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Wenn der Beisitzer in der HV abwesend ist/war, oder: Wo war er denn?

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Das zweite Posting der Woche befasst sich dann mit dem BGH, Beschl. v. 03.04.2019 – 5 StR 87/19. Das LG Frankfurt (Oder) hat den Angeklagten u.a. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die mit der Verfahrensrüge Erfolg hatte. Beanstandet worden war, dass der Beisitzer am zweiten HV-Tag nicht anwesend war:

„Das Rechtsmittel des Angeklagten L. hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.

1. Die Revision beanstandet, dass der beisitzende Richter am Landgericht D. am zweiten Sitzungstag der insgesamt zweitägigen Hauptverhandlung – an dem Teile der Beweisaufnahme, unter anderem die Vernehmung einer Zeugin und die Verlesung von Urkunden, durchgeführt, die Schlussvorträge gehalten und das Urteil verkündet wurde – nicht anwesend war. Dies ist durch das Hauptverhandlungsprotokoll, das keine Berichtigung erfahren hat, im Sinne des § 274 StPO bewiesen.

a) Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben.

Das Revisionsvorbringen genügt den Erfordernissen des vollständigen Tatsachenvortrags im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Insbesondere handelt es sich entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht lediglich um eine unzulässige Protokollrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11, StraFo 2011, 317; Urteil vom 20. April 2006 – 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52, 53). Dem Revisionsvorbringen ist vielmehr die bestimmte Behauptung zu entnehmen, dass der beisitzende Richter D. am zweiten Hauptverhandlungstag abwesend war. Die in diesem Zusammenhang an ein wörtliches Zitat aus dem Sitzungsprotokoll anknüpfende Formulierung in der Revisionsbegründungsschrift, wonach der beisitzende Richter „danach“ – nach dem zitierten Protokollinhalt – nicht anwesend war, dient allein der Beweisführung hinsichtlich des behaupteten Verfahrensfehlers (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 497/14) und beanstandet nicht lediglich eine unzureichende Protokollierung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13, BGHSt 59, 130, 132 f.).

b) Die Beanstandung hat auch in der Sache Erfolg und begründet einen absoluten Revisionsgrund nach § 226 Abs. 1 i.V.m. § 338 StPO.

Die Abwesenheit eines (beisitzenden) Richters oder eines Schöffen während wesentlicher Teile der Hauptverhandlung führt nach der bisherigen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur zum absoluten Revisionsgrund der vorschriftswidrigen Gerichtsbesetzung im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO (BGH, Urteile vom 12. Juli 2001 – 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062, und vom 11. Februar 1999 – 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 365; Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 5 StR 564/81, NStZ 1982, 41; SSW-StPO/Momsen, 3. Aufl., § 338 Rn. 43; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 338 Rn. 71; Löwe/Rosenberg/Franke, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 80). Ob Fallkonstellationen der psychischen oder physischen Abwesenheit von Richtern stattdessen unter § 338 Nr. 5 StPO zu subsumieren sind (hierfür Löwe/Rosenberg/Becker, aaO, § 226 Rn. 27 mwN; mit ausdrücklich formulierter Neigung zur Anwendung von § 338 Nr. 5 StPO, im Ergebnis aber offenlassend BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 84/16, NStZ 2017, 372, 373) bedarf hier keiner Entscheidung, da eine Rügepräklusion auch bei Anwendung des § 338 Nr. 1 StPO vorliegend ausscheidet (vgl. BGH, aaO; Urteil vom 11. Februar 1999 – 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 364).“

Interessante Frage: War er nun wirklich nicht anwesend oder ist/war das Protokoll nur falsch? Hoffen wir mal, dass das Letztere der Fall ist.

BGH I: Der (ehemalige) Staatsanwalt als Richter, oder: Sehenden Auges ins Verderben?

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Heute dann ein wenig Verfahrensrecht vom BGH.

Zunächst aber der Hinweis: Es ist heute ein besonderer Tag für das „BOB“, denn heute sprint der Zähler um. Es geht der 9.000 Beitrag online – immerhin :-). Und das allein, nun ja fast, da einige Beiträge aus der WKD-Zeit von der damaligen „Betreuerin“ stammen.Also, auf geht es- der Weg bsi zum 10.000 Beitrag ist ja nicht so lang. Der dürfte dann, wenn alles glat geht, im nächsten Jahr online gehen.

Den „Jubiläumstag“ eröffne ich dann mit dem BGH, Beschl. v.18.09.2018 – 1 StR 454/18. Er behandelt eine verfahrensmäßig geanz interessante Situation, die man unter die Überschrift „Staatsanwalt als Richter“ fassen könnte.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln. Die Sache war schon mal beim BGH, sie befand sich also nach Aufhebung und Zurückverweisung im zweiten „Rechtsgang“.Der Angeklagte hatte gegen seine Verurteilung Revision eingelegt und die hatte mit einer Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 2 StPO i.V.m. § 22 Nr. 4 StPO Erfolg. Der Angeklagte hat zu Recht geltend gemacht, dass an der Entscheidung des Landgerichts ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war:

„Der beisitzende Richter am Landgericht Dr. S. erstellte mit Verfügung vom 9. Oktober 2017 einen Vermerk, mit dem er darauf hinwies, dass Gegenstand der vorliegenden Akte auch Erkenntnisse aus einem Verfahrenskomplex gegen K. u.a. sind, der bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe – Zweigstelle Pforzheim – unter dem Aktenzeichen u.a. geführt wurde. Die aus diesem Verfahrenskomplex stammenden Vorwürfe gegen den Angeklagten wurden durch die Staatsanwaltschaft sämtlich gemäß §§ 154 Abs. 1, 170 Abs. 2 StPO eingestellt. An der Bearbeitung dieses Verfahrenskomplexes war der beisitzende Richter als Dezernent der Staatsanwaltschaft Karlsruhe – Zweigstelle Pforzheim – beteiligt. Nach seiner Einschätzung liege trotz seiner Befassung mit dem Parallelverfahren weder ein Fall des § 22 Nr. 4 StPO noch ein Grund für eine Selbstanzeige nach § 30 StPO vor.

Diesen Vermerk übersandte der Vorsitzende Richter Vizepräsident des Landgerichts R. am 23. Oktober 2017 dem Verteidiger des Angeklagten zur Kenntnis mit Vorschlägen für die Terminierung der Hauptverhandlung. Der Verteidiger erwiderte mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2017, dass der Begriff der Sache i.S.d. § 22 StPO weit auszulegen sei und keine Verfahrensidentität voraussetze. Eine Änderung in der Besetzung der Strafkammer erfolgte nicht.

Der im Vermerk des beisitzenden Richters benannte Verfahrenskomplex bezog sich in Bezug auf den Angeklagten entsprechend der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe – Zweigstelle Pforzheim – vom 19. November 2015 u.a. auf den Tatvorwurf der Abgabe und gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige durch Überlassen und Verkauf von Marihuana und Haschisch an den 16-jährigen G. im Tatzeitraum zwischen Anfang 2014 und 31. August 2014. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gegen den Angeklagten war auch das Verbringen einer Schusswaffe in den Geltungsbereich des Waffengesetzes durch Einfuhr einer halbautomatischen Kurzwaffe aus Spanien nach Deutschland zwischen 1980 und dem 11. Februar 2015.

Verfahrensgegenstand im mit der Revision angegriffenen Urteil des Landgerichts ist die Abgabe von Betäubungsmitteln an den 16-jährigen G. im Tatzeitraum vom 1. Oktober bis 29. November 2014 in 16 im Einzelnen nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten sowie der Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe, die beim Angeklagten bei einer Durchsuchung am 11. Februar 2015 aufgefunden wurde. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten bei der Abgabe von Betäubungsmitteln im Wesentlichen auf die Angaben des Zeugen G. , die es für uneingeschränkt glaubhaft erachtet.

II.

Die zulässig erhobene Verfahrensrüge führt zur Urteilsaufhebung.

Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 2 StPO i.V.m. § 22 Nr. 4 StPO ist gegeben. Bei dem angegriffenen Urteil wirkte ein Richter mit, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, weil er zuvor in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig gewesen war.

1. Nach § 22 Nr. 4 StPO ist ein Richter u.a. dann von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen, wenn er „in der Sache“ als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig gewesen ist.

a) Unter „der Sache“ ist grundsätzlich dasjenige Verfahren zu verstehen, welches die strafrechtliche Verfolgung einer bestimmten Straftat zum Gegenstand hat. Es kommt also in erster Linie auf die Identität des historischen Ereignisses an, um dessen Aufklärung es zu der Zeit ging, als der Richter in nicht-richterlicher Funktion tätig war. Der Annahme einer solchen Identität steht auch das Vorliegen mehrerer selbständiger Taten im Sinne des § 264 StPO nicht entgegen. Vielmehr entscheidet in solchen Fällen regelmäßig die Einheit der Hauptverhandlung; sie kann auch solche Vorgänge, die bei natürlicher Betrachtung als verschiedene historische Ereignisse erscheinen, zu einer Einheit zusammenfassen (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2003 – 1 StR 102/03, StraFo 2004, 91 und vom 16. Januar 1979 – 1 StR 575/78, BGHSt 28, 262, 263 mwN).

b) Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Vorschrift des § 22 Nr. 4 StPO keineswegs nur dazu da ist, das Strafverfahren gegen eine aus früherer anderweitiger Tätigkeit abzuleitende Voreingenommenheit zu schützen. Sie ist vielmehr auch dazu bestimmt, bereits den Schein eines Verdachts der Parteilichkeit zu vermeiden (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2003 – 1 StR 102/03, StraFo 2004, 91; vom 16. Januar 1979 – 1 StR 575/78, BGHSt 28, 262, 265 und vom 25. Mai 1956 – 2 StR 96/56, BGHSt 9, 193, 194 f.; Beschluss vom 12. August 2010 – 4 StR 378/10, NStZ 2011, 106). Daraus kann sich die Notwendigkeit ergeben, § 22 Nr. 4 StPO auch anzuwenden, wenn es an der für den Normalfall vorausgesetzten Verfahrenseinheit fehlt. Der Verdacht der Parteilichkeit kann jedoch bei mehreren für eine einheitliche Behandlung in Betracht zu ziehenden Verfahren vernünftigerweise nur aufkommen, wenn zumindest ein enger und für die zu treffende Entscheidung bedeutsamer Sachzusammenhang besteht (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2003 – 1 StR 102/03, StraFo 2004, 91; vom 16. Januar 1979 – 1 StR 575/78, BGHSt 28, 262, 265 und vom 25. Mai 1956 – 2 StR 96/56, BGHSt 9, 193, 195).

2. Eine „Einheit der Sache“ in diesem Sinne gemäß § 22 Nr. 4 StPO ist hier gegeben.

Zwischen dem vom beisitzenden Richter im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Sachverhalt und dem von ihm in seiner früheren Funktion als Staatsanwalt bearbeiteten Verfahrenskomplex besteht ein solcher enger und bedeutsamer Sachzusammenhang. So betrifft die vom Landgericht abzuurteilende Tat nach Ziffer II. der Urteilsgründe (UA S. 7 f.) mit der Abgabe von Betäubungsmitteln durch den Angeklagten an den 16-jährigen Zeugen G. im Tatzeitraum vom 1. Oktober 2014 bis 29. November 2014 einen gleichgelagerten Lebenssachverhalt zu dem früher geführten Ermittlungsverfahren mit fast nahtlos aneinander anschließenden Tatzeiträumen von Anfang 2014 bis 31. August 2014. Bei beiden Taten war die Aussage und die Glaubwürdigkeit des Zeugen G. für den Tatnachweis von wesentlicher Bedeutung. Ein solcher enger Sachzusammenhang bestand auch in Bezug auf das unerlaubte Verbringen und den Besitz der halbautomatischen Kurzwaffe.“

M.E. mal wieder so eine Sache, in der die Strafkammer sehenden Auges ins Verderben rennt, vielleicht nach dem Motto: Soll schon gut gehen.

Wenn der Richter krank wird/war, oder: Immer schön der Reihe nach

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Ich habe vorhin gerade über den BGH, Beschl. v. 11.05.2016 – 1 StR 352/15 (vgl. Urteilsunterschift: „BE ist in Urlaub“, reicht, oder: Da kommt man kaum ran….) berichtet. Dazu passt dann ganz gut der KG, Beschl. v. 10.06.2016 (4) 121 Ss 75/16 (99/16). Er behandelt auch ein Problem aus dem Bereich des § 275 StPO, nämlich die Frage der Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist bei Erkrankung des einzigen Berufsrichters, hier in der Berufungskammer. Da war die Vorsitzende während des Laufs der Urteilsabsetzungsfrist erkrankt und dienstunfähig . Als sie wieder im Dienst war, hat sie zunächst eine Hauptverhandlung vorbereitet und durchgeführt und sich erst dann um die Absetzung des Urteils gekümmert.

Das KG sagt: Falsche Reihenfolge. Denn – so der Leitsatz:  Ist der einzige Berufsrichter durch Krankheit an der fristgerechten Urteilsabsetzung gehindert, so hat er das Urteil nach Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit ohne jede weitere Verzögerung und mit Vorrang vor anderen aufschiebbaren Dienstgeschäften zu den Akten zu bringen. Die Vorbereitung und Durchführung einer Hauptverhandlung muss demgegenüber zurücktreten, ggf. ist sie nach Feststellung der dienstlichen Verhinderung durch das Präsidium dem Vertreter zu übertragen. Das KG begründet die Aufhebung des verspätet abgesetzten Urteils:

„bb) Das Tatbestandsmerkmal „solange“ des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO war aber nicht mehr erfüllt, als das Urteil am 20. Januar 2016 auf der Geschäftsstelle einging. Ist das Urteil infolge eines im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstandes nicht binnen der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gelangt, muss das Gericht das Urteil bei Beseitigung des Hindernisses mit aller möglichen Beschleunigung fertigstellen (vgl. BGH a.a.O.; BayObLG a.a.O.). Das ist vorliegend nicht geschehen.

Das der Urteilsabsetzung durch die Vorsitzende der kleinen Kammer entgegen stehende Hindernis war mit der (zwischenzeitlichen) Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit ab dem 19. Dezember 2015 weggefallen. Da zu diesem Zeitpunkt die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO bereits verstrichen war, war das Urteil nunmehr unverzüglich, ohne jede weitere Verzögerung und mit Vorrang vor anderen Dienstgeschäften zu den Akten zu bringen. Zwar ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorsitzende der Fertigstellung des früher verkündeten und ebenfalls mit der Revision angefochtenen Urteils in der Berufungssache 580-195/13 Vorrang vor der Urteilsabsetzung in hiesiger Sache eingeräumt hat. Denn es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Richters, in welcher Reihenfolge er mehrere rückständige Urteile absetzt (vgl. LR/Stuckenberg a.a.O. Rn. 13 m.w.Nachw.). Dass dieses Ermessen vorliegend fehlerhaft ausgeübt worden wäre, ist nicht ersichtlich. Die Pflicht des Gerichts, nach Wegfall des Hinderungsgrundes das Urteil schnellstmöglich mit den Gründen versehen und unterschrieben zu den Akten zu bringen, geht aber allen aufschiebbaren Dienstpflichten vor. Die Vorbereitung und Durchführung der Berufungshauptverhandlung in der Nichthaftsache 580-25/14 hatte danach zurückzutreten, um eine rasche Absetzung des bereits verkündeten und überfälligen Urteils innerhalb der der Vorsitzenden für die Erfüllung ihrer richterlichen Aufgaben zur Verfügung stehenden Arbeitszeit – sie war im fraglichen Zeitraum nur mit einem halben Richterpensum in der Rechtsprechung (als amtierende Vorsitzende der 80. kleinen Strafkammer) tätig und hat mit einem halben Richterpensum Verwaltungstätigkeit als Leiterin der Führungsaufsichtsstelle verrichtet – zu ermöglichen. Der Termin zur Durchführung der Berufungshauptverhandlung am 30. Dezember 2015 hätte daher – auch wenn es sich bei der zu verhandelnden Sache um ein (ebenfalls) sehr altes Verfahren mit Tatvorwürfen aus dem Jahre 2012 gehandelt hat – verlegt oder nach vorheriger Feststellung der dienstlichen Verhinderung der Vorsitzenden durch das Präsidium des Landgerichts von dem im Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Vertreter wahrgenommen werden müssen. Angesichts des Umstandes, dass die Berufungen, über die mit dem angefochtenen Urteil entschieden worden ist, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt gewesen sind, dem Urteil eine Verständigung im Strafverfahren vorausgegangen und der Umfang der durchgeführten Beweisaufnahme überschaubar war, hätte das Urteil in der tatsächlich für die Vorbereitung und Durchführung der Berufungshaupt-verhandlung in der Sache 580-25/14 aufgewendeten Arbeitszeit im richterlichen Dezernat von der Vorsitzenden fertiggestellt und noch vor ihrer erneuten Erkrankung am 4. Januar 2016 zu den Akten gebracht werden können.“

Also: Immer schön der Reihe nach….

„….der Richter hat das Protokoll gefälscht!“ — Vorsicht, Vorsicht!

Urteil Rechtsanwalt in Robe mit SchildVorsicht, Vorsicht, kann man nur sagen, wenn gegen einen Richter der Vorwurf der Protokollfälschung erhoben wird. Das hatte der spätere Angeklagte als Rechtsanwalt einer Partei eines Arbeitsgerichtsprozesses in Berlin getan. Der Rechtsanwalt hatte Strafanzeige gegen einen Richter am Arbeitsgericht wegen Rechtsbeugung, Beleidigung u.a. erstattet und dazu ausgeführt, dass der Richter eine Passage des Tatbestandes in einem Urteil des ArbG Berlin frei erfunden habe, um aus persönlicher Abneigung gegen den vom Angeklagten vertretenen Anzeigenden die Klage abweisen zu können. Der Angeklagte/Rechtsanwalt hatte dann in seinem Beschwerdeschriftsatz an die GStA Berlin, mit dem er sich gegen die Einstellung des auf die vorgenannte Strafanzeige eingeleiteten Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO wandte, dann behauptet, dass der Richter das Protokoll der Hauptverhandlung gefälscht habe. Er ist wegen dieser Äußerungen verurteilt worden. Übrig geblieben ist nach der Revision nun noch eine im Schuldspruch rechtskräftige Verurteilung wegen Verleumdung (§ 187 StGB). Dazu der KG, Beschl. v. 31. 07. 2015 – (1) 161 Ss 131/15 (8/15):

„2. Die Feststellungen des Urteils tragen den Schuldspruch wegen Verleumdung (§ 187 StGB). Entgegen der Auffassung der Revision ist in dem Vorwurf der Protokollfälschung, den der Angeklagte erhoben hat, nicht nur eine pauschale, wertende Behauptung, sondern vor dem Hintergrund des Gesamtzusammenhanges seiner Schilderung der tatsächlichen Vorgänge in der Hauptverhandlung die Behauptung einer Tatsache zu sehen, die geeignet ist, den Richter verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.

Der Tatsachenbegriff des § 187 StGB ist grundsätzlich weit zu verstehen und nur vom Bereich innersubjektiven Meinens und Wertens begrenzt (vgl. Fischer a.a.O., § 186 Rdnr. 2 m.w.N.). Nach verbreiteter Definition erfasst er alles, was wahr oder falsch sein kann und als Wahrheitsbehauptung der Nachprüfbarkeit grundsätzlich zugänglich sein könnte, ohne dass es auf eine konkrete Möglichkeit des Beweises ankommt (vgl. BVerfGE 90, 241, 247; 94, 1, 8). Bei der Behauptung, der Richter am Arbeitsgericht habe das Protokoll zur mündlichen Verhandlung gefälscht bzw. eine Protokollfälschung begangen, handelt es sich danach um eine solche der Überprüfung zugängliche Tatsachenbehauptung, denn sowohl die inhaltliche Richtigkeit des Protokolls, als auch die Frage einer Ausstellertäuschung könnten einer Nachprüfung unterzogen werden. Bei der Abgrenzung von Meinungsäußerungen (die dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in den Schranken der allgemeinen Gesetze unterfallen) und Tatsachenbehauptungen ist jedoch zu beachten, dass beide häufig miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In diesem Fall ist eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird; wo das nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen und in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte (vgl. BVerfGE 61, 1, 9; 85, 1, 15 f.). Insoweit enthält das angefochtene Urteil zwar keine eingehende Begründung zu der dem Tatrichter obliegenden Entscheidung, ob es sich bei der in Rede stehenden Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil handelt. Im Zusammenhang mit den im Urteil mitgeteilten wiederholten ehrenrührigen Angriffen des Angeklagten, seiner Intention und seinen tatsächlichen Schilderungen des Ablaufes des Hauptverhandlung vor dem Arbeitsgericht ergibt sich in der Gesamtschau eindeutig das Vorliegen einer Tatsachenbehauptung. Der Beschwerdeschriftsatz war nicht nur von dem Rechtsbegriff „Fälschung“, der allein auch ein Werturteil darstellen könnte, geprägt, sondern von wahrheitswidriger Darstellung tatsächlicher Abläufe, die den Geschädigten verächtlich machen sollten und von denen sich der Angeklagte die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens erhoffte. Ausdrücklich hat der Angeklagte darauf verwiesen, dass der Geschädigte in dem Protokoll die Unwahrheit gesagt habe und sich nicht an das gehalten habe, was in der Hauptverhandlung tatsächlich vorgefallen sei. Dies hat er im Beschwerdeschriftsatz weiter dahin erläutert (vgl. UA S. 13f):

„Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein amtierender Richter in einem Protokoll einer mündlichen Verhandlung nicht die Unwahrheit sagt, sondern sich strikt an das hält, was tatsächlich in der mündlichen Verhandlung vorgefallen ist. (…) Im Übrigen ist es nicht richtig, dass sich die Fälschung des Protokolls nicht auf das Urteil ausgewirkt hat. Denn das Urteil wird maßgeblich auf die angebliche Aussage des Unterzeichners in der mündlichen Verhandlung gestützt. Dies werden wir noch im Einzelnen innerhalb der beantragten Frist bis zum 18. November 2011 darlegen (…) Der Vorwurf in diesem Strafverfahren geht (…) dahin, dass der Richter am Arbeitsgericht S. das Protokoll einer mündlichen Verhandlung vorsätzlich gefälscht hat (…).“

 

Der pensionierte Richter als Rechtsanwalt – ich war es nicht

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An verschiedenen Stellen ist ja schon über den VG Münster, Beschl. v. 10.11.2015 – 4 L 1081/15 – berichtet worden. In dem Beschluss geht es um den Bescheid eines OLG-Präsidenten, der einem ehemaligen Richter, untersagt hatte, bis zum 31. 12.. 2019 vor seinem ehemaligen Dienstgericht, als Rechtsanwalt aufzutreten. Grundlage waren § 71 DRiG, 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG NRW, wonach Ruhestandsbeamtinnen und ?beamte sowie frühere Beamtinnen und Beamte mit Versorgungsbezügen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes, die mit der dienstlichen Tätigkeit innerhalb eines Zeitraums im Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können, anzeigen müssen. Nach Bekanntwerden des Beschlusses hatten mich verschiedene Kollegen gefargt, ob ich der Antragsteller aus dem Verfahren gewesen sei.

Vorab: Nein, bin/war ich nicht. Erstens wäre die Untersagung, nachdem ich mit Ablauf des 15.10.2008 aus dem Dienst des Landes NRW ausgeschieden bin, jetzt dann doch ein wenig spät – obwohl die Mühlen der Justiz ja langsam mahlen. Und zweitens: Ich bin kein Ruhestandsbeamter, sondern ausgeschieden. Das ist etwas anderes. Für mich gilt diese Regelung nicht.

Zur Sache: Der OLG-Präsident hat mit seinem Bescheid beim VG Schiffbruch erlitten. Das VG sieht seinen Bescheid als offensichtlich rechtswidrig an, weil durch die Erwerbstätigkeit des ehemaligen Richters als Rechtsanwalt keine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besorgen sei. Überdies verstosse die angeordnete Dauer des Verbots gegen § 52 Abs. 5 LBG NRW. Denn:

„…Der Antragsgegner hat nicht vorgebracht, dass das Auftreten des Antragstellers als Rechtsanwalt vor dem Landgericht N. eine solche Beeinträchtigung dienstlicher Interessen besorgen lässt. Er hat weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass er dadurch nachwirkende richterliche Dienstpflichten verletzt hat oder noch verletzen könnte. So fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller durch sein Auftreten als Rechtsanwalt vor dem Landgericht N. etwa das für ihn fortgeltende Beratungsgeheimnis (§ 43 DRiG) missachtet haben oder noch missachten könnte. Ebenso wenig sind Hinweise dafür benannt oder ersichtlich, dass der Antragsteller bereits während seiner aktiven Dienstzeit sein Amt mit Blick auf seine derzeitige Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht entsprechend seiner richterlichen Dienstpflichten unparteilich und uneigennützig geführt haben könnte.

Allein der Umstand, dass der Antragsteller sein durch seine aktive Dienstzeit als Richter am Landgericht N. erworbenes Wissen um die von ihm bearbeiteten Rechtsmaterien in seine Tätigkeit als Rechtsanwalt einbringt und davon unter anderem auch bei seiner Prozessvertretung vor dem Landgericht N. Gebrauch macht, lässt eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nicht besorgen….“

Und zur Dauer:

„Nach § 41 Satz 3 BeamtStG endet das Verbot spätestens mit Ablauf von fünf Jahren nach Beendigung des Beamtenverhältnisses. Nach § 52 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW beträgt der Verbotszeitraum für Ruhestandsbeamte oder frühere Beame mit Versorgungsbezügen fünf Jahre, bei Eintritt in den Ruhestand nach § 31 Abs. 1 LBG NRW drei Jahre. Das Verbot endet „spätestens“ nach Ablauf dieser Fristen (§ 52 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 LBG NRW). Aus einer Gesamtschau dieser Vorschriften folgt, dass die zeitliche Obergrenze des Tätigkeitsverbots aus § 41 Satz 2 BeamtStG nach dem Ablauf von drei Jahren nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze erreicht ist. Damit darf das Tätigkeitsverbot gegenüber Beamten und Richtern, die vor dem Erreichen der regulären Altersgrenze in den Ruhestand treten, auf fünf Jahre, längstens aber nur bis zum Ablauf von drei Jahren nach Erreichen der Regelaltersgrenze befristet werden.“

Also: Mehr als deutlich – auch für das Hauptverfahren.