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Anwaltskosten als ersatzfähiger Schaden, oder: Aber nur die gesetzlichen Gebühren

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Im Kessel Buntes dann heute zunächst das OLG Hamm, Urt. v. 18.01.2019 – 11 U 153/17. Es betrifft eine Schadensersatzklage mit gebührenrechtlichem Einschlag. Gestritten worden ist nämlich um den Ersatz von Anwaltskosten. Die werden von der beklagten Stadt verlangt. Es handelt sich um Rechtsanwaltskosten aus einer Honorarvereinbarung für die Vertretung in einer öffentlich-rechtlichen Baurechtstreitigkeit zu zahlen hatten. Anlass für die Beauftragung der Rechtsanwälte war, dass eine in der Nachbarschaft der Klägerin und der Eheleute T gelegene Gaststätte nebst Festhalle im Jahr 2013 von ihrem damaligen Pächter zur Durchführung lärmintensiver Großveranstaltungen genutzt wurde. Nachdem eigene Bemühungen der Klägerin und der Eheleute T sowie des von ihnen zunächst eingeschalteten Rechtsanwalts P, die Beklagte zu einem Einschreiten gegen den Pächter zu bewegen, erfolglos blieben, beauftragten die Klägerin und die Zedenten im April 2013 Rechtsanwalt Dr. B aus der Kanzlei C mit ihrer Vertretung und schlossen dabei eine Honorarvereinbarung, in der sie sich u.a. zur Zahlung einen Stundenhonorars von 250,- € und einer Fahrtkostenerstattung von 0,75 € je gefahrenen Kilometer verpflichteten. Das Tätigwerden von Rechtsanwalt Dr. B führte schließlich zum Erfolg und zum Erlass einer Nutzungsuntersagung gegen den Nachbarn durch die Beklagte. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die ihr und den Eheleuten T aufgrund der Honorarvereinbarung entstandenen Rechtsanwaltskosten von 5.965,36 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 655,69 € nebst Zinsen ersetzt.

Das LG hatte in vollem Umfang stattgegeben.Das OLG hebt teilweise auf. Es bejaht zwar einen gem. § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW der Klägerin zustehenden Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte wegen des rechtswidrig unterbliebenen Einschreitens gegen den Nachbarn. Aber:

„2. Der gem. § 40 Abs. 1 OBG NW in Verbindung mit § 249 BGB erstattungsfähige Vermögensschaden umfasst jedoch nur den Ersatz derjenigen Rechtsanwaltskosten, die bei Abrechnung der von den Rechtsanwälten C entfalteten Anwaltstätigkeit auf der Grundlage der Gebührenregelungen im RVG entstanden wären, was die Klägerin hilfsweise geltend macht. Diese Kosten belaufen sich auf 1.054,82 €.

a) Im Ausgangspunkt nicht streitig und vom Landgericht auch richtig erkannt, gehören zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten. Allerdings hat der Schädiger nicht schlechterdings alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Zur Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit hat der BGH in seiner vom Landgericht angeführten Entscheidung vom 16.07.2015 (IX ZR 197/14) unter den Randnummern 54-59 Folgendes ausgeführt:

Die Einschaltung eines Rechtsanwalts ist in einfach gelagerten Fällen nur erforderlich, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregelung verzögert wird. Bei Fällen wie dem Vorliegenden, die nicht einfach gelagert sind, ist jedenfalls das Honorar bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig.

Hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehen die Rechtsprechung und die Literatur fast ganz einhellig davon aus, dass als erstattungsfähige „gesetzliche Gebühren und Auslagen“ lediglich die Regelsätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu erstatten sind und nicht ein aufgrund einer Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt übersteigendes Honorar.

Nicht nur für den Bereich der prozessualen Kostenerstattungspflicht, sondern auch hinsichtlich vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten geht § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG davon aus, dass im Regelfall der gegnerischen Partei nicht mehr als die gesetzlichen Gebühren zu erstatten sind. Anderenfalls hätte der hiernach in einer Gebührenvereinbarung zwingend vorgesehene entsprechende Hinweis an den Mandaten keinen Sinn. Die Gesetzesbegründung zu § 3a RVG geht insoweit davon aus, dass der Rechtssuchende die von ihm zu zahlende Vergütung, soweit sie die gesetzlichen Gebühren übersteigt, grundsätzlich selbst tragen muss.

Derjenige, der sich schadensersatzpflichtig gemacht hat, kann aber in besonderen Fällen auch verpflichtet sein, höhere Aufwendungen aus einer Honorarvereinbarung zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 23.10. 2003 – III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697 f), wenn der Geschädigte auch diese Aufwendungen wegen der besonderen Lage des Falles für erforderlich und zweckmäßig halten durfte. Dies kann anzunehmen sein, wenn ein zur Vertretung bereiter und geeigneter Rechtsanwalt zu den gesetzlichen Gebühren, etwa wegen der Aufwändigkeit des Rechtsstreits und des geringen Streitwerts, oder wenn ein erforderlicher spezialisierter Anwalt zu den gesetzlichen Gebühren nicht gefunden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30.05.2000 – IX ZR 121/99, BGHZ 144, 343, 346).

Für die Voraussetzung eines gleichwohl weitergehenden, über den Normalfall hinausgehenden Erstattungsanspruchs ist der Anspruchsteller, wie für die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit seiner Aufwendungen allgemein, darlegungs- und beweispflichtig. … Ein Fall der Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB, die vom Beklagten darzulegen und zu beweisen wäre, liegt entgegen der Auffassung der Anschlussrevision nicht vor.

b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe, denen der Senat folgt, war hier zwar unzweifelhaft die Beauftragung eines Rechtsanwaltes erforderlich und zweckmäßig. Nicht erforderlich war aber die Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung.

Es steht außer Frage und wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen, dass die Klägerin und die Zedenten sich grundsätzlich anwaltlicher Hilfe bedienen durften, nachdem ihre eigenen Bemühungen, die Beklagte zu einem Einschreiten gegen die lärmintensive baurechtswidrige Nutzung des benachbarten Gaststättenbetriebes zu bewegen, erfolglos geblieben waren.

Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin Anfang April 2013 berechtigt war, einen weiteren (Fach-)Anwalt zu beauftragen, nachdem der zunächst von ihr beauftragte Rechtsanwalt P den gewünschten Erfolg nicht erreicht hatte. Denn wie im Senatstermin am 18.01.2019 unstreitig geworden ist, hat die Klägerin ihr möglicherweise von Rechtsanwalt P berechnete Kosten nicht von der Beklagten ersetzt verlangt.

Unter Berücksichtigung der bis Anfang April 2013 erfolglos gebliebenen eigenen Bemühungen und der Bemühungen des Rechtsanwalts P bei fortbestehender beharrlicher Weigerung der Beklagten hat der Senat auch keinen Zweifel daran, dass die Klägerin und die Zedenten sich nunmehr der Hilfe eines Fachanwalts für öffentliches Baurecht bedienen durften, auch wenn der Fall aus objektiver Sicht tatsächlich übersichtlich gelagert war und keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten bot.

Allerdings lagen nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin die vom BGH aufgestellten – oben dargelegten – Voraussetzungen für die Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung nicht vor. Die Klägerin hat in der Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, dass sie nicht nach einem spezialisierten Fachanwalt gesucht hat, der zu den gesetzlichen Gebühren tätig wird, und, dass es solche Anwälte gibt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es auf die subjektive Vorstellung der Klägerin von der Rechtslage und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit der Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung nicht an. Wie der Senat in der Verhandlung am 18.01.2019 deutlich gemacht hat, verkennt er dabei nicht, dass die Sicht der Klägerin, es müsse sich wegen der beharrlichen Weigerung der Beklagten, die fortdauernde massive Lärmbeeinträchtigung zu unterbinden, um eine schwierige Rechtsfrage handeln, ohne weiteres plausibel ist. Das begründet indes nicht die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Anwalts auf Honorarbasis. Würde man für die Erstattungsfähigkeit der höheren frei vereinbarten Rechtsanwaltskosten bereits ausreichen lassen, dass der Anspruchsteller die Vereinbarung wegen der aus seiner Sicht bestehenden Schwierigkeit der Sache für erforderlich halten durfte, selbst wenn es Anwälte gab, die zu einer Abrechnung nach RVG bereit gewesen wären, würde der in § 3 a Abs. 1 S. 3 RVG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers weitestgehend leerlaufen. Eine relevante Bedeutung der subjektiven Vorstellung der Klägerin lässt sich auch nicht aus den vom Landgericht dafür angeführten Entscheidungen des OLG Schleswig und des OLG Koblenz ableiten. Abgesehen davon, dass diese Entscheidungen zeitlich vor der oben dargestellten maßgeblichen Entscheidung des BGH ergangen sind, betreffen sie die vom BGH erwähnten Ausnahmefälle, nämlich dass kein anderer Anwalt zu einer günstigeren Vergütung gefunden werden kann (OLG Schleswig) bzw. dass ein objektiv komplexer und schwieriger Fall vorliegt (OLG Koblenz).

Auch die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des BGH, nach der bei der Prüfung der Frage, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, Rn. 7, juris), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Der Klägerin wusste um die unterschiedlichen Abrechnungsmöglichkeiten eines Rechtsanwalts. Ihr war bei Unterzeichnung der Honorarvereinbarung die Regelung des § 3a Abs. 1 S. 3 RVG, auf die in der Vollmachtsurkunde auch pflichtgemäß ausdrücklich hingewiesen worden ist (Anlage K5), bekannt, wonach die gegnerische Partei im Regelfall nicht mehr als die gesetzlichen Anwaltsgebühren zu erstatten hat. Das hat sie im Senatstermin ausdrücklich eingeräumt und auch erklärt, ihr sei daher das Risiko bewusst gewesen, dass sie einen Teil der ihr berechneten Honorarkosten nicht ersetzt bekommt.“