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Mal wieder „Gehörsrügenfalle“, oder/aber: Wer lesen kann, ist klar im Vortel

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Bei der zweiten „Entbindungsentscheidung“ handelt es sich um den OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.12.2017 – 2 Ss (OWi) 152/17. Er verhält sich zu der recht neuen Problematik der sog. „Gehörsrügenfalle“, ein Begriff, der zuerst vom OLG Düsseldorf eingeführt worden ist. Es geht dann um die (Un)Zulässigkeit eines Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen rechtsmissbräuchlichen Verteidigerverhaltens. Das OLG Oldenburg sieht den Antrag als unzulässig an und macht es somit wie das OLG Düsseldorf und ihm folgend die OLG Hamm und Rostock und sagt: Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen missbräuchlichen Verteidigerverhaltens unzulässig, wenn ein verdeckter Entbindungsantrag dem Betroffenen in einem Schriftsatz des Verteidigers als dessen vermeintlich eigene Erklärung in den Mund gelegt wird, um durch bewusst unklare und verklausulierte Formulierungen eine „Gehörsrügenfalle“ zu schaffen:

„Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, da er wegen missbräuchlichen Verteidigerverhaltens unzulässig ist.

Ein derartiges Verteidigerverhalten – vom Verteidiger formulierte Erklärungen, als wörtliche Rede des Betroffenen gekennzeichnet, die verklausuliert einen Entbindungsantrag enthalten – stellt einen Missbrauch prozessualer Rechte dar, da es verfahrensfremden oder verfahrenswidrigen Zwecken dient (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.4.2017, IV-2 RBs 49/17, juris).

Wie der Verteidiger in der Begründung des Zulassungsantrages einräumt, handelt es sich bei den in wörtlicher Rede wiedergegebenen Äußerungen des Betroffenen keineswegs um solche, die so wörtlich vom Betroffenen vorgebracht worden sind, wie es die An- und Abführungszeichen suggerieren. Auch der Senat ist der Überzeugung, dass der vom OLG Düsseldorf als solches bezeichnete „Kunstgriff“, das Verteidigervorbringen dem Betroffenen als dessen vermeintlich eigene Erklärung in den Mund zu legen, wesentlich dem Zweck dient, durch bewusst unklare und verklausulierte Formulierungen eine „Gehörsrügenfalle“ zu schaffen. Diese Vorgehensweise des Verteidigers ist bereits aus anderen Bußgeldsachen bekannt, die beim Senat anhängig waren bzw. sind, bekannt (2 Ss 111/14 = 2 Ss 275/14 = 2 Ss(OWi) 79/15; 2 SsRs 208/13; 2 Ss (OWi) 230/17).

Auch in diesen Fällen war das Verhalten des Verteidigers dadurch gekennzeichnet, dass ein etwaiges Entbindungsbegehren bewusst unklar und verklausuliert in eine so bezeichnete eigene Erklärung des Betroffenen eingekleidet wurde.

Wurde das Entbindungsbegehren nicht beschieden, wurde aus der Nichtbescheidung des vermeintlichen Antrages eine Gehörsrüge hergeleitet (2 Ss (OWi) 79/15 ; 2 Ss (OWi) 230/17).

In der Sache 2 SsRs 208/13 ist dem Entbindungsbegehren (erst) im anberaumten Termin dagegen stattgegeben worden. Betroffener und Verteidiger waren nicht erschienen. Daraufhin ist – erfolglos – gerügt worden, der Betroffene habe davon ausgehen können, sein Antrag sei abgelehnt worden und habe deshalb von der Reise zum Termin abgesehen! Er habe die (mutmaßliche) fehlerhafte Nichtentbindung mit der Gehörsrüge geltend machen wollen.

Es gilt jedoch, dass im Strafverfahren -wie in jedem Prozess- dass der Gebrauch prozessualer Rechte zum Erreichen rechtlich missbilligter Ziele untersagt ist; auch hier besteht ein allgemeines Missbrauchsverbot (BGHSt 38, 111 ff.). Ein Missbrauch prozessualer Rechte ist dann anzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter die ihm durch die Strafprozessordnung eingeräumten Möglichkeiten zur Wahrung seiner verfahrensrechtlichen Belange dazu benutzt, um gezielt einen verfahrensfremden oder verfahrenswidrigen Zweck zu verfolgen. So ist es rechtsmissbräuchlich, wenn ein Antrag nur zum Schein der Sachaufklärung wegen gestellt wird, mit ihm in Wahrheit aber verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden (BGH aaO.).

Der Verteidiger wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, einen klaren und eindeutig als solchen erkennbaren Entbindungsantrag zu stellen, zumal die Formulierungen von ihm stammen. Die dafür erforderliche schriftliche Vertretungsvollmacht hatte ihm der Betroffene erteilt. Es ist kein sachlicher Grund für das von dem Verteidiger auch im vorliegenden Verfahren gewählte Vorgehen ersichtlich, eine eigene Erklärung des Betroffenen vorzutäuschen und ein darin enthaltenes Entbindungsbegehren unkommentiert an das Gericht weiterzugeben (vergleiche OLG Düsseldorf aaO.). Der Senat ist ebenso wie das OLG Düsseldorf im Übrigen der Überzeugung, dass es dem Verteidiger auch nicht ernsthaft um eine Entbindung vom Erscheinen ging.

Dies wird schon belegt durch das Vorgehen in der oben genannten Sache 2 SsRs 208/13, in der die tatsächlich erfolgte antragsgemäße Entbindung gerügt wurde.

Hierfür spricht weiter nicht nur die unklare und verklausulierte Wortwahl, bei der die Formulierung eines bestimmten Antrages gerade vermieden wurde. Ausdrücklich heißt es nämlich in der Erklärung lediglich, dass der Betroffene keinesfalls einen Termin wahrnehmen möchte. Das besagt aber letztlich nur, dass er einen Termin am liebsten überhaupt vermeiden möchte, wobei er seine Bereitschaft erklärt, dass Verwarngeld für eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 20 km/h zu akzeptieren.

Die bewusst eingesetzte Unklarheit wird noch dadurch gesteigert, dass vor dem Termin lediglich auf die Erklärung vom 30.11.2016 verwiesen worden war, somit der verklausulierte Entbindungsantrag nicht einmal explizit wiederholt wurde. Diese Vorgehensweise ist zudem aus den Verfahren 2 Ss 275/14 und 2 Ss (OWi) 79/15 bekannt. Nachdem in erstgenannter Sache ein derart wiederholter Antrag wegen Aufhebung des Termins nicht beschieden werden musste und das Amtsgericht den Betroffenen bei Neuterminierung entbunden hatte, rügte der Betroffene nunmehr -allerdings mit Erfolg- dass er für den neuen Termin keinen Entbindungsantrag gestellt hatte, während für den nach Aufhebung und Zurückverweisung vom Amtsgericht dann anberaumten Termin durch Bezugnahme wiederum ein Entbindungsantrag gestellt wurde.

Hinzu kommt, dass trotz nicht erfolgter gerichtlicher Reaktion auf die Schriftsätze, weder der Betroffene noch der Verteidiger bis zum Termin etwas unternommen haben, um auf eine Entbindungsentscheidung hinzuwirken. Im Termin selbst ist dann auch der Verteidiger nicht erschienen.“

Ok, ok, kann man so machen: Aber: Man kann/könnte auch sagen: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil – und wenn man etwas nicht versteht, dann fragt man.

„Gekauft wie besehen“, oder: Was heißt das beim Gebrauchtwagenkauf?

Ausnahmsweise dann heute mal ein Posting, zu dem ich noch keine Volltextentscheidung vorliegen. Aber der Kessel Buntes ist leider zur Zeit nicht sehr voll. Es geht um den OLG Oldenburg, Beschl. v. 02.08.2017 bzw. v. 28.08.2017 – jeweils 9 U 29/17. Es handelt sich um einen Hinweis- bzw. Zurückweisungsbeschluss nach § 522 ZPO.

Es geht (noch einmal) um die Bedeutung der Klausel „gekauft wie gesehen“ beim Gebrauchtwagenkauf. Die Klägerin hatte vom Beklagten einen gebrauchten Peugeot für gut 5.000,- € gekauft. Nach einiger Zeit wollte sie das Fahrzeug zurückgeben und ihren Kaufpreis zurückerhalten. Sie behauptete, das Fahrzeug habe einen erheblichen Vorschaden, von dem sie beim Kauf nichts gewusst habe. Der Verkäufer hat den Vorschaden bestritten und sich außerdem darauf berufen, dass man mit der benutzen Formulierung „gekauft wie gesehen“ Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen habe.

Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat das bestätigt. Dazu aus der PM: „Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen habe der Wagen einen erheblichen, nicht vollständig und fachgerecht beseitigten Unfallschaden. Beide Kotflügel wiesen Spachtelarbeiten und eine Neulackierung auf. Die Formulierung „gekauft wie gesehen“ schließe einen Gewährleistungsanspruch der Klägerin nicht aus. Denn diese Formulierung gelte nur für solche Mängel, die ein Laie ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen bei einer Besichtigung erkennen könne. Dass dem Verkäufer der Vorschaden ebenfalls nicht bekannt war, spiele keine Rolle. Denn für den Gewährleistungsanspruch sei eine Arglist des Verkäufers nicht Voraussetzung. Auch das Argument des Verkäufers, die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines privaten Verkäufers würden überspannt, greife nicht. Denn ihm hätte freigestanden, im Kaufvertrag einen umfassenden Haftungsausschluss für alle ihm nicht bekannten Mängel zu vereinbaren.“

Abstand I: Wie lange muss die Unterschreitung dauern?

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Ich eröffne die Woche dann mit zwei Entscheidungen zur Abstandsunterschreitung (§ 4 StVO). Den Opener macht der OLG Oldenburg, Beschl. v. 17.08.2017 – 2 Ss (OWi) 220/17 – zur erforderlichen Dauer der Unterschreitung. Dazu meint das OLG (noch einmal):

„Die Wiedergabe der Dauer der Abstandsunterschreitung hat ihren Grund darin, dass es immer Verkehrssituationen geben kann, die für Augenblicke zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dies eine schuldhafte Pflichtverletzung begründen würde (OLG Koblenz, Beschluss vom 13.05.2002, 1 Ss 75/02 juris). Es kommt deshalb darauf an, dass es eine solche Änderung der Verkehrssituation vor der Messung nicht gegeben hat … Tatbestandsmäßig handelt – wenn es an einem solchen“: den Abstand unabhängig vom Willen des Betroffenen verringernden) „Verkehrsvorgang fehlt – allerdings schon, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den erforderlichen Abstand unterschreitet (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 10.07.2007, 1 Ss 197/07 juris; Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 41. [jetzt: 44.] Aufl., § 4 StVO Rdnr. 22). Eine bestimmte Dauer der eigentlichen Abstandsunterschreitung fordert der einschlägige Bußgeldtatbestand demgegenüber nicht.“

Dem steht auch die Entscheidung des OLG Hamm vom 9.7.2013 (NStZ-RR 2013, 318) nicht entgegen, da das OLG Hamm es ausdrücklich offen gelassen hat, ob auch kurzfristigere Abstandsunterschreitungen als 3 Sekunden ahndungswürdig sein können. Das OLG Hamm stellt somit gerade keine Mindestanforderungen auf. Außerdem hat das OLG in einer späteren Entscheidung klargestellt, dass es auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung nur ankomme, wenn Verkehrssituationen in Frage stünden, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeuges, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne ( OLG Hamm, ZfSch 2015, 711).

Damit kann eine Abstandsunterschreitung zu einem bestimmten Zeitpunkt ausreichen. Erforderlich ist es allerdings festzustellen, dass nicht zuvor eine Verkehrssituation vorgelegen hat, die die Abstandsunterschreitung als nicht schuldhaft erscheinen ließ. Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht.“

Mit Papas Auto einen Unfall gebaut?, oder: Wann ist die Kasko-Versicherung beim führerscheinlosen Sohn leistungsfrei?

Die Frage, die das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Urt. v. 22.03.2017 – 5 U 174/16 – beantworten musste, lautete: Muss(te) die Kaskoversicherung des väterlichen Pkw für einen Unfall zahlen, den der Sohn und Freunde mit dem geliehenem Wagen verursacht haben? Der Vater hatte sein Auto seinem Sohn und dessen beiden Freunden für einen Abend überlassen. Der Sohn hatte noch keinen Führerschein, daher sollte einer der Freunde fahren. In den frühen Morgenstunden kam es zu einem Unfall, bei dem das Auto mit einem am Seitenrand geparkten Fahrzeug kollidierte. Die herbeigerufene Polizei fand den Wagen verlassen vor. Die Versicherung hatte nicht zahlen wollen, weil sie davon ausgegangen war, dass der Sohn, der noch keine Fahrerlaubnis besitzt, gefahren ist, und dass der Vater dies hätte vorhersehen müssen. Das OLG hat das anders gesehen und hat die Versicherung verpflichtet, den Schaden von rund 8.700 € zu begleichen.

„Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese nicht gemäß Ziff. D.1.4 Satz 2 AKB i. V. m. D.3.1 Satz 1 AKB von ihrer Pflicht zur Leistung befreit.

Gemäß Ziff. D.1.4 Satz 2 AKB darf der Versicherungsnehmer, der Halter oder der Eigentümer das versicherte Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzen lassen, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis besitzt. Leistungsfreiheit gemäß Ziff. D.3.1 Satz 1 AKB setzt voraus, dass die genannte Obliegenheit vorsätzlich verletzt wird. Eine derartige Gestaltung lässt sich – auch nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme – nicht feststellen.

Dabei kann offen bleiben, ob der Geschäftsführer der Klägerin, wovon das Landgericht ausgegangen ist, den Schlüssel für den versicherten PKW am Nachmittag des 18. April 2015 seinem Sohn G. H. übergeben hat oder ob er ihn, wie er selbst und der Zeuge M.S. vor dem Senat erklärt haben, dem Zeugen H.O. ausgehändigt hat. In keinem Fall ist der Beklagten der Beweis gelungen, dass der Geschäftsführer der Klägerin mit dem zur Verwirklichung des Ausschlusstatbestandes notwendigen Vorsatz gehandelt hat. Dafür müsste er es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass sein Sohn, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte, den versicherten PKW selbst fahren würde (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 28, Rn. 188). Demgegenüber geht der Senat bei zusammenfassender Würdigung aller erhobenen Beweise davon aus, dass der Geschäftsführer der Klägerin, als er den versicherten PKW aus seiner Obhut gab, in der Vorstellung gehandelt hat, der über eine Fahrerlaubnis verfügende Zeuge H.O.werde das Fahrzeug durchgehend lenken.

Wie der Zeuge H.O., der Zeuge M. S.und der Geschäftsführer der Klägerin übereinstimmend bekundet haben, haben sie und G. H. sich vor dem Beginn der fraglichen Fahrt am Nachmittag des 18. April 2015 auf dem Grundstück des Geschäftsführers der Klägerin in Großenmeer getroffen. Der Sache nach haben sich sowohl der Geschäftsführer der Klägerin als auch die Zeugen O. und S. dahin geäußert, dass zwischen den Beteiligten kommuniziert worden war, dass H.O. den PKW führen werde. Wie der Zeuge O. weiter ausgeführt hat, ist er sich seinerzeit im Klaren darüber gewesen, dass G.H. keine Fahrerlaubnis besessen habe. Dementsprechend habe er seine Begleiter auch von G. nach B. zum Essen gefahren und anschließend weiter nach R.

Diese Schilderungen harmonieren wiederum mit dem, was der Zeuge B. vor dem Landgericht über die Vernehmung des Zeugen O. in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen G.H. berichtet hat. Danach hat sich H.O. am 18. April 2015 gerade deshalb zu G.H. nach G. begeben, weil Letzterer keine Fahrerlaubnis besessen hat und man einen Fahrer für den in Rede stehenden PKW benötigte.

Weshalb der Geschäftsführer der Klägerin unter derartigen Umständen billigend in Kauf genommen haben sollte, dass sein Sohn den versicherten PKW als Fahrer benutzen würde, erschließt sich dem Senat nicht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann dem Geschäftsführer der Klägerin auch keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Ziff. D.3.1 Satz 2 AKB vorgeworfen werden.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet was im konkreten Fall jedermann einleuchten musste (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 81, Rn. 30 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind in der vorliegenden Konstellation nicht erfüllt. Umstände, die es aus Sicht des Geschäftsführers der Klägerin nahegelegt haben, dass sein Sohn G.sich in dem Zeitraum vom 18. auf den 19. April 2015 selbst hinter das Lenkrad des versicherten PKW setzen werde, sind nicht ersichtlich.

Ein solcher Rückschluss lässt sich insbesondere nicht aus der Tatsache ziehen, dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg ausweislich des Urteils des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Brake vom 25. August 2015 – Az.: 2 Ls 200 Js 49029/14 (187/15) – vor dem in Rede stehenden Unfall bereits zwei Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen G. H. geführt hatte. Wie der Geschäftsführer der Klägerin vor dem Senat erläutert hat, haben sich diese Verfahren jeweils auf die Benutzung eines Mofas bezogen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Im Übrigen erscheint die Darstellung des Geschäftsführers der Klägerin nicht zuletzt deshalb plausibel, weil die Staatsanwaltschaft in den betreffenden Verfahren jeweils gemäß § 45 Abs. 1 JGG beziehungsweise § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen hat (am 3. Juli 2012 beziehungsweise 13. November 2013).

Sollte G. H. in den besagten Fällen tatsächlich den Tatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einem Mofa verwirklicht haben, was zumindest bei einem Vorgehen nach § 45 Abs. 1 JGG keineswegs sicher feststeht, so wäre dies nach Auffassung des Senats kein Aspekt, der den Geschäftsführer der Klägerin geradezu zwangsläufig zu der Erkenntnis hätte führen müssen, dass sein Sohn, begleitet von einem Bekannten mit Fahrerlaubnis, auch den versicherten PKW selbst führen werde. Zwischen der Benutzung eines möglicherweise „frisierten“ Mofas und dem Führen eines PKW ohne die erforderliche Fahrerlaubnis besteht ein erheblicher qualitativer Unterschied mit der Folge, dass für die Verwirklichung des zuletzt genannten Delikts in der Regel eine deutlich höhere Hemmschwelle zu überwinden ist.

Nach alledem ist in der vorliegenden Konstellation eine Leistungsfreiheit oder Leistungskürzung gemäß Ziff. D.1.4 AKB i. V. m. Ziff. D.3.1 AKB nicht gerechtfertigt. Die übrigen vom Landgericht in Betracht gezogenen Ausschluss- beziehungsweise Kürzungstatbestände greifen ebenfalls nicht ein. Insoweit wird auf die überzeugenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Aspekte, die ihnen den Boden entziehen könnten, zeigt die Beklagte auch in der Berufungsbegründung nicht auf.“

Abgemeldet und entstempelt, allein das reicht nicht für einen Verstoß gegen das PflVG

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Die Strafbarkeit nach § 6 PflVG spielt in der (verkehrsstrafrechtlichen) Praxis immer wieder eine Rolle. Sie setzt aber voraus, dass ein Versicherungsvertrag entweder nicht abgeschlossen oder durch Kündigung, Rücktritt, Anfechtung oder in anderer Weise aufgelöst worden ist. Allein die Abmeldung des Kraftfahrzeuges durch den Halter ist nicht ausreichend. Darauf hat das OLG Oldenburg noch einmal im OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.06.2017 – 1 Ss 115/17 – hingewiesen.

Der Angeklagte hatte mit seinem Pkw eine öffentliche Straße befahren, wobei das Kennzeichen des Fahrzeugs entstempelt war, nachdem der Angeklagte das Fahrzeug zuvor abgemeldet hatte. Er ist deswegen wegen eines Verstoßes gegen das § 6 PflVG verurteilt worden. Seine Revision hatte beim OLG Oldenburg Erfolg: Trotz der Abmeldung des Fahrzeugs sei ein Haftpflichtversicherungsschutz (Ruheversicherung) nach Ziffer H.1 der AKB 2015 nicht ausgeschlossen. Das müsse der Tatrichter prüfen. Denn beim Bestehen eines solchen Versicherungsschutzes ergebe sich keine Strafbarkeit, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit wegen des Fahrens mit entstempelten Kennzeichen nach §§ 10 Abs. 12, 48 Abs. 1 b) Fahrzeug-ZulassungsVO, § 24 StVG).