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Wenn es mit dem Polizeiwagen „knallt“, oder: halbe/halbe

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Immer wieder schön 🙂 (?), nun ja, jedenfalls immer wieder interessant sind die Entscheidungen, die sich mit der Haftungsverteilung befassen, wenn an dem Verkehrsunfall ein „Sonderfahrzeug“ beteiligt war, dass die Sonderrechte in Anspruch genommen hat (§ 35 StVO). Das ist bei dem OLG Celle, Urt. v. 24.01.2018 – 5 U 121/17 der Fall. Da hatte es zwischen dem Pkw des Klägers und einem Polizeifahrzeug geknallt, als der Kläger sich in einem Einbiegevorgang befand. Der Kläger hatte den von hinten herannahenden Polizeiwagen offensichtlich übersehen/überhört. Das OLG trifft eine „weise“ Enscheidung und kommt zur Schadensteilung:

„Gemäß § 35 Abs. 1 StVO sind Fahrzeugführer, die berechtigt Sonderrechte in Anspruch nehmen, von den StVO-Pflichten befreit. Durch § 35 StVO werden die Verkehrsregeln aber nicht geändert. Die Norm schränkt die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer jedoch zu Gunsten des Sonderrechtsfahrzeugs ein, so dass Sonderrechtsinhaber unter Anwendung größtmöglicher Sorgfalt jene Rechte missachten dürfen. Die Vorschrift gewährt mithin nur Befreiungen von Pflichten, die den Verkehrsteilnehmern sonst auferlegt sind. Der dadurch begünstigte Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeugs darf von den Befreiungen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gebrauch machen, § 35 Abs. 8 StVO. Sonderrechte dürfen daher nur unter größtmöglicher Sorgfalt wahrgenommen werden. Es ist abzuwägen, welches Maß an Wagnis nach Dienstzweck und Verkehrslage zulässig ist. Der Fahrer des Sonderrechtsfahrzeugs muss der erhöhten Unfallgefahr, die er durch das Abweichen der Vorschriften herbeiführt, durch besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht begegnen. Die dem Sonderrechtsfahrer obliegende Sorgfaltspflicht ist umso größer, je mehr seine gegen die StVO verstoßende Fahrweise, die zu der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe nicht außer Verhältnis stehen darf, die Unfallgefahr erhöht.

Andererseits haben gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO alle übrigen Fahrzeuge dem Polizeifahrzeug sofort „freie Bahn zu schaffen“. Normadressat sind nach dem Wortlaut des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO alle übrigen Verkehrsteilnehmer. Das nach § 38 StVO bevorrechtigte Fahrzeug darf, falls die übrigen Verkehrsteilnehmer freie Bahn geschaffen haben, diese dann aber auch in Anspruch nehmen, wenn sich sein Fahrer davon überzeugt hat, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen und sich auf seine Absicht, eingestellt haben. Der Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeugs darf, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darauf vertrauen, dass ihm nunmehr freie Fahrt gewährt wird (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1974 – VI ZR 207/73 BGHZ 63, 327 – 332).

Hier ergibt sich aus der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme, dass der Kläger sich zum Einbiegen auf den REWE-Parkplatz nach links eingeordnet und den Blinker gesetzt hatte. Bei dieser Lage musste der Zeuge—damit rechnen, dass der Kläger sein Polizeifahrzeug nicht ohne weiteres wahrnehmen, nach links abbiegen und die von ihm angesteuerte Fahrlinie kreuzen würde. Es war daher geboten, zunächst das weitere Fahrverhalten des Klägers zu beobachten und sich davon zu vergewissern, dass der Kläger bereit war, ihn passieren zu lassen. Konnte der Zeuge das nicht sicher feststellen, hatte er davon abzusehen, an dem Fahrzeug des Klägers links vorbeizufahren. Keineswegs durfte der Zeuge K. bei dieser Sachlage darauf vertrauen, dass der Kläger sein beabsichtigtes Manöver erkennen und sich darauf einstellen würde. Denn auch im Rahmen des allgemeinen Vertrauensgrundsatzes ist mit Fehlern anderer zu rechnen, die nach den Umständen bei verständiger Würdigung als möglich zu erwarten sind. Bei seinem Fahrmanöver musste der Zeuge—mit einem solchen Fehler wie dem vorliegenden des Klägers rechnen. Er hätte deshalb erst dann vorbeifahren dürfen, wenn der Kläger sein Fahrzeug zum Stehen gebracht und gewartet hätte.

Gleichfalls zu Recht hat das Landgericht eine Mithaftung des Klägers bejaht.

Wie der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt hat, fuhr der Polizeiwagen mit Martinshorn und Blaulicht. Für den Kläger bestand mithin die Verpflichtung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO, den Polizeiwagen passieren zu lassen.

Der Kläger, der auf den REWE-Parkplatz nach links abbiegen wollte, hätte also stehen bleiben müssen und dem Polizeiwagen, der links an ihm vorbeifahren wollte, Vorrang gewähren müssen. Der Kläger hat sich indessen entschieden, als er das Martinshorn vernommen hatte, noch schnell vor dem ihm entgegenkommenden Taxi auf den Parkplatz des REWE-Marktes zu fahren. Dabei ist der Kläger dem Polizeiwagen mit seinem vorderen linken Kotflügel in Höhe des rechten Radkasten in die Seite gefahren (vgl. Bilder von den Fahrzeugen BI. 87 ff d. A. und Aussage der unbeteiligten Zeugin BI. 118 d. A.). Wäre der Kläger vor dem Abbiegen seiner doppelten Rückschaupflicht nachgekommen (§ 9 Abs. 1 S. 4 StVO), hätte er den neben sich befindlichen Polizeiwagen sehen müssen. Beim Abbiegen auf das Grundstück hatte der Kläger sich zudem so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er hätte also höchste Sorgfalt walten zu lassen. Dagegen hat der Kläger verstoßen.

Anhaltspunkte dafür, dass eine Kollision auch bei ordnungsgemäßer Rückschau unvermeidbar gewesen wäre, bestehen nicht. Damit hätte der Kläger in jedem Fall bei rechtzeitiger Rückschau unmittelbar vor dem Linksabbiegen das Polizeifahrzeug sehen und sich unfallverhütend verhalten können.

Darauf, dass der Polizeiwagen möglicherweise, worauf der Kläger abstellt, auch rechts an ihm hätte vorbeifahren können, kommt es nicht an. Der Polizeiwagen war berechtigt, den Kläger links zu überholen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts führt der festgestellte Unfallhergang zu einer Haftung der Beteiligten für die Unfallschäden zu gleichen Teilen. Anhaltspunkte, die eine unterschiedliche Haftung oder gar eine vollständige Haftungsfreiheit eines Beteiligten rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Grundsätzlich wiegt das durch einen Unfall beim Linksabbiegen in ein Grundstück indizierte Verschulden so schwer, dass es geeignet ist, die Haftungsanteile anderer Beteiligter vollständig zu verdrängen. Hier muss sich der Fahrer des Polizeifahrzeuges allerdings vorhalten lassen, bei einem auch im Rahmen einer Sonderrechtsfahrt nach § 35 StVO gefährlichem Fahrmanöver seiner Pflicht zu besonders umsichtigem Verhalten nicht nachgekommen zu sein und dadurch zur Unfallverursachung beigetragen zu haben. Dies rechtfertigt eine Haftung auch des Beklagten neben dem Kläger zu 50 %.“

 

TaTüTaTa, oder: Wie wird gehaftet, wenn der Notarztwagen bei Rotlicht über die Kreuzung brettert?

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Nicht selten sind die Situationen, in denen man nach/bei Einsatzfahrten von Polizei und/oder Feuerwehr. Das wwar aber knapp, oder: gerade noch einmal gut gegangen und ein Unfall hat vermieden werden können. Eine Situation, in der es nicht mehr „gereicht hat“, hat dann aber das OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.01.2017 – 1 U 46/16 – zum Gegenstand. Nach einem bei einer Einsatzfahrt verursachten Verkehrsunfall war beim LG Wuppertal und dann beim OLG Köln um die Haftung und die Haftungsverteilung gestritten worden. Das LG hatte der Beklagten – es war ihr Notarztwagen, der in den Verkehrunfall verwickelt war – nur 10 % der Haftung zugerechnet. Das OLG sieht das anders und macht „Halbe/halbe“:

I.

Nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen nur insoweit zugrunde zu legen, als nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Derartige Zweifel sind im vorliegenden Fall bezüglich der durch das Landgericht ausgesprochenen Haftungsverteilung und den zugrunde liegenden Feststellungen gegeben. Richtig ist zwar die Beweiswürdigung Landgerichts insoweit, als sich nicht die Erkenntnis gewinnen lässt, dass der Zeuge P., der unstreitig bei Rotlicht mit dem Notarztwagen des Beklagten von der Schützenstraße in die Carnaper Straße in Wuppertal einfuhr, dies unter Inanspruchnahme von Wegerechten gemäß § 38 Abs. 1 StVO tat. Zwar weist der Beklagte in seiner Berufungserwiderung zu Recht darauf hin, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts eine Argumentationsschwäche aufweist. Dies ändert allerdings nichts daran, dass im Ergebnis der Beklagte für die Richtigkeit seiner Behauptung beweisfällig bleibt, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für eine Wegerechtseinfahrt des Notarztwagens in die Unfallkreuzung durch die rechtzeitige Betätigung des akustischen Warnsignals neben dem blauen Blinklicht gegeben waren.

Deshalb kann die durch das Landgericht ausgesprochene Haftungsverteilung mit einer Quotierung von 10 % : 90 % zum Nachteil des Klägers keinen Bestand haben. Richtig erscheint es vielmehr, bei der Abwägung auf der Grundlage der §§ 17, 18 StVG eine Einstandsverpflichtung der Beklagten im Umfang von 50 % der klägerischen Unfallschäden anzusetzen. Dabei kann dahinstehen, ob dem Zeugen P. ein die Betriebsgefahr des Notarztwagens zusätzlich steigerndes Annäherungsverschulden anzulasten ist, weil erwiesen ist, dass er entgegen § 35 Abs. 8 StVO die Rotlichteinfahrt bis zum Erreichen der kreuzungsmittigen Unfallstelle nicht mit der gebührenden vorsichtigen Fahrweise durchgeführt hat. Darauf deuten jedenfalls die Bekundungen der Zeugen H. sowie B. hin.

Entscheidend ist im Ergebnis, dass die von dem Fahrzeug des Beklagten ausgegangene Betriebsgefahr allein schon durch die Rotlichteinfahrt ohne feststellbare Sanktionierung durch ein Wegerecht nach den Vorgaben des § 38 Abs. 1 StVO so sehr gesteigert war, dass auf eine hälftige Anspruchsberechtigung des Klägers zu erkennen ist. Die Tatsache, dass den Kläger ebenfalls ein erhebliches Mitverschulden an der Entstehung des Auffahrunfalls trifft, weil er entweder den nach § 4 Abs. 1 StVO erforderlich gewesenen Sicherheitsabstand zu dem Vordermann B. nicht eingehalten hat oder weil ihm unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO ein Aufmerksamkeitsverschulden anzulasten ist, steht außer Streit. Gleichwohl darf entgegen der Gewichtung des Landgerichts dieser Verursachungs- und Verschuldensbeitrag nicht dazu führen, dass der Kläger nur in Höhe von 10 % seiner Unfallschäden ersatzberechtigt sein soll. Wäre das durch den Zeugen P. gesteuerte Fahrzeug hypothetisch allein mit dem Pkw Opel des Zeugen B. zusammen gestoßen, der ebenso wie der Kläger unstreitig bei Grünlicht in die Unfallkreuzung eingefahren war, wäre für diesen Fall der Beklagte zu 100 % ersatzverpflichtet.“

Das OLG sieht die Beweislast für den Einsatz des Einsatzhornes bei der Beklagten:

„Wer das Sonderrecht des § 38 Abs. 1 StVO für sich in Anspruch nimmt, muss beweisen, dass er neben dem blauen Blinklicht auch das Einsatzhorn verwendet hat.“

Dass das auch in Betrieb war, habe sie nicht beweisen können.

Ich komme dann nachher aus einem anderen Grund noch einmal auf das Urteil zurück 🙂 .

Fahrzeuge der Unfallforschung als „Sonderfahrzeuge“?

Das OLG Celle, Urt. v. 3. 8. 2011 – 14 U 158/10 setzt sich im Zivilrecht mit der Frage auseinander, ob Fahrzeuge der Unfallforschung als Sonderfahrzeuge i.S. des § 35 StVO angesehen werden können mit der Folge, dass sie die Rechte aus § 35 StVO für sich in Anspruch nehmen dürfen. Das OLG sagt in seiner Entscheidung „Nein“, und zwar mit folgenden Leitsätzen:

  1. Im Hinblick auf die mit der Wahrnehmung von Sonderrechten verbundenen erheblichen Gefährdungen ist der Anwendungsbereich des § 35 StVO, auch weil er eine Ausnahmevorschrift darstellt, eng auszulegen.
  2. Fahrzeuge der Unfallforschung fallen nicht in den in § 35 StVO genannten Kreis der Sonderrechtsfahrzeuge.
  3. Die gem. § 35 Abs. 1 und Abs. 5 a StVO Begünstigten sind zwar an sich von der Einhaltung jeder Verkehrsvorschrift – also auch der Grundregel des § 1 StVO – freigestellt. Diese Sonderstellung gibt aber keine Vorfahrt gegenüber dem übrigen Verkehr, sondern nur die Berechtigung, die allgemeinen Verkehrsregeln mit größtmöglicher Sorgfalt zu missachten.

Die Entscheidung hat dann auch Auswirkungen auf den OWi-Bereich.