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Abgemeldet und entstempelt, allein das reicht nicht für einen Verstoß gegen das PflVG

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Die Strafbarkeit nach § 6 PflVG spielt in der (verkehrsstrafrechtlichen) Praxis immer wieder eine Rolle. Sie setzt aber voraus, dass ein Versicherungsvertrag entweder nicht abgeschlossen oder durch Kündigung, Rücktritt, Anfechtung oder in anderer Weise aufgelöst worden ist. Allein die Abmeldung des Kraftfahrzeuges durch den Halter ist nicht ausreichend. Darauf hat das OLG Oldenburg noch einmal im OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.06.2017 – 1 Ss 115/17 – hingewiesen.

Der Angeklagte hatte mit seinem Pkw eine öffentliche Straße befahren, wobei das Kennzeichen des Fahrzeugs entstempelt war, nachdem der Angeklagte das Fahrzeug zuvor abgemeldet hatte. Er ist deswegen wegen eines Verstoßes gegen das § 6 PflVG verurteilt worden. Seine Revision hatte beim OLG Oldenburg Erfolg: Trotz der Abmeldung des Fahrzeugs sei ein Haftpflichtversicherungsschutz (Ruheversicherung) nach Ziffer H.1 der AKB 2015 nicht ausgeschlossen. Das müsse der Tatrichter prüfen. Denn beim Bestehen eines solchen Versicherungsschutzes ergebe sich keine Strafbarkeit, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit wegen des Fahrens mit entstempelten Kennzeichen nach §§ 10 Abs. 12, 48 Abs. 1 b) Fahrzeug-ZulassungsVO, § 24 StVG).

Hätten Sie es gewusst: (Keine) Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung in einem besonderen Fall?

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Außergewöhnliche/besondere Fälle/Sachverhalte sind für ein Posting hier, immer geeignet, so dass ich gerne auf den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.01.2014 – III-3 RVs 4/14 – hinweise. Auszugehen ist von folgendem Sachverhalt, den man sich ein wenig aus der Beschluss herausfiltern muss: Der Angeklagte war Halter eines Motorrades, das ab 2007 von seiner Schwester gefahren wurde. Nachdem die Zulassungsbehörde durch eine Anzeige des Versicherers Kenntnis erlangt hatte, dass für das zunächst auf den Angeklagten zugelassene Motorrad keine dem PflVG entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht, setzte sie am 6. 5. 2008 von Amts wegen das Fahrzeug außer Betrieb. Das Kennzeichen des Motorrades wurde erst am 20. 11. 2012 entstempelt, die Eintragung der Abmeldung im Fahrzeugschein sogar noch später vorgenommen.

Der Angeklagte ist wegen Kraftfahrsteuerhinterziehung in Tateinheit mit Verstoß gegen das PflVG verurteilt worden. Das OLG hebt auf:

„1. Soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt worden ist, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen. Denn der Angeklagte hat die Finanzbehörden nicht pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt. Dass der Angeklagte seiner Pflicht zur Zahlung von Kraftfahrzeugsteuer vor dem Jahre 2007 nicht nachgekommen ist, hat das Landgericht nicht festgestellt. Gegenüber den Finanzbehörden war er nicht zur Angabe verpflichtet gewesen, dass er keine Versicherung mehr für das Motorrad unterhalte. Denn dies ist kein steuerlich relevanter Sachverhalt. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen der Kraftfahrsteuer. Steuerschuldner ist die Person, für die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, § 7 Nr. 1 KraftStG. Grundsätzlich dauert die Steuerpflicht bei einem Fahrzeug, solange dieses zum Verkehr zugelassen ist, § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG. Das Fahrzeug war zunächst auf den Angeklagten zugelassen. Nachdem die Zulassungsbehörde durch eine Anzeige des Versicherers Kenntnis erlangt hatte, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht, setzte sie am 6. Mai 2008 von Amts wegen das Fahrzeug außer Betrieb. Damit endete die Zulassung des Fahrzeuges. Das Kennzeichen des Motorrades wurde aber erst am 20. November 2012 entstempelt, die Eintragung der Abmeldung im Fahrzeugschein sogar noch später vorgenommen. Wie sich aus § 5 Abs. 4 Satz 1 KraftStG ergibt, endet die Steuerpflicht desjenigen, auf den das Fahrzeug zugelassen ist, erst mit der Eintragung der Außerbetriebsetzung in den Fahrzeugschein und der Entstempelung des Kennzeichens. Dass der Angeklagte den Finanzbehörden keine Mitteilung über die Abmeldung des Fahrzeuges hat zukommen lassen, führte damit nicht zu einer Steuerverkürzung, vielmehr bestand die Steuerpflicht fort.“

Hätten Sie es gewusst? Ich nicht bzw. ich hätte erst nachschauen müssen.

Die Fahrt mit dem „roten Kraftfahrzeugkennzeichen“ – nicht immer strafbar

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Die Verstöße gegen das PflVG sind auch eine Art „verkehrsrechtlicher Dauerbrenner“, der die Gerichte häufiger beschäftigt. So zuletzt im OLG Celle, Beschl. v. 08.08.2013 – 31 Ss 20/13. Das AG hatte – so das OLG – folgende Feststellungen getroffen:

a) Nach den getroffenen Feststellungen beantragte der Angeklagte am 4. März 2012 für das neue erworbene Fahrzeug seiner Ehefrau im Internet eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und erhielt am 5. März 2012 per E-Mail die entsprechende Versicherungsbestätigung unter Einschluss von Versicherungsschutz ab Bekanntgabe der Versicherungsbestätigungsnummer für „Zulassungsfahrten (nicht gültig für Kurzzeitkennzeichen), wenn die Zulassungsbehörde vorab ein ungestempeltes Kennzeichen zugeteilt hat“. In Kenntnis dieses Schreibens fuhr der Angeklagte mit dem Fahrzeug am 10. März 2012 gegen 22.42 Uhr auf der A. Straße in H. Dabei war er wegen des ungültig gestempelten Fahrzeugbriefs nicht in der Lage, das Fahrzeug zuzulassen. An dem Fahrzeug waren noch die gestempelten Kennzeichen des Voreigentümers angebracht. Da das Fahrzeug wegen fehlender Haftpflichtversicherung zur Entstempelung ausgeschrieben war, hielten ihn Polizeibeamte an. Diesen gegenüber berief der Angeklagte sich auf die Versicherungsbestätigung vom 5. März 2012. Die Beamten nahmen die Entstempelung vor.

Auf der Grundlage hatte es den Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz verurteilt.

Das OLG beanstandet dann zwar, dass der Zweck der Fahrt des Angeklagten nicht festgestellt worden ist, aber:

Der Zweck der Fahrt kann hier jedoch offen bleiben. Auch ohne seine Feststellung kann der Senat ausschließen, dass der objektive Tatbestand des § 6 Abs. 1 PflVG erfüllt ist. Denn Verstöße gegen die Vertragsbedingungen nach H.3.1 und H.3.2 AKB 2008 beeinträchtigen nicht den Bestand des Versicherungsvertrages, sondern sind reine Obliegenheitsverletzungen (Kreuter-Lange/Schwab in Halm/Kreuter/Schwab, AKB 2008, H.3.2, Rn. 2219; Henzlmeier, NZV 2006, 225, 227f.). Auch die Zuteilung eines ungestempelten Kennzeichens ist nicht Voraussetzung für den Versicherungsschutz; ihre Erwähnung in H.3.1. AKB 2008 dient nur der Zuordnung des Sachverhalts zu der Regelung nach § 10 Abs. 4 FZV (Jacobsen aaO Rn. 32). Als reine Obliegenheitsverletzungen beeinträchtigen etwaige Verstöße gegen H.3.1 AKB 2008 nicht den Bestand des Versicherungsvertrages, sondern führen lediglich zur Leistungsfreiheit nach D.3 AKB 2008 im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (vgl.Kreuter-Lange/Schwab aaO; Henzlmeier aaO). Die Verletzung einer Obliegenheitspflicht im Rahmen eines bestehenden Versicherungsverhältnisses kann aber nicht die Strafbarkeit nach § 6 Abs. 1 PflVG begründen (OLG Hamm StraFo 2007, 172; BayObLGSt 1993, 75; Dauer aaO Vor § 23 FZV Rn. 16; Henzlmeier aaO).