Schlagwort-Archive: OVG Münster

Achtung: Richtig zugestellt? Zustellungsfragen – immer von Bedeutung…

Die mit der Wirksamkeit von Zustellungen zusammenhängenden Fragen sind immer von Bedeutung. Denn die Wirksamkeit der Zustellung ist z.B. Voraussetzung für den Erlass von Zwangsmaßnahmen oder für den Beginn des Laufs von Rechtsmittelfristen. Daher hier jetzt der Hinweis auf zwei Entscheidungen aus neuerer Zeit:

1. OLG Rostock, Beschl. v. 04.05.2011 – I Ws 101/11:

  • Da eine ordnungsgemäß erstellte Postzustellungsurkunde die Korrektheit der (Ersatz) Zustellung der Ladung zur Hauptverhandlung als Voraussetzung des Erlasses eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO belegt, ist – soll dies entkräftet werden – der volle Beweis dahin zu führen, dass der Angeklagte anderweitig Wohnung nicht nur im melderechtlichen Sinne genommen hatte.

2. OVG Münster, Beschl. v. 14.06.2011 14 B 515/11

  • Eine mehrmonatige Inhaftierung bewirkt grundsätzlich, dass die vor der Inhaftierung bewohnte Wohnung nicht mehr als solche angesehen und dort nicht mehr nach den §§ 178, 180 der Zivilprozessordnung – ZPO – zugestellt werden kann.

Verwarnungsgeld: Zahlung unter Vorbehalt

Um die Zahlung des Verwarnungsgeldes (§ 56 OWiG) gibt es in der Praxis häufig Streit. Und zwar insbesondere hinsichtlich der Frage, wann die Zahlung des Verwarnungsgeldes als Einverständnis anzusehen ist. Diese entzündet sich meist daran, dass die Zahlung unter Vorbehalt oder mit einem Zusatz erfolgt.

So auch im Beschl. des OVG Münster v. 11.04.2011 – 8 A 859/10. Dort war das Verwarnungsgeld „vorbehaltlich der Auskunft, welche Handlungsalternative für mich bestanden hätte“  gezahlt worden. Das OVG sagt in seinem Beschluss, dass auch diese Zahlung ein Einverständnis mit der Verwarnung ist und einer späteren Rückforderung des Verwarnungsgeldes entgegensteht. Die Beurteilung durch das OVG ist hier schon deshalb überzeugend, weil sich der „Vorbehalt“ erkennbar nicht auf den unstreitigen Parkverstoß als solchen oder das Verfahren bezog, sondern auf das Aufzeigen alternativer Parkmöglichkeiten zur Tatzeit.

Wenn zur Zeit auch keine Saison ist: Hier noch einmal das Bierbike, oder: Was erstaunlich ist an der Entscheidung

Vor einigen Wochen ist die Entscheidung des VG Düsseldorf v. 06.10.2010 – 16 K 8009/09 durch die Blogs gezogen, vgl. hier, hier und hier. In dem hatte die 16. Kammer des VG Düsseldorf die Untersagung der Benutzung eines „Bierbikes“ als rechtmäßig angesehen, da beim Einsatz des Bierbikes aus der maßgeblichen Sicht eines unbefangenen Betrachters nicht der Personentransport und die Nutzung der öffentlichen Straßen zu Verkehrszwecken im Vordergrund stehe. Soweit, so gut.

Was dann aber doch an der Entscheidung erstaunt: Kein Wort verliert das VG zu dem des auch für seinen Gerichtsbezirk zuständigen OVG Münster vom 15.12.2009 – 11 B 1616/09. Dort wurde in einem vergleichbaren Fall des untersagten Betriebs eines Bierbikes die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederhergestellt, wobei Vorinstanz ebenfalls die 16. Kammer des VG Düsseldorf war. Dort heißt es:

„Angesichts des unstrittigen Umstandes, dass sich ein „Partybike“ (oder auch ein „Bierbike“) im Straßenverkehr bewegt, wird dessen Betrieb u. a. zu vergleichen bzw. ggf. abzugrenzen sein von anderen dem (bezahlten) „Vergnügen“ dienenden Fahrten, z. B. mit Planwagen oder Kutschen. Mit „pedalbetriebener Abnormität“ lässt sich der Charakter des Fahrbetriebs eines solchen „Partybikes“ als Sondernutzung jedenfalls ebenso wenig begründen wie mit möglichen oder angeblich vorgekommenen einzelnen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, wie sie in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners aufgezählt werden. Solchen etwaigen Gefahren kann und muss mit Mitteln der Gefahrenabwehr, sei es nach Straßenverkehrsrecht oder nach allgemeinem Ordnungsrecht begegnet werden.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Angesichts dieser Divergenz ist es (mir) unverständlich, dass das VG die Berufung nicht zugelassen hat (§ 124 Abs. 2 Ziff. 2 und 4 VwGO).

OVG Münster: Ende des EU-Führerscheintourismus durch die 3. Führerscheinrichtlinie

Das OVG Münster teilt in einer PM gerade mit:

„Der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 20. Januar 2010 über einen neuen Aspekt des Dauerthemas „EU?Führerscheintourismus“ entschie­den. In dem Verfahren um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes griff ein Antrag­steller aus Paderborn die Feststellung des Landrats des Kreises Paderborn (An­tragsgegner) an, dass seine in Polen erteilte Fahrerlaubnis der Klasse B nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige. Auf der Grundlage der neuen 3. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG des Europäi­schen Parlaments und des Rates) vom 20. Dezember 2006 hat der 16. Senat die Auffassung des Antragsgegners bestätigt.

Dem 1964 geborenen Antragsteller hatte das Amtsgericht Paderborn im Jahr 2004 die Fahrerlaubnis entzogen, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,24 Promille ein Kraftfahrzeug geführt hatte. Im Jahr darauf wurde er erneut auffällig, diesmal wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Ohne jemals versucht zu haben, in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Fahrerlaubnis zu erwerben, was eine erfolgreiche medizinisch-psychologische Untersuchung vorausgesetzt hätte, erwarb der Antragsteller Ende Januar 2009 unter Vermittlung einer sich als „Marktführer für Polen“ bezeichnenden Agentur in S?ubice/Polen eine EU?Fahrerlaubnis. Nachdem dies dem Antragsgegner im Februar 2009 bekannt ge­worden war, richtete er über das Kraftfahrt?Bundesamt eine Anfrage an die polnische Ausstellungsbehörde. Darin wies er darauf hin, dass der Antragsteller durchgängig in Paderborn gemeldet gewesen sei und dass es nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH Sache des Ausstellerstaates sei, bei einem erkennbaren Verstoß gegen das im europäischen Führerscheinrecht verankerte Wohnsitzerfordernis die geeig­neten Maßnahmen zu ergreifen. Die Anfrage blieb ohne Reaktion aus Polen. Darauf­hin erließ der Antragsgegner mit Ordnungsverfügung vom 30. März 2009 die vom Antragsteller angegriffene Feststellung über dessen fehlende Berechtigung, im Bun­desgebiet von seiner polnischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Den zusam­men mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschie­benden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Minden ab. Die dagegen vom An­tragsteller erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr mit dem o.g. Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die unter der Geltung der 2. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG) vom EuGH aufgestellten einengenden Voraussetzungen für eine Nichtanerkennung aus­ländischer Fahrerlaubnisse in der Bundesrepublik Deutschland in Fällen einer vor­maligen Entziehung einer Fahrerlaubnis im Heimatstaat und des Fortbestehens der seinerzeit zutage getretenen Eignungsbedenken seien nach dem Inkrafttreten von Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie am 19. Januar 2009 nicht mehr einschlä­gig. Insbesondere komme es jetzt nicht mehr auf einen aus Verlautbarungen des Ausstellerstaates hervorgehenden Nachweis eines Verstoßes gegen das europa­rechtliche Wohnsitzerfordernis beim Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis an. Das folge zum einen aus den nunmehr zwingenden Verboten der 3. Führerschein­richtlinie, nach vorheriger Entziehung einer Fahrerlaubnis in einem anderen EU?Staat eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen bzw. eine gleichwohl erteilte Fahrerlaubnis an­zuerkennen. Zum anderen hätten die an der 3. Führerscheinrichtlinie beteiligten eu­ropäischen Gremien während des Normsetzungsverfahrens deutlich gemacht, dass es ihnen um eine wirkungsvolle Unterbindung des die Sicherheit des Straßenver­kehrs gefährdenden Führerscheintourismus gehe.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Die Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren steht allerdings noch aus.“

Mal sehen, wie es weitergeht. Die Fragen werden uns sicherlich noch eine Zeit lang beschäftigen.

Beschl. v. 22.01.2010, 16 B 814/09

Fahrradentfernung in Münster vor dem HBF nicht rechtens

Nur hat auch das OVG Münster, das Entfernen von Fahrrädern vor dem HBF Münster gerügt. (vgl. Beschl. v. 30. 01. 2009, 5 A 2239/08)  und damit ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 11.07. 2008 bestätigt. Der Kläger hatte sein Fahrrad auf dem Gehweg unmittelbar an der südlichen Seiten­wand des Treppenabgangs zur Fahrradstation am HBF Münster abgestellt. Im Laufe des Tages verbrachten Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt Münster das Rad zu einer Sammelstelle, wo der Kläger es einige Tage später abholte. Auf seine Klage stellte das Verwaltungsgericht fest, dass das Entfernen des Fahrrads rechtswidrig war Den Antrag der beklagten Stadt auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG hat das OVG mit dem o.g. Beschluss abge­lehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Fahrrad des Klägers habe andere Verkehrsteilnehmer nicht behindert. Es habe nur ca. 70 cm in den am Abstellplatz über 6 m breiten Gehweg hineingeragt und damit jedem Fußgänger – auch in der Gruppe, mit Gehhilfe oder mit Gepäck – und jedem Rollstuhlfahrer genügend Raum gelassen, den Bereich zügig zu passieren. Der Kläger habe durch das Abstellen des Fahrrads auch nicht gegen brandschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, nach denen Rettungs- und Fluchtwege ständig freizuhalten seien. Die Beklagte habe nicht dargetan, dass die durch das Fahrrad belegte Fläche als Rettungs- und Fluchtweg benötigt werde. Die Fläche sei weder entsprechend beschildert gewesen noch gebe es – bislang – ein Brandschutzkonzept, aus dem sich eine Freihaltepflicht entneh­men lasse.

Ein Hoffnungsschimmer für die Stadt: Nach Auffassung des OVG ist es der Stadt  unbenommen, eine Freihaltepflicht auf der Grundlage eines Brandschutzkonzepts künftig anzuordnen.

Quelle: PM des OVG Münster