„Der Antrag der Betroffenen ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Bußgeldbehörde hat den Antrag der Verteidigerin auf Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse zu Unrecht abgelehnt.
Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens (Kosten und Auslagen) zu tragen hat, wenn er „verurteilt“ wird, d. h. wenn gegen den Betroffenen ein Bußgeld festgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn der Betroffene mit dem Einspruch nur eine geringe als die festgesetzte Geldbuße erstrebt und eine solche dann festgesetzt wird (Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rn. 42).
Hinsichtlich der notwendigen Auslagen greift daher zu Gunsten des Betroffenen lediglich § 465 Abs. 2 StPO i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG ein. Dies beruht darauf, dass der Einspruch kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf eigener Art ist, auf den § 473 StPO nicht anwendbar ist. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden ansonsten nur von der Staatskasse getragen, wenn eine endgültige Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde aus Rechtsgründen, d.h. nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und dessen Rücknahme, erfolgt (vgl. vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, Vor § 105 Rn. 69; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 6. Auflage 2020, Rn. § 105 Rn. 60).
Hier hat die Verwaltungsbehörde das Verfahren jedoch nicht endgültig eingestellt, sondern lediglich den Bußgeldbescheid vom 23.06.2020 zurückgenommen und diesen durch den Bußgeldbescheid vom 30.07.2020 ersetzt, der keine Anordnung eines Fahrverbots mehr enthält. § 465 Abs. 2 StPO ist anwendbar, da der Bußgeldbescheid auf den Einspruch hin zurückgenommen und durch einen günstigeren, weniger belastenden ersetzt worden ist (vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rn. 42; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 105 Rn. 83)
Nach § 465 Abs. 2 S. 2 und 3 StPO i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Betroffenen damit zu belasten.
Die Belastung des Betroffenen mit den ihm entstandenen notwendigen Auslagen ist unbillig. Ob eine Unbilligkeit vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dem Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 lag der „neue“ Bußgeldkatalog vom 29.04.2020 zugrunde. In der Eingangsformel der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020, in Kraft getreten am 28. April 2020, fehlt der Verweis auf § 26 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).
Diese Vorschrift ist die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung zur Anordnung von Fahrverboten. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist in einer bundesrechtlichen Verordnung deren Rechtsgrundlage anzugeben (Zitiergebot). Art. 3 (Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung) der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist daher wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG offensichtlich nichtig.
Unerheblich ist, dass die Bußgeldbehörde im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit des „neuen“ Bußgeldkatalogs von den Vorgaben der jeweils zuständigen Landesministerien abhängig waren und unverzüglich nach Bekanntmachung einer Entscheidung der Ministerien diese umgesetzt wurden.
Vor diesem Hintergrund war die Rechtsklage für einen Laien erst recht undurchsichtig und die Beiziehung eines Rechtsanwaltes angemessen.
Mit Schriftsatz vom 02.07.2020 legte der Betroffene über seine Verteidigerin Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 ein.
Mit Bußgeldbescheid vom 08.07.2020 wurde der Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 „aufgrund des Fehlers im neuen Gesetz“ zurückgenommen und gegen die Betroffene ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € festgesetzt. Ein Fahrverbot wurde nicht angeordnet.
Diesen hat der Betroffene akzeptiert und das Bußgeld gezahlt.
Der Erlass eines rechtmäßigen Bußgeldbescheides liegt in der Sphäre der Bußgeldbehörde. Die Verwaltungsbehörde hätte den ursprünglichen rechtswidrigen Bußgeldbescheid bereits nicht erlassen dürfen. Erst der Bußgeldbescheid vom 08.07.2020 entspricht der geltenden Rechtslage.
Aus diesen Gründen stellt die Belastung des Betroffenen mit seinen notwendigen Auslagen eine unbillige Härte dar.“