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Vollstreckung III: Verlängerung der Bewährungszeit, oder: Höchstmaß

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Und dann als dritte Entscheidung noch der OLG Hamm, Beschl. v. 22.03.2018 – 1 Ws 91/18 – also schon etwas älter. Es geht um Strafaussetzung/Straferlass. Das OLG nimmt im Beschluss dann noch einmal zum Höchstmaß der Verlängerung der Bewährungszeit Stellung:

„Im Hinblick auf die mit der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft erfolgten Ausführungen zum Höchstmaß der eventuellen Verlängerung einer Bewährungszeit bis auf eine Dauer von fünf Jahren weist der Senat darauf hin, dass nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, eine – auch mehrfache – Verlängerung der Bewährungszeit bis zu der in § 56a Abs. 1 StGB vorgesehenen Höchstgrenze von 5 Jahren – unabhängig von der Dauer der zunächst bestimmten Bewährungszeit und ungeachtet der Regelung des § 56 f Abs. 2 S. 2 StGB – immer möglich ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.03.2011 – 2 Ws 29/11 -, BeckRS 2011, 10192 m.w.N -; OLG Hamm, Beschluss vom 24.09.2014 – III – 2 Ws 222/14 -; OLG Köln, Beschluss vom 15.10.2013 – 2 Ws 512/13 – , BeckRS 2014, 00234). Zulässig ist aber auch eine darüber hinaus gehende Verlängerung der Bewährungszeit, wobei sich die Vorschrift des § 56f Abs. 2 S. 2 StGB insoweit begrenzend auswirkt, als jede Verlängerung der Bewährungszeit ihre Grenze bei Erreichen des „absoluten Höchstmaßes“ von fünf Jahren zuzüglich der Hälfte der ursprünglich bestimmten Bewährungszeit erfährt. Insoweit schließt sich der Senat der ständigen Rechtsprechung des 2. und 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm an (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.03.2011 – 2 Ws 29/11 -, BeckRS 2011, 10192 m.w.N -; OLG Hamm, Beschluss vom 24.09.2014 – III – 2 Ws 222/14 -; OLG Hamm, Beschlüsse vom 09.04.2015 – III – 5 Ws 35/15 – und vom 23.01.2014 – III – 5 Ws 475/13; ebenso OLG Köln, Beschluss vom 15.10.2013 – 2 Ws 512/13 -, BeckRS 2014, 00234).“

Und – <<Werbemodus ein >>: Da weise ich dann doch mal auf unser „Nachsorgehandbuch“ hin, das man hier bestellen kann. Da sind solche Fragen (auch) behandelt.

OWi II: Wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen, oder: Schätzung und/oder Durchsuchung?

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Bei der zweiten Entscheidung, die heute den Weg hierhin gefunden hat, handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 07.05.2018 -2 RBs 61/18. Gerügt hatte der Betroffene eine ganze seiner Ansicht nach vorliegende Fehler in der amtsgreichtlichen Entscheidung. Erfolg hatte er aber nur hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs. Das OLG nimmt insoweit zur Frage der Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen Stellung und moniert, dass das AG die nicht näher aufgeklärt hat, obwohl es dazu bei einer Geldbuße von über 250 € verpflichtet gewesen wäre:

„cc) Im Rechtsfolgenausspruch kann das Urteil jedoch keinen Bestand haben.

Denn die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils zu den Ein­kommensverhältnissen des Betroffenen unterliegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Gem. § 17 Abs. 3 S. 1 OWiG ist Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeiten und der Vorwurf, der den Täter trifft. Dabei sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Tä­ters zu berücksichtigen (§ 17 Abs. 3 S. 2 OWiG). Selbst bei Vorliegen von Ahndungsrichtlinien, wie dem Bußgeldkatalog, ist eine einzelfallbezogene Prü­fung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen jedenfalls bei einer Geldbuße von über 250,- Euro, die nicht den Regelsätzen der BKatV ent­spricht, grundsätzlich geboten (zu vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom ­11.08.2009 -1 SsBs 5/09 – ; OLG Celle; Beschluss vom 16.06.2008 – 311 SsBs 43/08 -). Wenn auch die Anforderungen an die Darstellung der wirt­schaftlichen Verhältnisse nicht überspannt werden dürfen; so müssen durch das Tatgericht doch zumindest derart hinreichende Angaben zum Einkommen gemacht werden, dass dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung möglich ist, ob die Vorschrift des § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG beachtet worden ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.08.2004 – 1 Ss OWi 504/04 -). Dabei sind die wirt­schaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gegebenenfalls vom Gericht aufzu­klären, wobei eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen nicht besteht (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.2015 -III-3 RBs 354/14 -). Zu den wirt­schaftlichen Verhältnissen hat das Amtsgericht Schwelm jedoch keine Fest­stellungen getroffen. Vielmehr begnügt sich das Urteil mit der Feststellung, dass Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene zur Begleichung der erhöhten Geldbuße nicht fähig sei, weder mitgeteilt noch sonst bekannt geworden seien (S. 6 UA). Die insoweit erforderliche nähere Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse, ggf. auch durch Schätzung, ist von dem Amtsgericht Schwelm hingegen nicht vorgenommen worden.“

Fazit: Das Tatgericht muss aufklären, eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen besteht (natürlich) nicht. Das Tatgericht kann/darf aber ggf. schätzen. Frage: Darf es ggf. auch noch mehr, also z.B. beim Betroffenen durchsuchen? Das hängt m.E. von den Umständen des Einzelfalls ab, ist also letztlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Wenn eine Schätzung reicht – und so verstehe ich das OLG – dürfte die Durcshcuhung unverhältnismäßig sein.

Zusammenstoß Pedelec/Kfz am Fußgängerüberweg, oder: Wer haftet wie?

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Urheber J. Hammerschmidt

Neue „Fahrzeuge“, neue Probleme. Das habe ich gedacht, als ich auf das OLG Hamm, Urt. v. 02.03.2018 – 9 U 54/17 – gestoßen bin. Es geht um das Fahren mit einem Pedelec und das Verhalten des Pedelec(fahreres) an einem Fußgängerüberweg und dabei um die Frage: Unterfällt der – nicht abgestiegene – Pedelecfahrer dem Schutzbereich des § 26 StVO, wenn er einen Fußgängerüberweg überquern will? Das OLG Hamm sagt: Nein, geht ggf. von einem Verstoß gegen § 10 StVO aus und legt dem Pedelecfahrer 2/3 der Haftung auf. Der Kraftfahrzuegführer hatte 1/3 zu tragen, u.a. wegen zu später Bremsung. 

„2. Dem Grunde nach ist auch aus Sicht des Senats keine weitergehende – über die vom Landgericht angenommene Haftungsquote der Beklagten von 1/3 hinausgehende – Ersatzpflicht der Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB bzw. 823 Abs. 2 BGB, 229 StGB i.V.m. 115 Abs. 1 VVG anzunehmen.

a) Der streitgegenständliche Verkehrsunfall, bei dem der Kläger schwer verletzt worden ist, hat sich zunächst zweifellos i.S. des § 7 Abs. 1 StVG beim Betrieb des von der Beklagten zu 1) geführten und bei der Beklagten zu 2) versicherten PKW … ereignet. Höhere Gewalt i.S. des § 7 Abs. 2 StVG liegt keinesfalls vor. Eine Unabwendbarkeit des Unfalls i.S. des § 17 Abs. 3 StVG würde die Haftung hier nicht schon von vornherein ausschließen, da der Kläger im Hinblick auf § 1 Abs. 3 StVG als Radfahrer an dem streitgegenständlichen Unfall beteiligt war, ist im Übrigen zudem ohnehin für keine Seite geltend gemacht.

b) Danach kommt es für die Frage der Haftungsquote maßgeblich auf die gem. §§ 9 StVG, 254 BGB vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge an, bei der jeweils zu Lasten einer Seite nur unstreitige bzw. bewiesene Umstände berücksichtigt werden können.

aa) Dem Kläger ist dabei – wie vom Landgericht völlig zutreffend und auch unbeanstandet ausgeführt – in der Tat ein gravierender Verstoß gegen § 10 StVO unter Missachtung des Vorranges der Beklagten zu 1) anzulasten (vgl. dazu allgemein nur Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 10 StVO, Rn. 6; Senat, DAR 2016, 265, dort Rn. 22 bei juris). Insbesondere unterfiel der Kläger als nicht abgestiegener Fahrer eines Pedelec – mithin als Radfahrer – nicht dem Schutzbereich des § 26 StVO (vgl. dazu allgemein nur Hentschel/König, a.a.O., § 26 StVO, Rn. 14; Geigel/Freymann, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 27, Rn. 616; Rogler in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 26 StVO, Rn.32 ff., jeweils m. w. Nachw.). Der wegen des Zusammenhanges mit seinem Einfahrmanöver i.S. des § 10 StVO von vornherein für einen unfallursächlichen Verstoß gegen § 10 StVO sprechende Anschein (vgl. dazu allgemein nur Hentschel/König, a.a.O., § 10 StVO, Rn. 11 m. w. Nachw.) ist keinesfalls erschüttert; im Gegenteil steht der vorgenannte Verkehrsverstoß aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen hierzu in dem vom Landgericht verwerteten Gutachten des DEKRA-Sachverständigen Dipl.-Ing. G sogar positiv fest. Damit hat der Kläger die erste und auch entscheidende Ursache für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall gesetzt. Weitere unfallursächliche Verkehrsverstöße des Klägers – insbesondere auch hinsichtlich des hier sicherlich besonders tragischen Nichttragens eines Schutzhelmes – können aus den vom Landgericht (unbeanstandet) angeführten Gründen nicht angenommen bzw. in die Abwägung eingestellt werden.

bb) Ob hier auf Grundlage des verwerteten Gutachtens des DEKRA-Sachverständigen Dipl.-Ing. G tatsächlich mit dem Landgericht ein unfallursächlicher Verkehrsverstoß – namentlich gegen § 1 2 StVO durch mangelnde Aufmerksamkeit und/oder Reaktion – hinreichend sicher feststeht, erscheint dem Senat bereits durchaus fraglich. Denn aus Sicht des Senats ginge es zu weit, anzunehmen, die Beklagte zu 1) hätte in jedem Falle bereits reagieren müssen, als der Kläger vom linksseitigen Rad-/Gehweg auf den Zebrastreifen auf der Gegenfahrbahn auffuhr. Nach Auffassung des Senats musste die Beklagte zu 1) vielmehr erst zu einem Zeitpunkt reagieren, als aufgrund – hier für den Zeitpunkt des Einfahrens auf die Gegenfahrbahn bislang (auch unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen Z im Ermittlungsverfahren) kaum hinreichend sicher feststellbarer und (vom LG verkannt) von Klägerseite zu beweisender – konkreter Anhaltspunkte erkennbar wurde, dass der Kläger durchfahren und nicht auf der Mittelinsel halten würde, um der Beklagten zu 1) ihren Vorrang zu gewähren. Dass zu diesem – bislang schon nicht feststehenden – Zeitpunkt die Beklagte zu 1) noch unfallvermeidend hätte reagieren können, lässt sich auf Grundlage des vorliegenden Sachverständigengutachtens nicht feststellen.

Ein von der klägerischen Berufung zusätzlich geltend gemachter unfallursächlicher Verstoß der Beklagten zu 1) lässt sich – eine höhere Geschwindigkeit als 30 km/h steht nach dem vorliegenden Gutachten ohnehin schon nicht fest – ebenfalls nicht feststellen. Dass die Beklagte zu 1) (noch) langsamer hätte fahren müssen, ist für den Senat nicht ersichtlich, zumal der Kläger – wie ausgeführt – nicht in den Schutzbereich des § 26 StVO fällt und grundsätzlich nicht mit einem plötzlichen Einfahren des Klägers auf Zebrastreifen und Fahrbahn gerechnet werden musste.

cc) Letztlich können – angesichts der von Beklagtenseite hingenommenen, rechtskräftig ausgeurteilten Haftungsquote der Beklagten von 1/3 – die soeben unter bb. erörterten Fragen indes offen bleiben und bedarf es insoweit keinesfalls noch einer weiteren Sachaufklärung. Denn eine höhere Haftungsquote der Beklagten als 1/3 kommt nach Auffassung des Senats angesichts des hier gegebenen massiven und in jedem Fall ein etwa letztlich – mit dem Landgericht – anzunehmendes unfallursächliches Verschulden der Beklagten zu 1) deutlich überwiegenden unfallursächlichen Verstoßes des Klägers gegen § 10 StVO auf keinen Fall in Betracht. Die vom Senat gleichwohl ursprünglich – lediglich vorsorglich zur Abrundung – noch beabsichtigte persönliche Anhörung der unfallbeteiligten Parteien ist offensichtlich dauerhaft nicht möglich und verspräche ohnehin auch keine weitergehenden Erkenntnisse, da nach den vorgelegten Attesten beide unfallbeteiligten Parteien jeweils keine Angaben zum eigentlichen Unfallhergang machen können.Insgesamt hat das mit der Berufung verfolgte weitergehende Feststellungsbegehren nach alledem keinen Erfolg.“

Das OLG Hamm und die sog. Rockerkutte der Bandidos

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Die zweite Entscheidung, auf die ich heute hinweise, ist der „Rockerkuttenbeschluss“ des OLG Hamm. Ergangen ist dieser OLG Hamm, Beschl. v. 12.07.2018 – 2 Ws 69/18 – im Eröffnungsverfahren.

Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage zum LG Bochum erhoben und dem Angeschuldigten die öffentliche Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins auf seiner sog. “Kutte“ eines Motorradclubs, die er auf dem Vorplatz einer Polizeiinspektion in Bochum getragen hatte, vorgeworfen:

„Konkret wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, am Donnerstag, den 19.10.2017, auf dem Vorplatz der Polizeiinspektion C Mitte, T-Straße, im Einmündungsbereich V-Straße, erschienen zu sein und hierbei eine ärmellose Lederweste, eine so genannte „Kutte“ des „MC Bandidos C“ getragen zu haben. Auf der Rückseite der Kutte sei als Mittelabzeichen der „Fat Mexican“, eine dickliche, mit einem Revolver und einer Machete bewaffnete und mit einem Poncho und einem zum Sombrero bekleidete männliche Gestalt, sowie darüber als sogenannter „Bandidos Top Rocker“ der Schriftzug „Bandidos“ als nach unten halbkreisförmig gebogener Aufnäher mit rotem Großbuchstaben auf gelbem Grund angebracht. Unterhalb des Mittelabzeichens befinde sich als untere Abgrenzung ein weiterer Aufnäher, der halbkreisförmig nach oben gebogen in gleicher Farbgebung in einem weiteren Schriftzug „C“ darstelle. Die obere und untere Abgrenzung bildeten zusammen einen nicht geschlossenen Kreis um den „Fat Mexican“. Rechts und links von diesem befinde sich – wiederum in roter Schrift auf gelbem Grund – eine rechteckiger Aufnäher mit der Aufschrift „MC“ und ein rautenförmiger Aufnäher mit der Bezeichnung „1%“.

Mit bestandskräftigem Erlass vom 21.4.2010 – 212 – 1.1142-4 – habe das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein verfügt, dass der Verein „Bandidos MC Probationary Chapter O“ verboten sei und seine Kennzeichen weder verbreitet noch öffentlich oder in einer Versammlung verwendet werden dürften. Durch unanfechtbaren Erlass vom 23.4.2012 – 402 – 57.07.12 – habe das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen den Verein „Bandidos MC Chapter B“ einschließlich der Teilorganisationen verboten und aufgelöst. Weiter sei verboten worden, in einer Versammlung oder in Schriften, Ton- und Bildträgern, Abbildungen oder Darstellungen, die verbreitet werden können oder zur Verbreitung bestimmt sind, zu verwenden.

Bis auf den auf der Rückseite befindlichen Schriftzug „C“ sei die von dem Angeschuldigten getragene Weste mit denen der verbotene Vereine „Bandidos MC Probationary Chapter O“ und „Bandidos MC Chapter B“ identisch.

Bis auf den auf der Rückseite befindlichen Schriftzug „C“ sei die von dem Angeschuldigten getragene Weste mit denen der verbotene Vereine „Bandidos MC Probationary Chapter O“ und „Bandidos MC Chapter B“ identisch.

Das LG Bochum hat die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Dabei ist es davon ausgegangen, der Angeschuldigte habe auch nicht den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 9 Abs. 3 Vereinsgesetz (VereinsG) erfüllt. Denn durch die Hinzufügung eines Schriftzugs mit der Ortsbezeichnung eines nicht verbotenen Vereins auf der Rückseite der Lederkutte seien die Kennzeichen verbotener Vereine – die von dem Angeschuldigten getragene Lederkutte soll mit denen verbotener Vereine im Übrigen identisch gewesen sein – nicht in im Wesentlichen gleicher Form, was § 9 Abs. 3 VereinsG voraussetze, verwendet worden.

Das OLG Hamm hat das im OLG Hamm, Beschl. v. 12.07.2018 – 2 Ws 69/18 – anders gesehen: Durch § 9 Abs. 3 VereinsG in der seit dem 16.03.2017 geltenden Fassung werde der im Wesentlichen gleiche äußere Auftritt eines nicht verbotenen Vereins, der in den Augen der Öffentlichkeit für Tendenzen stehe, wegen der ein anderer Verein verboten worden sei, erfasst. Dabei spiele es keine Rolle, ob der nicht verbotene Verein die Kennzeichen mit seiner Ortsbezeichnung bereits vor dem Verbot der anderen Vereine verwendet habe.

Zielrichtung der gesetzlichen (Neu-)Fassung sei es nämlich, die Kennzeichen verbotener Verein effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Ein Verein, der im Wesentlichen gleiche Kennzeichen wie der verbotene Verein verwende, erwecke in der Öffentlichkeit allerdings zumindest den Eindruck, er stehe gleichermaßen für die strafbaren Aktivitäten oder verfassungswidrigen Bestrebungen des verbotenen Vereins.

OWi I: Überholen des Langsamfahrenden, oder: Führt Langsamfahren zu unklarer Verkehrslage?

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Heute dann drei OWi-Entscheidungen. Den Opener macht der OLG Hamm, Beschl. v. 14.06.2018 – 4 RBs 174/18. Das AG hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überholens bei unklarer Verkehrslage eine Geldbuße in Höhe von 145 € festgesetzt. Es ist dabei von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„Der Betroffene befuhr am 23.09.2017 gegen 15.30 Uhr mit seinem PKW Opel, amtliches Kennzeichen X, die Q Straße in I in Fahrtrichtung I. Vor ihm fuhr der Zeuge C mit seinem PKW Kia, amtliches Kennzeichen Y. Als dieser kurz vor der Kreuzung Q Straße/J Straße seine Fahrt verlangsamte, ohne jedoch einen Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen, setzte der Betroffene mit seinem Fahrzeug zum Überholen an. Als der Betroffene sich in Höhe des Fahrzeugs des Zeugen C befand, lenkte dieser sein Fahrzeug nach links um in die J Straße abzubiegen. Es kam zu einer Kollision der Fahrzeuge.“

Das OLG Hamm hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, das Urteil aufgehoben und zurückverwiesen:

„Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG). Die bisherigen Feststellungen ergeben einen Verstoß gegen §§ 5 Abs. 3 Nr. 1, 49 StVO durch ein Überholen bei unklarer Verkehrslage nicht.

Eine unklare Verkehrslage ist dann gegeben, wenn nach allen Umständen mit einem gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden darf, etwa wenn sich nicht verlässlich beurteilen lässt, was der Vorausfahrende sogleich tun werde, wenn er sich unklar verhält, in seiner Fahrweise unsicher erscheint oder wenn es den Anschein hat, er wolle abbiegen, ohne dass dies deutlich wird, z.B. bei einem linken Blinkzeichen des Vorausfahrenden ohne Linkseinordnen. Allein ein relatives Langsamfahren des Vorausfahrenden ohne sonstige Ausfälle ist nicht mit einer unklaren Situation im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO gleichzusetzen. Eine das Überholen verbietende Verkehrslage entsteht nur dann, wenn Umstände hinzu treten, die für ein unmittelbar folgendes Linksabbiegen sprechen können, wie etwa eine Fahrtrichtungsanzeige. Allein die theoretische Möglichkeit eines verkehrswidrigen Linksabbiegens schafft noch keine unklare Verkehrslage, die ein Überholen unzulässig macht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.04.2017 – I-1 U 125/16 – juris). Das gilt auch dann, wenn sich der Überholbereich in einem Kreuzungs- oder Einmündungsbereich befindet und das vorausfahrende Fahrzeug in diesem Bereich langsamer fährt (KG Berlin, Urt. v. 09.09.2002 – 12 U 26/01 – juris m.w.N.; OLG Koblenz, Urt. v. 26.01.2004 – – 12 U 1439/02 – juris; OLG Nürnberg VersR 2003, 259 f.; König in: Hentschel/u.a., Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., StVO § 5 Rdn. 35 m.w.N.). Anders wäre dies nur zu bewerten, wenn Umstände vorliegen, die für ein unmittelbar folgendes Linksabbiegen sprechen können (König a.a.O.).

Hier hat das Amtsgericht lediglich eine Verlangsamung der Fahrt des vorausfahrenden Fahrzeugs kurz vor einem Kreuzungsbereich festgestellt. Es geht noch nicht einmal – weder in den Feststellungen noch in seiner rechtlichen Würdigung – davon aus, dass sich das vorausfahrende Fahrzeug zur Mitte hin eingeordnet hat (wie es der als Zeuge vernommene Fahrer dieses Fahrzeugs bekundet haben soll).

Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob neben der Verlangsamung der Fahrt in einem Kreuzungsbereich weitere Umstände vorgelegen haben, die für ein unmittelbar folgendes Linksabbiegen sprechen könnten. Dazu könnte eine deutliche Einordnung zur Fahrbahnmitte zählen (OLG Köln, Beschl. v. 15.04.1983- 3 Ss 115/83 Bz. – juris LS), noch nicht aber unbedingt, wenn sich das vorausfahrende Fahrzeug erst „etwas“ zur Fahrbahnmitte hin orientiert hat (OLG Koblenz a.a.O.). Auch die Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers kann hier relevant sein (König a.a.O.). Weiter werden die räumlichen Verhältnisse, insbesondere in welchem Abstand zu dem Einmündungsbereich die Verlangsamung der Fahrt und eine etwaige Einordnung zur Straßenmitte hin erfolgten, näher festzustellen sein.“