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Der abgebrochene Überholvorgang – machen wir daraus einen Verstoß gegen § 1 StVO

entnommen wikimedia.org

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So, und jetzt ist Schluss mit Umzug. Jetzt wird wieder richtig gearbeitet, jetzt machen wir wieder Jura 🙂 Und den Auftakt macht der OLG Hamm, Beschl. v. 07.10.2014 – 1 RBs 162/14 -, der schon ein wenig länger in meinem Blogordner hängt. Den Sachverhalt zu dem Beschluss – das OLG hat nur mit einem Zusatz gearbeitet – habe ich aus der PM des OLG Hamm, in der es dazu geheißen hat:

„Der heute 43 Jahre alte Betroffene aus Lünen befuhr mit seinem Lkw im Januar 2014 bei Unna die BAB 1 in Fahrtrichtung Köln. Im Bereich eines geltenden Überholverbots, angeordnet zunächst durch das Vorschriftzeichen 277 der Straßenverkehrsordnung und sodann durch das Vorschriftzeichen 276 der Straßenverkehrsordnung mit dem Zusatzzeichen 1049-13 (Geltung nur für Lkw, Busse und Pkw mit Anhänger), überholte der Betroffene mehrere auf dem rechten Fahrstreifen fahrende Fahrzeuge. Für diese Fahrweise erhielt er von der Bußgeldbehörde, dann bestätigt durch das Urteil des Amtsgerichts, wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Überholverbot eine Geldbuße von 70 Euro. Die Geldbuße wollte der Betroffene nicht akzeptieren, unter anderem mit der Begründung, er habe den Überholvorgang vor Beginn der Überholverbotszone begonnen und danach mangels ausreichender Lücke zwischen den überholten Fahrzeugen nicht eher nach rechts einscheren können.“

Und dazu dann das OLG:

„Zusatz:

Ergänzend zur zutreffenden Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 15.09.2014, welche dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger bekannt gemacht worden ist und der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, merkt der Senat Folgendes an:

Soweit der Betroffene ausführt, dass das Urteil den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur Beweiswürdigung nicht entspreche, könnte sich daraus nur der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ergeben, der in der vorliegenden Konstellation aufgrund der Höhe der verhängten geldbuße aber gerade nicht eingreift.

Weiter ist auf Folgendes hinzuweisen: In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Verbotszeichen sofort, d.h. von der Stelle an zu befolgen ist, an der es angebracht ist. Das Zeichen 276 verbietet nach wohl ebenso einhelliger Auffassung nicht nur den Beginn, sondern auch die Fortsetzung und die Beendigung des Überholvorgangs innerhalb der Überholverbotszone; ein bereits eingeleiteter Überholvorgang muss andernfalls noch vor dem Verbotsschild abgebrochen werden (BGHSt 25, 293; BGH NJW 1975, 1330, 1331; OLG Köln NVersZ 2001, 169). Wer sich mit seinem Fahrzeug schräg vor dem zu überholenden Fahrzeug befindet, zu diesem aber noch keinen hinreichenden Sicherheitsabstand gewonnen hat, muss das Überholmanöver abbrechen, gegebenenfalls verlangsamen und sich zurückfallen lassen (OLG Düsseldorf NJW 1980, 1116).

Auch, wenn nach den tatrichterlichen Feststellungen in Verbindung mit der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil letztlich nicht ganz klar wird, ob der Betroffene seinen Überholvorgang erst bei Kilometer 323,000 begonnen hat (obwohl bereits ab Kilometer 321,400 – also bereits 1,6 Kilometer zuvor – ein Überholverbot für die von ihm geführte Fahrzeugart durch Verkehrszeichen 277 angeordnet war; wiederholt bei Kilometer 321,600), oder ob dem Betroffenen seitens des die Tat beobachtenden Polizeibeamten der Verkehrsverstoß erst ab Kilometer 323,000 „zugerechnet“ wurde, obwohl der Überholvorgang bereits vor der Überholverbotsstrecke (also vor Kilometer 321,400) begonnen worden war, weil sich dem Betroffenen möglicherweise vor Kilometer 323,000 keine Möglichkeit zu einem gefahrlosen Wiedereinordnen auf dem rechten Fahrstreifen geboten hat, kann sich angesichts der oben zitierten Rechtsprechung kein Anlass zur Fortbildung des Rechts ergeben. Der Betroffene hätte – wenn er tatsächlich den Überholvorgang noch vor Beginn der Überholverbotsstrecke begonnen haben sollte – bei Ansichtigwerden bereits des ersten Überholverbotsschildes den Überholvorgang entweder beendet oder abgebrochen haben müssen.“

Tja, dazu zwei Dinge:

  1. So ganz einfach ist das mit dem Zurückfallenlassen möglicherweise ja nicht und ganz ungefährlich ggf. auch nicht. Also haben wir da dann vielleicht einen Verstoß gegen § 1 StVO?
  2. Warum eigentlich nur ein „Zusatz“, wenn man eine PM zu einer Entscheidung herausgeben will? Ohne Sachverhalt versteht man die doch gar nicht bzw. nicht richtig. Wenn schon, denn schon und lieber einen „richtigen Beschluss“ machen. Ich habe beim OLG „Zusätze“ gehasst 🙂 .

Klingelingling – der Telefonanruf in die/aus der Sicherungsverwahrung

© scusi - Fotolia.com

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Die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung beschäftigt die OLG immer wieder/vermehrt. Ich habe hier eine ganze Reihe von Beschlüssen „hängen“, die sich mit den damit zusammenhängenden Fragen befassen. So auch den OLG Hamm, Beschl. v. 11.09.2014 – 1 Vollz (Ws) 295/14 -, in dem es um eins der „Dauerbrennerthemen“, nämlich mal wieder das Telefonieren geht, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:  Der Betroffene befindet sich in der Sicherungsverwahrung in der JVA. Nach den Feststellungen der StVK besteht das Gebäude, in dem die Sicherungsverwahrten untergebracht sind, aus vier Abteilungen, die jeweils mit 10 bis maximal 15 Untergebrachten belegt sind. Jeder Abteilung stehen zwei Telefone zur Verfügung, und zwar ein festes auf dem Flur befindliches Telefon sowie ein Mobiltelefon. Die Telefonate erfolgen wegen der Gebührenerfassung durch Vermittlung der Abteilungsbeamten. Noch vor Inkrafttreten des SVVollzG NRW war den Untergebrachten auf der Grundlage einer generellen Genehmigung des Antragsgegners die Möglichkeit eingeräumt worden, sich von Personen außerhalb der Anstalt durch Vermittlung der Abteilungsbeamten zurückrufen zu lassen. Diese Genehmigung wurde im Oktober 2013 durch den Antragsgegner widerrufen, mit der Maßgabe, dass den Untergebrachten in Einzelfällen bei nachgewiesener Dringlichkeit und/oder Wichtigkeit weiterhin ein Rückruf durch externe Personen genehmigt werden könne.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der beim OLG Erfolg hatte:

Gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 1 SVVollzG NRW können rechtmäßige Maßnahmen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten unterbleiben können.

Die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, aus § 26 SVVollzG NRW ergebe sich kein generelles Recht des Untergebrachten auf Gestattung der Entgegennahme von Rückrufen, die Erteilung der Genehmigung für telefonische Rückrufe durch den Antragsgegner hätte demnach ab dem Inkrafttreten des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes NRW unterbleiben können, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

In § 26 SVVollzG NRW ist bestimmt, dass dem Untergebrachten zu gestatten ist, Telefongespräche durch Vermittlung der Einrichtung zu führen. Eine Unterscheidung dahingehend, ob das Telefongespräch dadurch zustande kommt, dass der Gefangene von sich aus telefonisch Kontakt zu einem Dritten außerhalb der Anstalt aufnimmt oder dadurch, dass er von einer Person außerhalb der Anstalt angerufen wird, trifft das Gesetz nicht. Auch in der Begründung der Landesregierung zum Entwurf des Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung in Nordrhein-Westfalen (LT-Drs. 16/1435, Seite 80) wird nicht zwischen ausgehenden und eingehenden Telefonaten differenziert, sondern ausgeführt, dass § 26 Abs. 1 SVVollzG NRW einen Anspruch des Untergebrachten auf Gestattung von Telefongesprächen, die durch die Einrichtung vermittelt werden, normiert. Eine solche Differenzierung erübrigte sich auch nicht deshalb, weil sie als selbstverständlich vorauszusetzen ist. Denn auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch führt nicht nur derjenige ein Telefongespräch, der den anderen Gesprächspartner angerufen hat, sondern danach ist unter dem „Führen eines Telefongespräches“ jeder mündliche Gedankenaustausch zwischen zwei Personen über ein Telefon zu verstehen. Auch aus dem der Sinn und Zweck der Gestattung von Telefongesprächen des Untergebrachten, nämlich diesem den Aufbau und die Aufrechterhaltung von sozialen Kontakte nach außen, die für seine Resozialisierung und für seine weitere Entwicklung eine erhebliche Bedeutung haben, unter Benutzung eines modernen Kommunikationsmittels zu ermöglichen, ergibt sich kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Telefongesprächen, bei den der Untergebrachte seinen Gesprächspartner anruft und solchen, die er von Personen außerhalb der Anstalt entgegennimmt.

Dem Untergebrachten steht daher aus § 26 Abs. 1 SVVollzG NRW ein Anspruch auf Gestattung sowohl von Telefongesprächen, die von ihm ausgehen, als auch von solchen, bei denen er von Personen außerhalb der Anstalt angerufen wird, zu. Beschränkungen sind lediglich zur Nachtzeit (§ 26 Absatz ein S. 2 SVVollzG NRW) oder – nach einem begonnenen Gespräch – aus Gründen der Sicherheit und Ordnung (§§ 26 Abs. 4, 22 Abs. 2 S. 3 und 4 SVVollzG NRW) zulässig.“

Also: Ob der Sicherungsverwahrte telefonieren darf, ist damit geklärt, das „Wie“ richtet sich nach dem OLG Hamm, Beschl. v. 01.04.2014 – 1 Vollz (Ws) 93/14.

Ist klar: Eine Frist versäumen kann nur der, der sie einhalten will

© Stefan Rajewski - Fotolia.com

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Schon ein paar Tage hängt in meinem „Blogordner“ der OLG Hamm, Beschl. v. 09.09.2014 – 5 RVs 67/14, der eine Wiedereinsetzungsproblematik zum Gegenstand hat, die in der Praxis häufiger auftritt und auf die ich hier dann einmal hinweisen will. Der Angeklagte hat gegen ein amtsgerichtliches Urteil – nachdem er zunächst Rechtsmittelverzicht erklärt hat – nun doch Sprungerevision eingelegt und begründet seinen Wiedereinsetzungsantrag wie folgt:

„(…) Ich habe mich insoweit auf die Angaben der Anwälte, dass es keine weiteren Folgen (außer der verhängten Gesamtgeldstrafe – Anm. des Senats) geben würde, verlassen, und habe das Urteil angenommen und auf Rechtsmittel verzichtet.
In der Zeit nach dem Urteil habe ich auch die Geldstrafe bezahlt. Ich dachte auch, dass man nun gegen das Urteil nichts mehr machen kann.
Dann erhielt ich die Mitteilung, dass die Straßenverkehrsbehörde aufgrund des Urteils 14 Punkte ins Verkehrszentralregister eingetragen hat. Wenn ich diese Folge gekannt hätte, hätte ich nie ein Geständnis angegeben und mich auf diese Absprache mit dem Gericht nicht eingelassen. Denn ich Wirklichkeit war der Sachverhalt anders als in der Anklage steht. Mein Geständnis nehme ich ausdrücklich zurück.
Ich bin bis zuletzt davon ausgegangen, dass man wegen des Rechtsmittelverzichts nicht gegen das Urteil vorgehen kann. Das hatte man mir so erklärt. Erst nachdem ich Frau Q die Akte zur Prüfung vorgelegt habe, habe ich erfahren, dass es doch noch eine Möglichkeit gibt.“

Das OLG lehnt den Antrag – nicht überraschend – ab, denn – dazu die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Eine Frist im Sinne des § 44 StPO versäumt derjenige, der sie einhalten wollte, aber nicht eingehalten hat. Demgegenüber ist jemand, der von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, nicht nach Satz 1 der Vorschrift an dessen Einlegung „verhindert“. Dies gilt auch dann, wenn ein Angeklagter – auch nach Beratung durch seinen Verteidiger – die Rechtsfolgen der (zunächst) nicht angegriffenen Entscheidung (hier: Eintragung von Punkten in das Verkehrszentralregister) oder die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels möglicherweise falsch einschätzt.
  1. 44 StPO stellt ausschließlich auf unverschuldete Hindernisse bei der Einhaltung einer Frist ab. Als ein solches Hindernis kommt die unverschuldete Unkenntnis von Umständen nur insoweit in Betracht, als letztere für den Beginn und Lauf einer einzuhaltenden Frist maßgeblich sind. Demgegenüber stellt eine unverschuldete Unkenntnis von Umständen, die lediglich den Beweggrund zur Wahrung einer Frist beeinflussen können (wie hier die falsche Einschätzung sämtlicher Folgen des Urteils), kein solches Hindernis dar. Die irrige Beurteilung der Folgen eines zunächst nicht angegriffenen Urteils derart, dass außer der verhängten (Gesamt-)Geldstrafe keine weiteren Konsequenzen eintreten würden, beeinflusste lediglich die Willensbildung dahin, nicht gegen das Urteil vorzugehen, also letztlich die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels nicht auszunutzen.

Also: Man muss sich schon genau überlegen, was man dem Mandanten rät bzw. wie man ihn belehrt.

Der Radfahrer, die 5 cm-Kante auf dem Leinpfad und die Schnelligkeit

© Dietmar Rabich, rabich.de, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons

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In der Nähe von Münster kam es im April 2012auf  dem Leinpfad des Dortmund-Ems Kanals zum Sturz eines Fahrradfahrers. Dieser fuhr abends mit seinem Fahrrad auf dem unbeleuchteten, für Fahrräder freigegebenen Uferweg. In Höhe des Hauses des Beklagten – nach den Pressemitteilungen in Münster war es der Ruderverein – ist der Kläger mit seinem Fahrrad an einer 5 cm hohen, schräg verlaufenden Abbruchkante des an dieser Stelle aus Beton bestehenden Bodenbelages mit dem Vorderrad abgerutscht und zu Fall gekommen. Ergebnis: Fraktur des linken Knies und eine Fingerluxation sowie Prellungen an der linken Hand.  Von dem Beklagten hat der Kläger Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzendgeld in der Größenordnung bis 6.500 € und materiellen Schadensersatz in Höhe von ca. 3.300 €. Die Sache ist dann vom OLG Hamm im OLG Hamm, Urt. v. 29.08.2014 – 9 U 78/13 – entschieden worden.: Der Beklagte muss 50 % des dem Kläger entstandenen Schadens ersetzen, die anderen 50 % „bleiben beim Kläger“. In der Höhe muss er sich sein Mitverschulden anrechnen lassen.

Das OLG stellt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten fest:

Der Zustand des Uferweges im Bereich vor dem Bootshaus stellte nach dem lichttechnischen Gutachten des Sachverständigen Prof. T jedenfalls bei Dunkelheit eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar.

Die Abhilfebedürftigkeit ergibt sich dabei aus den nachstehenden Umständen:

Die zunächst aus gestampfter Erde bestehende Oberfläche des nicht beleuchteten und in diesem Bereich zur Wasserseite hin nicht abgesicherten Uferweges wechselt vor dem Bootshaus in einen Betonbelag. Dieser ist – wenn der Radfahrer den Übergang passiert hat – weiterhin für den geübten Radfahrer – wenn auch geringfügig uneben – gut befahrbar. Die anfangs der Betonfläche in Fahrtrichtung befindliche, in einem Winkel von 45 ° zur Fahrtrichtung vorhandene Abbruchkante mit einer Höhe von 5 cm kann allerdings einen Sturz eines Radfahrers herbeiführen, wenn das Vorderrad des Fahrrades in einem so ungünstigen Winkel auf die Abbruchkante trifft, dass das Vorderrad daran abgleitet, und hierdurch bedingt das Fahrrad instabil wird oder der Geradeauslauf unmöglich wird. Der Zustand der Wegeoberfläche verlangt von dem Radfahrer daher an dieser Stelle ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit. Dieses einzuhalten wird ihm bei Dunkelheit dadurch erschwert, dass der Weg nicht beleuchtet ist. Der Sachverständige Prof. T hat in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend dargelegt, dass die Asphaltkante im Halogenscheinwerferlicht eines Fahrrades bei Annäherung zwar erkennbar ist, dies aber erst aus einer Entfernung von 10 Metern. Dass auch der Radfahrer entsprechend § 3 Abs. 1 S. 2 StVO seine Fahrgeschwindigkeit den Sichtverhältnissen anpassen muss, und bei Dunkelheit nur so schnell fahren darf, dass er die vor ihm liegende Strecke übersehen kann, um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können, entlastet den Beklagten nicht. Denn erfahrungsgemäß halten sich Radfahrer nicht unbedingt an diese Vorgaben. Das aber ist wiederum nicht so außergewöhnlich, sodass der Beklagte dies in seine Überlegungen hätte einstellen und mit einem häufig zu beobachtenden Fehlverhalten hätte rechnen müssen (Senat U.v. 15.09.1998, 9 U 110/98 -, […]).

Die Aufmerksamkeit des Radfahrers wird zusätzlich durch die bevorstehende, frühzeitig erkennbare Doppelkurve (der Radweg verschwenkt erst nach links und anschließend nach rechts) in Anspruch genommen, so dass in Betracht zu ziehen ist, dass dieser sein Hauptaugenmerk auf die bevorstehende Kurvenfahrt und nicht auf den Untergrund richtet. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Radfahrer sich auf möglicherweise im Gegenverkehr auftauchende Radfahrer oder Fußgänger – ggfalls in Begleitung von Hunden – einstellen muss.“

Und:

„Seiner Verkehrssicherungspflicht hat der Beklagte nicht dadurch genügt, dass im Verlauf des Weges durch ein von der Stadt N oder dem Wasserschifffahrtsamt errichtetes Schild darauf hingewiesen wird, dass die Benutzung des Weges auf eigene Gefahr erfolge. Unabhängig davon, dass die Benutzung des Weges durch die Stadt N gerade gewollt ist, ist dieser Hinweis in seiner Pauschalität angesichts des – soweit überschaubar – ansonsten guten Zustandes des Weges nicht geeignet, den Benutzer für die konkrete Gefahr im Bereich der Bootstreppe zu sensibilisieren und vor ihr zu warnen.

Der Beklagte hätte daher die Gefahrenstelle beseitigen, bzw. auf deren Beseitigung hinwirken müssen, zumindest aber in ausreichendem Abstand vor der Gefahrenstelle auf diese besonders hinweisen müssen.“

Allerdings: 50 % Mitverschulden, weil der Sturz für den Kläger bei einer den Sichtverhältnissen angepassten Geschwindigkeit zu vermeiden gewesen wäre. War also zu schnell der Radfahrer.

Auf die Entscheidung habe ich gewartet: Motor aus, ist aus, egal warum…

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Ja, auf die Entscheidung habe ich nun wirklich gewartet, nämlich auf den OLG Hamm, Beschl. v. 09.09.2014 – 1 RBs 1/14; zu der Pressemitteilung des OLG sind ja schon einige Postings gelaufen. Warum „gewartet“. Nun, es gibt Fragen/Probleme, von denen weiß man/erwartet man, dass sie irgendwann bei einem OLG ankommen und dort entschieden werden müssen. Und dazu gehörte dann m.E. auch die Frage der Start-Stopp-Automatik in Kombination mit dem Benutzungsverbot für das Handy im Straßenverkehr. Eine Frage, die auch immer wieder in FA-Kursen eine Rolle gespielt hat. Sie hat das OLG jetzt entschieden, und m.E. überzeugend. Motor aus, ist aus, egal warum:

Gemäß § 23 Abs. 1a S. 2 StVO gilt das in S. 1 normierte Verbot der Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons durch den Fahrzeugführer, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss, nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.

Soweit der Gesetzeswortlaut bei Kraftfahrzeugen die Ausschaltung des Motors verlangt, differenziert er nicht zwischen einem automatischen Ausschalten des Motors beim bewussten Abbremsen bzw. Anhalten des Fahrzeugs und einer bewussten manuellen Ausschaltung des Motors durch den Fahrzeugführer. Ebenso wenig lässt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen, dass ein Ausschalten des Motors nur dann gegeben sein soll, wenn zu dessen (Wieder-) Einschaltung die Bedienung einer Zündvorrichtung erforderlich ist.

Auch aus der Begründung der 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrs-rechtlicher Vorschriften vom 11.12.2000 (Verkehrsblatt 2001, Seite 8), durch die § 23 Abs. 1a StVO in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen worden ist, lässt sich eine solche Differenzierung nicht entnehmen. Dort heißt es, dass S. 2 die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons durch den Fahrzeugführer unter den dort genannten Voraussetzungen erlaubt, ohne dass nähere Ausführungen dazu erfolgt sind, wann ein Motor als ausgeschaltet anzusehen ist. In der weiteren Begründung wird sodann ausgeführt, dass damit die Benutzung bei längerem Stillstand wie z.B. im Stau oder bei längerem Halt vor einer geschlossenen Bahnschranke mittels Aufnehmen oder Halten des Telefons oder Telefonhörers weiter erlaubt bleibe, sowie, dass bei verkehrsbedingter Fahrtunterbrechung von kürzerer Dauer wie z.B. Warten vor einer roten Ampel oder im Stop-and-go-Verkehr der Kraftfahrzeugführer den Motor nicht abschalten werde, da er vom unmittelbaren Bevorstehen der Weiterfahrt ausgehe. Auch hier ist lediglich die Rede von einem „Abschalten“ des Motors, ohne dass diesbezüglich eine Definition erfolgt ist oder besondere Voraussetzungen aufgestellt werden.

Auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 23 Abs. 1a S. 1 und S. 2 StVO lässt sich nicht entnehmen, dass der Motor nur dann im Sinne dieser Vorschrift als ausgeschaltet anzusehen ist, wenn er durch den Fahrzeugführer bewusst manuell abgeschaltet worden ist und nur durch das vorherige Bedienen der Zündvorrichtung wieder in Gang gesetzt werden kann. Durch die Vorschrift des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO soll gewährleistet werden, dass dem Fahrzeugführer beide Hände für die eigentlichen Fahraufgaben zur Verfügung stehen. Steht aber das Fahrzeug und ist der Motor nicht in Betrieb, fallen Fahraufgaben, wofür der Führer beide Hände benötigt, nicht an, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Motor zuvor durch den Fahrer durch Betätigen der Zündung oder mit der Abbremsung bzw. dem Stillstand des Fahrzeugs automatisch abgeschaltet worden ist.“