Schlagwort-Archive: Strafanzeige

Fotografieren von Falschparkern durch Privatpersonen, oder: Verstoß gegen DSGVO?

Bild von dzako83 auf Pixabay

Und dann zum Wochenausklang zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.

Ich beginne mit dem VG Ansbach, Urt. v. 02.11.2022 – AN 14 K 22.00468, das zu der Frage Stellung nimmt, ob das Fotografieren von Falschparkern und die Übermittlung der Fotos an die Ordnungsbehörden durch Privatpersonen datenschutzwidrig ist. Es geht um einen „Sheriff“, der bei seinen Touren mit dem Fahrrad mehrfach Fahrzeuge fotografiert hat, an denen er vorbeifuhr und die verbotswidrig geparkt waren. Die Lichtbilder leitete er anschließend verbunden mit Ordnungswidrigkeitenanzeigen per E-Mail an die zuständige Polizeidienststelle weiter. Die schaltet das Kriminalfachdezernat mit der Bitte um Prüfung eines Verstoßes gegen die DSGVO ein. Gegen den Kläger wird dann zwar kein Bußgeldverfahrens eingeleitet, er wird aber wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO verwarnt.

Dagegen dann die Klage, die beim VG Ansbach Erfolg hatte. Das sagt: Die Verwarnung ist rechtswidrig. Der Kläger hatte ein berechtigtes Interesse. Aus der umfangreichen Begründung:

„… Die Abwägung der berechtigten Interessen des Klägers und der entgegenstehenden Interessen der Fahrzeughalter als betroffene Personen führt nicht zu einem Überwiegen der Interessen der Fahrzeughalter. Vielmehr wiegen die Interessen des Klägers schwerer, wohingegen die Interessen der betroffenen Personen von vergleichsweise geringem Gewicht sind.

In Bezug auf das Recht der betroffenen Personen auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 1 GRCh bzw. Art. 16 Abs. 1 AEUV hat der Verordnungsgeber durch die Schaffung der verschiedenen Rechtsgrundlagen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b bis f DS-GVO die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten als Einschränkung dieses Rechts normiert. Daher ist ein Eingriff in dieses Recht gerechtfertigt, wenn eine der Bedingungen des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO gegeben ist.

Im Sinne des Erwägungsgrundes 47 Satz 4 der DS-GVO können die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall, da die betroffenen Personen damit rechnen müssen und können, dass ihre Daten zum Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit verarbeitet werden.

Es besteht gerade kein Anspruch auf Anonymität im Straßenverkehr, vielmehr muss das Kennzeichen eines Fahrzeugs stets gut lesbar (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 StVO) und mithin öffentlich zugänglich sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 – juris Rn. 24). Ein Fahrzeughalter muss damit rechnen, dass ein mit seinem Fahrzeug begangener Parkverstoß dokumentiert und zur Anzeige gebracht wird. Dass eine solche Anzeige nicht nur durch die Verfolgungsbehörden, sondern auch durch Privatpersonen erfolgen kann, ergibt sich aus § 46 OWiG i.V.m. § 158 Abs. 1 StPO. Sofern die Dokumentation des verbotswidrig parkenden Fahrzeugs nicht zu einer Verarbeitung zusätzlicher personenbezogener Daten von Unbeteiligten führt, ist ein Unterschied zwischen einer schriftlichen Anzeige und der Übermittlung der personenbezogenen Daten des Fahrzeughalters durch die Übersendung eines Lichtbildes nicht erkennbar.

Außerdem ist vorliegend der Eingriff in das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten durch die Übermittlung der Lichtbilder, auf denen das Kfz-Kennzeichen und die Situation des Parkverstoßes zu erkennen sind, als denkbar geringfügig anzusehen. Kfz-Kennzeichen haben nur einen geringen Informationsgehalt, gerade da es einer datenverarbeitenden Privatperson, wie dem Kläger, erst nach einer Abfrage des Fahrzeugregisters möglich wäre, die Identität des Fahrzeughalters zu bestimmen (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 – juris Rn. 23, 25).

Zuletzt muss das Interesse der betroffenen Personen daran, nicht aufgrund der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, ebenfalls zurückstehen, da dem ein rechtswidriges Verhalten zugrunde liegt und es sich somit um ein nicht schutzwürdiges Interesse handelt.

Insgesamt sind die der Datenverarbeitung entgegenstehenden Interessen der Fahrzeughalter daher als von geringem Gewicht einzustufen. Demgegenüber ist den berechtigten Interessen des Klägers an der Verarbeitung der personenbezogenen Daten ein höheres Gewicht beizumessen.

Dem Interesse des Klägers daran, anhand der Verarbeitung personenbezogener Daten eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, wird schon deshalb einiges Gewicht zuzusprechen sein, weil sich dieses berechtigte Interesse explizit in einem Erwägungsgrund der DS-GVO (Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO) wiederfindet. Daneben kommt auch dem oben beschriebenen Interesse des Klägers an körperlicher Unversehrtheit und Sicherheit einiges Gewicht zu, da es sich einerseits um hochrangige Rechtsgüter handelt, andererseits aber bei den hier angezeigten Parkverstößen keine konkrete Gefährdung des Klägers gegeben war.

Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt daher, dass die Interessen des Klägers als Verantwortlichem an der Datenverarbeitung in dem hier streitgegenständlichen Fall diejenigen der betroffenen Personen überwiegen, sodass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO vorliegend gegeben waren.

Demnach war die Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch den Kläger rechtmäßig im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO.

Ob es im vorliegenden Fall pflichtgemäßer Ermessensausübung entsprochen hat, den Kläger wegen einer einstelligen Anzahl an Anzeigen – bei denen er im Übrigen u.a. durch Schwärzungen auch sorgfältig darauf geachtet hat, keine Daten unbeteiligter Dritter zu verarbeiten, – nicht im Sinne eines „Abschlusses ohne Maßnahme“ formlos auf die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hinzuweisen, sondern unter Annahme einer „systematischen, individuell gezielten Verkehrsüberwachung“ eine Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO in Form der streitgegenständlichen Verwarnung zu ergreifen, kann somit dahingestellt bleiben.“

Entpflichtung II: Endgültige Zerstörung des Vertrauens, oder: Reicht dazu Strafanzeige gegen den Verteidiger?

© ernsthermann – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung zur Entpflichtung, der BGH, Beschl. v. 05.12.2022 – 5 StR 429/22 – , kommt ebenfalls vom BGH.

Dort ist ein Revisionsverfahren wegen lebensgefährdenden und erniedrigenden Einschleusens von Ausländern anhängig. Mit Beschluss vom 12.11.2021 hat das AG Görlitz im Ermittlungsverfahren auf Antrag des Angeklagten den zunächst beigeordneten Rechtsanwalt D.  entpflichtet und ihm stattdessen Rechtsanwalt I. zum Pflichtverteidiger bestellt.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung am 16.05.2022 hat der Angeklagte mit Schreiben vom 21.05.2022 und 19.07. 2022 die Beiordnung eines neuen Verteidigers beantragt, da er mit der Arbeit seines derzeitigen Rechtsanwalts „nicht zufrieden“ sei und dieser überdies „gekündigt“ habe. Einen konkreten Personenwunsch bezüglich des neuen Verteidigers hat er nicht geäußert. Mit Verfügung vom 21.07.2022 hat der Strafkammervorsitzende des Landgerichts die Bestellung eines neuen Verteidigers abgelehnt, da Gründe für einen Wechsel nicht substantiiert vorgetragen seien und der Angeklagte den von ihm gewünschten neuen Verteidiger auch nicht namentlich benannt habe.

Der bisherige Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I. hat gegen das Urteil vom 16.05.2022 fristgemäß Revision eingelegt und diese im Anschluss an die am 22.06.2022 erfolgte Urteilszustellung mit der allgemeinen Sachrüge begründet.

Mit Schreiben vom 19.10.2022 hat der Angeklagte mitgeteilt, dass dem Verfahren entscheidende Bedeutung für seine Ehre und seine Familie zukomme. Gegen seinen bisherigen Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I. habe er Strafanzeige gestellt. Es sei daher notwendig, ihm statt Rechtsanwalt I. nunmehr Rechtsanwalt D.  beizuordnen, zumal ihm dieser bereits zuvor zum Pflichtverteidiger bestellt worden sei.

Der BGH hat den Antrag abgelehnt:

„Der Antrag ist unbegründet, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 3 und 2 StPO nicht vorliegen.

Die Regelung des § 143a Abs. 3 StPO, der eine vereinfachte Möglichkeit für den Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren enthält, greift nicht ein. Die Anträge des Angeklagten vom 21. Mai 2022 und 19. Juli 2022 wurden bereits durch den zuständigen Strafkammervorsitzenden mit der Verfügung vom 21. Juli 2022 beschieden (vgl. zur Zuständigkeit auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 1999 – 4 StR 229/99; BeckOK-StPO/Krawczyk, 45. Ed., § 142 Rn. 11). Bezüglich des hier zu entscheidenden Antrags vom 19. Oktober 2022 ist die Wochenfrist des § 143a Abs. 3 StPO bereits abgelaufen.

Auch die daneben anwendbaren allgemeinen Tatbestände für einen Wechsel des Pflichtverteidigers gemäß § 143a Abs. 2 StPO liegen nicht vor. Insbesondere eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StPO) ist nicht glaubhaft gemacht. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2022 – StB 2/22 Rn. 12). Daran fehlt es. Dass der Angeklagte angibt, Strafanzeige gegen den bisherigen Verteidiger erstattet zu haben, reicht nicht aus, weil nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund dies erfolgte. Ansonsten könnte ein Angeklagter durch Erstattung unberechtigter Beschwerden und Anzeigen die Entpflichtung seines Verteidigers faktisch erzwingen, was nicht sachgerecht ist (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2020 – 4 StR 654/19 Rn. 6).

Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung des Angeklagten entgegensteht und einen Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers gebietet (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO). Eine offenkundige Untätigkeit des Pflichtverteidigers, durch die dem Angeklagten ein an sich zustehendes Rechtsmittel genommen wird (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 22. März 2007 – 59519/00, NJW 2008, 2317, 2320; BGH Beschluss vom 7. August 2019 – 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349) liegt nicht vor. So hat der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I.   die Revision ordnungsgemäß mit der allgemeinen Sachrüge begründet und damit eine Überprüfung des Urteils durch den Senat ermöglicht.“

StPO II: Die früher gestellte Strafanzeige des Richters, oder: Nicht in jedem Fall „befangen“

Und als zweite Entscheidung dann der OLG Rostock, Beschl. v. 24.01.2022 – 3 W 144/21. Also schon etwas älter und – wie man an dem Aktenzeichen erkennt – auch aus dem Zivilverfahren. Die von dem Richter hier im Rahmen einer „Selbstablehnung“ (§ 48 ZPO) vorgetragenen Gründe können aber auch im Strafverfahren eine Rolle spielen. Daher stelle ich den Beschluss hier vor.

Der Richter hatte geltend gemacht:

„Vor einigen Jahren hatte ich auf dem später von der Klägerin erworbenen Grundstück auf dem D. einen Raum gemietet. Die Zugangstür war mit einem Vorhängeschloss gesichert. Die Klägerin bzw. deren Vorstand, Herr M., ließ das Schloss beseitigen und durch ein anderes Vorhängeschloss ersetzen. Ich habe daraufhin Herrn M. wegen Diebstahls angezeigt. Es folgte auch ein von mir eingeleitetes einstweiliges Verfügungsverfahren .“

Die darauf gestützte Ablehnung des Richters hatte dann beim LG keinen Erfolg. Das OLG hat die sofortige Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des LG dann zurückgewiesen:

„Das Landgericht hat das Befangenheitsgesuch zu Recht zurückgewiesen.

Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet gem. § 42 Abs. 2 ZPO nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BVerfG, Beschluss vom 02.12.1992 – 2 BvF 2/90 -, NJW 1993, 2230, beck-online; BGH, Beschluss vom 14.03.2003 – IXa ZB 27/03 -, NJW-RR 2003, 1220, 1221, beck-online; Beschluss v. 12.10. 2011 ? V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61, beck-online; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rz. 9 m.w.N.).

Objektive Gründe, die sich aus dem Verfahren selbst ergeben, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die Klägerin macht vielmehr allein geltend, dass sie sich vor über 10 Jahren mit dem abgelehnten Richter in einem Rechtsstreit über eine Räumlichkeit gegenübergestanden und der abgelehnte Richter in dem Sachzusammenhang auch eine Strafanzeige gegen ihren Geschäftsführer gestellt habe. Dies, sowie der Umstand, dass sich die Räumlichkeit auf dem streitgegenständlichen Grundstück des aktuellen Verfahrens befunden habe, lasse befürchten, dass der abgelehnte Richter dem Rechtsstreit nicht unvoreingenommen gegenüberstehe, sich aufgrund seiner damaligen strafrechtlichen Vorwürfe vielmehr von sachfremden Erwägungen leiten lasse.

Diese Befürchtung teilt der Senat nicht. Zwar mögen die konkreten Umstände in einem Fall, in dem der Richter gegen eine Partei Strafanzeige erstattet und ein einstweiliges Verfügungsverfahren angestrengt hat, bei vernünftiger Betrachtung aus Sicht der Partei oftmals den Schluss zulassen, der Richter könne die Sache der Partei nicht mehr unvoreingenommen bearbeiten. Es kann nach Auffassung des Senats jedoch nicht generell angenommen werden, ein Richter sei befangen, wenn er gegen eine Partei einmal eine Strafanzeige wegen eines vermeintlichen Diebstahls erstattet hat, denn anderenfalls mutet man einem Richter zu, auf einen jedem Bürger zustehenden strafrechtlichen Schutz zu verzichten (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 04.09.2002 – 9 WF 606/02 -, zit. n. juris, Rn. 3; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 10.03.2000 – 3 W 46/00 -, zit. n. juris, Rn. 4; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn. 29 m.w.N.; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 42 Rn. 7 m.w.N.). Nichts Anderes kann gelten, wenn es darum geht, zivilrechtliche Schritte zum Schutz der eigenen Interessen zu unternehmen.

Deshalb kann es nach Auffassung des Senats für die Entscheidung, ob der Richter befangen ist, allein darauf ankommen, wie seine Reaktion bzw. seine weitere Reaktion erfolgt ist (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Zweibrücken, a.a.O.). Hat der Richter – wie offenbar hier – seine Strafanzeige in sachlicher Form angebracht, dann begründet dies nicht die Besorgnis, er sei befangen (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; MünchKomm-Stackmann, ZPO, 7. Aufl., § 42 Rn. 24), zumal der abgelehnte Richter seine Strafanzeige offenbar nicht weiterverfolgt hat, denn diese war der Klägerin bis zur „Selbstanzeige“ des abgelehnten Richters nach § 48 ZPO unbekannt. Entgegen der Auffassung der Klägerin hatte der abgelehnte Richter mit der Erstattung der Strafanzeige auch seinen Einfluss auf die Strafanzeige nicht völlig verloren, denn einem „Verletzten“ stehen bei Einstellung etc. des Verfahrens Rechtsmittel zur Verfügung (vgl. u.a. § 172 Abs. 2 StPO). Dass es im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu Verwerfungen zwischen den Parteien gekommen ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Ohnehin muss sich die Klägerin vorhalten lassen, hierzu und insbesondere zum Verhalten des abgelehnten Richters im einstweiligen Verfügungsverfahren – dessen Ergebnis im Übrigen unbekannt ist – nichts weiter vorgetragen zu haben. Die damaligen Umstände sind ebenfalls nicht geeignet, auf Voreingenommenheit des abgelehnten Richters schließen zu lassen. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass der abgelehnte Richter seinerzeit keinen Mietvertrag besessen habe, auch wenn sie dessen Rechtmäßigkeit indirekt in Frage gestellt hat.

Wird unter Berücksichtigung dessen jedoch das Schloss des angemieteten Lagerraums aufgebrochen, dann erscheint es nachvollziehbar, dass sich ein Mieter gegen diese (vermeintlich) verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzt. Zutreffend hat das Landgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass derjenige, der im Rahmen einer Eigentumsübernahme das Schloss eines gesicherten Raums aufbricht und austauscht, nur weil ihm vom Voreigentümer kein Mietvertrag hierzu vorgelegt worden ist, auch hiermit rechnen muss. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dabei auch von Bedeutung, dass der Vorfall bereits über 10 Jahre zurückliegt. Wenn schon aktuelle Streitigkeiten zwischen Partei und abgelehntem Richter nicht zwingend den Vorwurf der Voreingenommenheit begründen können (s.o.), dann gilt dies erst Recht für Vorgänge aus der Vergangenheit, zumal nicht vorgetragen worden ist, dass es hiernach zu weiteren persönlichen Diskrepanzen zwischen Partei und abgelehntem Richter gekommen ist, selbst wenn es an einer ausdrücklichen Erklärung beider Parteien fehlt, dies dem jeweils anderen nicht mehr vorzuhalten (vgl. hierzu auch: BGH, Beschluss v. 30.10.2014 – V ZB 196/13 -, zit.n. juris, Rn. 4). Ohne anderslautende Hinweise kann insoweit vielmehr eine professionelle Distanz des abgelehnten Richters unterstellt werden.

Andere Anhaltspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist auch nicht dargetan, dass der abgelehnte Richter in der Folgezeit Reaktionen gezeigt hat, die darauf schließen lassen könnten, dass er der Klägerin voreingenommen gegenübersteht. Selbst in einem ähnlich gelagerten Verfahren, in dem die Klägerin ebenfalls als solche aufgetreten und der abgelehnte Richter zuständig war, hat es insoweit keinen Vorwurf gegeben.

Allein die Tatsache, dass der abgelehnte Richter den Vorfall in einer dienstlichen Stellungnahme geschildert hat, begründet nicht die Besorgnis seiner Befangenheit. Damit erfüllt er lediglich seine Dienstpflicht, die Parteien über einen möglichen Befangenheitsgrund zu informieren. Der Anzeige des abgelehnten Richters ist nicht zu entnehmen, dass er sich auch selbst für befangen hält.

Unter Berücksichtigung dessen lässt sich keine Haltung des abgelehnten Richters erkennen, die vom Standpunkt einer vernünftigen Partei ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen geeignet wäre. Die von der Klägerin vorgebrachten Ablehnungsgründe vermögen bei der gebotenen objektiven Betrachtung eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters nicht zu begründen.“

Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, oder: Wann haftet der Anzeigeerstatter auf die Verteidigerkosten?

© fotomek - Fotolia.com

© fotomek – Fotolia.com

Ich hatte vor einigen Wochen über das AG Pfaffenhofen, Urt. v. 07.12.2015 – 1 C 764/15 berichtet (vgl. dazu  Lachen oder weinen?, oder: Verteidiger braucht man nicht, man kann der StA vertrauen). Da ging es um die Frage der Erstattung der Kosten, die einem Beschuldigten durch eine „unberechtigte“  Strafanzeige entstanden waren. Das AG hatte abgelehnt. Anders jetzt das AG Brandenburg, Urt. v. 26.05.2016 – 34 C 40/15 mit den Leitsätzen:

  1. Die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens kann eine schadensersatzauslösende unerlaubte Handlung sein.
  2. Die bloße Anhörung einer Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft stellt aber noch keinen derartig schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, dass hierdurch einen Anspruch auf Geldentschädigung in Form von Schmerzensgeld begründet werden könnte.

Allerdings: Hier ist dem Anzeigeerstatter eine falsche Verdächtigung nachgewiesen worden:

Wer aber – wie hier der Beklagte entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme in dem Zivilprozessverfahren – eine falsche Verdächtigung begeht, haftet hierfür nach § 823 Abs. 2 BGB auch für die Schäden, die aus dieser Verletzung entstanden sind (BGH, NJW 1975, Seite 50; BGH, VersR 1971, Seiten 820 f.; BGH, BGHZ Band 8, Seiten 288 ff.; BGH, Urteil vom 07.01.1953, Az.: VI ZR 39/52, u.a. in: LM Nr. 3 zu § 823 (Be) BGB = JZ 1953, Seite 184; OLG Hamm, Streit 2014, Seiten 34 ff.; OLG Dresden, FamRZ 2013, Seiten 410 ff.; OLG Koblenz, NJW-RR 2012, Seiten 600 f.; OLG Hamm, VersR 2007, Seiten 512 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, Seiten 1539 ff.; OLG Köln, NJW-RR 2002, Seiten 1392 f.; OLG Hamm, Urteil vom 08.05.2000, Az.: 13 U 7/00, u.a. in: „juris“; OLG Brandenburg, NJW 2000, Seiten 3579 f.; OLG Dresden, OLG-Report 2000, Seiten 508 ff.; OLG Celle, OLG-Report 2000, Seiten 195 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.09.1999, Az.: 26 U 10/99, u.a. in: „juris“; OLG Karlsruhe, Die Justiz 1999, Seite 445; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1997, Seiten 37 f.; KG Berlin, VersR 1975, Seite 1030; AG Ibbenbüren, DAR 2014, Seiten 330 f.; AG Bremen, NJW-RR 2014, Seiten 207 ff.; AG Hamburg, Urteil vom 13.08.2008, Az.: 7c C 31/07, u.a. in: „juris“; AG Kenzingen, AGS 2003, Seiten 133 f.; AG Hamburg, VersR 1993, Seiten 1363 f.).

Der Beklagte ist somit hier der Klägerin gegenüber für die begangene Tat auch grundsätzlich dann ersatzpflichtig (BGH, VersR 1977, Seite 183; BGH, Urteil vom 07.01.1953, Az.: VI ZR 39/52, u.a. in: LM Nr. 3 zu § 823 (Be) BGB = JZ 1953, Seite 184; Reichsgericht, GruchB 51, Seite 990; OLG Hamm, Streit 2014, Seiten 34 ff.; OLG Dresden, FamRZ 2013, Seiten 410 ff.; OLG Koblenz, NJW-RR 2012, Seiten 600 f.; OLG Hamm, VersR 2007, Seiten 512 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, Seiten 1539 ff.; OLG Köln, NJW-RR 2002, Seiten 1392 f.; OLG Hamm, OLG-Report 2001, Seite 231; OLG Celle, OLG-Report 2000, Seiten 195 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.09.1999, Az.: 26 U 10/99, u.a. in: „juris“; KG Berlin, VersR 1975, Seite 1030; AG Ibbenbüren, DAR 2014, Seiten 330 f.; AG Bremen, NJW-RR 2014, Seiten 207 ff.; AG Hamburg, Urteil vom 13.08.2008, Az.: 7c C 31/07, u.a. in: „juris“; AG Pinneberg, SchlHA 2003, Seiten 143 f.; AG Kenzingen, AGS 2003, Seiten 133 f.; AG Hamburg, VersR 1993, Seiten 1363 f.).

Der Beklagte hat hier nämlich entsprechen dem Ergebnis der Beweisaufnahme gezielt die Klägerin einer Straftat verdächtigt, indem er diese bei der Polizei wider bes-seres Wissen angezeigt hat. Damit aber übertrat er die Strafbestimmung des § 164 StGB, handelte also einem Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zuwider, welches die geschädigte Klägerin schützen wollte.“

Lachen oder weinen?, oder: Verteidiger braucht man nicht, man kann der StA vertrauen

© fotomek - Fotolia.com

© fotomek – Fotolia.com

Auf eine interessante Entscheidung aus Bayern hat mich vor einigen Tagen mein Sozius aufmerksam gemacht, nachdem sie in der Mailiung-Liste der ARGE Strafrecht gelaufen ist. Fazit aus dem AG Pfaffenhofen, Urt. v. 07.12.2015 – 1 C 764/15:  Wer sich gegen eine gegen ihn erstattete Strafanzeige durch Einschaltung eines Verteidigers verteidigt, bleibt, wenn das Verfahren eingestellt wird, i.d.R. auf den dadurch entstandenen Kosten sitzen.

Nach dem Sachverhalt hatte der Beklagte gegen den Kläger Strafanzeige wegen des Verdachts eines Diebstahls von Dieselkraftstoff aus Fahrzeugen des Arbeitgebers des Klägers erstattet. Vorausgegangen war eine Pressenotiz der Polizei. Der Kläger nahm sich einen Verteidiger. Nachdem der für den Kläger im Ermittlungsverfahren eine Äußerung abgegeben hatte, wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Kläger machte dann gegen den Beklagten die bei seinem Verteidiger entstanden Gebühren als Schadenersatz gemäß § 164 StGB i.V.m. §§ 823 Abs. 2, 249 BGB geltend. Das AG hat die Klage abgewiesen.

Das AG verneint einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGh. Danach verstößt die Anwendung des Schadensersatzrechts, die den gutgläubigen Strafanzeigenerstatter mit dem Risiko des Schadensersatzes für den Fall belastet, dass seine Anzeige nicht zum Erweis behaupteten Vorwurfs führt, gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfG NJW 1987,1929). Die Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Ermittlungsverfahren gehören zu den typischen, ersatzlos hinzunehmenden Folgen einer formal berechtigten Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (BGHZ 74, 9). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Strafanzeige wissentlich unwahr oder leichtfertig erstattet worden ist (BVerfG, a.a.O.). Das war aber nicht der Fall.

Auf den ersten Blick dann vielleicht doch überraschend. Ist aber eben die Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung. Und das gilt nicht nur, wenn es um die Abwehr einer Strafanzeige geht, sondern auch, wenn es die Kosten der Erstattung einer Strafanzeige im Rahmen eines ggf. entstehenden Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger über § 823 BGB im Spiel sind (vgl. dazu BGH NJW 2011, 2966; OLG Zweibrücken NJW-RR 2014, 33).

Was mich an der Entscheidung des AG stört sind weitere Ausführungen des AG, die m.E. neben der Sache liegen und zudem auch so nicht zutreffend sind. Da heißt es:

„Darüber hinaus bestand für den Kläger überhaupt keine Notwendigkeit, zu seiner Verteidigung einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, seine Sachverhaltsversion selbst gegenüber der Polizei schriftlich oder im Rahmen einer Vernehmung, zu der er geladen wurde, zu schildern. Dass es hierfür der Einschaltung einer Rechtsanwältin bedurfte, ist nicht ersichtlich……

„Darüber hinaus hätte der Kläger auch auf die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft als staatliche Ermittlungsbehörde vertrauen könne, da diese nicht zur zulasten, sondern auch zugunsten des Beschuldigten ermittelt.“

Also:

  • Diese Ausführungen wären bei dem vom AG eingenommenen Rechtsstandpunkt überhaupt nicht erforderlich gewesen, da das AG schon einen Schadensersatzanspruch verneint hat. Was soll das also?
  • Zudem sind sie m.E. auch falsch. Denn offenbar will das AG damit ggf. einen Verstoß gegen § 254 BGB begründen. Dem dürfte aber wohl § 137 StPO entgegenstehen. Der erlaubt es dem Beschuldigten, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen.
  • Und: Zu dem „Vertrauen“ in die Staatsanwaltschaft verkneife ich mir einen weiteren Kommentar, außer: Mit dem Argument könnte man die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers immer verneinen. Da war wahrscheinlich ein reiner Zivilst am Werk. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.