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Richtiger Ansatz und schön abgewogen – zur Nachahmung empohlen

Liest man m.E. selten(er): Einen schön abgewogenen Beschluss eines AG im Gebührenrecht des straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren. Man hat eher bei manchen Beschlüssen den Eindruck, dass es darum geht, die Gebühren – aus welchen Gründen ist nicht ganz klar – niedrig zu halten. Anders der Beschl. des AG Cloppenburg v. 14.06.2011 -25 OWi 785 Js 12168/10 (212/10), den die RSV sicherlich nicht in ihre Textbausteine aufnehmen werden, aber vielleicht die Verteidiger? ;-).

Das AG behandelt drei Fragen bzw. stellt sie in seine Bewertung ein, nämlich:

  1. Darf bei der Bemessung der Wahlanwaltsgebühren im straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren  (allein) auf den der Betrag der Geldbuße abgestellt werden?
    Antwort: Zutreffend nein.
  2. Dürfen die Geldbußen in straßenverkehrsrechtlichen OWI-Verfahren mit Geldbußen von über 5.000 € verglichen werden?
    Nein, der Vergleich ist einseitig. Die Geldbußen in anderen Verfahren führen auch nicht zu Eintragungen im VZR.
  3. Kann/darf bei der Grundgebühr darauf abgestellt werden, dass der Verteidiger unmittelbar nach Beginn des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde eingeschaltet wird, weil dann Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich der Einarbeitung als weit unterdurchschnittlich zu bewerten sein sollen.
    Nein, es gibt keinen Zusammenhang zwischen Umfang und der Schwierigkeit einer Sache und dem Zeitpunkt der Einschaltung des Rechtsanwaltes.

Auch die übrige Argumentation des AG lesenswert. Zu Nachahmung empfohlen.

Knauseriges LG – aber die Kammer muss ja auch nicht davon leben

Das LG Kleve, Beschl. v. 01.04.2011 – 111 Qs 9/11 zeigt mal wieder, wie knauserig LG gerade in OWi-Verfahren sein können. Danach sind einfache, alltägliche Verkehrsordnungswidrigkeiten (zum Beispiel wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer Geldbuße von 80 €) im unteren Bereich des Bemessungsrahmens (§ 14 RVG) einzuordnen. Auch wenn Ordnungswidrigkeitenverfahren in einem hohen Anteil Verkehrsordnungswidrigkeiten zum Gegenstand haben, würden die Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren, von Ausnahmen abgesehen, dadurch nicht bedeutsamer oder schwieriger.

Und: Ist das richtig?

„Auch die Sach- und Rechtslage war denkbar einfach. Sie beschränkte sich auf die Frage, ob der Betroffene zur fraglichen Zeit Fahrer des Fahrzeugs war oder nicht. Zur Klärung dieser Frage wurde ein Lichtbildvergleichsgutachten eingeholt. Das gerichtliche Verfahren stellte im Vergleich zu anderen Ordnungswidrigkeitsverfahren sowohl vom Umfang als auch von der Schwierigkeit her nur unterdurchschnittliche Anforderungen an die Tätigkeit des Verteidigers. Dies gilt insbesondere auch für die Tätigkeit des Verteidigers in den beiden Hauptverhandlungsterminen. Der erste Hauptverhandlungstermin am 13.01.2010 führte zur vorläufigen Einstellung des Verfahrens wegen längerer Abwesenheit des Betroffenen. Vor diesem Hintergrund erscheint selbst die vom Amtsgericht festgesetzte Terminsgebühr in Höhe von 130 Euro bereits als vergleichsweise hoch. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Sachverständige in diesem Termin Fotos von dem Bruder des Betroffenen angefertigt und einen Abgleich mit dem Foto aus der Bußgeldakte vorgenommen hat, rechtfertigt dies jedenfalls nicht den Anfall der sogenannten Mittelgebühr. Denn die Tätigkeit des Sachverständigen hat weder viel Zeit in Anspruch genommen noch nennenswerte Anforderungen an die Tätigkeit des Verteidigers gestellt, zumal die Hauptverhandlung absehbar mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens endete. Auch die zweite Hauptverhandlung am 08.09.2010 war mit einer Dauer von 15 Minuten verhältnismäßig kurz. Die durchgeführte Beweisaufnahme beschränkte sich auf die Erstattung des Lichtbildvergleichsgutachtens durch den Sachverständigen mit dem Ergebnis, dass der Betroffene eher nicht der Fahrer gewesen sei. Rechtlich folgte daraus zwingend der Freispruch des Betroffenen. Die Hauptverhandlung am 08.09.2010 stellte an den Verteidiger somit in jeder Hinsicht nur unterdurchschnittliche Anforderungen. Die von dem Amtsgericht unterhalb der Mittelgebühr festgesetzte Terminsgebühr in Höhe von 130 Euro ist daher, auch unter Berücksichtigung der oben genannten weiteren Kriterien, angemessen.“

Diszipinarverfahren – mal was anderes

Disziplinarverfahren – mal was anderes? Ja, etwas Gebührenrechtliches, und zwar vom VG Berlin. Dieses hat in seinem Beschl. v. 05.11.2010 – 60 KE 2.10 darauf hingewiesen, dass bei der Abrechnung ein pauschaler Aufschlag von 20 Prozent auf die Mittelgebühr der dem Rechtsanwalt in Disziplinarverfahren zustehenden Gebühren unzulässig ist.

Das gilt übrigens nicht nur für das Disziplinarverfahren, sondern auch für alle anderen Bereiche, in denen Rahmengebühren geltend gemacht werde. Vielfach wird das von Verteidigern/Rechtsanwälten aber falsch gemacht, wenn sie bei der Abrechnung die Mittelgebühr zugrunde legen und dann 20 % aufschlagen. Richtig ist es vielmehr in den durchschnittlichen Fällen vom Mittelwert des jeweiligen Rahmens auszugehen. Ein Spielraum für die Erhebung einer höheren Gebühr als der Mittelgebühr besteht erst und nur, wenn besondere Umstände eine Erhöhung über den Mittelwert hinaus rechtfertigen. Es gibt keinen allgemeinen Zuschlag zur Mittelgebühr von 20 Prozent. Eine Erhöhung der Mittelgebühr ist nur zulässig und wird nur dann anerkannt, wenn besondere Umstände für eine Erhöhung über den Mittelwert vorgetragen werden oder sich sonst aus der Akte ergeben.

Nikolausbeschluss: Rahmengebühren – Basiswert für die Überprüfung

Rahmengebühren und kein Ende – oder: Täglich grüßt das Murmeltier. Hier dann mal etwas zu der Problematik vom KG, und zwar in einem Nikolausbeschluss, also vom 06.12.2010 – 1 Ws 45/10. Leider aber keine milde Gabe für die Verteidiger. Denn das KG hat ausdrücklich an seiner ständigen Rechtsprechung (und der h.M.) festgehalten, wonach eine Unbilligkeit im Sinne des § 12 BRAGO bzw. § 14 RVG vorliegt, wenn die angemessene Gebühr um mindestens 20 % überschritten wird.

Und: Basiswert für die Überprüfung, ob die vom Rechtsanwalt angesetzte Gebühr der Billigkeit entspricht, ist nicht, die vom Rechtsanwalt geltend gemachte Gebühr abzüglich 20 %, sondern die angemessene Gebühr, die nicht um 20 % oder mehr überschritten werden darf.

Das KG hat dann außerdem zur Quotelung beim Freispruch Stellung genommen, insoweit wohl zutreffend

Toleranzgrenze von 20% bei der Rahmengebühr bestätigt

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschl. v. 28.09.2010 – III – 1 Ws 117/10 die bei § 14 Abs. 1 RVG bedeutsame Toleranzgrenze von 20 % bestätigt. Es hat sich damit der wohl immer noch h.M.  in der Rechtsprechung angeschlossen (vgl. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung KG RVGreport 2007, 180; OLG Hamm StraFo 2007, 218 = Rpfleger 2007, 426 = JurBüro 2007, 309 = StV 2007, 476 (Ls.); OLG Jena AnwBl. 2008, 151 = RVGreport 2008, 56; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.09.2007 – 1 Ws 191/07, www.burhoff.de; OLG Köln AGS 2008, 32 = RVGreport 2008, 55).

Es werden allerdings die ersten Stimmen laut, die die Grenze bei 30% ziehen wollen (vgl. die Nachweise bei Burhoff RVGreport 2010, 204). Damit hat sich das OLG nicht auseinander gesetzt.