Schlagwort-Archive: OLG Oldenburg

Trau schau, wem… auch Richter können irren

Der Angeklagte hatte dem Richter und der von ihm gegebenen Auskunft zu Form und Frist der Revisionsbegründung geglaubt. Die war falsch – auch Richter können irren. Ergebnis: Die Revision war nicht rechtzeitig begründet worden.

Das OLG Oldenburg, Beschl. v. 31.01.2011 – 1 Ss 7/11 hat von Amts wegen Wiedereinsetzung gewährt. Wenn ein Angeklagter aufgrund einer falschen richterlichen Auskunft Form und Frist der Revisionsbegründung nicht eingehalten habe, so sei ihm zur Sicherung eines fairen Verfahrens Wiedereinsetzung zu gewähren. Dies gelte auch dann, wenn er die versäumte Handlung noch nicht nachgeholt habe. Denn der Angeklagte dürfe nach der falschen Auskunft des Richters darauf vertrauen, alles Erforderliche zur wirksamen Begründung seines Rechtsmittels getan zu haben.

Verbindung von Verfahren und Pflichtverteidigung: Achtung bei den Gebühren

Eine – in meinen Augen mal wieder fiskalisch geprägte – Entscheidung des OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.12.2010 – 1 Ws 583/10 zwingt m.E. zum Umdenken bei der Erstreckung.

Das OLG Oldenburg will nämlich die Frage wohl bejahen, ob auch dann eine ausdrückliche Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG erforderlich ist, wenn erst verbunden wird und dann (später) die Pflichtverteidigerbestellung erfolgt. Die ganz h.M. sieht das anders und löst die Problematik über § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG. Das OLG Oldenburg will den Satz 3 nun auf alle Verbindungen anwenden, übersieht dabei aber m.E., dass dafür schon nach dem Wortlaut der Vorschrift überhaupt kein Raum mehr ist. Denn es liegt nur noch eine Angelegenheit vor.

Für die Verteidigungspraxis ist aus der Entscheidung der dringende Rat an den Verteidiger abzuleiten, jetzt in allen Verfahren, in denen verbunden wird, in Zusammenhang mit einer Pflichtverteidigerbestellung ausdrücklich die Erstreckung zu beantragen. Nur so lässt es sich vermeiden, dass Gebühren verloren gehen.

Der Rechtsmittelverzicht des unterbevollmächtigten Verteidigers

Das OLG Oldenburg sagt zum Rechtsmittelverzicht des unterbevollmächtigten Verteidigers im Bußgeldverfahren:

Ein unterbevollmächtigter Verteidiger kann in einer Bußgeldsache auch dann wirksam auf Rechtsmittel verzichten, wenn sich eine Vertretungsvollmacht im Zeitpunkt des Rechtsmittelverzichtes nicht bei der Akte befindet, eine Ermächtigung zum Verzicht aber erteilt worden war.

vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 31.01.2011 – 2 Ss Bs 175/10.

Gammelfleisch und Üble Nachrede – was hat das miteinander zu tun?

Nun, ja, auf den ersten Blick ist man schnell geneigt zu sagen: Gar nichts hat das miteinander zu tun. Des Besseren wird man belehrt, wenn an sich mit dem Beschl. des OLG Oldenburg v. 24.01.2011 – 1 Ss 69/10 befasst. Da liest man wohin es führen kann. Aber das OLG sagt auch:

„Die den Tatbestand der Üblen Nachrede erfüllende Weitergabe von eidesstattlichen Versicherungen, in denen von einem fleischverarbeitenden Betrieb u. a. wegen Hygienemängeln betriebsbedingt gekündigte und hiergegen vor dem Arbeitsgericht klagende Arbeitnehmer die Verarbeitung von übelriechendem Fleisch schildern, durch den örtlichen Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG an einen Rundfunkreporter kann wegen Wahrung berechtigter Interessen straflos sein.“

Auch LG können fehlen…

Die Entscheidung des OLG Oldenburg v.  03.01.2011 – 1 Ss 202/10 wird die mitlesenden Amtsrichter vielleicht deshalb freuen, weil auch ein LG mal Fehler macht, die man sonst häufig nur in amtsgerichtlichen Urteilen liest. Die Leitsätze:

  1. Eine Beweiswürdigung mit der Formulierung, „an der Täterschaft des Angeklagten kann es keinen vernünftigen Zweifel geben“, verstößt jedenfalls dann gegen Denkgesetze, wenn nach Lage des Falles auch eine andere Würdigung der Beweise möglich ist.
  2. Als Gesichtspunkt für die Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe kann eine Vorbestrafung mit einem ersichtlich rechtsfehlerhaften Schuldspruch jedenfalls nicht ohne eine nähere Prüfung herangezogen werden.

Das mit der Unerlässlichkeit i.S. des § 47 StGB scheint immer wieder Schwierigkeiten zu machen.