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Abgasskandal I: Daimler muss Schadensersatz zahlen, oder: Viel Spaß….

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Abgasskandal und kein Ende. So auch hier. Und heute dann zunächst mit dem LG Stuttgart, Urt. v. 09.05.2019 – 23 O 220/18 ). Das Urteil steht mal einmal nicht auf meiner Homepage im Volltext, es ist so lang 🙂 und da habe ich mir aus Zeitgründen die Aufbereitung für meine HP gespart.

Das LG hat in dem Urteil Daimler als Hersteller zur Zahlung von Schadenersatz  verurteilt, und zwar nach §§ 826, 831 BGB bei einem Dieselmotor eines vom Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (KBA) im Zuge des sog. „Abgasskandals“ betroffenen PKW.

Ich stelle hier nur die Leitsätze der Entscheidung ein. Rest über den o.a. Link bitte selbts lesen:

  1. Wird die Abgasrückführung, die zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) in einem Kraftfahrzeug eingesetzt wird, bei niedrigen Außentemperaturen reduziert (sog. „Thermofenster“), stellt dies eine (unzulässige) Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 dar. Unerheblich ist, in welchem Maß die Abgasrückführung reduziert wird, da Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht nach dem Grad der Veränderung des Emissionskontrollsystems differenziert.2. Eine solche Abschalteinrichtung ist nicht ausnahmsweise nach Art. 5 Abs. 2 lit. a Verordnung (EG) 715/2007 zum Zwecke des Motorschutzes zulässig, wenn andere technische Lösungen – nach der jeweils besten verfügbaren Technik, unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich erheblich teurer sind – vorhanden sind.

    3. Nicht notwendig und damit unzulässig i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a Verordnung (EG) 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorgesichtspunkten nahezu ununterbrochen arbeitet (bei Außentemperaturen von unter 14° Celsius) und damit den Zielsetzungen der Verordnung zuwiderläuft.

    4. Für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a Verordnung (EG) 715/2007 trifft den Hersteller die volle primäre Darlegungs- und Beweislast (Fortführung LG Stuttgart, 17. Januar 2019 – 23 O 178/18; LG Stuttgart, 17. Januar 2019 – 23 O 172/18; LG Stuttgart 17. Januar 2019 – 23 O 180/18).

    5. Wird während des Durchfahrens des „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) eine erhöhte Menge an benötigtem Harnstoff (AdBlue) im SCR-System beigemischt, während dies im realen Fahrbetrieb nicht der Fall ist und beinhaltet die konkrete Softwareprogrammierung, dass die Regeneration von SCR-Katalysatoren, die für die Effizienz der Abgasreinigung erforderlich ist, beinahe ausschließlich in den ersten 20 – 25 Minuten des Fahrzeugbetriebes erfolgt, also der Zeit, die der übliche NEFZ-Zyklus braucht, stellt auch dies eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) 715/2007 dar.

    6. Neben der Täuschung der Verbraucher begründet auch die Täuschung des Kraftfahrtbundesamts (KBA) beim Zulassungsverfahren (EG-Typgenehmigungsverfahren) die Sittenwidrigkeit des Handelns des Herstellers gemäß § 826 BGB.

    7. Dem Hersteller obliegt eine sekundäre Darlegungslast bezüglich der Kenntnis des Vorstands vom Einsatz einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung.

    8. Folge der sekundären Darlegungslast ist zum einen, dass der Hersteller sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen kann, sondern die tatsächliche Vermutung in zumutbarem Umfang durch substantiierten Gegenvortrag erschüttern muss. Genügt er dem nicht, gilt der Vortrag der Klagepartei als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Im Rahmen der sekundären Darlegungslast obliegt es dem Hersteller auch, in zumutbarem Umfang Nachforschungen anzustellen. Sollte es ihm nicht möglich oder zumutbar sein, eine abschließende Klärung herbeizuführen, genügt es nicht, über das Scheitern zu informieren, sondern er hat vielmehr konkret mitzuteilen, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (Anschluss OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18).

    9. Der Anspruch gegen den Hersteller des Motors kann sowohl auf § 826 BGB als auch auf § 831 BGB gestützt werden („Wahlfeststellung“).

    10. Zu den Voraussetzungen zu § 826 BGB in den sog. „Abgasfällen“ (Anschluss an: OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18; OLG Köln, 3. Januar 2019 – 18 U 70/18)

    11. Zu den Voraussetzungen der Sprungrevision nach § 566 ZPO, für eine rasche höchstrichterliche Klärung bei grundsätzlicher Bedeutung.

VW-Abgasskandal: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, oder: Die Luft wird dünner….

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Urheber User: High Contrast

Während meines Urlaubs ist der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019 – 13 U 142/18 – „eingegangen“. Ein weiteres (Mosaik)Steinchen im VW-Abgasskandal. Nach Auffassung des OLG in diesem Hinweisbeschluss (?) kann ein vom VW-Abgasskandal betroffener Fahrzeugkäufer vom Hersteller, der Volkswagen AG, wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Schadenersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen. „Schön“ die Ausführungen des OLG zur Sittenwidrigkeit:

„d) Diese Täuschungshandlung ist auch als sittenwidrig im Sinn des § 826 BGB zu qualifizieren.

aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 16). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, a.a.O., Rn. 16 f.).

bb) Nach diesem Maßstab ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten auszugehen:

Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zum einen erscheint es lebensfremd, dass die Beklagte das mit der Verwendung der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre (so OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 20), zum anderen trägt die Beklagte selbst keinen anderen Grund vor.

Soweit die Beklagte rügt, es fehle an schlüssigem Tatsachenvortrag der Klägerseite zu den Motiven für die Verwendung der Software, dürfte dies fehlgehen: Bereits in der Klageschrift wird ausgeführt, die Entwicklung der Motoren sei „aus eigenem Gewinnstreben und, um die Marktführerschaft auf dem Markt der Personenfahrzeuge zu erreichen,“ erfolgt. Die Entwicklungsingenieure hätten aber das Problem gehabt, mit legalen Möglichkeiten die Grenzwerte insbesondere für Stickstoffoxid nicht einhalten zu können, weshalb man sich entschieden habe, die von der Firma B… allein zu Testzwecken entwickelte Software einzusetzen (Klageschrift S. 3, AS. I 5). In der Replik wird weiter präzisiert, die Ingenieure hätten von der Möglichkeit, die erhöhte Abgasrückführung auch im Normalbetrieb zu aktivieren von Anfang an Abstand genommen, weil in Langzeittests bereits ab Laufleistungen von 50.000 km Schäden an Partikelfiltern und Motoren aufgetreten seien. Bereits im Jahr 2006 sei vom Vorstand P…. die Entscheidung getroffen worden, die teurere AdBlue Technologie nicht einzusetzen, sondern der preiswerteren Lösung den Vorzug zu geben (Replik S. 6, AS. I 267; auch Schriftsatz vom 09.01.2018, S. 5, AS. I 385).

Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel erscheint das Handeln hier aber als verwerflich: Bereits das Ausmaß der Täuschung, nämlich der Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wurde, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer rechtfertigt das besondere Unwerturteil. Überdies erscheint auch die Art und Weise der Täuschung als verwerflich: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorangegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht.

Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich des Weiteren aus den resultierenden Folgen: Hier droht zum einen den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs (was bereits vielfach geschehen ist, wie aus einer Vielzahl veröffentlichter verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen und aus mehreren vor dem Senat geführten Verfahren bekannt ist). Das von der Beklagten angebotene Software-Update stellt allein ein Angebot der Schadenswiedergutmachung dar. Fehl geht der Einwand der Beklagtenseite, eine Parallelwertung mit dem Kaufrecht verbiete, den Mangel als sittenwidrig anzusehen, weil es sich um einen unerheblichen Mangel im Sinn des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB handle. Denn der Mangel ist als erheblich zu qualifizieren. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.12.2018 – 17 U 4/18, juris Rn. 25 ff. verwiesen. Überdies hat die Beklagte durch die Ausstattung einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen mit dieser Abschalteinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen.

Zusammenfassend ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Handelns aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung von Kunden, unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das Kraftfahrt-Bundesamt, und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt allein im Profitinteresse.

Überdies liegt im vorliegenden Fall eine vorsätzliche Täuschung vor (hierzu unten) mit dem Ziel, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen. Allein dieser Umstand rechtfertigte es schon, Sittenwidrigkeit im Sinn des § 826 BGB zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 17).“

Insgesamt kann man nur sagen: Die Luft wird dünn für VW….. Schönes Bild in dem Zusammenhang 🙂

Anwaltskosten als ersatzfähiger Schaden, oder: Aber nur die gesetzlichen Gebühren

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Im Kessel Buntes dann heute zunächst das OLG Hamm, Urt. v. 18.01.2019 – 11 U 153/17. Es betrifft eine Schadensersatzklage mit gebührenrechtlichem Einschlag. Gestritten worden ist nämlich um den Ersatz von Anwaltskosten. Die werden von der beklagten Stadt verlangt. Es handelt sich um Rechtsanwaltskosten aus einer Honorarvereinbarung für die Vertretung in einer öffentlich-rechtlichen Baurechtstreitigkeit zu zahlen hatten. Anlass für die Beauftragung der Rechtsanwälte war, dass eine in der Nachbarschaft der Klägerin und der Eheleute T gelegene Gaststätte nebst Festhalle im Jahr 2013 von ihrem damaligen Pächter zur Durchführung lärmintensiver Großveranstaltungen genutzt wurde. Nachdem eigene Bemühungen der Klägerin und der Eheleute T sowie des von ihnen zunächst eingeschalteten Rechtsanwalts P, die Beklagte zu einem Einschreiten gegen den Pächter zu bewegen, erfolglos blieben, beauftragten die Klägerin und die Zedenten im April 2013 Rechtsanwalt Dr. B aus der Kanzlei C mit ihrer Vertretung und schlossen dabei eine Honorarvereinbarung, in der sie sich u.a. zur Zahlung einen Stundenhonorars von 250,- € und einer Fahrtkostenerstattung von 0,75 € je gefahrenen Kilometer verpflichteten. Das Tätigwerden von Rechtsanwalt Dr. B führte schließlich zum Erfolg und zum Erlass einer Nutzungsuntersagung gegen den Nachbarn durch die Beklagte. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die ihr und den Eheleuten T aufgrund der Honorarvereinbarung entstandenen Rechtsanwaltskosten von 5.965,36 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 655,69 € nebst Zinsen ersetzt.

Das LG hatte in vollem Umfang stattgegeben.Das OLG hebt teilweise auf. Es bejaht zwar einen gem. § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW der Klägerin zustehenden Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte wegen des rechtswidrig unterbliebenen Einschreitens gegen den Nachbarn. Aber:

„2. Der gem. § 40 Abs. 1 OBG NW in Verbindung mit § 249 BGB erstattungsfähige Vermögensschaden umfasst jedoch nur den Ersatz derjenigen Rechtsanwaltskosten, die bei Abrechnung der von den Rechtsanwälten C entfalteten Anwaltstätigkeit auf der Grundlage der Gebührenregelungen im RVG entstanden wären, was die Klägerin hilfsweise geltend macht. Diese Kosten belaufen sich auf 1.054,82 €.

a) Im Ausgangspunkt nicht streitig und vom Landgericht auch richtig erkannt, gehören zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten. Allerdings hat der Schädiger nicht schlechterdings alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Zur Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit hat der BGH in seiner vom Landgericht angeführten Entscheidung vom 16.07.2015 (IX ZR 197/14) unter den Randnummern 54-59 Folgendes ausgeführt:

Die Einschaltung eines Rechtsanwalts ist in einfach gelagerten Fällen nur erforderlich, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregelung verzögert wird. Bei Fällen wie dem Vorliegenden, die nicht einfach gelagert sind, ist jedenfalls das Honorar bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig.

Hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehen die Rechtsprechung und die Literatur fast ganz einhellig davon aus, dass als erstattungsfähige „gesetzliche Gebühren und Auslagen“ lediglich die Regelsätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu erstatten sind und nicht ein aufgrund einer Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt übersteigendes Honorar.

Nicht nur für den Bereich der prozessualen Kostenerstattungspflicht, sondern auch hinsichtlich vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten geht § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG davon aus, dass im Regelfall der gegnerischen Partei nicht mehr als die gesetzlichen Gebühren zu erstatten sind. Anderenfalls hätte der hiernach in einer Gebührenvereinbarung zwingend vorgesehene entsprechende Hinweis an den Mandaten keinen Sinn. Die Gesetzesbegründung zu § 3a RVG geht insoweit davon aus, dass der Rechtssuchende die von ihm zu zahlende Vergütung, soweit sie die gesetzlichen Gebühren übersteigt, grundsätzlich selbst tragen muss.

Derjenige, der sich schadensersatzpflichtig gemacht hat, kann aber in besonderen Fällen auch verpflichtet sein, höhere Aufwendungen aus einer Honorarvereinbarung zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 23.10. 2003 – III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697 f), wenn der Geschädigte auch diese Aufwendungen wegen der besonderen Lage des Falles für erforderlich und zweckmäßig halten durfte. Dies kann anzunehmen sein, wenn ein zur Vertretung bereiter und geeigneter Rechtsanwalt zu den gesetzlichen Gebühren, etwa wegen der Aufwändigkeit des Rechtsstreits und des geringen Streitwerts, oder wenn ein erforderlicher spezialisierter Anwalt zu den gesetzlichen Gebühren nicht gefunden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30.05.2000 – IX ZR 121/99, BGHZ 144, 343, 346).

Für die Voraussetzung eines gleichwohl weitergehenden, über den Normalfall hinausgehenden Erstattungsanspruchs ist der Anspruchsteller, wie für die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit seiner Aufwendungen allgemein, darlegungs- und beweispflichtig. … Ein Fall der Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB, die vom Beklagten darzulegen und zu beweisen wäre, liegt entgegen der Auffassung der Anschlussrevision nicht vor.

b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe, denen der Senat folgt, war hier zwar unzweifelhaft die Beauftragung eines Rechtsanwaltes erforderlich und zweckmäßig. Nicht erforderlich war aber die Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung.

Es steht außer Frage und wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen, dass die Klägerin und die Zedenten sich grundsätzlich anwaltlicher Hilfe bedienen durften, nachdem ihre eigenen Bemühungen, die Beklagte zu einem Einschreiten gegen die lärmintensive baurechtswidrige Nutzung des benachbarten Gaststättenbetriebes zu bewegen, erfolglos geblieben waren.

Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin Anfang April 2013 berechtigt war, einen weiteren (Fach-)Anwalt zu beauftragen, nachdem der zunächst von ihr beauftragte Rechtsanwalt P den gewünschten Erfolg nicht erreicht hatte. Denn wie im Senatstermin am 18.01.2019 unstreitig geworden ist, hat die Klägerin ihr möglicherweise von Rechtsanwalt P berechnete Kosten nicht von der Beklagten ersetzt verlangt.

Unter Berücksichtigung der bis Anfang April 2013 erfolglos gebliebenen eigenen Bemühungen und der Bemühungen des Rechtsanwalts P bei fortbestehender beharrlicher Weigerung der Beklagten hat der Senat auch keinen Zweifel daran, dass die Klägerin und die Zedenten sich nunmehr der Hilfe eines Fachanwalts für öffentliches Baurecht bedienen durften, auch wenn der Fall aus objektiver Sicht tatsächlich übersichtlich gelagert war und keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten bot.

Allerdings lagen nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin die vom BGH aufgestellten – oben dargelegten – Voraussetzungen für die Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung nicht vor. Die Klägerin hat in der Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, dass sie nicht nach einem spezialisierten Fachanwalt gesucht hat, der zu den gesetzlichen Gebühren tätig wird, und, dass es solche Anwälte gibt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es auf die subjektive Vorstellung der Klägerin von der Rechtslage und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit der Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung nicht an. Wie der Senat in der Verhandlung am 18.01.2019 deutlich gemacht hat, verkennt er dabei nicht, dass die Sicht der Klägerin, es müsse sich wegen der beharrlichen Weigerung der Beklagten, die fortdauernde massive Lärmbeeinträchtigung zu unterbinden, um eine schwierige Rechtsfrage handeln, ohne weiteres plausibel ist. Das begründet indes nicht die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Anwalts auf Honorarbasis. Würde man für die Erstattungsfähigkeit der höheren frei vereinbarten Rechtsanwaltskosten bereits ausreichen lassen, dass der Anspruchsteller die Vereinbarung wegen der aus seiner Sicht bestehenden Schwierigkeit der Sache für erforderlich halten durfte, selbst wenn es Anwälte gab, die zu einer Abrechnung nach RVG bereit gewesen wären, würde der in § 3 a Abs. 1 S. 3 RVG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers weitestgehend leerlaufen. Eine relevante Bedeutung der subjektiven Vorstellung der Klägerin lässt sich auch nicht aus den vom Landgericht dafür angeführten Entscheidungen des OLG Schleswig und des OLG Koblenz ableiten. Abgesehen davon, dass diese Entscheidungen zeitlich vor der oben dargestellten maßgeblichen Entscheidung des BGH ergangen sind, betreffen sie die vom BGH erwähnten Ausnahmefälle, nämlich dass kein anderer Anwalt zu einer günstigeren Vergütung gefunden werden kann (OLG Schleswig) bzw. dass ein objektiv komplexer und schwieriger Fall vorliegt (OLG Koblenz).

Auch die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des BGH, nach der bei der Prüfung der Frage, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, Rn. 7, juris), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Der Klägerin wusste um die unterschiedlichen Abrechnungsmöglichkeiten eines Rechtsanwalts. Ihr war bei Unterzeichnung der Honorarvereinbarung die Regelung des § 3a Abs. 1 S. 3 RVG, auf die in der Vollmachtsurkunde auch pflichtgemäß ausdrücklich hingewiesen worden ist (Anlage K5), bekannt, wonach die gegnerische Partei im Regelfall nicht mehr als die gesetzlichen Anwaltsgebühren zu erstatten hat. Das hat sie im Senatstermin ausdrücklich eingeräumt und auch erklärt, ihr sei daher das Risiko bewusst gewesen, dass sie einen Teil der ihr berechneten Honorarkosten nicht ersetzt bekommt.“

Totalschaden beim Rennrad, oder: Gilt die 130 %-Rechtsprechung?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um das OLG München, Urt. v. 16.11.2018 – 10 U 1885/18. Es geht in ihm um die Höhe des Schadensersatzes bei einem Totalschaden eines Rennrades. Das OLG München hat die sog. 130 % – Grenze angewendet:

„a) Grundsätzlich kann ein Geschädigter im Totalschadensfalle ausnahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zzgl. einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen, wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigt (BGH VersR 1992,61; BGH r+s 2003, 303; r+s 2005, 172; r+s 2009, 434; r+s 2010, 128; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. A., § 249 BGB, Rn. 65). Maßgeblich für die Berechnung ist grundsätzlich die Reparaturkostenkalkulation des Sachverständigen, nicht der schlussendlich tatsächlich angefallene Reparaturaufwand. Der Restwert des Fahrzeuges wird bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt. Grundlage dieser Rechtsprechung ist das besondere Integritätsinteresse des Geschädigten. Damit soll faktisch sichergestellt sein, dass das Eigentum des Geschädigten für den Bedarfsfall in seiner konkreten Zusammensetzung und nicht nur dem Wert nach erhalten bleiben kann. Der Reparaturkostenersatz erfolgt allerdings nur nach tatsächlich durchgeführter, fachgerechter Reparatur im Umfange des Sachverständigengutachtens (BGH DAR 2005, 266), jedenfalls aber in einem Umfang, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt (BGH DAR 2005, 268 [269]). Eine Teilreparatur ist nicht ausreichend. Setzt der Geschädigte nach einem Unfall sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht in Stand, ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Wert der Sache wäre eine solche Art der Wiederherstellung im Allgemeinen unvernünftig und kann dem Geschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick darauf zugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und von ihm gewünschte Zustand des Fahrzeuges auch tatsächlich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wiederhergestellt wird (vgl. BGH VersR 2007, 1244; BGHZ 162, 161, 168; BGH VersR 1972, 1024 und VersR 1985, 593, 594). Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und Bereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeuges wie vor dem Unfall wieder herstellt.

b) Diese zu beschädigten Kraftfahrzeugen ergangene Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats auch für ein, wie hier nahezu vollständig beschädigtes Rennrad, übertragbar. Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es keinen Grund, bei Fahrrädern, welche die letzten Jahrzehnte ebenfalls wie Kraftfahrzeuge eine stetige technische Weiterentwicklung vollzogen haben, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für Kraftfahrzeuge hier nicht anzuwenden. Der Kläger betont im vorliegenden Rechtsstreit gerade die Besonderheiten im Hinblick auf den beim beschädigten Fahrrad vorhanden Karbonrahmen. Selbst wenn das Fahrrad nach den Angaben des Klägers zu einem Liebhaberstück wurde, ist zu bedenken, dass es sich nach den Angaben des Sachverständigen Dipl.-Ing. Albert S. um ein Komplettrad der Marke Scott handelte, welches einen relativ geringen Wiederbeschaffungswert aufweist. Nicht überzeugend ist der Einwand des Klägers, wonach für die Frage der Unverhältnismäßigkeit der Reparatur auch andere Umstände als das reine Wertverhältnis, wie der Grad des Verschuldens, zu berücksichtigen seien. Die zitierte Entscheidung des BGH (vgl. BGH MDR 1988, 213) betraf den Ersatz von Aufwendungen im Rahmen eines Auftragsverhältnisses und keinen Schaden im Rahmen eines Verkehrsunfalles. Das Verschulden wird hier bereits im Rahmen der Haftungsquote berücksichtigt.“

Zu späte/keine Behandlungs- und Erprobungsmaßnahmen im Strafvollzug, oder: Amtspflichtverletzung ==> Schadensersatz

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Heute am Gebührenfreitag zwei Entscheidungen, die nicht unmittelbar mit Gebühren zu tun haben, in denen es aber auch ums Geld geht. Zunächst stelle ich das OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.11.2018 – 15 U 89/17 – vor. Eine interessante Entscheidung, die mir die Kollegen Groß, Remus & Schmitt, 65185 Wiesbaden, übersandt haben.

Das OLG hat in einem Amtshaftungsklageverfahren gegen das Land Hessen entschieden. Im Streit war ein Schadensersatzanspruch des Verurteilten – eines Sicherungsverwahrten – aufgrund einer Amtspflichtverletzung wegen rechtswidrig unterlassener resozialisierender Behandlungs- und Erprobungsmaßnahmen zur zeitgerechten Wiedererlangung der Freiheit.Das OLG hat eine Amtspflichtverletzung und damit einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 839 BGB bejaht. Es sieht die Amtspflichtverletzung liegt zum einen darin, dass die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt zu spät mit der Einleitung von Vollzugslockerungsmaßnahmen begonnen und diese nicht zügig genug fortgeführt hat, sowie zum anderen darin, dass sie das weitere Voranschreiten mit Vollzugslockerungen davon abhängig gemacht hatte, dass ein zweites Sachverständigengutachten im Vorfeld zur Frage der Vollzugserleichterungen eingeholt werden sollte. Von Bedeutung für vergleichbare Verfahren sind in dem Zusammenhnag – worauf der Kollege bei der Übersendung zutreffend hingewiesen hat –  die rechtlichen Ausführungen des OLG dazu, ob die Feststellungen von Strafvollstreckungskammern zu rechtswidriger Amtspflichtverletzung für die Zivilgerichte bindend sind, insbesondere, ob diese Bindungswirkung auch gegeben ist, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw. der fehlerhaften Ermessensausübung nur in den Entscheidungsgründen, nicht aber im Tenor der Entscheidung enthalten sind.

„Zugesprochen worden ist ein Betrag von 2.850 €:

Die Ausführungen zur Schadenshöhe und deren Bemessung sind durch das Landgericht ebenfalls fehlerfrei vorgenommen worden. Der Beklagte wendet hierbei ohne Erfolg ein, dass die ca. 3-monatige Verlängerung der Erprobungszeit durch das Oberlandesgericht im Beschluss vom 13.12.2012 im Verhältnis zu der angeordneten Erprobungsdauer der Strafvollstreckungskammer (jetzt 12 statt 9 Monate) nicht auf der rechtswidrigen Amtspflichtverletzung der JVA beruhe, sondern auf der tatrichterlichen Würdigung des Oberlandesgerichtes bzw. auf der zulässigen Einlegung der Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft. Es kann dahinstehen, ob auch noch die mit Beschluss vom 13.12.2012 angeordnete Dauer von einem Jahr bis zur Unterbringungsentlassung durch die pflichtwidrige Unterlassung von Vollzugslockerungen und Erprobungen des Klägers seitens der JVA verursacht worden ist, weil seitens des Klägers nur ein Zeitraum von 5,7 Monaten (ca. ein dreiviertel Jahr abzüglich des gewährten Urlaubs) geltend gemacht wurde. Die Kausalität entfällt nach Ansicht des Senates nicht dadurch, dass die Einlegung der Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft zulässig war und dass das Oberlandesgericht in tatrichterlicher Würdigung nicht nur einen Zeitraum von einem dreiviertel Jahr, sondern von einem Jahr für eine Erprobung für erforderlich hielt. Denn für die JVA hätte auch schon zu dem Zeitpunkt der Entscheidung der Oberlandesgerichtes am 13.12.2012 genügend Zeit bestanden, für die Dauer von einem dreiviertel Jahr, also etwa ab Anfang 2012, Vollzugslockerungen vorzunehmen, so dass auch nach den zeitlichen Vorgaben des Oberlandesgerichtes eine Entlassung Ende März 2013 möglich gewesen wäre. Hierzu lag zunächst das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. vom 07. April 2010 vor, wonach solche Lockerungsmaßnahmen unter gewissen Bedingungen verantwortet werden konnten. Spätestens nach Vorlage des zweiten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M. vom 18. April 2012 stand den begehrten Vollzugslockerungen aber gar nichts mehr im Wege. Wenn mithin unverzüglich bei Vorlage des zweiten Gutachtens des Prof. Dr. M. (spätestens Anfang Mai 2012 nach dem Vorbringen des Beklagten) entsprechende Vollzugslockerungsmaßnahmen eingeleitet worden wäre, wäre mit 11 Monaten noch ein ausreichender Zeitraum zur Erprobung für die Dauer bis Ende März 2013 gegeben gewesen, so dass in diesem Fall das Oberlandesgericht bei der Entscheidung am 13.12.2012 aller Voraussicht nach eine Verlängerung über den 27.3.2013 hinaus nicht hätte anordnen müssen. Somit besteht eine schadensausfüllende Kausalität jedenfalls für den vom Kläger geltend gemachten Zeitraum von 5,7 Monate. Zu Recht wurde daher vom Landgericht ein Betrag von 2.850,- € als Schadensersatz samt Zinsen ab Rechtshängigkeit zugesprochen.“