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Wenn Polizisten (nicht) zählen, sondern nur schätzen …..

© Ideeah Studio - Fotolia.com

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Tja, wenn Polizisten zählen, schon dann reicht das Ergebnis nach der obergerichtlichen Rechtsprechung möglicherweise (allein) nicht, um darauf den Vorwurf eines qualifizierten Rotlichtverstoßes – länger als 1 Sekunde Rotlichtzeit mit Fahrverbot – zu stützen. Zu den Feststellungen für einen solchen Verstoß reicht es aber erst recht nicht, wenn Polizeibeamte überhaupt nicht zählen, sondern einfach nur einen Rotlichtverstoß sehen. So dann auch das AG Lüdinghausen im AG Lüdinghausen, Urt. v. 22.09.2014 – 19 OWi-89 Js 1024/14-97/14. Es betrifft einen Rotlichverstoß in Ascheberg, meiner alten Heimat. Nicht weit weg von der vom AG beschriebenen Stelle habe ich mal gewohnt – kenne also die Örtlichkeiten:

Der Betroffene war lediglich geständig, was seine Fahrt und Fahrstrecke angeht. An einen Rotlichtverstoß jedoch konnte er sich nicht erinnern, wollte diesen jedoch auch nicht in Abrede stellen. Er erklärte, dass er unter Umständen geblendet gewesen sei, was anhand des Sonnenstandes zur Tatzeit nach den gerichtlichen Recherchen möglich gewesen sein kann. Der Zeuge X konnte sich noch gut an die Tat erinnern. Er schilderte, dass er vor der rotlichtzeigenden Ampel an der Straße Biete angehalten habe und sodann habe wahrnehmen können, wie der Betroffene im Rahmen eines Abbiegevorgangs trotz Rotlichts über den Fußgängerüberweg gefahren sei. Der Zeuge X war sich sicher, dass die Rotlichtzeit zu dieser Zeit bereits deutlich mehr als eine Sekunde betragen habe. Der Zeuge X räumte aber auch ein, dass er keinerlei Zeitmessung durchgeführt habe. Insbesondere habe er weder eine Zählung vorgenommen, noch auf seine Uhr geschaut. Weitere Umstände, die den Schluss auf die Rotlichtdauer zugelassen hätten, konnte er nicht benennen – solche Umstände waren auch sonst nicht erkennbar. Dementsprechend ist das Gericht lediglich von einem einfachen Rotlichtverstoß und nicht dem im Bußgeldbescheid vorgeworfenen qualifizierten Rotlichtverstoß ausgegangen. Zwar sind an die Feststellung von so genannten qualifizierten Rotlichtverstößen durch Polizeibeamte gerade bei längeren Beobachtungszeiten nicht zu hohe Anforderungen zu stellen und insbesondere keine echten Messungen zu verlangen – das Gericht ist aber der Ansicht, dass eine nicht gezielte Feststellung eines Rotlichtverstoßes bei einfachen Zeitschätzungen zumindest weitere Indizien feststellen muss, anhand derer sich die Schätzung der bereits verstrichenen Rotlichtzeit zur Zeit des Verstoßes abschätzen oder zumindest plausibel abgleichen lässt. Denkbar sind hier etwa feststellbare Tatsachen, die nachträgliche Weg-Zeit-(Plausibilitäts-)Berechnungen ermöglichen (vgl. hierzu: Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2014, Rn. 466). Dies war hier nicht der Fall. Letztlich lag der Angabe des dem Gericht als zuverlässig und erfahren bekannten Polizeibeamten X nur eine gefühlsmäßige Schätzung der Zeit vor, die auch sonst nicht als allein ausreichend angesehen wird, um einen qualifizierten Rotlichtverstoß feststellen zu können (vgl. hierzu OLG Hamburg, Beschluss vom 29.12.2004 – 3 Ss 114/04 = NZV 2005, 209 = DAR 2005, 165).“

Und wie das eben in kleinen Orten so ist: Man kennt sich/trifft sich: „Den Betroffenen traf er gleich im Anschluss am Tattag auf dem Parkplatz des REWE-Centers wieder, sprach ihn jedoch nicht an, da er selbst keine Legitimationspapiere als Polizeibeamter mit sich führte. Am nächsten Tag allerdings traf er den Betroffenen erneut – er hielt ihn an und eröffnete ihm den Tatvorwurf.“ 🙂

Rotlichtverstoß des Linkabbiegers- wer haftet?

entnommen wikimedia.org Urheber Mediatus

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Mit einemVerkehrsunfall auf einer ampelgeregelte Kreuzung und der Frage der Haftung befasst sich das OLG München, Urt. 09.05.2014 – 10 U 3652/13. Es kommt zu dem Ergebnis:

Kommt es zu einer Kollision eines auf einer ampelgeregelten Kreuzung bei Rotlicht links abbiegenden Fahrzeugs mit einem Fahrzeug des Gegenverkehrs, so trifft den Linksabbieger die volle Haftung:

„…Wie der Sachverständige schließlich unter Auswertung des Ampelphasenplans ebenfalls überzeugend ausgeführt hat, hat eines der beiden verunfallten Fahrzeuge einen Rotlichtverstoß begangen. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des Erstgerichts, das die Angaben der unbeteiligten Zeugin H., die auf der linken Spur bei Rotlicht gewartet hat, als das klägerische Fahrzeug auf der mittleren Fahrspur vorbeigefahren ist, zugrunde gelegt hat, ist fehlerfrei und begegnet keinen Bedenken.

2. Im Hinblick auf den erheblichen Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) hat die Betriebsgefahr des klägerischen Pkw zurückzutreten, § 17 I, III StVG. Es verbleibt deshalb bei einer Alleinhaftung der Beklagtenpartei.

Fahranfänger – Rotlichverstoß mit Fahrrad —> Aufbauseminar?

entnommen wikimedia.org Urheber Sir James

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Was ist, wenn ein sog. Fahranfänger (§ 2a FeV) während der Probezeit mit einem Fahrrad einen Rotlichtverstoß begeht? Reicht das für die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar? Das VG Aachen sagt dazu im VG Aachen, Beschl. v. 28.11.2013 – 3 L 571/13 – Ja, das reicht. Das VG geht davon aus, dass auch eine solche Ordnungswidrigkeit eine schwerwiegende straßenverkehrsrechtliche Zuwiderhandlung nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG darstellt. Dabei sei die Behörde gemäß Satz 2 dieser Vorschrift an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden. Wie Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften zu bewerten seien, werde gemäß § 34 Abs. 1 FeV zwingend nach dem Katalog der zugehörigen Anlage 12 bestimmt. Danach sei ein Rotlichtverstoß gemäß Nr. 2.1 als schwerwiegend zu bewerten.

Und: Die Fahrerlaubnisbehörde ist bei der Entscheidung über Maßnahmen, die gegen den Fahrerlaubnisinhaber zu verhängen sind, zudem gem. § 2 a Abs. 2 Satz 2 StVG an die Feststellungen im rechtskräftigen Bußgeldbescheid gebunden. Dies hat zur Folge, dass die Fahrerlaubnisbehörde – ebenso wie das VG – nicht zu prüfen hat, ob der Fahrerlaubnisinhaber die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen hat oder ob Rechtfertigungsgründe bestehen. Vielmehr müssen die Feststellungen zum Sachverhalt im Bußgeldbescheid zugrunde gelegt werden.  Im Verwaltungsverfahren hat also eine Behauptung, der Fahranfänger habe keinen Rotlichtverstoß als Fahrradfahrer begangen keinen Erfolg.

Qualifizierter Rotlichtverstoß – eine Urteils-Checkliste vom OLG

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Manche OLG-Entscheidungen lesen sich wie Checklisten, die hat man als Autor natürlich besonders gerne. So z.B. den OLG Schleswig, Beschl. v. 02.04.2014 – 1 Ws OWi 59/14, der zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes Stellung nimmt. Für den Betroffenen ja ein nicht ganz ungefährlicher Bereich, weil über § 132.3 BKat ein Fahrvebrot droht. Da möchte das OLG aus den Feststellungen erfahren:

  • um welche Art von Wechsellichtzeichenanlage es sich gehandelt hat, was für die Frage, ob es vorliegend um einen typischen groben Verstoß gegen die Pflichten eines Fahrzeugführers handelt, weil ja der Rotlichtverstoß länger als 1 Sekunde dauerte, von Bedeutung sein kann. Denn nicht jeder Rotlichtverstoß von mehr als 1 Sekunde stellt eine typische, ein Fahrverbot indizierende Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV dar.
  • auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat,
  • ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat — außer, dass er die Fahrereigenschaft eingeräumt hat,
  • ob der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit er die Einlassung aufgrund welcher tragenden Beweismittel für widerlegt ansieht,
  • welche Angaben Zeugen gemacht haben und warum diesen der Vorzug gegenüber der Einlassung des Betroffenen gegeben wird,
  • auch bei einem standardisierten Messverfahren wie Traffiphot III die Angabe der wesentlichen Anknüpfungstatsachen wie des Abstands zwischen Haltelinie, erster und zweiter Induktionsschleife sowie der Rotlichtzeiten bei Überfahren der ersten und zweiten Induktionsschleife.

Und schließlich darf nicht einfach auf Urkunden pp. Bezug genommen werden:

„Die verwendeten Messfotos wurden im Übrigen nicht durch eine prozessökonomische ausdrückliche Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zum Urteilsbestandteil gemacht und können deshalb vom Rechtsmittelgericht nicht eingesehen werden. Darüber hinaus wurden gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen, z.B. zur Eichung des Geräts, durch unzulässige Bezugnahmen ersetzt, so dass es verfahrensrechtlich an einer Urteilsbegründung und sachlich-rechtlich an der Möglichkeit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht fehlt (st. Rspr. vgl. BGHSt 30, 225; 33, 59; BGHR StPO § 267 Abs. 1 Bezugnahme 1). Eine Verweisung oder Bezugnahme ist im Übrigen lediglich nach § 46 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO und nur wegen „Abbildungen“ möglich. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist es allein auf Grund der unzulässigen Bezugnahmen auf die den Vorfall dokumentierenden Schriftstücke nicht möglich zu überprüfen, ob die Überzeugung des Tatrichters auf tragfähigen Erwägungen beruht, die Beweiswürdigung des Amtsrichters anerkannten rechtlichen Grundsätzen entspricht und die Überzeugung von der Ordnungsgemäßheit der Messung rechtsfehlerfrei gewonnen wurde.“

Also im Grunde ganz einfach. Der Amtsrichter in Lübeck wusste es aber wohl nicht. Jetzt weiß er es und kann es beim zweiten Mal richtig machen.

Der innerörtliche Rotlichtverstoß – reicht für ein Fahrverbot

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Ich habe ja in der letzten Zeit schon ein paar Mal darauf hingewiesen, dass im Moment m.E. owi-rechtliche Flaute herrscht. Es gibt so wenig Entscheidungen, dass man schon froh ist, wenn man überhaupt mal eine findet, auf die sich ein kleiner Hinweis lohnt.So ist es mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 06.03.2014 – 3 Ss OWi 228/14, der sich zu den Urteilsfeststellungen bei einem „‚einfachem“ innerörtlichem Rotlichtverstoß und zum Fahrverbot bei einem beharrlichen Pflichtverstoß äußert. Nichts Bahnbrechendes, daher sollen die Leitsätze reichen:

1. Bei der Verurteilung wegen eines innerhalb geschlossener Ortschaften begangenen ‚einfachen‘ Rotlichtverstoßes (§§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO) sind im Bußgeldurteil Ausführungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie seines Abstands zur Ampel regelmäßig entbehrlich, weil grundsätzlich von einer gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und von einer Gelbphase von 3 Sekunden ausgegangen werden kann, was eine gefahrlose Bremsung vor der Ampel ermöglicht, bevor diese von Gelb auf Rot umschaltet (u.a. Anschluss OLG Hamm, Beschl. v. 02.11.2010 – 4 RBs 374/10 [bei juris] und OLG Bremen NZV 2010, 42 ff.).

 2. Auch ein „einfacher“ Rotlichtverstoß kann aufgrund der Vorahndungslage des Betroffenen ohne weiteres die mit der Ahndung mit einem bußgeldrechtlichen Fahrverbot verbundene Wertung als beharrlicher Pflichtenverstoß gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG außerhalb eines Re­gelfalls i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV rechtfertigen.

 In der Not frisst der Teufel eben Fliegen. 🙂