Ich hatte ja gestern bereits einen Kurzbericht über den 4. HV-Tag im Verfahren gegen RA Lucas vor dem LG Augsburg gegeben. Zur Ergänzung verweise ich jetzt noch auf den Prozessbericht des Kollegen Grabow, der für die Initiative der bayerischen Strafverteidiger- und Strafverteidigerinnen den Prozess beobachtet. Also: Einschätzung und Bericht von einem, der dabei war: Berichterstattung 4. Tag. Man könnte auch sagen: Livebericht.
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Quasi-Verteidiger in eigener Sache
Sicherlich nicht sehr häufig, aber die Frage stellt sich immer mal wieder. Kann der Rechtsanwalt im Strafverfahren, in dem er selbst Angeklagter ist, einen Mitangeklagten verteidigen?
Vom Gefühl sagt der Bauch: Geht nicht. Und das Bauchgefühl stimmt auch. Es geht wirklich nicht, worauf vor kurzem noch mal der BGH in seinem Beschl. v. 22.12.2010 – 2 ARs 289/10 hingewiesen hat. Danach kann ein Rechtsanwalt, der selbst Angeklagter ist, als Verteidiger eines Mitangeklagten zurückgewiesen werden. Denn in demselben Strafverfahren kann ein Angeklagter nicht Verteidiger eines Mitangeklagten sein. Im Fall war dem Rechtsanwalt selbst vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen vorgeworfen worden, seiner Ehefrau wurde der Vorwurf fahrlässigen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemacht.
Augsburger Puppenkiste, oder: Was passierte am 3. HV-Tag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg
Vom 3. Verhandlungstag am 04.02.2011 wird mir berichtet:
Wiederum waren ca. 25 Rechtsanwälte und mehrere Medienvertreter anwesend. Auch ein Kollege aus Innsbruck als Vertreter der österreichischen Strafverteidigervereinigung war anwesend. Der Prozess wird auch dort mit großem Interesse verfolgt. Österreich diskutiert derzeit ebenfalls Regelungen zur Absprache im Strafverfahren.
Es wurden mehrere Zeugen vernommen.
Zunächst wurde der frühere Angeklagte K. vernommen. Er hat berichtet, dass Rechtsanwalt Lucas während Hauptverhandlung zu ihm in die Arrestzelle gekommen sei und Strafhöhen dargestellt habe, was er bekommen würde für den Fall eines Geständnisses und § 31 BtMG. Er fühlte sich unschuldig und habe deshalb nicht akzeptiert.
Danach berichteten frühere Sitzungsvertreter der StA aus dem zugrundeliegenden Verfahren, dass sie zwar teils nur ein oder wenige Tage Sitzungsvertreter waren, als die eigentliche Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft in Urlaub war, aber sie hätten nichts von Absprachen oder Strafhöhen gehört oder gewusst. Sie bekundeten aber auch, dass es hierum gar nicht gegangen sei, da sie ja nur einzelne HV-Tage begleiten und protokollieren sollten oder auch erst gegen Ende des Verfahrens eingesetzt waren.
Dann berichtete die Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft, dass sie über Gespräche von Lucas mit der Kammer nichts wisse. Am 1. HV-Tag sei aber anfangs unterbrochen worden und Gericht, Lucas und sie hätten im Richterzimmer ein Gespräch geführt. Sie habe Strafhöhen für Geständnis + § 31 BtMG und Durchverhandeln in den Raum gestellt. Lucas habe das mit seinem Mdt besprochen. Man habe unterbrochen. Eine Erklärung kam dann am 2. HV-Tag nicht. Daraufhin wurde verhandelt.
Das Fahrtenbuch des Rechtsanwalts
Eine Fahrtenbuchanordnung (§ 31a StVZO) ist allseits unbeliebt. So auch bei einem Rechtsanwalt, bei dem die Verwaltungsbehörde ein Fahrtenbuch angeordnet hat. Er macht dagegen geltend, dass durch die Vorlagepflicht seine Verschwiegenheitspflicht tangiert sei, da der Pkw auch Mandanten zur Verfügung gestellt werde. Damit hatte er weder beim VG noch beim OVG Erfolg. (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.01.2011 – 12 LA 167/09). Das OVG sieht weder die Verschwiegenheitspflicht noch Art. 12 GG tangiert.
(Neues) Beweiserhebungsverbot bei Rechtsanwälten tritt heute in Kraft
Im BGBl. I, 2010 v. 27.12.2010 ist Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht verkündet worden, das das neue/geänderte Beweiserhebungsverbot bei Rechtsanwälten enthält. Das Gesetz tritt am ersten Tag des zweiten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft. Das ist heute der 01.02.2011.
Mit dem Gesetz soll der Schutz des § 160a Absatz 1 StPO, der ein absolutes Erhebungs- und Verwertungsverbot hinsichtlich aller Ermittlungsmaßnahmen vorsieht, auf Rechtsanwälte (einschließlich der niedergelassenen oder dienstleistenden europäischen Rechtsanwälte), nach § 206 BRAO in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Personen und Kammerrechtsbeistände erstreckt werden. Damit werden Ermittlungsmaßnahmen, die sich gegen einen Rechtsanwalt richten und die voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die der Rechtsanwalt das Zeugnis verweigern dürfte, unzulässig; gleichwohl erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden.
(zu BVV nach § 160a StPO a.F. auch Burhoff, Handbuch für das strafverfahrensrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 423a).