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ESO ES 3.0 – ist der Kampf um die Entschlüsselung der Rohmessdaten erledigt?

entnommen wikimedia.org Urheber Jepessen

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Wer „mein“ OWi-Handbuch und/oder die „Blitzerbibel“ 🙂  „Messungen im Straßenverkehr“ kennt, weiß, dass in beiden Werken die Mitarbeiter der VUT aus Püttlingen unter Führung von H.P. Grün den technischen Teil übernommen haben. Da gilt „Schuster bleib bei deinen Leisten“. Ich arbeite also mit der VUT zusammen und bin daher an ellem interessiert, was von dort kommt. Die VUT hat nun in der vergangenen Woche einen Newsletter versendet, der überschrieben war mit:  „VUT – ES3.0 – Wenn die sachverständige Praxis die Rechtsprechung überholt – Aktuelles“. Und dessen Inhalt bringe ich dann heute hier auch – natürlich mit Erlaubnis der VUT. Da heißt es:

„ES3.0 – Wenn die sachverständige Praxis die Rechtsprechung überholt

Vermehrt erhalten wir Hinweise von Rechtsanwälten, dass sie bei Verfahren mit ES3.0-Messungen die Rohmessdaten nicht bekommen oder dass die Gerichte ihnen eine Entschlüsselung der Rohmessdaten verweigern.

Der Kampf um eine Entschlüsselung der Rohmessdaten ist aber auch gar nicht mehr notwendig. Nachdem die Firma eso mit der esoDIGITALES II viewer Software (Version 22.2.9.40) die Möglichkeit geschaffen hat, die Rohmessdaten offline aus der Falldatei zu extrahieren und auszuwerten, ist es der VUT Informatik in einem Verfahren am AG Homburg (Az.: 11 OWi 62 Js 1529/15 (162/15)) gelungen im Auftrag des AG in einem informationstechnischen Gutachten festzustellen, dass die ausgelesenen Rohmessdaten unverändert den in der Falldatei enthaltenen entsprechen.

Die Rohmessdaten werden von der Auswertesoftware also unverändert ausgegeben.

In unserer neuen Version der Allgemeinen Stellungnahme zu Messungen mit dem ES3.0 (Stand: 16.06.2016) teilen wir die neuen Ergebnisse zur Auswertbarkeit der Rohmessdaten ohne den externen Beitrag der Herstellerfirma eso über deren Internetportal mit.

Dadurch ist die aktuelle Rechtsprechung zum Thema der Herausgabe der Rohmessdaten überholt, weil es nun technisch möglich ist, die Rohmessdaten unabhängig und neutral einer selbstständigen Bewertung zu unterziehen.

Im Rahmen von statistischen Erhebungen, insbesondere auch durch Auswertung ganzer Messreihen wird die VUT also in Zukunft feststellen und wissenschaftlich belegen können, wie messgenau der ES3.0 arbeitet. Der VUT ist es jetzt möglich, die Messdateien des ES 3.0 unabhängig und selbstständig auszuwerten. Die ESO Auswertesoftware stellt lediglich eine Plausibilitätsprüfung dar und ist in kritischen Fällen nicht geeignet Abweichungen festzustellen. Die einzige neutrale und wissenschaftlich korrekte Möglichkeit die Werte sicher und unabhängig zu prüfen, besteht über die Auswertung der Rohmessdaten mit Hilfe der Kreuzkorrelationen. Schon jetzt konnten in statistischen Mehrfachauswertungen Abweichungen von 1-2 km/h festgestellt werden.

Auch für die künftige Rechtsprechung kann sich hieraus die Frage ergeben, ob es sich beim ES3.0 überhaupt noch um ein standardisiertes Messverfahren handelt.“

Na, das ist/wäre doch was. Und die ersten OLG-Entscheidungen zur Herausgabe der Messreihen liegen ja bereits vor – dazu dann auch einiges an amtsgerichtlicher Rechtsprechung. Es bleibt also auch hier spannend.

Und nun: „Werbemodus ein“:

Dieses Posting gibt mir dann die Gelegenheit für die 4. Auflage von „Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr“ die Werbetrommel zu rühren. Das Buch kommt im Oktober. Vorbestellungen sind – wie immer – möglich. Hier geht es zum Bestellformular. Einfach ankreuzen und vorbestellen – und das Buch kommt dann im Okrober automatisch.

„Werbemodus aus“.

(Akten)Einsicht a la AG Neunkirchen, oder: Die Rohmessdaten sind (endlich) unverschlüsselt herauszugeben

© Avanti/Ralf Poller - Fotolia.com

© Avanti/Ralf Poller – Fotolia.com

Der Kollege Gratz vom Verkehrsrechtsblog hat ja schon auf den AG Neunkirchen, Beschl. v. 02.05.2016 – 19 OWi 365/15 – hingewiesen, den ich mir – mit seinem Einverständnis – dort „geklaut“ 🙂 habe. Das OWi-Verfahren, in dem der Beschluss ergangen ist, war schon mal Gegenstand der Berichterstattung, nämlich in Zusammenhnag mit dem AG Neunkirchen, Beschl. v. 30.12.2015 – 19 OWi 365/15  (vgl. dazu Akteneinsicht a la AG Neunkirchen, oder: Geht auch anders/richtig – Verfahren ausgesetzt). Nun geht es also weiter. Die zentrale Bußgeldbehörde will also offenbar nicht so, wie es das AG gerne hätte. Sie rückt die Rohmessdaten der Messung nicht raus, jedenfalls nicht unverschlüsselt. Das hat das AG jetzt aber bestimmt:

Beim tatgegenständlich verwendeten Messverfahren mit dem Gerät ESO 3.0 handelt es sich unbestrittener Maßen um ein sog. standardisiertes Messverfahren (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.10.2012. Az.: 1 Ss Bs 12/12). Dies hat zur Folge, dass es dem Betroffenen obliegt, substantiiert vorzutragen aus welchen Gründen die durchgeführte Messung fehlerhaft ist, so dass der Betroffene konkrete und einer Beweiserhebung zugängliche Umstände vortragen muss, um eine Messung in Zweifel zu ziehen (vgl. AG Weißenfels , Beschluss v. 3. 9. 2015 – 10 AR 1/15). Neben des Rechts auf Einsicht in das Messprotokoll und die Eichbescheinigung folgt aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens aufgrund der durch das standardisierte Messverfahren vorliegenden Beweislastumkehr, dass dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden muss, die Messung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen auf mögliche Messfehler zu untersuchen (vgl. AG Weißenfels , Beschluss v. 3. 9. 2015 – 10 AR 1/15). Dies aber ist nur dann möglich, wenn dem Betroffenen die Messdateien in unverschlüsselter Form übergeben werden.

Wird dem Betroffenen aber die Herausgabe der Rohmessdaten in unverschlüsselter Form versagt, wird ihm die Möglichkeit verwehrt, aktiv die Daten auf Fehler untersuchen zu lassen, die der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit zugrunde liegen. Dann aber ist dem Betroffenen verwehrt, aktiv am Gang und Ergebnis des Verfahrens mitzuwirken. Dies aber stellt ein ureigenes Recht eines Betroffenen dar (vgl. BVerfGE 46, 202). Aus Art. 6 EMRK folgt zudem das Gebot der sog. Waffengleichheit. Dies bedeutet, dem Betroffenen müssen die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt sich gegen einen Vorwurf zu verteidigen, wie dem Ankläger Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, den Tatvorwurf nachzuweisen.

Da es dem Betroffenen aufgrund des standardisierten Messverfahrens aber obliegt, konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung vorzutragen, damit überhaupt eine Beweiserhebung über die Korrektheit der Messung durch das Gericht in Betracht kommt, sind dem Betroffenen die Rohmessdaten in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen, damit der Betroffene etwaige Messfehler konkretisieren kann. Ohne eine Konkretisierung könnte ein Gericht aber einen Beweisantrag des Betroffenen auf Überprüfung der Messung als Ausforschungsbeweis betrachten (vgl. AG Weißenfels , Beschluss v. 3. 9. 2015 – 10 AR 1/15).

Die Rohmessdaten sind der Verteidigung auch in unverschlüsselter Form herauszugeben. Denn eine unabhängige Auswertung der Daten durch den Sachverständigen ist nur möglich, wenn die Daten zuvor entschlüsselt worden sind.

Die Verwaltungsbehörde kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass die Daten durch den Hersteller verschlüsselt werden und derzeit lediglich dieser zur Entschlüsselung in der Lage ist. Verfügungsberechtigt über die Messdaten ist allein die Behörde, die diese Daten erzeugt 1nd nhgpeppinhprt hat, Es ist daher Sarhe der Verwaltungsbehörde, die Rohdaten in unverschlüsselter Form zu beschaffen und dem Betroffenen auf sein Verlangen hin zur Verfügung zu stellen. (OLG Naumburg, VersR 2015, 1525; AG Weißenfels , Beschluss v. 3. 9. 2015 – 10 AR 1/15)

Genauso wenig kann der Betroffene darauf verwiesen werden, die unverschlüsselten Rohdaten unmittelbar bei der Fa ESO GmbH anzufordern, denn diese wäre zu einer Herausgabe an den Betroffenen gar nicht berechtigt, da sie keine Befugnis hat, über diese Daten zu verfügen (OLG Naumburg, a.a.O.).

Sofern die Verwaltungsbehörde also nicht in der Lage ist, die Daten selbst zu entschlüsseln, hat sie die unverschlüsselten Daten bei der Firma ESO anzufordern. Aus den genannten Gründen hat die Firma ESO die Daten dann unverschlüsselt herauszugeben, da sie — wie dargelegt — zur Verschlüsselung überhaupt nicht berechtigt ist.

Daher sind dem Betroffenen im vorliegenden Fall die Rohmessdaten durch die Verwaltungsbehörde in unverschlüsselter Form zu übergeben.

Bemerkenswert wie das AG den „Teufelskreis“, in dem sich Verteidiger und Betroffene aufgrund der teilsweise in der Rechtsprechung vertretenen Rechtsansichten zur Einsicht und Herausgabe in Rohmessdaten durchbricht. Bemerkenswert allerdings auch – jedoch nicht im positiven Sinn – dass die Zentralen Bußgeldbehörde die Auffassung des AG offenbar nicht interessiert. Denn sonst müsste das AG nicht im Tenor formulieren: „Der zentralen Bußgeldbehörde wird nochmals aufgegeben, …..“. und müsste die Behörde auch nicht die Fa. ESO „anweisen“. Allerdings: Interessant wird es, was das AG macht, wenn die Fa. ESO nicht entschlüsselt 🙂  .

Immer wieder ESO, heute: “ …..Onlineprogramm esodata.esodigitales.de hilft nicht weiter…“

entnommen wikimedia.org Urheber Jepessen

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Im Kampf gegen ESO ES 3.0 hilft vielleicht das AG Bad Kissingen, Urt. v. 30.11.2015 – 3 OWi 16 Js 3704/14, ergangen in einem Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Gemessen worden war mit dem „Einseitensensor ES3.0 in der Softwareversion 1.007.1.“. Das AG hat den Betroffenen dann frei gesprochen, „da die Messung des Betroffenen mit dem Einseitensensor ES3.0 der Fa. eso GmbH nicht beanstandungsfrei erfolgt ist„. In der Hauptverhandlung ist zu der Messung ein Sachverständiger der VUT/Püttlingen gehört worden, der zu der Messung und der Verwertbarkeit der Messdaten – für mich – interessante Ausführungen gemacht hat (ich räume allerdings ein: Ich bin kein Techniker 🙂 . Im Urteil des AG heißt es dazu u.a.:

„Bei der vorliegend verwendeten Softwareversion 1.007.1 – so der Sachverständige – sind lediglich noch die vom Messgerät (“vorläufig“) berechneten Geschwindigkeitswerte, die sogenannten Approx Trigger gespeichert. Diese liegen bei der Messung des Betroffenen zwischen 165 km/h und 173 km/h, weshalb der Sachverständige Hinweise auf erhebliche Schwankungen bei der Messwertbildung sieht. Ohne eine unabhängige Auswertung der Rohmessdaten kann die Richtigkeit des angezeigten Messwertes von 171 km/h aus technischer Sicht nicht bestätigt werden. Auch die vom Hersteller gegen Entgelt angebotene Rohdatenauswertung mittels dem Onlineprogramm esodata.esodigitales.de hilft nicht weiter, so der Sachverständige, da dabei nicht die Rohmessdaten, sondern lediglich grafisch aufbereitete Daten zur Verfügung gestellt werden. Die Echtheit kann aus technischer Sicht nicht sichergestellt bzw. kann eine Manipulation an den zum Hersteller übersandten und durch diesen entschlüsselten Daten – ob durch die beteiligten Unternehmen oder durch Dritte – technisch nicht ausgeschlossen werden. Die Prüfung des Onlineprogrammes des Herstellers ergibt, dass keine Auswertung durch eine Korrelationsrechnung erfolgt, sondern dass lediglich eine nachträgliche Auswertung der Messdaten mit dem im Messgerät implementierten Auswertealgorithmus stattfindet, was keine unabhängige Prüfung bzw. keine Sachverständigenleistung darstellt, da hierbei die selbe Auswertung wie im Messgerät erfolgt und unabdingbar das gleiche Ergebnis erzielt wird.“

Mal sehen, was ggf. das zuständige OLG – dürfte das OLG Bamberg sein – dazu sagt.

Akteneinsicht a la AG Neunkirchen, oder: Geht auch anders/richtig – Verfahren ausgesetzt

© Avanti/Ralf Poller - Fotolia.com

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Nach meinem Ärger über den AG Aichach, Beschl. v. 13.01.2016 – 3 OWi 93/15 – (vgl. dazu Akteneinsicht a la AG Aichach; oder: „Schuss nicht gehört“ bzw. BGH-Richter sollten sich nicht „umfangreiche und tiefgründige Gedanken“ machen), eine Entscheidung des AG Neunkirchen, über die der Kollege Gratz vom VerkehrsrechtsBlog gestern schon berichtet hat und die er mir freundlicher Weise zur Verfügung gestellt hat.

In dem Beschluss geht es zwar nicht um die Unterlagen, die im AG Aichach, Beschl. v. 13.01.2016 – 3 OWi 93/15 – eine Rolle gespielt haben, sondern um die Rohmessdaten, aber an der grundsätzlichen Frage ändert das m.E. nichts. Die Verteidigerin hat die Überlassung dieser Daten beantragt, sie bislang aber noch nicht bekommen. Das AG Neunkirchen setzt im AG Neunkirchen, Beschl. v. 30.12.2015 – 19 OWi 365/15 – das Verfahren aus bis die Verteidigung die unverschlüsselten Rohmessdaten erhalten hat.

„Die Verteidigerin hat die Herausgabe der Rohmessdaten der tatgegenständlichen Messung vom 18.06.2015 bei der zentralen Bußgeldbehörde beantragt, aber bislang nicht erhalten. Aufgrund des im vorliegenden Fall gegebenen standardisierten Messverfahrens, hat der Betroffene aus seinem Recht auf ein faires Verfahrens einen Anspruch auf eine effektive Verteidigung, wozu der Erhalt der Rohmessdaten unverzichtbar ist, da es dem Betroffenen obliegt, eventuelle Messfehler substantiiert vorzutragen.“

Geht also auch anders/richtig…

Rohmessdaten a la AG Hildesheim, oder: Aus einem Saulus wird ein Paulus

entnommen wikimedia.org Urheber Jepessen

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In der Vergangenheit habe ich ja immer unter dem Titel: „Akteneinsicht a la….“ über amtsgerichtliche Entscheidungen betreffend Akteneinsicht im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren berichtet. Das ist dann inzwischen doch eine verhältnismäßig große Zahl Entscheidungen geworden, die vorgestellt habe. Meist ging es um die Bedienungsanleitung und/oder andere Messunterlagen. Seit einiger Zeit spielen die Fragen aber nicht mehr eine so große Rolle.  Jetzt geht es mehr um die (unverschlüsselten) Rohmessdaten, die Verteidiger sehen möchten und die Verwaltungsbehörden mit unterschiedlichen Begründungen nicht herausrücken wollen. Auch zu der Frage gibt es schon eine ganze Reihe von Entscheidungen, wie z.B. der AG Trier, Beschl. v. 09.09.2015 – 35 OWi 640/15 und dazu: Akteneinsicht a la AG Trier: Da gibt es die Token-Datei und das Passwort zur Messreihe, der AG Bergisch-Gladbach, Beschl. v. 02.10.2015 – 48 OWi 35/1 5 [b], und dazu: Akteneinsicht a la Bergisch-Gladbach: Auch da gibt es die unverschlüsselten Rohmessdaten, der OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.05.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15, und dazu „Messdatei bei PoliscanSpeed nicht bekommen“ – Verletzung des rechtlichen Gehörs, der im AG Weißenfels, Beschl. v. 03.09.2015 – 10 AR 1/15 und dazu Akteneinsicht a la AG Weißenfels: Herausgabe der unverschlüsselten Rohmessdaten, oder: Anders würde ich auch nicht entscheiden……. 

Heute will ich mit dem AG Hildesheim, Beschl. v. 20.11.2015 – 112 OWi 35 Js 26360/15 – fortsetzen. Und da es wieder um die Rohmessdaten geht, ändere ich den Titel der Serie in „Rohmessdaten a la ….“.

Erhalten habe ich den Beschluss von der VUT aus Püttlingen, die über ihn heute auch in ihrem Newsletter berichten. Und die VUT hatte ihn vom Kollegen Koch aus Stadtallendorf.  Besten Dank für diese (schöne) Entscheidung. Schön deshalb, weil der Amtsrichter – auf der Grundlage der wohl h.M. in der Rechtsprechung – das Verfahren gegen den Betroffenen nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt hat. Er geht davon aus, dass es sich bei einer Messung mit ESO ES 3.0 zwar noch um ein standardisiertes Messverfahren handelt, der Betroffene dieses aber überpüfen können muss:

„Diese Vorgehensweise hält rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht stand. Im Ergebnis werden pauschale Behauptungen und Einwendungen der Betroffenen mit dem Hinweis auf ein standardisiertes Messverfahren zurückgewiesen, die von den Betroffenen geforderten konkreten Einwendungen können diese aber rein faktisch nicht vorbringen, weil ihnen nunmehr jegliche Prüfungsmöglichkeit verwehrt ist. Mit anderen Worten, zwar steht ihnen mit dem Einspruch theoretisch ein Rechtsmittel gegen eine Messung durch ES 3.0 zur Verfügung, rein praktisch haben sie aber keine Verteidigungsmöglichkeit gegen die Richtigkeit der Messung…..“

Deshalb sieht er – jetzt – unter Hinweis einen Anspruch des Betroffenen auf Überlassung der unverschlüsselten Daten.

„Das Amtsgericht folgt nunmehr dieser überzeugenden Ansicht. Wie ausgeführt haben Betroffene ohne die Herausgabe unverschlüsselter Rohmessdaten keine reelle Möglichkeit, gegen die Messung vorzugehen. Der Einspruch wird zu einer reinen Formalie und die Begründungspflicht für den Betroffenen wird zu einer unüberwindbaren Hürde.

Ein neuerlicher Beschluss nach § 62 OWiG ist dem Gericht verwehrt, da das Verfahren bereits abgegeben ist. Das Gericht hätte daher im vorliegenden Fall das Verfahren gemäß § 69 V OWiG an die Verwaltungsbehörde zurück verweisen können. Da jedoch der Betroffene vorliegend nicht weiter vorbelastet ist und lediglich eine Geldbuße von 80,00 Euro Gegenstand des Verfahrens ist, hat das Gericht zur Vermeidung des sich ergebenden Aufwandes (Zurückverweisung, Übermittlung der Daten, Prüfung durch Sachverständige, neue Verhandlung) eine Einstellung vorgenommen. Das Gericht behält sich vor, künftig in ähnlich gelagerten Fällen eine entsprechende Zurückverweisung vorzunehmen.“

Der Beschluss ist vor allem aber auch aus folgendem Grund „bemerkenswert“. Der Amtsrichter hatte in dem Verfahren in einem Beschluss vom 23.07.2015 einen Antrag des Verteidigers auf Offenlegung der Rohmessdaten der einzelnen Messungen und der Messserie, zurückgewiesen. An der Rechtsauffassung hält er jetzt nicht mehr fest. Das ist dei Wandlung vom Saulus zum Paulus. Findet man leider nur selten.