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Neun Jahre krank – und nicht dienstunfähig geschrieben? Ich habe meine Zweifel.

Gestern was der seit neun Jahre kranke Richter eins der beherrschenden Themen in den Blogs, u.a. hier beim Kollegen Nebgen, bei der Rechtsanwäldin,  bei indodocc. Die Bild-Zeitung hatte es ja auch zu schön aufbereitet, seit neun Jahren wegen „Entscheidungsschwäche“ nicht im Gerichtssaal, wohl auch alkoholkrank, 5.000 €/Monat, das ist der Stoff, aus dem Bild was macht.

Nur eins ist mir nicht ganz klar geworden: Geht das denn überhaupt? Greift nicht § 42 BBG oder/und ggf. der gleichlautende§ 26 Beamtenstatusgesetz“ für Sachsen-Anhalt (ich hoffe, dass ich die richtige Vorschrift gefunden habe), der im Zweifel auch für Richter gilt? Da heißt es:

Dienstunfähigkeit

(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Für Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden.

Danach müsste der Richter längst dienstunfähig geschrieben sein. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Landesjustizverwaltung ein solches „Spiel“, wie es in der Bild beschrieben wird, neun Jahre lang mit macht. Daher stellt sich die Frage: Ist der (ehemalige) Kollege nun wegen „Dienstunfähigkeit“ ausgeschieden. Im Bild-Artikel heißt es immerhin: „Er wurde suspendiert, kassierte aber weiter sein Gehalt.“ Dazu würden dann aber m.E. die 5.000 €/Monat nicht passen. So hoch dürften die monatlichen „Rentenbezüge“ eines Richters am LG (R 1) kaum sein.

Ich will die „Geschichte“ – wenn Sie denn wahr ist – gar nicht klein reden, aber: Ich habe aber meine Zweifel, irgendwo ist ein Haken. Vielleicht kann sich ja mal ein ggf. mitlesender Verwaltungsrechtler melden und Licht ins für mich bestehende Dunkel bringen. Ich hoffe nur, dass ich jetzt nichts übersehen habe – Verwaltungsrecht war noch nie meine Stärke :-). Da war ich immer „entscheidungsschwach ;-).

Schreibhilfe/Sekretärin bei der Strafkammer – unzulässig!

In einem „obiter dictum“, aber sehr deutlich, äußert sich der 2. Strafsenat des BGH in BGH, Beschl. v. 23.11.2011 – 2  StR 112/11 zu folgender Verfahrensweise beim LG Darmstadt: Dort lässt die Strafkammer ein Kammermitglied, das nicht der erkennenden Kammer angehört, in der Hauptverhandlung „mitschreiben“.

Dazu der BGH:

„Im Übrigen erscheint das Vorgehen des Landgerichts, die zwar der Strafkammer, nicht aber dem erkennenden Spruchkörper angehörende Richterin „zur Entlastung“ des Berichterstatters „ebenfalls mitschreiben“ zu lassen, unter dem Blickwinkel eines möglichen – hier von den Revisionen nicht gerügten – Verstoßes gegen § 261 StPO nicht unbedenklich. Anders als Ton- und Filmaufnahmen, die als Gedächtnisstütze des Gerichts grundsätzlich zulässig sind (vgl. Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. 2011 § 169 GVG Rn. 11), sind Auswahl und Inhalt der Mitschrift von Vorgängen in der Hauptverhandlung von den subjektiven Wahrnehmungen und Bewertungen des betreffenden Richters geprägt. Es handelt sich dabei um einen höchstpersönlichen Akt, der den „Inbegriff der Verhandlung“ aufbereitet und konkretisiert und die Grundlage für die Beratung und Urteilsfassung bildet. In dieser Funktion obliegt die Anfertigung von Mitschriften gemäß § 261 StPO allein den Mitgliedern des erkennenden Gerichts und kann nicht auf Dritte delegiert werden. „

Deutlicher als der BGH es ausdrückt kann man es m.E. kaum sagen, was davon zu halten ist: Unzulässig.

Wie schnell müssen Geschäftsstellen arbeiten?

Die Frage, wie schnell denn nun Geschäftsstellen arbeiten müssen, insbesondere wie schnell per Fax eingegangene Entbindungsanträge des Verteidigers/Betroffenen (§ 73 Abs. 2 OWiG) dem zuständigen Richter am HV-Tag vorgelegt werden müssen,stellt man sich, wenn man zwei obergerichtliche Entscheidungen mit einander vergleicht:

Einmal den KG, Beschl. v.10.11.2011 –  3 Ws (B) 529/11 – 2 Ss 286/11: Dort war um 10.58 Uhr am Sitzungstag, an dem die Hauptverhandlung für 13.00 Uhr anberaumt worden war, das Fax des Verteidigers in der zuständigen Geschäftsstelle des AG eingegangen. Die Amtsrichterin erreichte dieser Schriftsatz erst gegen 15.00 Uhr. Das KG hat das als nicht schnell genug angesehen.

Zum anderen der OLG Hamm, Beschl. v. 22.06.2011 – III 5 RBs 53/11:  Dort war der den Entbindungsantrag des Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG beinhaltende Schriftsatz des Verteidigers erst am Terminstag, um 09.00 Uhr und damit nur ca. eineinhalb Stunden vor der angesetzten Terminsstunde per Fax übermittelt worden. Das OLG lässt erkennen, dass das wohl nicht mehr rechtzeitig sein so.. Es führt dazu aus, dass es nicht die Auffassung des OLG Bamberg (Beschl. v. 25.03.2008, 3 Ss OWi 1326/08) teile. Danach soll es einem ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb entsprechen, dass ein erst 30 Minuten vor dem Beginn der Hauptverhandlung per Fax übermittelter Schriftsatz mit einem Antrag des Betroffenen auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen dem zuständigen Tatrichter noch zur Kenntnisnahme vorgelegt wird und der Antrag damit rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist. Diese Ansicht erscheine lebensfremd, sie entspreche nicht der Realität des Gerichtsalltags. Es sei gerichtsbekannt, dass es schon seit Jahren sowohl in Zivil- als auch Strafverfahren gängige Praxis der Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten der jeweiligen Beteiligten ist, Schriftsätze und sonstige Eingaben zunächst vorab per Fax – sogar mit den jeweils erforderlichen Abschriften – und sodann im Original bei Gericht (wenn überhaupt) einzureichen. Angesichts dieser gerichtsbekannten alltäglichen Handhabung mute es schon weltfremd an, einem per Fax übersandten Schreiben bereits aufgrund der gewählten Übermittlungsform eine wesensimmanente grundsätzliche Eilbedürftigkeit beizumessen.

Na ja, lassen wir dahingestellt, was lebensfremd ist. Jedenfalls scheinen die Geschäftstellen in Berlin und Bayern schneller zu arbeiten bzw. arbeiten zu müssen als in NRW.

Wer braucht Nachhilfe? Minister oder Richterin, bzw: Was denkt sich eigentlich ein IM,…

wenn er eine Richterin, die einen Polizeibeamten wegen des Einsatzes von Pfefferspray verurteilt hat, vor der Vorlage des schriftlichen begründeten Urteils anschreibt und „abmahnt“ (wenn man es denn so bezeichnen will)?

Offenbar gar nichts, denn sonst würde der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein Schlie die Kollegin nicht angeschrieben und gleich dann auch noch durch Veröffentlichung des Schreibens bei den Polizeibeamten des Landes an den Pranger gestellt haben. Zu dem Thema ist ja schon im Lawblog gepostet worden (vgl. hier „Minsterin bietet Richterin „Nachhilfe„) oder beim Kollegen Nebgen. Beide haben schön herausgearbeitet, worum es gehen kann, nämlich um die richterliche Unabhängigkeit.

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Ein wenig beruhigt hat mich die Reaktion des Kollegen Justizminister aus Schleswig-Holstein, der sich in seinem Schreiben dann doch mit recht deutlichen – öffentlich gemachten – Worten vor die Kollegin und die Richter des Landes gestellt hat. Wann liest man schon mal in der Politik „aus mehreren Gründen unangebracht„, oder unter: „5. Schließlich bitte ich bei Ihrem künftigen Umgang mit den schleswig-holsteinischen Gerichten…“ oder „Das ist schlicht nicht hinnehmbar.“ Alles in allem ein deutlicher Rüffel für den IM Schlie.

Was ich mich frage:

  1. Wo sind denn eigentlich die juristischen (und auch politischen) Berater des IM gewesen, als man das Schreiben erwogen hat. Normalerweise gibt es die in jedem Ministerium (oder ist Schleswig-Holstein so pleite, dass man sich die nicht mehr leistet bzw. leisten kann?). Die hätten sicherlich von der Absendung des Schreibens abgeraten. Oder haben Sie abgeraten und der IM hat allein entschieden?
  2. Und wenn ich mir die politische Vita des IM ansehe (hier auf Wikipedia – wenn es denn richtig ist -).
  • „Schlie trat als Schüler 1971 in die Junge Union und 1972 auch in die CDU ein. Seit 1999 ist er Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Herzogtum Lauenburg. Von 1978 bis 2005 gehörte er dem Kreistag des Kreises Herzogtum Lauenburg und von 1986 bis 1990 der Ratsversammlung der Stadt Mölln an.
  • Von 1996 bis zur Niederlegung seines Mandates am 27. April 2005 war er Mitglied des Landtages von Schleswig-Holstein. Hier war er von 2000 bis 2005 stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Außerdem war er von 1997 bis 2000 stellvertretender Vorsitzender des Sonderausschusses „Verfassungsreform“. Im Jahr 2000 zog er über die Landesliste in den Landtag ein, bei der Landtagswahl 2005 wurde er mit 46,9 % der Erststimmen im Wahlkreis Lauenburg-Mitte direkt gewählt.
  • Am 27. April 2005 wurde Schlie Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung und Entbürokratisierung im Finanzministerium. Am 27. Oktober 2009 folgte die Ernennung zum Innenminister.“

dann fragt man sich dann doch: „stellvertretender Vorsitzender des Sonderausschusses „Verfassungsreform“? Hat man da nicht vielleicht den Bock zum Gärtner gemacht?

Der jungen Kollegin (Proberichterin!!) kann man nur wünschen, dass Sie trotz dieses Schreibens den Spaß am Beruf behält.

„Die Mär von der Überversorgung von Richtern und Beamten“

so heißt ein Beitrag des Bundesgeschäftsführers des DRB in der DRiZ 2011, 157, auf den ich über Jurion Recht gestoßen bin. Der Beitrag passt ganz gut zu meinem gestrigen Posting zu den Nullrunden bei den Rechtsanwälten. In der Meldung von JurionRecht zu dem Beitrag heißt es:

Gegenstand des Beitrags ist eine Untersuchung des baden-württembergischen Landesfinanzministeriums zur Altersversorgung von Beamten, dessen Aussagen nach Ansicht des Autors auch auf die Altersversorgung von Richtern und Staatsanwälten übertragbar seien. Zunächst wird dargelegt, wie bei der Untersuchung die Vergleichbarkeit von Beamtenpensionen und Renten hergestellt wurde. So sei bei Angestellten nicht nur die gesetzliche Rente, sondern auch die betriebliche Altersversorgung zu berücksichtigen. Auch die Bildung der Vergleichsgruppen kommt zur Sprache. Anhand von vier Beispielsfällen wird aufgezeigt, dass in der Mehrzahl der Fälle die Alterssicherung der Rentner höher sei als die der vergleichbaren Pensionäre. So beziehe z.B. ein verbeamteter Bauingenieur (FH) als Pensionär eine Nettorente von 2.440,25 €. Ein vergleichbarer Kollege, der in der Wirtschaft tätig war, erhalte dagegen eine Nettorente von insgesamt 2.422,76 €. Vor diesem Hintergrund hält Schilling die in den Medien geäußerte Auffassung, Beamte seien überversorgt, für unzutreffend.“

Ok. Kann man so sehen, muss man aber nicht. Wen die Untersuchung aus Baden-Württemberg interessiert, der findet sie als LT-Drucksache 14/7405 im Angebot des dortigen Landtags.