Mit Papas Auto einen Unfall gebaut?, oder: Wann ist die Kasko-Versicherung beim führerscheinlosen Sohn leistungsfrei?

Die Frage, die das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Urt. v. 22.03.2017 – 5 U 174/16 – beantworten musste, lautete: Muss(te) die Kaskoversicherung des väterlichen Pkw für einen Unfall zahlen, den der Sohn und Freunde mit dem geliehenem Wagen verursacht haben? Der Vater hatte sein Auto seinem Sohn und dessen beiden Freunden für einen Abend überlassen. Der Sohn hatte noch keinen Führerschein, daher sollte einer der Freunde fahren. In den frühen Morgenstunden kam es zu einem Unfall, bei dem das Auto mit einem am Seitenrand geparkten Fahrzeug kollidierte. Die herbeigerufene Polizei fand den Wagen verlassen vor. Die Versicherung hatte nicht zahlen wollen, weil sie davon ausgegangen war, dass der Sohn, der noch keine Fahrerlaubnis besitzt, gefahren ist, und dass der Vater dies hätte vorhersehen müssen. Das OLG hat das anders gesehen und hat die Versicherung verpflichtet, den Schaden von rund 8.700 € zu begleichen.

„Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese nicht gemäß Ziff. D.1.4 Satz 2 AKB i. V. m. D.3.1 Satz 1 AKB von ihrer Pflicht zur Leistung befreit.

Gemäß Ziff. D.1.4 Satz 2 AKB darf der Versicherungsnehmer, der Halter oder der Eigentümer das versicherte Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzen lassen, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis besitzt. Leistungsfreiheit gemäß Ziff. D.3.1 Satz 1 AKB setzt voraus, dass die genannte Obliegenheit vorsätzlich verletzt wird. Eine derartige Gestaltung lässt sich – auch nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme – nicht feststellen.

Dabei kann offen bleiben, ob der Geschäftsführer der Klägerin, wovon das Landgericht ausgegangen ist, den Schlüssel für den versicherten PKW am Nachmittag des 18. April 2015 seinem Sohn G. H. übergeben hat oder ob er ihn, wie er selbst und der Zeuge M.S. vor dem Senat erklärt haben, dem Zeugen H.O. ausgehändigt hat. In keinem Fall ist der Beklagten der Beweis gelungen, dass der Geschäftsführer der Klägerin mit dem zur Verwirklichung des Ausschlusstatbestandes notwendigen Vorsatz gehandelt hat. Dafür müsste er es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass sein Sohn, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte, den versicherten PKW selbst fahren würde (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 28, Rn. 188). Demgegenüber geht der Senat bei zusammenfassender Würdigung aller erhobenen Beweise davon aus, dass der Geschäftsführer der Klägerin, als er den versicherten PKW aus seiner Obhut gab, in der Vorstellung gehandelt hat, der über eine Fahrerlaubnis verfügende Zeuge H.O.werde das Fahrzeug durchgehend lenken.

Wie der Zeuge H.O., der Zeuge M. S.und der Geschäftsführer der Klägerin übereinstimmend bekundet haben, haben sie und G. H. sich vor dem Beginn der fraglichen Fahrt am Nachmittag des 18. April 2015 auf dem Grundstück des Geschäftsführers der Klägerin in Großenmeer getroffen. Der Sache nach haben sich sowohl der Geschäftsführer der Klägerin als auch die Zeugen O. und S. dahin geäußert, dass zwischen den Beteiligten kommuniziert worden war, dass H.O. den PKW führen werde. Wie der Zeuge O. weiter ausgeführt hat, ist er sich seinerzeit im Klaren darüber gewesen, dass G.H. keine Fahrerlaubnis besessen habe. Dementsprechend habe er seine Begleiter auch von G. nach B. zum Essen gefahren und anschließend weiter nach R.

Diese Schilderungen harmonieren wiederum mit dem, was der Zeuge B. vor dem Landgericht über die Vernehmung des Zeugen O. in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen G.H. berichtet hat. Danach hat sich H.O. am 18. April 2015 gerade deshalb zu G.H. nach G. begeben, weil Letzterer keine Fahrerlaubnis besessen hat und man einen Fahrer für den in Rede stehenden PKW benötigte.

Weshalb der Geschäftsführer der Klägerin unter derartigen Umständen billigend in Kauf genommen haben sollte, dass sein Sohn den versicherten PKW als Fahrer benutzen würde, erschließt sich dem Senat nicht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann dem Geschäftsführer der Klägerin auch keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Ziff. D.3.1 Satz 2 AKB vorgeworfen werden.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet was im konkreten Fall jedermann einleuchten musste (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 81, Rn. 30 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind in der vorliegenden Konstellation nicht erfüllt. Umstände, die es aus Sicht des Geschäftsführers der Klägerin nahegelegt haben, dass sein Sohn G.sich in dem Zeitraum vom 18. auf den 19. April 2015 selbst hinter das Lenkrad des versicherten PKW setzen werde, sind nicht ersichtlich.

Ein solcher Rückschluss lässt sich insbesondere nicht aus der Tatsache ziehen, dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg ausweislich des Urteils des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Brake vom 25. August 2015 – Az.: 2 Ls 200 Js 49029/14 (187/15) – vor dem in Rede stehenden Unfall bereits zwei Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen G. H. geführt hatte. Wie der Geschäftsführer der Klägerin vor dem Senat erläutert hat, haben sich diese Verfahren jeweils auf die Benutzung eines Mofas bezogen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Im Übrigen erscheint die Darstellung des Geschäftsführers der Klägerin nicht zuletzt deshalb plausibel, weil die Staatsanwaltschaft in den betreffenden Verfahren jeweils gemäß § 45 Abs. 1 JGG beziehungsweise § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen hat (am 3. Juli 2012 beziehungsweise 13. November 2013).

Sollte G. H. in den besagten Fällen tatsächlich den Tatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einem Mofa verwirklicht haben, was zumindest bei einem Vorgehen nach § 45 Abs. 1 JGG keineswegs sicher feststeht, so wäre dies nach Auffassung des Senats kein Aspekt, der den Geschäftsführer der Klägerin geradezu zwangsläufig zu der Erkenntnis hätte führen müssen, dass sein Sohn, begleitet von einem Bekannten mit Fahrerlaubnis, auch den versicherten PKW selbst führen werde. Zwischen der Benutzung eines möglicherweise „frisierten“ Mofas und dem Führen eines PKW ohne die erforderliche Fahrerlaubnis besteht ein erheblicher qualitativer Unterschied mit der Folge, dass für die Verwirklichung des zuletzt genannten Delikts in der Regel eine deutlich höhere Hemmschwelle zu überwinden ist.

Nach alledem ist in der vorliegenden Konstellation eine Leistungsfreiheit oder Leistungskürzung gemäß Ziff. D.1.4 AKB i. V. m. Ziff. D.3.1 AKB nicht gerechtfertigt. Die übrigen vom Landgericht in Betracht gezogenen Ausschluss- beziehungsweise Kürzungstatbestände greifen ebenfalls nicht ein. Insoweit wird auf die überzeugenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Aspekte, die ihnen den Boden entziehen könnten, zeigt die Beklagte auch in der Berufungsbegründung nicht auf.“

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