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OWi III: Endgültige Rückgabe an Verwaltungsbehörde, oder: Rücknahme des Bußgeldbescheides reicht nicht

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Und dann zum Tagesschluss dann noch der angekündigte AG-Beschluss. Es handelt sich um den AG Dortmund, Beschl. v. 06.02.2024 – 729 OWi-250 Js 2543/23-154/23.

Das AG hat das nach § 69 Abs. 5 Satz 2 OWiG mangels hinreichenden Tatverdachts im Zwischenverfahren endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückgegeben:

„Die Verwaltungsbehörde hat einen Bußgeldbescheid erlassen, gegen den der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.

Das Amtsgericht hat unter dem Datum vom 12.12.2023 die Akten mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wegen offensichtlich ungenügender Sachaufklärung an die Verwaltungsbehörde gemäß § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG zur weiteren abschließenden Sachaufklärung hinsichtlich der Fahrereigenschaft des Betroffenen und anschließen-den erneuten Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen.

Die Verwaltungsbehörde hat eine weitere Sachaufklärung nicht durchgeführt. Sie hat über die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, der Bußgeldbescheid sei „zurückgenommen“ und die „Akte entnommen“. Dieses Verfahren hat keine rechtliche Grundlage – es ist vielmehr als Nichtdurchführung weiterer Ermittlungen zu werten. Die nunmehr neuerlich notwendige Prüfung ohne Akte hat ergeben, dass noch immer mangels Täteridentifizierung ein hinreichender Tatverdacht nicht besteht. Deshalb war das Verfahren gemäß § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben.“

Kostenentscheidung im Bußgeldverfahren, oder: Schweigerecht des Betroffenen

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Am RVG-Tag heute zwei Kostenentscheidungen, und zwar beide aus dem Bußgeldverfahren.

Zunächst hier der schon etwas ältere AG Wangen, Beschl. v. 25.03.2021- 3 OWi 13 Js19702/21, den mir der Kollege, der ihn erstritten hat, aber erst vor kurzem geschickt hat. Folgender Sachverhalt und folgende Gründe:

„Mit Bußgeldbescheid vom 16. März 2020 verhängte die Stadt Wangen als Bußgeldbehörde gegen den Betroffenen wegen der ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung ein Bußgeld in Höhe von 80 Euro. Auf den Einspruch des beauftragten Verteidigers hin nahm die Bußgeldbehörde – offensichtlich aufgrund zweifelhafter Fahrereigenschaft des Betroffenen – den Bußgeldbescheid mit Einstellungsverfügung vom 4. Mai 2020 zurück und stellte das Verfahren nach §§ 46 OWiG in Verbindung mit 170 Abs. 2 StPO ein. Eine Kostenentscheidung erging nicht. Nachdem der Verteidiger der Staatskasse seine Kosten in Rechnung gestellt hatte, erließ die Stadt Wangen am 9. Juni 2020 einen als „Bußgeldbescheid“ bezeichneten Bescheid, mit dem sie den Bußgeldbescheid vom 16. März 2020 nochmals zurücknahm und bestimmte, dass der Betroffene seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat. Gegen diesen Bescheid legte der Betroffene über seinen Verteidiger am 23. Juli 2020 „Einspruch“ ein. Ohne hierüber zu entscheiden, legte die Stadt Wangen die Akten über die Staatsanwaltschaft Ravensburg dem Gericht zur Entscheidung nach § 62 StPO vor und vermerkte zugleich, sie helfe „dem Antrag“ nicht ab.

II.

Das Gericht ist zu einer Entscheidung nach § 62 StPO berufen. Zwar ist die Verwaltungsbehörde nach § 62 Abs. 1 OWiG nicht antragsberechtigt. Die Verwaltungsbehörde hat indes aber durch Abgabeverfügung an das Gericht deutlich gemacht, sie werde dem Einspruch des Betroffenen gegen die Kostenentscheidung nicht abhelfen. Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 4. März 2021 gegenüber dem Gericht zudem beantragt, durch Beschluss über seinen Einspruch gegen die Kostenentscheidung zu entscheiden, was als Antrag des Betroffenen nach § 62 Abs. 1 OWiG auszulegen ist.

In der Sache waren die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung richtet sich nach Rücknahme des Bußgeldbescheids nach §§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 467a Abs. 1 StPO, wonach die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt. Eine Ausnahme hiervon ist im vorliegenden Fall nicht zu machen, zumal der Betroffene den Verteidiger erst nach Erlass des Bußgeldbescheids vom 16. März 2020 beauftragte. Die Regelungen des § 467 Abs. 2 bis 5 StPO (i.V.m. § 467 Abs. 1 S. 2 StPO) rechtfertigen es ebenfalls nicht, dem Betroffenen seine notwendigen Auslagen aufzubürden. Soweit die Verwaltungsbehörde damit argumentierte, der Betroffene hätte schon in der Anhörung vor Erlass des Bußgeldbescheids seine Fahrereigenschaft abstreiten können, verkennt sie, dass der Betroffene zu einer Äußerung nicht verpflichtet war und vielmehr ersichtlich nur von seinem Schweigerecht Gebrauch machte. Er hat durch sein Verhalten also nicht vorwerfbar Anlass zum Erlass des Bußgeldbescheids gegeben.“

OWI III: Verletzung des Zitiergebotes ==> Rücknahme des „BGB“ , oder: Wer trägt die notwendigen Auslagen?

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Und die dritte und letzte Entscheidung stammt vom AG Trier. Den AG Trier, Beschl. v. 21.10.2020 – 35a OWi 54/20 – hat mit die Kollegin S. Gallien aus Trassem geschickt. Er behandelt eine Problemati, mit der wir es in Zukunft wahrscheinlich häufiger zu tun haben werden. Nämlich die Frage: Wer trägt die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen im Bußgeldverfahren in den Fällen der Rücknahme des Bußgeldbescheides wegen Verletzung des Zitiergebotes.

Das AG Trier hat sie der Verwaltungsbehörde auferlegt:

„Der Antrag der Betroffenen ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Bußgeldbehörde hat den Antrag der Verteidigerin auf Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse zu Unrecht abgelehnt.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens (Kosten und Auslagen) zu tragen hat, wenn er „verurteilt“ wird, d. h. wenn gegen den Betroffenen ein Bußgeld festgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn der Betroffene mit dem Einspruch nur eine geringe als die festgesetzte Geldbuße erstrebt und eine solche dann festgesetzt wird (Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rn. 42).

Hinsichtlich der notwendigen Auslagen greift daher zu Gunsten des Betroffenen lediglich § 465 Abs. 2 StPO i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG ein. Dies beruht darauf, dass der Einspruch kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf eigener Art ist, auf den § 473 StPO nicht anwendbar ist. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden ansonsten nur von der Staatskasse getragen, wenn eine endgültige Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde aus Rechtsgründen, d.h. nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und dessen Rücknahme, erfolgt (vgl. vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, Vor § 105 Rn. 69; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 6. Auflage 2020, Rn. § 105 Rn. 60).

Hier hat die Verwaltungsbehörde das Verfahren jedoch nicht endgültig eingestellt, sondern lediglich den Bußgeldbescheid vom 23.06.2020 zurückgenommen und diesen durch den Bußgeldbescheid vom 30.07.2020 ersetzt, der keine Anordnung eines Fahrverbots mehr enthält. § 465 Abs. 2 StPO ist anwendbar, da der Bußgeldbescheid auf den Einspruch hin zurückgenommen und durch einen günstigeren, weniger belastenden ersetzt worden ist (vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rn. 42; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 105 Rn. 83)

Nach § 465 Abs. 2 S. 2 und 3 StPO i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Betroffenen damit zu belasten.

Die Belastung des Betroffenen mit den ihm entstandenen notwendigen Auslagen ist unbillig. Ob eine Unbilligkeit vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dem Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 lag der „neue“ Bußgeldkatalog vom 29.04.2020 zugrunde. In der Eingangsformel der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020, in Kraft getreten am 28. April 2020, fehlt der Verweis auf § 26 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).

Diese Vorschrift ist die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung zur Anordnung von Fahrverboten. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist in einer bundesrechtlichen Verordnung deren Rechtsgrundlage anzugeben (Zitiergebot). Art. 3 (Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung) der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist daher wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG offensichtlich nichtig.

Unerheblich ist, dass die Bußgeldbehörde im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit des „neuen“ Bußgeldkatalogs von den Vorgaben der jeweils zuständigen Landesministerien abhängig waren und unverzüglich nach Bekanntmachung einer Entscheidung der Ministerien diese umgesetzt wurden.

Vor diesem Hintergrund war die Rechtsklage für einen Laien erst recht undurchsichtig und die Beiziehung eines Rechtsanwaltes angemessen.

Mit Schriftsatz vom 02.07.2020 legte der Betroffene über seine Verteidigerin Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 ein.

Mit Bußgeldbescheid vom 08.07.2020 wurde der Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 „aufgrund des Fehlers im neuen Gesetz“ zurückgenommen und gegen die Betroffene ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € festgesetzt. Ein Fahrverbot wurde nicht angeordnet.

Diesen hat der Betroffene akzeptiert und das Bußgeld gezahlt.

Der Erlass eines rechtmäßigen Bußgeldbescheides liegt in der Sphäre der Bußgeldbehörde. Die Verwaltungsbehörde hätte den ursprünglichen rechtswidrigen Bußgeldbescheid bereits nicht erlassen dürfen. Erst der Bußgeldbescheid vom 08.07.2020 entspricht der geltenden Rechtslage.

Aus diesen Gründen stellt die Belastung des Betroffenen mit seinen notwendigen Auslagen eine unbillige Härte dar.“