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Rechtsmittel II: Falsche Bezeichnung des Rechtsmittels, oder: Rechtsmittelauslegung

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Im zweiten Posting stelle ich dann zwei Entscheidungen des KG zur Auslegung von Rechtsmittel vor, allerdings nur mit den Leitsätzen, und zwar:

1. Insbesondere die Rechtsmittelerklärung eines rechtsunkundigen Angeklagten ist anhand ihres Gesamtinhalts und unter Berücksichtigung des erstrebten Erfolges auszulegen.

2. Eine irrtümliche Falschbezeichnung wirkt nicht zu Lasten des Rechtsmittelführers. Im Zweifel gilt unter zur Wahrung des Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) das Rechtsmittel als eingelegt, das die umfassendere Nachprüfung erlaubt und mit geringeren Begründungsanforderungen verbunden ist.

3. Auslegung einer gegen ein Urteil (§ 412 StPO) gerichteten „Revision“ als Berufung

1. Ist der Angeklagte der irrigen Auffassung, gegen ein durch das Rechtsmittel der Berufung oder der Sprungrevision überprüfbares Urteil sei die Rechtsbeschwerde gegeben, so wird sich der Rechtsmittelführer der Wahlmöglichkeit zwischen Berufung und Sprungrevision regelmäßig gerade nicht bewusst gewesen sein. Das Rechtsmittel ist dann regelmäßig als Berufung zu behandeln.

2. Dies gilt aber dann nicht, wenn sich aus der Rechtsbeschwerdebegründung oder aus sonstigen Umständen zweifelsfrei ergibt, dass der Rechtsmittelführer auf eine Nachprüfung des Urteils in tatsächlicher Hinsicht verzichten wollte.

3. Unzuständigkeitserklärung und Abgabe der Sache an das Berufungsgericht.

4. Fahren ohne Fahrerlaubnis deutet als „typisches Verkehrsdelikt“ und „verkehrsspezifische Anlasstat“ auf eine fehlende charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hin.

Wenn der Zeugenbeistand wie ein Verteidiger agiert, oder: Dann auch Abrechnung wie ein Verteidiger

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Ich habe hier im Rahmen der Berichterstattung zum RVG ja auch schon zahlreiche Entscheidungen zur Abrechnung der Tätigkeiten des Zeugenbeistands eingestellt. Meist in der letzten Zeit leider falsche, wie z.B. zuletzt den OLG Dresden, Beschl. v. 10.12.2021 – 6 Ws 42/21 – (vgl. dazu Tätigkeit des Zeugenbeistands ist Einzeltätigkeit, oder: Danke BMJV für die Vorlage).

Aber gelegentlich gibt es zu der Problematik ja auch mal Lichtblicke. Und hier habe ich dann einen, nämlich den AG Duisburg-Hamborn, Beschl. v. 12.11.2021 – 14 Ls-293 Js 915/19-23/20. Das hat – so weit man das aus dem Beschluss entnehmen kann – nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG festgesetzt. Und das begründet das AG auch sehr schön:

Zur Frage der Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit als Zeugenbeistand werden mit guten Argumenten und unterschiedlichen Interessen verschiedene Rechtsauffassungen vertreten. Der Gesetzgeber hat es leider versäumt, eine eindeutige Regelung zu treffen. Die einzige im hiesigen Bezirk bekannt gewordene Entscheidung des Landgerichts vom 15.05.2014 (33 QS 208 Js 67/13 – 23/14) lässt die Frage, ob lediglich Nr. 4301 Ziffer 4 W RVG zur Anwendung kommt, weil es um eine Einzeltätigkeit handelt, oder ob der Zeugenbeistand vergleichbar mit einem Verteidiger im Strafverfahren zu vergüten ist, offen. Richtigerweise kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung an. Im vorliegenden Fall ging die Wahrnehmung der Aufgabe des Zeugenbeistandes weit über das übliche Maß hinaus.

Bei den Zeugen handelte es sich um Jugendliche, die im Verdacht standen, an der Straftat beteiligt gewesen zu sein oder an anderen Straftaten, die mit der hier verhandelten Straftat Verbindungen aufwiesen. Die Wahrnehmung der Aufgabe umfasste damit nicht nur rein rechtliche, sondern auch jugenderzieherische Aspekte. Um es deutlich zu sagen, den Zeugen wurde Beistände bestellt, weil das Gericht sich von ihren Aussagen nach Aktenlage wichtige Erkenntnisse erhoffte, die auf andere Weise nicht in die Hauptverhandlung hätten eingeführt werden können. Den Zeugen sollte vermittelt werden, dass sie sich durch eine Aussage, die sie selbst in die Gefahr der Strafverfolgung bringt, auch Vorteile für das eigene Verfahren verschaffen können, weil sie durch Aufklärungsbereitschaft Einsicht und Reue zeigen. Insofern kam die Tätigkeit der Anwältinnen als Zeugenbeistand einer Verteidigertätigkeit im Jugendstrafverfahren gleich, weil sie mit den Jugendlichen die Auswirkung ihres Aussageverhaltens auf das mögliche eigene Strafverfahren gründlich zu erörtern hatten. Hinzu kommt, dass die Rechtsanwältinnen pp. und pp. in der Sache zwei Termine wahrnehmen mussten, weil die Hauptverhandlung wegen eines gestellten Befangenheitsantrag unterbrochen werden musste. Es ist auch nicht richtig, dass die Tätigkeit von Rechtsanwältin pp. für zwei Mandanten in dem Verfahren nur mit einer Erhöhungsgebühr abzugelten ist, weil sie das Mandat für pp. erst übernehmen konnte, nachdem die Vernehmung des Zeugen pp. vollständig abgeschlossen war.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind die durch die Rechtspflegerin festgesetzten Gebühren richtig und angemessen.“

Der Beschluss ist rechtskräftig. Dazu hier der LG Duisburg, Beschl. v. 25.01.2022 – 31 Qs-293 Js 915/19-74/21, 31 Qs 75/21 und 31 Qs 76/21. Mal sehen, ob der Bezirksrevisor das schluckt.

OWi I: Dauerbrenner Einsicht in Messunterlagen, oder: Verfassungsbeschwerde in Bayern und einige AG

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Und heute dann mal ein wenig OWi.

Und ich starte mit Entscheidungen zur (Akten)Einsicht, dem Dauerbrenner im OWi-Verfahren.

Zunächst der Hinweis auf den BayVerfGH, Beschl. v. 13.01.2022 – 61-VI-19. Ergangen ist er in einem Verfahren, in dem um beim OLG Bamberg um die (Akten)Einsicht in Unterlagen und Daten von Geschwindigkeitsmessungen gestritten worden ist. Die „Besonderheit“: Die Einsicht war im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht und demgemäß auch kein Antrag nach 3 62 OWiG gestellt. Erst im gerichtlichen Verfahren ist Überlassung der Daten beantragt worden.

Das BayVerfGH hat die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf den Grundsatz der materiellen Subsidiarität als unzulässig angesehen, weil eben nicht schon bei der Verwaltungsbehörde Einsicht beantragt worden ist. Insoweit m.E. nichts Neues.

Geltend gemacht worden war dann noch, das die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde nicht gemäß § 80a Abs. 3 OWiG auf den Senat übertragen worden war und die Sache nicht nach § 121 Abs. 2 GVG dem BGH vorgelegt worden ist. Das sagt der BayverfGH: Zulässig, aber unbegründet:

„Entsprechend kommt hier ein Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV dadurch in Betracht, dass der Einzelrichter am Bayerischen Obersten Landesgericht die Sache nicht gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG auf den mit drei Richtern besetzten Senat übertragen hat, der dann in eigener Verantwortung über eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG hätte entscheiden müssen (vgl. Bär in Graf, BeckOK OWiG, § 80 a Rn. 11; Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 80 a Rn. 10). Zu einer eigenständigen Vorlage der Rechtsbeschwerde gemäß § 121 Abs. 2 GVG wäre der Einzelrichter nicht befugt gewesen (BGH vom 28.7.1998 BGHSt 44, 144).

2. Vorliegend ist aber nicht davon auszugehen, dass der Richter, der den angegriffenen Beschluss erlassen hat, in willkürlicher, offensichtlich unhaltbarer Weise die Voraussetzungen des § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG verneint hat……“

Und dann noch ein wenig von den AG:

Der Verteidiger hat auch bei einem standardisierten Messverfahren Anspruch auf Zurverfügungstellung des Schulungsnachweises des Messbeamten und einer Kopie der digitalen Falldaten im gerätespezifischen Formal nebst dazugehörigem öffentlichen Schlüssel (Token) für die gesamte Messreihe des Vorfallstages.

Benötigt der Verteidiger die Daten der kompletten Messserie, um die Vollständigkeit des Messfilms und das Vorliegen von Besonderheiten im Rahmen von Messungen zu überprüfen, ist die Bußgeldbehörde aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 – verpflichtet, die digitalen Daten der kompletten Messserie des Tattages an den Verteidiger herauszugeben. Ein Anspruch auf Einsicht in die sogenannte Lebensakte des Messgeräts besteht nicht.

Der Betroffene hat ein Recht auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen zu dem ihn betreffenden Messvorgang.

Rechtsmittel II: Welches Rechtsmittel ist richtig?, oder: Rechtsmittelverwerfung wegen Ausbleibens

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Die zweite Entscheidung behandelt noch einmal die Frage, welches das richtige Rechtsmittel ist, wenn das Rechtsmittel der Berufung des Angeklagten wegen unentschuldigten Ausbleibens nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen worden ist.

Diese „Dauerbrennerfrage“ beantwortet noch einmal der OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.10.2021 – 1 Ws 117/21:

„Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam mit Urteil vom 19. Juli 2021 verworfen, weil der Angeklagte als der Hauptverhandlung unentschuldigt fernbleibend zu behandeln gewesen sei, da dieser sich geweigert habe, eine nach der Corona-Verordnung erforderliche Schutzmaske zu tragen und das Gerichtsgebäude noch vor Beginn der Berufungshauptverhandlung wieder verlassen hatte.

Die gegen das Verwerfungsurteil gerichtete „sofortige Beschwerde“ hat das Landgericht Potsdam entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft Potsdam als Wiedereinsetzungsantrag ausgelegt und diesen durch den angefochtenen Beschluss verworfen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit Stellungnahme vom 24. September 2021, wie entschieden.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen die versagte Wiedereinsetzung – über die vorab zu entscheiden ist, da die Gewährung von Wiedereinsetzung der Revision die Grundlage entzöge (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 342 Rn. 2) – ist gemäß §§ 329 Abs. 7 S. 1, 46 Abs. 3 StPO statthaft und innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt, in der Sache bleibt sie ohne Erfolg. Das Landgericht hat dem Angeklagten die begehrte Wiedereinsetzung mit Recht versagt.

Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag mit zutreffender Begründung verworfen. Der Angeklagte hat keinen im Wiedereinsetzungsverfahren zu beachtenden Grund vorgebracht, der seine Terminssäumnis als im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 StPO unverschuldet erscheinen ließe.

Dabei kann im hiesigen Wiedereinsetzungsverfahren dahinstehen, ob der Angeklagte unverschuldet der Hauptverhandlung ferngeblieben war. Denn gegen ein Verwerfungsurteil kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn Entschuldigungsgründe geltend gemacht werden, die dem Berufungsgericht nicht bekannt waren und auch nicht bekannt sein mussten, als es die Berufung verwarf (vgl. KG, Beschluss vom 24. August 2016 – 4 Ws 117/16 – m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Februar 2020 – 4 Ws 29/20 – [juris]). Daher ist anerkannt, dass ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 329 Abs. 7 StPO jedenfalls nicht auf solche Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht bereits in seinem Verwerfungsurteil als zur Entschuldigung nicht genügend gewürdigt hat (vgl. KG NStZ-RR 2006, 183). Solche Tatsachen sind für das Wiedereinsetzungsverfahren „verbraucht“. Für sie ist die Revision das allein geeignete Rechtsmittel. Diese strikt unterschiedliche Behandlung von Wiedereinsetzungs- und Revisionsgründen rechtfertigt sich schon durch die Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs. 2 GG). Denn die Wiedereinsetzung führt zu demselben Spruchkörper zurück, die Revision zu einem anderen (vgl. KG, Beschlüsse vom 28. Januar 2009 – 2 Ws 647/08 – m. w. N. und vom 24. August 2016 – 4 Ws 117/16 –).

Die durch den Angeklagten im Wiedereinsetzungsverfahren vorgebrachte Tatsache, nämlich, dass ihm der Zutritt zum Gerichtsgebäude ohne Schutzmaske verweigert worden sei, ist im Berufungsurteil bereits ausführlich gewürdigt worden und damit für ein Wiedereinsetzungsverfahren im Rechtssinne verbraucht. Weitere Entschuldigungsgründe hat der Angeklagte nicht vorgebracht.

Der Senat weist darauf hin, dass die „sofortige Beschwerde“ gegen das Verwerfungsurteil der Berufungskammer in Ansehung des Beschwerdevortrages als Revision auszulegen gewesen wäre, die sich indes ebenfalls als unzulässig erweisen dürfte, da sie nicht form- und fristgerecht begründet worden sein dürfte.“

Unterlassene Kostenentscheidung über Vergleich im Adhäsionsverfahren, oder: Wer entscheidet dann?

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Und dann noch heute der Tag mit gebühren- bzw. kostenrechtlichen Entscheidungen. Zur Zeit ist es mit den gebührenrechtlichen Entscheidungen ein wenig mau, daher heute zwei kostenrechtliche. Bei der Gelegenheit: Über weitere Entscheidungen freue ich und stelle sie gern ein und berichte dazu.

Und in dem Zusammenhang stelle ich dann zunächst den OLG Celle, Beschl. v. 21.09.2021 – 2 Ws 270/21 – vor. Das OLG nimmt zur Kostenentscheidung im Adhäsionsverfahren bei/nach einem Vergleich und das richtige Rechtsmittel – Die Frage: Wer ist zuständig? – Stellung. Die Entscheidung ist mal wieder Beleg für meine These: Die Zahl der Adhäsionsverfahren nimmt zu. Damit nehmen auch Entscheidungen der Instanzgerichte zu mit dem Adhäsionsverfahren betreffenden Fragen zu.

Folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten am 11.06.2021 wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In der Hauptverhandlung schlossen die Nebenklägerin und der Angeklagte einen Vergleich, mit dem sich der Angeklagte zur Abgeltung eines Schmerzensgeldanspruches und eines geltend gemachten materiellen Schadensersatzanspruches zur Zahlung eines Betrages von 500 EUR verpflichtet hat. Außerdem enthält der Vergleich folgende Bestimmung: „Das Gericht entscheidet über die Kosten des Adhäsionsverfahrens gem. § 91a ZPO.“

Gegen das landgerichtliche Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, die Akten sind vom LG nach Eingang der Revisionsbegründung zur Vorlage an den BGH gemäß § 347 StPO weitergeleitet worden. Mit Beschluss vom 22.07.2021 hat das LG entschieden, dass der Angeklagte die Kosten des Adhäsionsverfahrens sowie die der Adhäsionsklägerin entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen zu tragen hat. Zugleich hat es den Wert des Streitgegenstandes des Adhäsionsverfahrens auf 10.035 EUR festgesetzt.

Der Angeklagte hat das Rechtsmittel gegen den Beschluss des LG vom 22.7.2021 eingelegt. Das OLG hat dieses als sofortige Beschwerde angesehen und dem BGH zur Entscheidung vorgelegt:

„Das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts vom 22. Juli 2021 ist als sofortige Beschwerde auszulegen, über die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO derzeit der Bundesgerichtshof zu entscheiden hat.

1.a) Die als „Berufung“ bezeichnete Eingabe des Angeklagten ist gemäß § 300 StPO so auszulegen, dass sie den von ihm erstrebten Erfolg möglichst erreichen kann (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO § 300 Rn. 3; LR/Jesse, StPO § 300 Rn. 1). Das zulässige Rechtsmittel bestimmt sich dabei nach dem sachlichen Inhalt der Entscheidung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO § 296 Rn. 11). Maßgeblich ist nicht die Form, in der die Entscheidung ergangen ist, sondern die Form, in der die Entscheidung hätte ergehen sollen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO Einl. Rn. 166; LR/Jesse, StPO vor § 296 Rn. 43).

b) Nach diesen Maßstäben ist es für die Anfechtung unerheblich, dass das Landgericht die Kostenentscheidung auf eine entsprechende Anwendung von § 91a ZPO gestützt hat. Denn in der Sache hat das Landgericht eine Kostenentscheidung gemäß § 472a Abs. 2 StPO getroffen.

Grundsätzlich unterliegt die Entscheidung über die Kosten eines im Adhäsionsverfahrens geschlossenen Vergleichs allerdings der Disposition der Parteien, die mit einem Vergleich gemäß § 405 StPO zugleich eine Regelung über die besonderen Kosten des Adhäsionsverfahren und ihre notwendigen Auslagen treffen können (BGH, Beschluss vom
15. Januar 2013, 4 StR 522/12, juris; Herbst/Plüür, Das Adhäsionsverfahren, Seite 118; Havliza/Streng, in: Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, Seite 80).

Unterbleibt jedoch eine Einigung der Vergleichsparteien über die Kosten, hat das Gericht hierüber gemäß § 472a Abs. 2 StPO im Urteil zu entscheiden (vgl. Havliza/Streng, in: Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, Seite 80; Meier/Dürre, JZ 2006, 24; Gutt/Krenberger, ZfSch 2015, 489; MüKo/Grau, StPO § 405 Rn. 2). Denn ebenso wie in den dort aufgeführten Fällen des Absehens von einer Adhäsionsentscheidung und der Antragsrücknahme trifft das Gericht nach einem Vergleich keine Entscheidung über den ursprünglichen Adhäsionsantrag. Die Anwendung des § 472a Abs. 2 StPO fügt sich deshalb auch in diesen Fällen in die gesetzgeberische Konzeption ein.

Ein Rückgriff auf die zivilprozessuale Regelung des § 91a ZPO ist demgegenüber in
§ 472a StPO nicht angelegt. Eine nachträgliche Entscheidung entsprechend § 91a ZPO im Beschlusswege stünde vielmehr im Gegensatz zum gesetzlichen Regelfall des
§ 464 Abs. 1 und 2 StPO, wonach für ein durch Urteil abgeschlossenes Verfahren eine einheitliche Kostenentscheidung des Tatgerichts – in der Besetzung der Hauptverhandlung – vorgesehen ist. Da § 472a Abs. 2 StPO überdies einen mit § 91a ZPO vergleichbaren Entscheidungsmaßstab für die Kostenentscheidung vorgibt, besteht für eine entsprechende Anwendung von § 91a ZPO auch dann keine Notwendigkeit, wenn die Vergleichspartien wie im vorliegenden Fall ausdrücklich eine Billigkeitsentscheidung des Gerichts wünschen.

c) Gegen die vom Landgericht der Sache nach getroffene Kostenentscheidung gemäß § 472a Abs. 2 StPO ist gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO die sofortige Beschwerde zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Kostenentscheidung – wie im vorliegenden Fall – fehlerhaft nicht im Urteil, sondern nachträglich durch Beschluss ergangen ist (vgl. LR/Hilger, StPO § 464 Rn. 28; KK/Gieg, StPO § 464 Rn. 7). Dementsprechend ist das Rechtsmittel des Angeklagten gemäß § 300 StPO als solche auszulegen. 2.

Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist derzeit gemäß § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO der Bundesgerichtshof berufen, da der Beschwerdeführer auch das Urteil vom 11. Juni 2021 angefochten hat und über seine Revision noch nicht entschieden worden ist.“