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Strafzumessung III: Was sind eigentlich „einschlägige Vorverurteilungen“?

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aa) Die vorherige Verhängung von Strafen kann dann strafschärfend ins Gewicht fallen, wenn sie die Schuld des Täters und die Notwendigkeit, spezialpräventiv auf ihn einzuwirken, erhöhen, weil dieser jetzt die mit früheren Verurteilungen (oder gar Verbüßungen) gesetzten Warnungen und Hemmschwellen außer Acht gelassen hat (BGHSt 38, 71 [73]; OLG Karlsruhe NJW 2003, 1825). Dieser Gedanke lag namentlich auch der allgemeinen Rückfallvorschrift des § 48 StGB zugrunde, die materiell voraussetzte, dass der Täter sich „nach Art und Umständen der Straftaten“ die vorangegangenen (mindestens zwei) Verurteilungen nicht hatte zur Warnung diesen lassen (dazu vgl. BVerfGE 50, 125 [134]; Schönke/Schröder-Stree, StGB, 19. Auflage 1977, § 38 Rz. 10; Dreher/Tröndle, StGB, 42. Auflage 1985, § 48 Rz. 8 f. und LK-StGB-Koffka, 9. Auflage 1974, § 17 Rz. 18 zur Vorläufervorschrift – zu den Gründen, die zur Aufhebung der Vorschrift des § 48 StGB geführt haben vgl. BT-Drs. 10/2720 S. 10). Dabei wird naheliegend die Warnwirkung umso größer sein, je näher der frühere Normverstoß seiner Art nach mit dem abzuurteilenden Tatvorwurf zusammenhängt (zutr. MüKo-StGB-Miebach, 2. Auflage 2012, § 46 Rz. 111; vgl. weiter Schäfer/Sander/van Gemmeren, a.a.O. Rz. 651, 657 f.). Der Begriff der „einschlägigen“ Vorverurteilung ist – so lange über die Begriffsverwendung Klarheit herrscht – geeignet, einen solchen – dann: kriminologisch verstandenen – Zusammenhang zusammenfassend zu kennzeichnen. Der Grund dafür, dass „einschlägigen“ Vorverurteilungen in der Strafzumessung ggf.  – wenn nicht im Einzelfall von einer sinkenden Hemmschwelle und daher von geringerer Tatschuld auszugehen ist (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, a.a.O. Rz. 656 m. N.) – ein höheres Gewicht zu Lasten des Angeklagten beigemessen werden kann, besteht in diesem Verständnis darin, dass ihnen eine erhöhte Warnfunktion im Hinblick auf die nunmehrige Tatbegehung zugeschrieben wird bzw. sich aus ihnen die gesteigerte Notwendigkeit spezialpräventiver Einwirkung auf den Angeklagten ablesen lässt.15

c) Ausgehend von den vorstehend dargestellten Grundsätzen besorgt der Senat, dass der Tatrichter die Warnwirkung der letzten drei Vorverurteilungen unzutreffend eingeschätzt und diesen ein ihnen nicht zukommendes Gewicht beigemessen hat. Es trifft zwar zu, dass der Angeklagte seit nunmehr mehr als 30 Jahren wegen Verkehrsstraftaten, darunter zahlreich wegen vorsätzlichen Fahrens ohne  Fahrerlaubnis auffällt. Die letzte Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr liegt indessen bereits rund acht Jahre zurück. Begründungsbedürftig wäre vor diesem Hintergrund namentlich gewesen, warum die Verurteilung wegen Vorsatztaten eine signifikant erhöhte Warnwirkung im Hinblick auf die hier in Rede stehende – wenn auch gleichfalls im Straßenverkehr begangene – Fahrlässigkeitstat zu entfalten geeignet waren. Das versteht sich nicht notwendig von selbst (vgl. BGH VRS 28, 420 [422]; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, a.a.O.). Der Warnwirkung der von der Berufungsstrafkammer als „einschlägig“ eingeschätzten Vorverurteilungen hat der Angeklagte hier im Übrigen insoweit Rechnung getragen, als er ein nicht fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug verwendet hat.21

Drogen III: Amphetamin im Überraschungsei, oder: Schöne Überraschung

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Und zum Abschluss des Tages dann noch eine Drogenentscheidung, die von einem OLG stammt. Es handelt sich um den OLG Köln, Beschl. v. 21.02.2017 – 1 RBs 361/16 – mit einer verfahrensrechtlichen Problematik, die in BtM-Verfahren, die ihren Ausgang im Straßneverkehr genommen haben, immer wieder eine Rolle spielt. Nämlich die Frage des Strafklageverbrauchs.

So auch hier: Das AG stellt fest, dass der Betroffene am 31.07.2015 seinen PKW unter dem Einfluss von Amphetamin geführt hat. der Betroffene ist im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten worden; hierbei wurde ein mit Amphetamin gefülltes Überraschungsei aufgefunden. Durch ein weiteres, rechtskräftiges Urteil ist der Betroffene außerdem wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe verurteilt worden, wobei diese Tat ebenfalls am 31.07.2015 begangen wurde. Gegen das im Bußgeldverfahren ergangene Urteil mit dem Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Diese hatte beim OLG Köln Erfolg:

Das OLG beanstandet, dass das Amtsgericht- was bereits auf die erhobene Sachrüge beachtlich ist (vgl. BGH NStZ 2010, 160; BGH NStZ 1999, 38) – die Erörterung der Frage unterlassen habe, ob der Verurteilung des Betroffenen das dauernde Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs entgegensteht. Und dazu weist das OLG auf Folgendes hin::

„bb) Nach diesen Maßstäben geht die Rechtsprechung in den Fällen des Zusammentreffens von Betäubungsmittelbesitz und Führen eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel vom Vorliegen zweier Taten im prozessualen Sinne dann aus, wenn beide ohne innere Beziehung zueinander stehen, der Drogenbesitz gleichsam nur “bei Gelegenheit” der Fahrt stattfindet (BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 09.05.2014 – III-1 RVs 49/14; SenE v. 09.02.2007 – 83 Ss 1/07 -; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 154; KG NStZ-RR 2012, 155 = NZV 2012, 305; OLG Braunschweig Urt. v. 10.10.2014 – 1 Ss 52/14 bei Juris Tz. 21; zust. König/Seitz DAR 2012, 362). Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel bei gleichzeitigem Mitsichführen von Betäubungsmitteln wird indessen angenommen, wenn die Fahrt den Zweck verfolgt, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten bzw. abzusichern, also dazu dient, die Betäubungsmittel zu transportieren, zu finanzieren, an einen sicheren Ort zu bringen, sie zu verstecken oder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Maßgeblich ist demnach eine Finalbeziehung von Fahrt und Drogenbesitz (vgl. BGH NStZ 2012, 709; BGH DAR 2012, 390; BGH NStZ 2009, 705; BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 28.06.2016 – III-1 RBs 181/16; SenE v. 09.05.2014 – III-1 RVs 49/14 -; s. zum Verhältnis von BtM-Delikt und Fahren ohne Fahrerlaubnis SenE v. 14.02.2017 – III-1 RVs 294/16 m. w. N.).

Eine diesbezügliche Erörterung drängte sich hier jedenfalls deswegen auf, weil die Zeugin M. ausweislich der Urteilsgründe angegeben hatte, bei der Kontrolle des Betroffenen sei in dessen Auto ein mit Amphetamin gefülltes Überraschungsei aufgefunden; insoweit sei – wie dies im Übrigen gängiger Praxis entspricht – eine gesonderte Strafanzeige gefertigt worden.“

Es ist dann, nachdem das OLG die Strafakten beigezogen hat, in diesen aber nichts abschließend festsllen konnte, zurückverwiesen worden, denn:

„cc) Weitergehende Erkenntnismöglichkeiten bestehen im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht; deren Ausschöpfung muss vielmehr einer erneuten tatrichterlichen Hauptverhandlung vorbehalten bleiben. Das entspricht der in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Annahme, dass es in Fällen wie dem vorliegenden, in welchen es für die Frage des Bestehens eines Verfahrenshindernisses auf den genauen Tathergang ankommt, die entsprechenden Feststellungen den Regeln des Strengbeweises unterliegen (BGHSt 46, 349 – bei Juris Tz. 10; SenE v. 18.08.1987 – Ss 293/87; Löwe/Rosenberg-StPO-Stuckenberg, 26. Auflage 2008, § 206a Rz. 64 aE; s. a. SK-StPO-Velten, 5. Auflage 2016, § 267 Rz. 64 f.). Dabei wird zu beachten sein, dass das Tatgericht schon grundsätzlich nicht gehalten ist, zu Gunsten eines Angeklagten Sachverhaltsvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH NJW 2003, 2179 w. Nachw.; BGH NStZ 2009, 285). Dieser Grundsatz gilt auch im Zusammenhang mit der Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen eines Verfahrenshindernisses. Insofern reichen bloß theoretische, nur denkgesetzlich mögliche Zweifel nicht aus; sie müssen sich vielmehr auf konkrete tatsächliche Umstände gründen und – nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten – unüberwindbar sein (BGHSt 46, 349 – bei Juris Tz. 9; BGH NStZ 2010, 160).“

Also: Auf ein Neues. Oder: Schöne Überraschung

Falsches Geständnis ist „grob fahrlässig“, oder: Keine Entschädigung im Bonner „Mord ohne Leiche“-Fall

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Ich erinnere: In Bonn hat es ein „Mordverfahren“ gegeben, das unter dem Begriff „Mord ohne Leiche“ bekannt geworden ist. Das LG Bonn hatte den ehemaligen Angeklagten zunächst wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Der BGH hat das Urteil dann im BGH, Beschl. v. 27.10.2015 – 2 StR 4/15 aufgehoben (vgl. dazu mein Posting Mord ohne Leiche, oder: Weiterer Sex nur bei Geständnis). Mit LG Bonn, Urt. v. 21.12.2016 – 21 Ks 2/16, 920 Js 887/12 – ist der Angeklagte dann frei gesprochen worden. Eine Entschädigung nach dem StrEG ür die vom 31.08.2013 bis zum 16.03.2016 erlittene Untersuchungshaft hat das LG wegen grob fahrlässiger Verursachung seiner Inhaftierung durch ein Eingeständnis der Tötung seiner Ehefrau gegenüber einer Zeugin abgelehnt. Das OLG Köln hat das im OLG Köln, Beschl. v. 03.05.2017 – 2 Ws 237/17 – gehalten. Seine Begründung stützt das OLG auf „eigenes Verschulden“/grob fahrlässiges Verhalten.

Und zwar: Der ehemalige Angeklagte habe selbst zumindest grob fahrlässig die Ursache für seine Inhaftierung gesetzt, indem er im Juli 2013 – wahrheitswidrig – der ihn insistierend zum Verschwinden seiner Ehefrau befragenden Zeugin erklärte, er habe seine Frau erwürgt und ihre Leiche zerstückelt und in der Folgezeit über mehrere Wochen hinweg auf hartnäckiges Befragen der Zeugin weitere Details zum Tatablauf schilderte. Dieses Verhalten sei war nicht ausschließlich, jedoch entscheidend für die Annahme des dringenden Tatverdachts durch die Ermittlungsbehörden gewesen.

Und: Der ehemalige Angeklagte habe auch grob fahrlässig gehandelt

„Entgegen der Ansicht des früheren Angeklagten handelte er auch grob fahrlässig. Der Freigesprochene hat die Untersuchungshaft dann zumindest grob fahrlässig verursacht, wenn er nach objektiven, abstrakten Maßstäben in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, indem er schon einfachste naheliegende Überlegungen anzustellen versäumt oder dasjenige nicht bemerkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, und so die Maßnahme „geradezu herausfordert“ (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 11.01.2012, 2 Ws 351/11, NStZ-RR 2013, 192).

Das Verhalten des früheren Angeklagten erfüllt diese Voraussetzungen.

Aufgrund der gegen ihn bereits angeordneten Ermittlungsmaßnahmen, der Heimunterbringung seines Kindes und seines Umzuges zu den Eltern nach C war ihm bewusst, dass er aus Sicht der Ermittlungsbehörden jedenfalls im Sinne eines Anfangsverdachtes verdächtig war, seine Ehefrau getötet zu haben. Ihm musste daher bewusst gewesen sein, dass seine Angaben gegenüber der Zeugin B, mit denen er sich selbst der vorsätzlichen Tötung seiner Ehefrau bezichtigte und detaillierte Ausführungen zum Tatgeschehen und zur Beseitigung der Leiche machte, den gegen ihn bereits bestehenden Anfangsverdacht zu einem dringenden Tatverdacht verstärken und den Erlass eines Haftbefehls gegen ihn rechtfertigen würden.

Der frühere Angeklagte durfte auch nicht darauf vertrauen, dass seine Selbstbezichtigung gegenüber der Zeugin B den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Kenntnis gelangen würde. Es kann dabei dahinstehen, ob das zwischen der Zeugin B und dem früheren Angeklagten aufgezeichnete Gespräch vom 30.08.2013 im Rahmen der vorliegenden Entschädigungsentscheidung berücksichtigt werden darf. Jedenfalls aus den weiteren, für den Senat bindenden Feststellungen des Urteils folgt, dass dem früheren Angeklagten hätte einleuchten müssen, dass die Schilderung von Einzelheiten eines Kapitaldelikts zum Nachteil seiner Ehefrau im Ergebnis bekannt werden und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihn auslösen würde. Nach den getroffenen Feststellungen hat die Zeugin B mit ihm im Juni 2013, nur zwei Monate nach dem sich beide kennengelernt hatten, gemeinsam die Strafakten gelesen und ihm – auch unter Hinweis auf seine Tätigkeit beim Sicherheitsdienst – dauernd vorgehalten, dass er mit der Tötung seiner Ehefrau etwas zu tun habe. Deshalb habe es zwischen ihnen auch „Stress“ gegeben. Die „ganze Fragerei“ und die Sache mit „Allmysterie“ – eine von der Zeugin B häufig besuchte Internetplattform, die sich mit ungeklärten Kriminalfällen befasst, auch dem Verschwinden von T E – seien ihm schon komisch vorgekommen. Es hätte sich dem früheren Angeklagten vor diesem Hintergrund und der von der Kammer geschilderten Persönlichkeit der Zeugin B, deren Leben das Zusammensein mit dem früheren Angeklagten eine besondere Bedeutung verlieh (Seite 33, 2. Absatz UA), aufdrängen müssen, dass die Zeugin B seine Selbstbezichtigung nicht für sich behalten würde. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift kommt es dabei auch nicht darauf an, ob der frühere Angeklagte nicht davon ausgegangen ist, dass die Zeugin B sich persönlich an die Polizei wenden würde. Ihm hätte sich jedenfalls aufdrängen müssen, dass sich die Zeugin B in einem der von ihr besuchten Internetforen oder auch, wie vorliegend geschehen, gegenüber einer Freundin, der Zeugin T2, offenbart, die sich ihrerseits an die Ermittlungsbehörden – wie geschehen – wendet.“

Zum Hintergrund: Im Verfahren nach dem StrEG ist das Beschwerdegericht gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG i. V. m. § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO an die Urteilsfeststellungen gebunden.

Mobiltelefon: Irgendeine Art der Benutzung reicht, oder: Hauptsache weg?

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Als dritte Entscheidung aus der Reihe „Moderne Technik“ ist der OLG Köln, Beschl. v. 02.12.2016 – 1 RBs 339/16 – vorzustellen. M.E. ganz schön mutig, und zwar sowohl das AG als auch das OLG. Es geht um einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO. Das AG hat verurteilt und dazu folgende Feststellungen getroffen:

„Am 27.01.2016 um 13:20 Uhr überschritt er (Anm.: der Betroffene) in T B-N BAB XX, Fahrtrichtung L/C, als Führer des B, Kennzeichen XXXXXX, die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit um 11 km/h. Die zulässige Geschwindigkeit betrug 100 km/h, die festgestellte Geschwindigkeit 111 km/h. Zugleich benutzte er als Führer dieses Fahrzeugs verbotswidrig ein Mobiltelefon, indem er dieses zum Zwecke der Benutzung hielt.“

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Begründung: Das reicht, konkreter muss es nicht sein, da: „Der Begriff der Benutzung schließt die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen der nach üblichem Verständnis als Mobiltelefon bezeichneten Geräte ein (OLG Hamm NJW 2005, 2469; OLG Jena DAR 2006, 636 = NJW 2006, 3734 = VRS 111, 215; OLG Bamberg DAR 2008, 217 = NJW 2008, 599).“

Und dann gibt es gleich noch etwas für zukünftige Fälle:

„Soweit der Betroffene auf die Entscheidung des OLG Stuttgart (Beschl. v. 25.04.2016 – 4 Ss 212/16 – = NStZ-RR 2016, 255, 256) verweist, ergibt sich daraus schon deswegen kein Klärungsbedarf, weil jener Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Während es vorliegend um eine verbotswidrige Nutzung einer Bedienfunktion des Mobiltelefons geht, für das das Gerät gehalten werden muss, war dem dortigen Betroffenen nicht zu widerlegen, dass er ein bereits vor Fahrtantritt begonnenes Telefongespräch während der Fahrt über die Freisprechanlage fortgesetzt und lediglich „vergessen“ hatte, das Gerät abzulegen. Angesichts der technischen Gegebenheiten – ein Telefonat mittels eines über bluetooth mit der Freisprecheinrichtung des Fahrzeugs verbundenen Mobiltelefons erfordert dessen Halten gerade nicht – dürfte es sich bei derartigen Einlassungen in aller Regel um Schutzbehauptungen handeln.“

Ich meine, man hätte doch aufklären und den Begriff „Benutzung“ mit Tatsachen „auffüllen“ müssen. Und m.E. ganz schön mutig, gleich schon mal vorab zukünftige Fälle über das „Totschlagargument“ „Schutzbehauptung“ mit zu entscheiden. Bei manchen Entscheidungen der OLG hat man wirklich den Eindruck, es geht nach dem Prinzip „Hauptsache weg“.

Die Rechnung des Schlüsseldienstes, oder: Nicht alles, was teuer ist, ist gleich Wucher

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Wer kennt es nicht bzw. hat schon mal davon gehört? Man hat sich ausgesperrt und muss, um wieder in seine Wohnugn zu kommen, einen Schlüsseldienst bemühen. der öfnnet die Wohnungstür, man ist also wieder in seiner Wohnung, aber das Portemonnaie ist leer. Denn die Rechnung des Schlüsseldienstes war mehr als saftig. Wenn man die Preise dann sieht/hört, ruft man schnell: Da ist doch Wucher. Aber: Ist das der Fall, vor allem ist es strafrechtlicher Wucher i.S. des § 291 StGB.

Mit der Frage setzt sich der OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2016 – 1 RVs 210/16 – auseinander. Das OLG hat die Frage verneint und meint: Für eine Strafbarkeit wegen Wuchers (§ 291 StGB) ist erforderlich, dass eine Zwangslage ausgebeutet wird. Das ist bei Beauftragung eines Schlüsseldienstes aber nich schon allein wegen des Ausgesperrtseins der Fall. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, wie z.B. dass ein Kind in der Wohnung eingesperrt ist, Wasser aus einer verstopften Rohrleitung austritt oder wegen eingeschalteter elektrischer Geräte Brandgefahr besteht. Im Einzelnen:

„bb) Natürlich lässt sich die Situation des Ausgesperrten in dem Sinne als „Zwangslage“ kennzeichnen, dass sie jedenfalls eine zeitnahe Reaktion unter Hintanstellung ggf. zunächst ins Auge gefasster anderweitiger Pläne erfordert. Andererseits liegt eine ernste Bedrängnis nicht stets und ohne weiteres in der Situation des Ausgesperrt-Seins als solcher. Die tatbestandliche Zwangslage muss nämlich auch „ausgebeutet“ werden können, der Geschädigte daher zur Beseitigung der bedrängten Lage von der Leistung einer bestimmten Person abhängig sein (zutr. Schönke/Schröder-Heine/Hecker, a.a.O., § 291 Rz. 23), dieser Situation eben die spezifische Gefahr einer Rechtsgutsverletzung innewohnen, der sich das Tatopfer nicht ohne weiteres entziehen kann (BGHSt 42, 399 [400]), weshalb auch nicht außer Acht gelassen werden darf, dass es im Wirtschaftsleben zunächst Sache des Auftraggebers ist, sich nach den Kosten für eine benötigte Leistung zu erkundigen.  Maßgeblich sind daher stets die Umstände des Einzelfalles, namentlich die Situation in der nunmehr nicht mehr zugänglichen Wohnung selbst (etwa – worauf bereits das Landgericht zutreffend abgestellt hat – : ein eingeschalteter Herd, ein hungriger Säugling), Jahreszeit und Witterung, die Dringlichkeit anderweitiger Verpflichtungen des Geschädigten sowie die Anwesenheit oder Erreichbarkeit der Hilfe Dritter (zutr. von einer tatbestandlichen Lage ausgehend daher LG Nürnberg-Fürth BB 1973, 777 für den Fall eines Wasseraustritts aufgrund verstopfter Rohrleitung). Soweit der Entscheidung des Landgerichts Bonn vom 5. Mai 2006 (37 M 2/06 – bei Juris Tz. 64), die einen anders gelagerten Sachverhalt betraf, Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte und der Senat dies durch seine Entscheidung vom 2. November 2006 – 80 Ss 108/06 – bestätigt hat, hält er hieran nicht fest.“