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Grün für geradeaus , Rot für links ab –> Spurwechsel –> Rotlichverstoß

© sablin - Fotolia.com

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Ich denke, jeder Verkehrsteilnehmer wird die Verkehrssituation, die dem OLG Köln, Beschl. v. 07.08.2015 – 1 RBs 250/15 – zugrunde gelegen hat, im Straßenverkehr an einer Kreuzung schon mal beobachtet haben, der ein oder andere sich möglicherweise schon mal selbst so verhalten haben (?) 🙂 . Es ist letztlich eine doch recht alltägliche Situation, über die das OLG Köln zu entscheiden hatte; und zwar:

Die Betroffene hält vor einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage, und zwar vor/auf der Geradeausspur. Als sie Grünlicht bekommt, startet sie und fährt in den Kreuzungsbereich ein. Im Kreuzungsbereich biegt sie dann aber nach links ab. Die Linksabbiegerampel aus Fahrtrichtung der Betroffenen zeigte zu dieser Zeit noch rot.

Die – in meinen Augen – häufige Situation hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit auch schon häufiger beschäftigt und war sogar auch schon Gegenstand einer Grundsatzentscheidung des BGH, und zwar auf Vorlage des 2. Senats für Bußgeldsachen des OLG Hamm, dem ich zur damaligen Zeit angehört habe. Der BGH hat (uns) gesagt: Das ist ein Verstoß gegen § 37 StVO und damit ein Rotlichtverstoß. So sagt es jetzt dann auch das OLG Köln in seinem Beschl. v. 08.08.2015:

„Es ist in Rechtsprechung und Kommentarliteratur einhellige Auffassung, dass derjenige, der bei einer Fahrbahn mit mehreren durch Richtungspfeile gekennzeichneten Spuren mit jeweils eigener Lichtzeichenregelung auf der durch Grünlicht freigegebenen Geradeausspur in eine Kreuzung einfährt und nach Überfahren der Haltelinie auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen für Linksabbieger wechselt, jedenfalls dann einen Rotlichtverstoß begeht und nicht nur eine Zuwiderhandlung gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung, wenn er den Spurwechsel von vornherein zum Zweck des Umfahrens des Rotlichts beabsichtigt hatte (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 37 Rdnr. 33, 34 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 647/96 – = NJW 1998, 617-619 = NZV 1998, 119, 120; KG, Beschl. v. 07.04.2010 – 3 Ws (B) 115/102 Ss 40/10 – = NZV 2010, 361, 362; BayObLG, Beschl. v. 17.11.1995 – 2 ObOWi 706/95 – = NZV 1996, 120; BayObLG, Beschl. v. 27.06.2000 – 1 ObOWi 257/20000 = NZV 2000, 422 = NStZ-RR 2000, 341 = VRS 99, 29; BayObLG, Beschl. v. 24.09.2001 – 1 ObOWi 448/01- = DAR 2002, 77; BayObLG, Beschl. v. 12.02.2002 – 1 ObOWi 607/01 – = DAR 2002, 173, 174] = VRS 103, 307, 308).

Nach Auffassung des Bayerische Obersten Landesgerichts kommt es dabei für das Vorliegen eines Rotlichtverstoßes nicht darauf an, ob der Entschluss zum Fahrstreifenwechsel vor oder erst nach Passieren der Haltelinie gefasst wurde (BayObLG, Beschl. v. 27.06.2000 – 1 ObOWi 257/20000 = NZV 2000, 422 = NStZ-RR 2000, 341 = VRS 99, 29; BayObLG, Beschl. v. 12.02.2002 – 1 ObOWi 607/01 – = DAR 2002, 173, 174] = VRS 103, 307, 308). Dem folgt der Senat. Stellt nämlich der Wechsel von einem durch Grünlicht freigegebenen Fahrstreifen auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen den objektiven Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO dar, kommt es in subjektiver Hinsicht alleine noch darauf an, ob der Verstoß vorwerfbar ist oder nicht. Dazu dürften vorliegend ergänzende Feststellungen zu treffen sein.“

Aufgehoben hat das OLG aber doch, allerdings wegen eines Verfahrensverstoßes: Das AG hatte sich wegen der Örtlichkeiten auf Ausdrucke aus Google maps bezogen. Die waren aber nicht Gegenstand der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) und auf sie war auch nicht ordnungsgemäß nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO Bezug genommen worden.

Wenn Polizisten (nicht) zählen, sondern nur schätzen …..

© Ideeah Studio - Fotolia.com

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Tja, wenn Polizisten zählen, schon dann reicht das Ergebnis nach der obergerichtlichen Rechtsprechung möglicherweise (allein) nicht, um darauf den Vorwurf eines qualifizierten Rotlichtverstoßes – länger als 1 Sekunde Rotlichtzeit mit Fahrverbot – zu stützen. Zu den Feststellungen für einen solchen Verstoß reicht es aber erst recht nicht, wenn Polizeibeamte überhaupt nicht zählen, sondern einfach nur einen Rotlichtverstoß sehen. So dann auch das AG Lüdinghausen im AG Lüdinghausen, Urt. v. 22.09.2014 – 19 OWi-89 Js 1024/14-97/14. Es betrifft einen Rotlichverstoß in Ascheberg, meiner alten Heimat. Nicht weit weg von der vom AG beschriebenen Stelle habe ich mal gewohnt – kenne also die Örtlichkeiten:

Der Betroffene war lediglich geständig, was seine Fahrt und Fahrstrecke angeht. An einen Rotlichtverstoß jedoch konnte er sich nicht erinnern, wollte diesen jedoch auch nicht in Abrede stellen. Er erklärte, dass er unter Umständen geblendet gewesen sei, was anhand des Sonnenstandes zur Tatzeit nach den gerichtlichen Recherchen möglich gewesen sein kann. Der Zeuge X konnte sich noch gut an die Tat erinnern. Er schilderte, dass er vor der rotlichtzeigenden Ampel an der Straße Biete angehalten habe und sodann habe wahrnehmen können, wie der Betroffene im Rahmen eines Abbiegevorgangs trotz Rotlichts über den Fußgängerüberweg gefahren sei. Der Zeuge X war sich sicher, dass die Rotlichtzeit zu dieser Zeit bereits deutlich mehr als eine Sekunde betragen habe. Der Zeuge X räumte aber auch ein, dass er keinerlei Zeitmessung durchgeführt habe. Insbesondere habe er weder eine Zählung vorgenommen, noch auf seine Uhr geschaut. Weitere Umstände, die den Schluss auf die Rotlichtdauer zugelassen hätten, konnte er nicht benennen – solche Umstände waren auch sonst nicht erkennbar. Dementsprechend ist das Gericht lediglich von einem einfachen Rotlichtverstoß und nicht dem im Bußgeldbescheid vorgeworfenen qualifizierten Rotlichtverstoß ausgegangen. Zwar sind an die Feststellung von so genannten qualifizierten Rotlichtverstößen durch Polizeibeamte gerade bei längeren Beobachtungszeiten nicht zu hohe Anforderungen zu stellen und insbesondere keine echten Messungen zu verlangen – das Gericht ist aber der Ansicht, dass eine nicht gezielte Feststellung eines Rotlichtverstoßes bei einfachen Zeitschätzungen zumindest weitere Indizien feststellen muss, anhand derer sich die Schätzung der bereits verstrichenen Rotlichtzeit zur Zeit des Verstoßes abschätzen oder zumindest plausibel abgleichen lässt. Denkbar sind hier etwa feststellbare Tatsachen, die nachträgliche Weg-Zeit-(Plausibilitäts-)Berechnungen ermöglichen (vgl. hierzu: Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2014, Rn. 466). Dies war hier nicht der Fall. Letztlich lag der Angabe des dem Gericht als zuverlässig und erfahren bekannten Polizeibeamten X nur eine gefühlsmäßige Schätzung der Zeit vor, die auch sonst nicht als allein ausreichend angesehen wird, um einen qualifizierten Rotlichtverstoß feststellen zu können (vgl. hierzu OLG Hamburg, Beschluss vom 29.12.2004 – 3 Ss 114/04 = NZV 2005, 209 = DAR 2005, 165).“

Und wie das eben in kleinen Orten so ist: Man kennt sich/trifft sich: „Den Betroffenen traf er gleich im Anschluss am Tattag auf dem Parkplatz des REWE-Centers wieder, sprach ihn jedoch nicht an, da er selbst keine Legitimationspapiere als Polizeibeamter mit sich führte. Am nächsten Tag allerdings traf er den Betroffenen erneut – er hielt ihn an und eröffnete ihm den Tatvorwurf.“ 🙂

Rotlichtverstoß des Linkabbiegers- wer haftet?

entnommen wikimedia.org Urheber Mediatus

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Urheber Mediatus

Mit einemVerkehrsunfall auf einer ampelgeregelte Kreuzung und der Frage der Haftung befasst sich das OLG München, Urt. 09.05.2014 – 10 U 3652/13. Es kommt zu dem Ergebnis:

Kommt es zu einer Kollision eines auf einer ampelgeregelten Kreuzung bei Rotlicht links abbiegenden Fahrzeugs mit einem Fahrzeug des Gegenverkehrs, so trifft den Linksabbieger die volle Haftung:

„…Wie der Sachverständige schließlich unter Auswertung des Ampelphasenplans ebenfalls überzeugend ausgeführt hat, hat eines der beiden verunfallten Fahrzeuge einen Rotlichtverstoß begangen. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des Erstgerichts, das die Angaben der unbeteiligten Zeugin H., die auf der linken Spur bei Rotlicht gewartet hat, als das klägerische Fahrzeug auf der mittleren Fahrspur vorbeigefahren ist, zugrunde gelegt hat, ist fehlerfrei und begegnet keinen Bedenken.

2. Im Hinblick auf den erheblichen Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) hat die Betriebsgefahr des klägerischen Pkw zurückzutreten, § 17 I, III StVG. Es verbleibt deshalb bei einer Alleinhaftung der Beklagtenpartei.

Fahranfänger – Rotlichverstoß mit Fahrrad —> Aufbauseminar?

entnommen wikimedia.org Urheber Sir James

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Was ist, wenn ein sog. Fahranfänger (§ 2a FeV) während der Probezeit mit einem Fahrrad einen Rotlichtverstoß begeht? Reicht das für die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar? Das VG Aachen sagt dazu im VG Aachen, Beschl. v. 28.11.2013 – 3 L 571/13 – Ja, das reicht. Das VG geht davon aus, dass auch eine solche Ordnungswidrigkeit eine schwerwiegende straßenverkehrsrechtliche Zuwiderhandlung nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG darstellt. Dabei sei die Behörde gemäß Satz 2 dieser Vorschrift an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden. Wie Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften zu bewerten seien, werde gemäß § 34 Abs. 1 FeV zwingend nach dem Katalog der zugehörigen Anlage 12 bestimmt. Danach sei ein Rotlichtverstoß gemäß Nr. 2.1 als schwerwiegend zu bewerten.

Und: Die Fahrerlaubnisbehörde ist bei der Entscheidung über Maßnahmen, die gegen den Fahrerlaubnisinhaber zu verhängen sind, zudem gem. § 2 a Abs. 2 Satz 2 StVG an die Feststellungen im rechtskräftigen Bußgeldbescheid gebunden. Dies hat zur Folge, dass die Fahrerlaubnisbehörde – ebenso wie das VG – nicht zu prüfen hat, ob der Fahrerlaubnisinhaber die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen hat oder ob Rechtfertigungsgründe bestehen. Vielmehr müssen die Feststellungen zum Sachverhalt im Bußgeldbescheid zugrunde gelegt werden.  Im Verwaltungsverfahren hat also eine Behauptung, der Fahranfänger habe keinen Rotlichtverstoß als Fahrradfahrer begangen keinen Erfolg.

Qualifizierter Rotlichtverstoß – eine Urteils-Checkliste vom OLG

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Manche OLG-Entscheidungen lesen sich wie Checklisten, die hat man als Autor natürlich besonders gerne. So z.B. den OLG Schleswig, Beschl. v. 02.04.2014 – 1 Ws OWi 59/14, der zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes Stellung nimmt. Für den Betroffenen ja ein nicht ganz ungefährlicher Bereich, weil über § 132.3 BKat ein Fahrvebrot droht. Da möchte das OLG aus den Feststellungen erfahren:

  • um welche Art von Wechsellichtzeichenanlage es sich gehandelt hat, was für die Frage, ob es vorliegend um einen typischen groben Verstoß gegen die Pflichten eines Fahrzeugführers handelt, weil ja der Rotlichtverstoß länger als 1 Sekunde dauerte, von Bedeutung sein kann. Denn nicht jeder Rotlichtverstoß von mehr als 1 Sekunde stellt eine typische, ein Fahrverbot indizierende Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV dar.
  • auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat,
  • ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat — außer, dass er die Fahrereigenschaft eingeräumt hat,
  • ob der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit er die Einlassung aufgrund welcher tragenden Beweismittel für widerlegt ansieht,
  • welche Angaben Zeugen gemacht haben und warum diesen der Vorzug gegenüber der Einlassung des Betroffenen gegeben wird,
  • auch bei einem standardisierten Messverfahren wie Traffiphot III die Angabe der wesentlichen Anknüpfungstatsachen wie des Abstands zwischen Haltelinie, erster und zweiter Induktionsschleife sowie der Rotlichtzeiten bei Überfahren der ersten und zweiten Induktionsschleife.

Und schließlich darf nicht einfach auf Urkunden pp. Bezug genommen werden:

„Die verwendeten Messfotos wurden im Übrigen nicht durch eine prozessökonomische ausdrückliche Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zum Urteilsbestandteil gemacht und können deshalb vom Rechtsmittelgericht nicht eingesehen werden. Darüber hinaus wurden gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen, z.B. zur Eichung des Geräts, durch unzulässige Bezugnahmen ersetzt, so dass es verfahrensrechtlich an einer Urteilsbegründung und sachlich-rechtlich an der Möglichkeit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht fehlt (st. Rspr. vgl. BGHSt 30, 225; 33, 59; BGHR StPO § 267 Abs. 1 Bezugnahme 1). Eine Verweisung oder Bezugnahme ist im Übrigen lediglich nach § 46 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO und nur wegen „Abbildungen“ möglich. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist es allein auf Grund der unzulässigen Bezugnahmen auf die den Vorfall dokumentierenden Schriftstücke nicht möglich zu überprüfen, ob die Überzeugung des Tatrichters auf tragfähigen Erwägungen beruht, die Beweiswürdigung des Amtsrichters anerkannten rechtlichen Grundsätzen entspricht und die Überzeugung von der Ordnungsgemäßheit der Messung rechtsfehlerfrei gewonnen wurde.“

Also im Grunde ganz einfach. Der Amtsrichter in Lübeck wusste es aber wohl nicht. Jetzt weiß er es und kann es beim zweiten Mal richtig machen.