienstete – mit Migrationshintergrund zutrifft (vgl. LG Dortmund vom 6.6.2012, 64 StVK 37/12). Dies gilt insbesondere dann, wenn die entsprechende Kleidung dazu dient, als Erkennungsmerkmal gewaltbereiter Gruppen oder politischer Extremisten getragen zu werden, die hierdurch ihre radikale Gesinnung oder Gewaltbereitschaft zum Ausdruck bringen. Dies aber ist mit dem auf den Abbau von Aggressionen ausgerichteten Strafvollzug grundsätzlich nicht vereinbar (KG NStZ 2006, 308).

So liegen die Dinge fraglos auch hier. Ob die Antragsgegnerin dies auch ohne Vorliegen des Erlasses vom 10. Juli 2012 mit den hierin enthaltenen Hinweisen zu den szenetypischen Merkmalen der entsprechenden Kleidung hätte erkennen können, kann hierbei dahinstehen. Unerheblich ist hierbei auch, ob die Gewaltbereitschaft oder die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden politischen Gesinnung auf den Kleidungstücken offen oder lediglich durch Kürzel oder Kennzeichen zum Ausdruck gebracht wird, denn die grundsätzliche Eignung zur Provokation oder zur Einschüchterung wird hierdurch nicht beseitigt. Dass die Kleidungsstücke frei erworben werden können und auch vom Schutzbereich des § 86 StGB nicht erfasst werden, steht dem nicht entgegen.

c) Liegt hiernach eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung vor, können den Gefangenen seitens der Anstaltsleitung Beschränkungen auferlegt werden, die geeignet sind, der Beeinträchtigung entgegen zu wirken. Dies gilt auch für den Besitz von privater Kleidung. Insoweit ist höchstrichterlich bereits auch entschieden, dass es Strafgefangene im Interesse der Sicherheit und Ordnung hinzunehmen haben, innerhalb einer Anstalt nicht beliebige Kleidung tragen zu dürfen und dass die Justizvollzugsanstalt organisatorische Bedingungen an deren Gestaltung knüpfen darf (BVerfG NStZ 2000, 166; KG a.a.O. sowie Beschluss vom 11.5.2001, 5 Ws 195/01). Insoweit ist der Anstaltsleitung auf der Rechtsfolgenseite Ermessen eröffnet.

„Erlösung durch Lesen“ oder „Lesen befreit“ – nicht nur in Brasilien

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Vor einiger Zeit bin ich an verschiedenen Stellen auf Berichte über ein Vorhaben/einen Plan im brasilianischen Strafvollzug gestoßen. Dort ist ein Programm „Erlösung durch Lesen“, geplant, das sich an die Insassen von brasilianischen Gefängnissen richtet. Der Plan sieht vor, den Insassen/Inhaftierten pro  gelesenem Buch vier Tage Strafhaft zu erlassen. Die Verkürzung soll bei maximal zwölf Büchern pro Jahr greifen, so dass als ein Häftling seine Zeit im Gefängnis jährlich um maximal 48 Tage verkürzen kann. Nach der Meldung (vgl. hier und hier bei Spiegel-online) soll es sich bei den zur Verfügung gestellten Büchern um eine Auswahl aus „Klassikern der Wissenschaftsliteratur, Philosophie und Belletristik“ handeln. „Die Häftlinge haben pro Buch bis zu vier Wochen Zeit, das Werk zu lesen und einen Aufsatz zu schreiben. Die schriftlichen Abhandlungen müssen leserlich und möglichst fehlerfrei sein sowie Absätze und freie Seitenränder haben“.

Interessanter Ansatz, habe ich gedacht. Und dann vor kurzem: Warum in der Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe? Solche Pläne gibt es nämlich nicht nur in Brasilien, sondern inzwischen wohl auch bei uns. Denn die „WN“ vom 23.05.2013 berichtetet unter der Überschrift Lesen befreit über entsprechende Vorhaben im deutschen Strafvollzug, ggf. nämlich in der JVA Münster“ Da man ist man dann doch erstaunt, dass sich ein solcher Vorschlag/Plan/Vorhaben aus dem fernen Südamerika offensichtlich den Weg in den bundesdeutschen Strafvollzug erkämpft und hier diskutiert und ggf. dann vielleicht auch umgesetzt wird. Mal was anderes und ein anderer Ansatz.

 

Auf den Rollstuhl angewiesen – „„keine Notwendigkeit einer Besuchsüberstellung“ im Einzeltransport

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Der Antragsteller verbüßt in der Justizvollzugsanstalt in Niedersachsen eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Da seine Ehefrau in Bayern wohnt, beantragt er eine Besuchsüberstellung nach Bayern. Diesen Antrag lehnte die JVA. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass für eine Überstellung des Antragstellers wegen seines Gesundheitszustandes ein Einzeltransport nötig wäre und die vom Antragsteller angeführten Gründe für die Überstellung, nämlich die große Entfernung, die Berufstätigkeit seiner Ehefrau und die Schulpflicht des Kindes, den damit verbundenen personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Antragsgegnerin nicht rechtfertigten. Da die Entfernung zum Wohnort der Ehefrau ca. 430 km betrage und mit dem Auto in etwa viereinhalb Stunden zu bewältigen sei, bestehe „keine Notwendigkeit einer Besuchsüberstellung“.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der von der StVK als unbegründet zurückgewiesen wird, weil der Aufwand für eine Besuchsüberstellung nach Bayern unverhältnismäßig hoch sei. Der Antragsteller sei auf den Rollstuhl angewiesen und daher nicht sammeltransportfähig. Die Ehefrau habe zwar weder ein Auto noch eine Fahrerlaubnis. Mit dem im gerichtlichen Verfahren gemachten Angebot, dem Antragsteller mehrere Sonderbesuche an einem Wochenende zu gewähren, so dass seine Ehefrau mit einer Anreise gleich mehrere Besuchstermine wahrnehmen könne, und der Alternative einer Besuchsüberstellung in die für seine Ehefrau näher gelegene Justizvollzugsanstalt H. habe die Antragsgegnerin ihrer Pflicht, Lösungswege zu prüfen und anzubieten, genügt

Das sieht das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 22.11.2012 – 1 Ws 458/12 (StrVollz) – anders und hebt auf, weil

  1. (schon) nicht ausreichend geklärt/dargelegt, ob ein wichtiger Grund i.S. des § 10 Abs. 2 NJVollzG, wonach der Gefangene in eine andere Anstalt überstellt werden darf, sofern ein Besuch in der zuständigen Anstalt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist, vorliegt,
  2.  nicht erkennbar ist, ob die Vollzugsbehörden dann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, das ihnen eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt haben.
  3. der Bescheid der JV nicht erkennen lässt, dass den grundrechtlich geschützten Belangen des Antragstellers – Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 und Art. 3 Abs. 3 Satz 3 GG im Verhältnis zu den vollzugsorganisatorischen Gründen das gebotene Gewicht beigemessen worden ist.

Zum letzteren heißt es:

Rechtlichen Bedenken unterliegt der Bescheid auch im Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Mit der Erwägung, dass beim Antragsteller aufgrund seines „Gesundheitszustandes“ ein Einzeltransport von Nöten sein werde, der einen unzumutbaren Aufwand erfordere, lässt der Bescheid jedoch besorgen, dass die Ablehnung der Überstellung letztendlich zum Nachteil des Antragstellers an seine Behinderung anknüpft.

Briefe ohne Marken muss die JVA ggf. nicht befördern

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Was das (Rechts)Leben nicht alles so bietet: Ein Verurteilter verbüsst eine Freiheitsstrafe in der JVA Tegel. Der Postverkehr ist in der Anstalt so geregelt, dass das dortige Briefamt die abgehende Gefangenenpost zur Beförderung an die deutsche Post AG übergibt. Der Verurteilte verfasst eine Vielzahl von Schreiben, die er regelmäßig entgegen den allgemeinen Postbestimmungen nicht frankiert und dennoch der JVA zur Postbeförderung übergibt. In der Zeit zwischen dem 23. 04.bis 03. 05. 2012 hat die Haftanstalt die Weiterleitung von zwölf unfrankierten (an verschiedene Gerichte, Verfassungsorgane und Behörden adressierte) Briefsendungen des Gefangenen verweigert und ihm die Sendungen zurückgegeben, um ihn an ein ordnungsgemäßes Verhalten zu gewöhnen. Dagegen wendet sich der Verurteilte. Die Strafvollstreckungskammer untersagt daraufhin dem Leiter der JVA Tegel, die der Haftanstalt zur Beförderung übergebene Post des Verurteilten Nicht- oder Unterfrankierung anzuhalten. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Leiters der JVA, die mit dem KG, Beschl. v. 12.10.2012 – 2 Ws 357/12 Vollz – Erfolg hat:

 …Die Frage, ob die Haftanstalt daher grundsätzlich die Weiterleitung eines einzelnen Briefes nicht verweigern darf, nur weil er unfrankiert ist (vgl. OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 188; Callies/Müller-Dietz a.a.O. § 30 Rdn 1), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn so liegt der Fall hier nicht.

b) Der Rechtsanspruch des Gefangenen auf Briefverkehr kann nur durch gesetzliche Einschränkungen begrenzt werden (vgl. Callies/Müller-Dietz a.a.O., § 28 Rdn. 2). Es ist auch anerkannt, dass einzelne Schreiben nur aus den in § 31 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 StVollzG abschließend aufgezählten Gründen angehalten werden dürfen. Damit trägt der Gesetzgeber hinsichtlich der ausgehenden Schreiben der Gefangenen insbesondere dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Rechnung (vgl. OLG Thüringen, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 1 Ws 285/07 – bei juris; Senat, Beschluss vom 14. Dezember 2006 – 5 Ws 480/06 Vollz – bei juris; OLG Koblenz NStZ 2004, 610; Callies/Müller-Dietz a.a.O., § 31 Rdn. 1; Arloth a.a.O., § 31 Rdn. 1).

Vorliegend durften die Briefe auf Grundlage des § 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG angehalten werden.

„Eine Gefährdung des Vollzugsziels (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG) liegt bei einer Gefahr für die Eingliederung des Gefangenen in die Gesellschaft vor; der Anhaltegrund ist somit mit § 25 Nr. 2 StVollzG identisch. Ziel des Vollzugszieles ist es, den Strafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 Satz 1 StVollzG). Dies gebietet es, dem Gefangenen ein Mindestmaß an Achtung der Rechtsgüter anderer zu vermitteln (vgl. Böhm/Jehle in SBJL a.a.O., § 2 Rdn. 12) und ihn an ein geordnetes Zusammenleben zu gewöhnen (vgl. Arloth a.a.O. Rdn. 3, Schwind in SBJL a.a.O., § 30 Rdn. 2). 

Dieses wird hier dadurch gestört, dass der Antragsteller eine Vielzahl von unfrankierten Briefen an unterschiedliche Adressaten versendet hat. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die auf den Umschlägen genannten Adressaten, hier sämtlich öffentliche Institutionen, kein Interesse daran haben, das mit der Entgegennahme der Sendungen notwendigerweise verbundene Nachentgelt zu leisten, mit der Folge, dass die Schreiben an den Absender zurückzugeben sind. Der durch die  Weiterleitung unfrankierter Schreiben für die Anstalt entstehende Aufwand ist daher, wie auch dem Antragsteller bewusst ist, von vornherein sinnlos; sein Handeln bezweckt nicht, von dem ihm zustehenden Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG Gebrauch zu machen, sondern der Anstalt unnützen Aufwand zu verursachen, und ist somit ersichtlich rechtmissbräuchlich. Seine Forderung, die Schreiben gleichwohl zu transportieren, ist daher mit dem Vollzugsziel, den Gefangenen an ein geordnetes Zusammenleben zu gewöhnen, nicht zu vereinbaren.“

 

Kein Lohnwucher im Strafvollzug

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Mit einer für den Strafvollzug nicht unerheblichen Frage befasst sich der OLG Dresden, Beschl. v. 27.06.2012 – 2 Ws 132/12. Im Verfahren ging es nämlich um die für die Strafgefangenen häufig wichtige Frage der Voraussetzungen für ein Verbot der Aufnahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses durch einen Strafgefangenen (§§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 39 Abs. StVollzG). Im Raum stand die Frage der Arbeitsaufnahme bei möglicherweise vorliegendem Lohnwucher.

Dazu das OLG:

Einem Strafgefangenen darf die Aufnahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses (§§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 39 Abs. 1 StVollzG) nicht gestattet werden, wenn bereits der Abschluss des Arbeitsvertrages möglicherweise ein strafbares Verhalten begründen würde.

Und das gilt auch für Gefangene im Renten- und Pensionsalter.