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OVG Münster zickt, oder: Rüffel für das BVerfG aus Münster

© helmutvogler - Fotolia.com

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Ich hatte vor einiger Zeit über den BVerfG, Beschl. v. 28.06.2014 – 1 BvR 1837/12 berichtet (vgl. Verkehrsrechtler aufgepasst – BVerfG: „erhebliche Bedenken“, wenn man den Richtervorbehalt „flächendeckend aushebelt…“). In dem hatte das BVerfG Bedenken geäußert, das „bei der Entziehung von Führerscheinen offenbar generell die Verwertung von Erkenntnissen akzeptiert wird, die auf Blutentnahmen beruhen, welche unter Verstoß gegen den einfachgesetzlichen Richtervorbehalt in § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden. Auch wenn der in § 81a Abs. 2 StPO gesetzlich angeordnete Richtervorbehalt nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe beruhen mag (vgl. BVerfGK 14, 107 <113>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 – 2 BvR 1596/10 -, EuGRZ 2011, S. 183 <185>), bestehen doch aus rechtsstaatlicher (Art. 20 Abs. 3 GG) wie auch grundrechtlicher (Art. 2 Abs. 2 GG) Sicht erhebliche Bedenken gegen eine Praxis, die den gesetzlichen Richtervorbehalt für den Bereich verwaltungsbehördlicher Eingriffsmaßnahmen durch eine großzügige Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel (vgl. zu Beweisverwertungsverboten BVerfGE 65, 1 <43 ff.>; 106, 28 <48 ff.>; 113, 29 <61>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02 -, NJW 2006, S. 2684 <2686>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2010 – 2 BvR 2101/09 -, NJW 2011, S. 2417 <2419>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 – 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10 -, juris, Rn. 18) flächendeckend aushebelt.

Dazu zickt 🙂 nun das OVG Münster, das im OVG Münster, Beschl. v. 26.11.2015 – 16 E 648/15 -, in dem es einen PKH-Antrag ablehnt zur Frage der Verwertung ggf. kontaminierter Beweismittel des Strafverfahren im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren Stellung nimmt und dazu die OVG-Rechtsprechung wiederholt, wonach die Frage anders zu entscheiden sei als im Strafverfahren. Bei der Gelegenheit bekommt das BVerfG dann einen Rüffel – so ein bisschen wie: Hausaufgaben nicht gemacht -, wenn das OVG ausführt:

„Der Senat hält an diesen Grundsätzen fest und sieht sich hieran auch nicht durch die Bedenken gehindert, die das Bundesverfassungsgericht in einem Kammerbeschluss gegen die verwaltungsgerichtliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden, bei der Entziehung von Führerscheinen zu verwerten. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 ? 1 BvR 1837/12 ?, NJW 2015, 1005 = juris, Rn. 13.

Denn der Beschluss des Bundesverfassungsgericht beschränkt sich auf ein obiter dictum, ohne die Bedenken näher zu begründen und ohne sich mit der seit langem gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die u. a. von verschiedenen Obergerichten eingehend mit der allgemeinen Bedeutung von Beweisverwertungsverboten im Gefahrenabwehrrecht begründet wird. Vgl. zuletzt: OVG Lüneburg, Urteil vom 20. November 2014 – 11 LC 232/13 ?, NVwZ-RR 2015, 336 = juris, Rn. 33 m. w. N.; zustimmend i. Ü. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 24 Rn. 33.“

Man „zickt“ und wirft dem BVerfG vor: Obiter dictum, ohne sich damit näher auseinander zu setzen. Selbst ist man m.E. aber nicht viel besser, wenn man die Frage in einem PKH-Verfahren entscheidet. Wie war das noch mit den Steinen und dem Glashaus.

Die Staatsanwältin, die nicht aussagen soll/darf – sie muss, sagt auch das OVG Münster

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Ich hatte im Juli 2015 über den VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.06.2015 – 13 L 1133/15 berichtet (vgl. Die Staatsanwältin, die nicht aussagen soll/darf), in dem das VG Düsseldorf eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erlassen hatte, durch den LOStA in Düsseldorf verpflichtet worden ist, eine Aussagegenehmigung für die Zeugenaussage einer Staatsanwältin in einem beim LG Düsseldorf anhängigen Strafverfahren zu erteilen. Hintergrund des Verfahrens ist ein Beweisantrag der Verteidigung, mit dem die Vernehmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft als Zeugin beantragt worden ist. Dafür braucht diese eine Aussagegenehmigung (§ 54 StPO), die verweigert worden ist. Schon das VG hatte nicht viel von der Begründung der Verweigerung gehalten, und nun auch – die Sache ist (natürlich) weiter gegangen – nicht das OVG Münster im OVG Münster, Beschl. v. 04.09.2015 – 6 B 837/15. Das OVG sieht ebenso wie das VG keine Gründe, die die Verweigerung der Aussagegenehmigung rechtfertigen würden.

Ich beschränke mich hier mal auf den § 37 Abs. 4 BeamtStG. Dazu führt das OVG aus:

„Es liegt auch keiner der in § 37 Abs. 4 BeamtStG genannten Versagungsgründe vor.

Mit dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes sind Sachverhalte gemeint, bei denen es um wichtige staatspolitische Interessen geht, die hier ersichtlich nicht betroffen sind.

Ebenso wenig hat der Antragsgegner dargetan, dass eine Aussage der Staatsanwältin I. eine ernstliche Gefährdung oder erhebliche Erschwernis bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben darstellen würde. Insoweit genügt es nicht, dass ihre Vernehmung als Zeugin sich in irgendeiner Weise nachteilig im Sinne einer Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung der Staatsanwaltschaft auswirkt oder auswirken könnte. Denn der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleitete Anspruch des Angeklagten auf ein faires rechtsstaatliches Strafverfahren gebietet es, die Aussagegenehmigung nur bei Vorliegen von Gründen mit besonderem Gewicht, die die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gefährden oder erschweren, zu versagen. Anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt. Denn nicht nur die Gerichte, sondern auch alle anderen staatlichen Organe sind gehalten, an der rechtsstaatlich gebotenen Wahrheitsfindung mitzuwirken. Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1982 2 C 91.81 -, a.a.O.

Die Schwelle der Erheblichkeit wird z.B. in Fällen erreicht, in denen die Funktionsfähigkeit der Behörde auf dem Spiel steht. Vgl. Schachel, in: Schütz/Maiwald, § 37 BeamtStG Rn. 33 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung. Davon kann hier keine Rede sein, da die Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf durch den Ausschluss einer einzigen Sitzungsvertreterin nicht tangiert wäre. Der Antragsgegner hat auch nichts dafür dargelegt, dass durch eine Zeugenaussage der Staatsanwältin I. , die sich auf ihre Wahrnehmungen im Rahmen des gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens erstrecken soll, Tatsachen bekannt werden könnten, die der Staatsanwaltschaft ihre künftige Ermittlungs- und Strafverfolgungsarbeit erheblich erschweren könnten. Ebenso wenig ist ein Grund mit besonderem Gewicht darin zu sehen, dass die in das Strafverfahren eingearbeitete Staatsanwältin I. unter Umständen an den weiteren Hauptverhandlungsterminen nicht mehr als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft teilnehmen könnte. Da wegen der Komplexität des gegen den Antragsteller geführten Strafverfahrens an den bisherigen Hauptverhandlungsterminen mit Staatsanwalt H. immer ein zweiter Staatsanwalt, der mit dem Gang des Verfahrens und dem Akteninhalt jedenfalls teilweise vertraut ist, als Sitzungsvertreter eingesetzt war, entsprechen die mit einer evtl. erforderlichen Einarbeitung des bislang neben der Staatsanwältin I. als Sitzungsvertreter eingesetzten Staatsanwalts in weitere Akteninhalte bzw. dem Einsatz eines neuen Sitzungsvertreters einhergehenden Arbeitserschwernisse einer Sachlage, wie sie beispielsweise auch bei einem krankheitsbedingten Ausfall eines Sitzungsvertreters auftreten kann. Das Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten Strafrechtspflege hat jedoch bei derlei Widrigkeiten – mögen sie bei komplexen Strafverfahren auch für die Anklagevertretung besonders misslich sein – hinter das Interesse an der Wahrheitsfindung zurückzutreten. Die Ermittlung des wahren Sachverhalts ist ein zentrales Anliegen des Strafprozesses, dem auch die Staatsanwaltschaft als unparteiisches Organ der Rechtspflege verpflichtet ist. Vgl. Hess.VGH, Beschluss vom 29. Mai 2013 – 8 B 1005/13, 8 D 1006/13 zu § 96 StPO, sowie schon RG, Urteil vom 11. Dezember 1896 – 4531/96 -, RGSt 29, 236.“

Tja, nun muss sie wohl wirklich…..

E-Scooter versus ÖPNV – der Bus muss ihn nicht mitnehmen

entnommen wikimedia.org - gemeinfrei

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Ich hatte am 14.02.205 über den VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 23‌.‌01‌.‌2015‌ – 7 L ‌31‌/‌15‌ – und die darin behandelte Frage berichtet, ob im ÖPNV ein E-Scooter befördert werden muss (vgl. E-Scooter versus ÖPNV – muss der Bus mich mitnehmen?). Das VG hatte die Frage verneint und ist darin jetzt vom OVG Münster im OVG Münster, Beschl. v. 15.06.2015 – 13 B 159/15 – bestätigt worden. Das führt aus:

Die Beförderung des E-Scooters bei gleichzeitiger Mitfahrt des Fahrgastes unterliege den Regelungen für die Beförderung von Sachen. Diese würden nur dann befördert, wenn dadurch die Betriebssicherheit und andere Fahrgäste nicht gefährdet werden könnten. Das sei hier aber der Fall. Nach der „Untersuchung möglicher Gefährdungspotentiale bei der Beförderung von Elektromobilen (E-Scootern) in Linienbussen“ einer sachverständigen Stelle sei zu befürchten, dass der E-Scooter des Antragstellers, der – anders als ein Rollstuhl – im Bus nicht fixiert werden könne und quer zur Fahrtrichtung des Busses stehe, bei einem Gewicht von 138 Kilogramm nicht erst bei einer Notbremsung, sondern schon bei geringeren Beschleunigungs- beziehungsweise Verzögerungswerten kippen oder rutschen und dabei andere Fahrgäste verletzten könne.

Damit dürfte die Sache auch für das Hauptverfahren entschieden sein.

Leicht säuerlich reagiert das OVG Münster auf das BVerfG , oder: Kritik mögen wir nicht

© angelo sarnacchiaro - Fotolia.com

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Im Februar 2015 hatte ich im Posting: Verkehrsrechtler aufgepasst – BVerfG: „erhebliche Bedenken”, wenn man den Richtervorbehalt „flächendeckend aushebelt…” über den BVerfG, Beschl. v. 28.06.2014 – 1 BvR 1837/12 berichtet. Nun, der hat – zumindest kleine – Kreise gezogen und ist jetzt auch beim OVG Münster angekommen, das allerdings im OVG Münster, Beschl. v. 04.05.2015 – 16 B 426/15 – m.E. -„leicht säuerlich“ zu in der in dem Beschluss des BVerfG enthaltenen Kritik an der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte reagiert/formuliert:

„Die Antragstellerin beruft sich ohne Erfolg auf ein Beweisverwertungsverbot wegen eines möglichen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO. Ein Verwertungsverbot im Straf? oder Ordnungswidrigkeitenverfahren führt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zur Unverwertbarkeit der jeweiligen Erkenntnisse auch im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren. Während nämlich Beweisverwertungsverbote im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung tragen, sind im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren maßgeblich auch Rechtsgüter einer unbestimmten Zahl Dritter, namentlich Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, zu beachten. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären oder wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit kraftfahrungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind.

Vgl. zuletzt etwa OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2014 ? 16 B 228/14 ?, juris, Rn. 2 f. (mit weiteren Nachw.).

Die in einem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 ? 1 BvR 1837/12 ?, NJW 2015, 1005 = juris, Rn. 13 geäußerten Zweifel an dieser Praxis können jedenfalls im auf summarischer tatsächlicher Grundlage ? d. h. insbesondere ohne nähere Kenntnis der genauen Umstände der Anordnung nach § 81a StPO ? geführten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu keiner anderen Handhabung führen, zumal mit Blick auf die kurzen Nachweiszeiten für Drogen im Blut(serum) viel für das Vorliegen von Gefahr im Verzug wegen drohenden Beweismittelverlusts sprach.“

Sieben oder acht Punkte – das war die Frage, oder: Wie gilt die Bonusregelung?

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Die Verkehrsrechtler sind in der letzten Zeit ein wenig kurz gekommen. Das liegt vor allem daran, dass es zwar ganz interessante Entscheidungen gibt/gegeben hat, die liegen aber leider noch nicht im Volltext vor. Und über PM berichte ich ja nicht so gern, jedenfalls „in der Regel“. Aber es gibt den Volltext zum OVG Münster, Beschl. v. 02.03.2015 · – 16 B 104/15 – mit einer „8-Punkte-Problematik“. Der Beschluss ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen. Dem Antragsteller war im Oktober 2014 wegen Erreichung der 8-Punkte-Grenze die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen worden. Die Verwaltungsbehörde hatte das auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG. Der Antragsteller hat dann geltend gemacht, das die Punkteberechnung falsch ist. Eine vor der Zustellung der Verwarnung begangene Zuwiderhandlung aus Juni 2014 (Benutzung eines Mobiltelefons, geahndet mit 1 Punkt) hätte außer Betracht bleiben müssen, sodass er nur 7 Punkte habe. Das OVG hat die aufschiebende Wirkung der Klage wieder hergestellt.

„Vorliegend ist § 4 StVG in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3313) anwendbar, da auf den Zeitpunkt des Ergehens der Entziehungsverfügung vom 20. Oktober 2014 abzustellen ist. Die letzte Änderungsfassung des § 4 StVG vom 28. November 2014 (BGBl. I S. 1802) ist nicht anwendbar. Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist nämlich auf die Sach? und Rechtslage im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten. BVerwG, Urteil vom 27. September 1995 ? 11 C 34.94 ?, BVerwGE 99, 249 = juris, Rn. 9, und Beschluss vom 22. Januar 2001 ? 3 B 144.00 ?, juris, Rn. 2; OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Mai 2006 ? 16 B 1093/05 ?, VRS 111 (2006), 230 = juris, Rn. 5 f., und vom 23. April 2012 ? 16 E 22/12 ?.

In Ermangelung eines Widerspruchsverfahrens ist dies der Zeitpunkt des Erlasses der streitbefangenen Ordnungsverfügung.

Für die Beantwortung der Frage, wann sich acht Punkte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG ergeben, kommt es auf den Tag der Begehung der letzten zum Erreichen dieser Punkteschwelle führenden Tat an. Dies ist Ausdruck des nunmehr gesetzlich fixierten Tattagprinzips. Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG). Zur Rechtslage nach dem StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung etwa OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2013 – 16 B 547/13 -, juris, Rn. 2 ff., m.w.N. auf die Rechtsprechung des BVerwG und des erkennenden Senats.

Einem Fahrerlaubnisinhaber, zu dessen Lasten sich im Verkehrszentralregister acht (oder mehr) Punkte ergeben haben, ist die Fahrerlaubnis daher unabhängig von später – vor oder nach Erlass der Entziehungsverfügung – eintretenden Punktetilgungen zu entziehen (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG).

Das Tattagprinzip ist auch bei Anwendung der Bonusregelung des § 4 Abs. 6 StVG zugrundezulegen. Das dort und in Absatz 5 verankerte Maßnahmensystem der Ermahnung bei Erreichen von vier oder fünf Punkten, der Verwarnung bei Erreichen von sechs oder sieben Punkten und der Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht oder mehr Punkten (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StVG) sieht vor, dass die Maßnahmen zwei und drei erst dann ergriffen werden dürfen, wenn die jeweils davor liegende Maßnahme bereits zuvor ergriffen worden ist (§ 4 Abs. 6 Satz 1 StVG). Falls die Fahrerlaubnisbehörde sich nicht an diese Schrittfolge hält, verringert sich, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis sechs oder acht Punkte erreicht oder überschreitet, der Punktestand auf fünf Punkte (Satz 2); wenn der Betroffene acht Punkte erreicht oder überschreitet, ohne dass die Maßnahme der Verwarnung ergriffen worden ist, verringert sich der Punktestand auf sieben Punkte (Satz 3). Entsprechend dem Gedanken des Tattagprinzips kommt es bei Anwendung der Regelungen über die Reduzierung von Punkten darauf an, ob die Zuwiderhandlungen zeitlich vor der Ermahnung oder Verwarnung liegen und ob die begangene Straftat oder Ordnungswidrigkeit rechtskräftig geahndet worden ist. Anderenfalls wäre die Anwendung der „Bonusregelung“ davon abhängig, ob die Fahrerlaubnisbehörde von den Verstößen bereits Kenntnis erlangt hat oder den bereits bekannten Verstoß in die Punkteaufstellung eingestellt hat. Die Auswirkung von solchen Zufällen widerspräche möglicherweise einer berechenbaren Anwendung des Gesetzes und damit den rechtsstaatlichen Vorgaben des Art. 20 Abs. 3 GG zur Rechtssicherheit. Denn die hier in Rede stehende Verlässlichkeit ist ein wesentliches Element der Rechtsordnung. Dahinter verbirgt sich die rechtsstaatliche Forderung, dass staatliche Hoheitsakte einerseits so klar und bestimmt und andererseits so beständig sein sollen, dass sich der Bürger auf sie hinreichend verlassen kann. Ohne ein Mindestmaß an solcher Verlässlichkeit bleibt das Handeln des Staates für den Bürger unvorhersehbar und damit sowohl unberechenbar als auch unverständlich.“