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Rechtsbeugung durch den Richter, oder: Auch bei angemaßter Zuständigkeit

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An verschiedenen Stellen ist ja schon über ein Entscheidungsmarathon in einer Rechtsbeugungssache berichtet worden, der nun sein vorläufiges Ende beim BGH gefunden hat. Die nächste Runde ist aber eingeleitet, weil der BGH den Freispruch betreffend einen Angeklagten aufgehoben hat. Sachverhalt kurz wie folgt:

Eine zunächst ergangene Verurteilung eines einen 45 Jahre alten Richter und eines 55 Jahre alten Oberstaatsanwalts zu Bewährungsstrafen von zwei Jahren bzw. einem Jahr und acht Monaten hatte der BGH wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben (vgl. BGH, Beschl. v. 07.10.2010 – 5 StR 555/09 (vgl. dazu Verurteilung eines Richters und eines Oberstaatsanwaltes wegen Rechtsbeugung). Das Landgericht Potsdam hat dann im neuen Anlauf auf der Grundlage anderer Feststellungen den Richter und den Oberstaatsanwalt vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung freigesprochen. Das LG ist in diesem neuen Urteil zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angeklagten zwar erhebliche Verfahrensverstöße begangen, den Rechtsbeugungstatbestand aber gleichwohl nicht verwirklicht hätten, da ausreichende Anhaltspunkte für eine den Verfahrensfehlern zugrunde liegende sachwidrige Motivation und die Gefahr einer falschen Entscheidung zum Nachteil der Betroffenen nicht gegeben seien. Bei dieser Bewertung ist das LG davon ausgegangen, dass die in erster Linie in Frage stehenden Entscheidungen – die Beantragung bzw. der Erlass von Haftbefehlen durch die Angeklagten – inhaltlich zumindest vertretbar gewesen seien.

Der 5. Strafsenat des BGH hat mit BGH, Urt. v. 11.04.2013 – 5 StR 261/12 – den Freispruch gegen den Richter aufgehoben, weil bei ihm eine sachwidrige Motivation bei den Haftentscheidungen nicht rechtsfehlerfrei verneint wurde. Zwar seien die Haftentscheidungen inhaltlich nicht unvertretbar; die Zuständigkeit des angeklagten Richters für den Erlass der Haftbefehle sei hingegen unter keinem Gesichtspunkt gegeben gewesen. Der Freispruch gegen den angeklagten Oberstaatsanwalt hatte hingegen Bestand, weil dieser nach den getroffenen Feststellungen des Landgerichts von der Zuständigkeit des Richters ausging.

Aus dem umfangreichen Urteil – es ist 30 Seiten lang – :

aa) Die bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht für den Rechtsbeugungstatbestand notwendige konkrete Gefahr einer „falschen“ Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Richter aus sachfremden Erwägungen die Zuständigkeit an sich zieht, um zu Gunsten oder zu Lasten einer Prozesspartei eine von ihm gewünschte Entscheidung herbeizuführen, die bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre (BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, vom 20. September 2000 – 2 StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6, und vom 29. Okto-ber 2009 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310). Diese Voraussetzungen sind bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn eine in mit sachwidriger Motivation angemaßter Zuständigkeit getroffene Entscheidung vom zuständigen Richter aufgrund abweichender Sachverhaltseinschätzung, anderer Bewertung eines Beurteilungsspielraums oder abweichender Ermessensausübung anders hät-te getroffen werden können, wie der unzuständige Richter weiß.

Muss ich meine Berufsbezeichnung überdenken, oder gar ändern?

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Jeder hat es schon erlebt: Man liest eine Entscheidung oder zunächst auch nur eine PM zu einer Entscheidung und denkt sich dann: Hm, was will mir dieses Urteil sagen?“, bzw.: Welche Auswirkungen hat dieses Urteil für mich. So ist es mir ergangen bei der PM des OLG Karlsruhe zum OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.08.2012 – 4 U 90/12, das sich mit der Frage befasst hat, ob ein Steuerberater neben seiner Berufsbezeichnung auch den Zusatz „Vorsitzender Richter a.D.“ führen darf. Das OLG hat das unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 StBerG verneint.

Etwas unruhig hat mich das Urteil dann schon gemacht, weil sich für mich natürlich die Frage stellt(e), ob ich die Berufsbezeichnung „RiOLG a.D.“ führen darf oder nicht. Aber, wie häufig: Ein (nochmaliger) Blick ins Gesetz, und zwar die BRAO, hat mich dann beruhigt. Eine dem § 43 Abs. 2 StBerG vergleichbare Vorschrift gibt es in der BRAO nicht. Entsprechend wird man die ausdrückliche Regelung wohl kaum anwenden können.

Allerdings: Dann stellt sich natürlich immer auch noch die Frage der Werbung (§ 43b BRAO); die Vorschrift will ich mal lieber gleich erwähnen, da der ein oder andere mehr oder wenige wohl gesonnene Kommentator sicherlich darauf verweisen wird. Aber ich kann ihn „beruhigen“: Nach Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl. 2010, § 43b Rn. 18, darf der Rechtsanwalt frühere Berufe, die in Verbindung mit seiner Berufsausübung stehen, bekannt geben. Ausdrücklich erwähnt wird der richterliche Beruf 🙂 und Bezug genommen auf BGH und OLG Hamm.

Fazit: Ich muss nichts ändern. 😀

 

Neun Jahre krank – und nicht dienstunfähig geschrieben? Ich habe meine Zweifel.

Gestern was der seit neun Jahre kranke Richter eins der beherrschenden Themen in den Blogs, u.a. hier beim Kollegen Nebgen, bei der Rechtsanwäldin,  bei indodocc. Die Bild-Zeitung hatte es ja auch zu schön aufbereitet, seit neun Jahren wegen „Entscheidungsschwäche“ nicht im Gerichtssaal, wohl auch alkoholkrank, 5.000 €/Monat, das ist der Stoff, aus dem Bild was macht.

Nur eins ist mir nicht ganz klar geworden: Geht das denn überhaupt? Greift nicht § 42 BBG oder/und ggf. der gleichlautende§ 26 Beamtenstatusgesetz“ für Sachsen-Anhalt (ich hoffe, dass ich die richtige Vorschrift gefunden habe), der im Zweifel auch für Richter gilt? Da heißt es:

Dienstunfähigkeit

(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Für Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden.

Danach müsste der Richter längst dienstunfähig geschrieben sein. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Landesjustizverwaltung ein solches „Spiel“, wie es in der Bild beschrieben wird, neun Jahre lang mit macht. Daher stellt sich die Frage: Ist der (ehemalige) Kollege nun wegen „Dienstunfähigkeit“ ausgeschieden. Im Bild-Artikel heißt es immerhin: „Er wurde suspendiert, kassierte aber weiter sein Gehalt.“ Dazu würden dann aber m.E. die 5.000 €/Monat nicht passen. So hoch dürften die monatlichen „Rentenbezüge“ eines Richters am LG (R 1) kaum sein.

Ich will die „Geschichte“ – wenn Sie denn wahr ist – gar nicht klein reden, aber: Ich habe aber meine Zweifel, irgendwo ist ein Haken. Vielleicht kann sich ja mal ein ggf. mitlesender Verwaltungsrechtler melden und Licht ins für mich bestehende Dunkel bringen. Ich hoffe nur, dass ich jetzt nichts übersehen habe – Verwaltungsrecht war noch nie meine Stärke :-). Da war ich immer „entscheidungsschwach ;-).

Schreibhilfe/Sekretärin bei der Strafkammer – unzulässig!

In einem „obiter dictum“, aber sehr deutlich, äußert sich der 2. Strafsenat des BGH in BGH, Beschl. v. 23.11.2011 – 2  StR 112/11 zu folgender Verfahrensweise beim LG Darmstadt: Dort lässt die Strafkammer ein Kammermitglied, das nicht der erkennenden Kammer angehört, in der Hauptverhandlung „mitschreiben“.

Dazu der BGH:

„Im Übrigen erscheint das Vorgehen des Landgerichts, die zwar der Strafkammer, nicht aber dem erkennenden Spruchkörper angehörende Richterin „zur Entlastung“ des Berichterstatters „ebenfalls mitschreiben“ zu lassen, unter dem Blickwinkel eines möglichen – hier von den Revisionen nicht gerügten – Verstoßes gegen § 261 StPO nicht unbedenklich. Anders als Ton- und Filmaufnahmen, die als Gedächtnisstütze des Gerichts grundsätzlich zulässig sind (vgl. Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. 2011 § 169 GVG Rn. 11), sind Auswahl und Inhalt der Mitschrift von Vorgängen in der Hauptverhandlung von den subjektiven Wahrnehmungen und Bewertungen des betreffenden Richters geprägt. Es handelt sich dabei um einen höchstpersönlichen Akt, der den „Inbegriff der Verhandlung“ aufbereitet und konkretisiert und die Grundlage für die Beratung und Urteilsfassung bildet. In dieser Funktion obliegt die Anfertigung von Mitschriften gemäß § 261 StPO allein den Mitgliedern des erkennenden Gerichts und kann nicht auf Dritte delegiert werden. „

Deutlicher als der BGH es ausdrückt kann man es m.E. kaum sagen, was davon zu halten ist: Unzulässig.

Wie schnell müssen Geschäftsstellen arbeiten?

Die Frage, wie schnell denn nun Geschäftsstellen arbeiten müssen, insbesondere wie schnell per Fax eingegangene Entbindungsanträge des Verteidigers/Betroffenen (§ 73 Abs. 2 OWiG) dem zuständigen Richter am HV-Tag vorgelegt werden müssen,stellt man sich, wenn man zwei obergerichtliche Entscheidungen mit einander vergleicht:

Einmal den KG, Beschl. v.10.11.2011 –  3 Ws (B) 529/11 – 2 Ss 286/11: Dort war um 10.58 Uhr am Sitzungstag, an dem die Hauptverhandlung für 13.00 Uhr anberaumt worden war, das Fax des Verteidigers in der zuständigen Geschäftsstelle des AG eingegangen. Die Amtsrichterin erreichte dieser Schriftsatz erst gegen 15.00 Uhr. Das KG hat das als nicht schnell genug angesehen.

Zum anderen der OLG Hamm, Beschl. v. 22.06.2011 – III 5 RBs 53/11:  Dort war der den Entbindungsantrag des Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG beinhaltende Schriftsatz des Verteidigers erst am Terminstag, um 09.00 Uhr und damit nur ca. eineinhalb Stunden vor der angesetzten Terminsstunde per Fax übermittelt worden. Das OLG lässt erkennen, dass das wohl nicht mehr rechtzeitig sein so.. Es führt dazu aus, dass es nicht die Auffassung des OLG Bamberg (Beschl. v. 25.03.2008, 3 Ss OWi 1326/08) teile. Danach soll es einem ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb entsprechen, dass ein erst 30 Minuten vor dem Beginn der Hauptverhandlung per Fax übermittelter Schriftsatz mit einem Antrag des Betroffenen auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen dem zuständigen Tatrichter noch zur Kenntnisnahme vorgelegt wird und der Antrag damit rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist. Diese Ansicht erscheine lebensfremd, sie entspreche nicht der Realität des Gerichtsalltags. Es sei gerichtsbekannt, dass es schon seit Jahren sowohl in Zivil- als auch Strafverfahren gängige Praxis der Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten der jeweiligen Beteiligten ist, Schriftsätze und sonstige Eingaben zunächst vorab per Fax – sogar mit den jeweils erforderlichen Abschriften – und sodann im Original bei Gericht (wenn überhaupt) einzureichen. Angesichts dieser gerichtsbekannten alltäglichen Handhabung mute es schon weltfremd an, einem per Fax übersandten Schreiben bereits aufgrund der gewählten Übermittlungsform eine wesensimmanente grundsätzliche Eilbedürftigkeit beizumessen.

Na ja, lassen wir dahingestellt, was lebensfremd ist. Jedenfalls scheinen die Geschäftstellen in Berlin und Bayern schneller zu arbeiten bzw. arbeiten zu müssen als in NRW.