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Anfängerfehler II: Täteridentifizierung im Straßenverkehr – auch das reicht nicht.

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Machen wir heute mal eine kleine Nachhilfestunde in der Frage: Welche Anforderungen muss das amtsgerichtliche Urteil bei der Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes vom Verkehrsverstoß erfüllen? Nach dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.07.2013 –  IV-3 RBs 67/13 und dazu dann Anfängerfehler I: Täteridentifizierung im Straßenverkehr – aufgehoben und zurück, jetzt der Hinweis auf den OLG Hamm, Beschl. v. 02.04.2013 – 5 RBs 33/13. Auch da m.E. im Hinblick auf die uralte Rechtsprechung des BGH: Anfängerfehler.

„Von der Möglichkeit, die §§ 267 Absatz 1 Satz 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG eröffnet, hat der Tatrichter keinen Gebrauch gemacht. Da eine solche Bezugnahme – wie ausgeführt – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, deutlich und zweifelsfrei erfolgen muss, reicht der bloße Hinweis darauf, die Betroffene sei „auf dem vom Geschwindigkeitsverstoß gefertigten Beweisfoto vom Gericht erkannt“ worden, nicht aus. Denn dieser beschreibt lediglich den Beweiserhebungsvorgang, auf den sich die Überzeugungsbildung des Tatrichters gründet, ermöglicht dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht aber nicht die Möglichkeit zu überprüfen, ob das Beweisfoto für die Identifizierung geeignet ist. Der Tatrichter hätte somit die Bildqualität und die auf dem Beweisfoto abgebildete Person im Einzelnen beschreiben müssen. Dies ist indes nicht geschehen. Angaben zur Qualität des Beweisbildes fehlen gänzlich. Soweit das Urteil einzelne Identifizierungsmerkmale aufgezählt hat, entbehren auch diese im Wesentlichen einer ausreichend genauen Beschreibung im vorgenannten Sinne.“

Also: Immer sorgfältig prüfen, ob das, was das AG geschrieben hat. für eine prozessordnungsgemäße Bezugnahme reicht.

Anfängerfehler I: Täteridentifizierung im Straßenverkehr – aufgehoben und zurück

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Immer noch/wieder Erfolg versprechend sind Rechtsbeschwerden, die sich gegen die Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes von einem Verkehrsverstoß richten (vgl. auch hier: Das sollte man aber wissen; oder: Die Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes). Denn da werden doch immer wieder Fehler gemacht, die auf die Rechtsbeschwerde hin dann zur Aufhebung mit der Folge des Zeitgewinns führen. Ein Beispiel für eine solche erfolgreiche Rechtsbeschwerde ist der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.07.2013 –  IV-3 RBs 67/13. Da hat es mal wieder an der prozessordnungsgemäßen Bezugnahme i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gehapert; m.E. ein Anfängerfehler:

„Das angefochtene Urteil weist nicht ausdrücklich auf § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO hin und verwendet auch nicht den Wortlaut dieser Vorschrift. Die im angefochtenen Urteil vom Tatrichter verwandten Formulierungen, mit denen hinsichtlich der Beweisaufnahme lediglich auf das Sitzungsprotokoll verwiesen wird, genügt nicht, um die in der Akte vorhandenen Fotos – zumal nicht einmal deren Fundstellen in den Akten mitgeteilt werden – zum Bestrandteil der Urteilsgründe zu machen. Die Angaben beschränken sich auf eine oberflächliche Beschreibung des Beweiserhebungsvorgangs. Den Gründen kann damit auch nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass bzw. welche Lichtbilder durch Bezugnahme in das Urteil eingefügt sein sollen.“

Und das war es dann, denn:

„Sieht der Tatrichter von einer Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ab, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere ldentifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenschaften so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht in gleicherweise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird (BGH NJW 1996, 1420; OLG Frankfurt NZV 2002, 137; OLG Hamm, Beschluss vom 26. November 2007 — 2 Ss OWi 757/07 —, juris). Die Gründe des angefochtenen Urteils beschränken sich auf die bloße Mitteilung des Ergebnisses der tatrichterlichen Überzeugungsbildung ohne hierfür eine Grundlage mitzuteilen.

Mangels deutlicher und zweifelsfreier Inbezugnahme der Lichtbilder, kann das Rechtsbeschwerdegericht diese nicht aus eigener Anschauung würdigen und ist daher auch nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Lichtbilder als Grundlage einer Identifizierung tauglich sind (vgl. BGH a.a.O.).

Also: Aufgehoben und zurück.

Das sollte man aber wissen; oder: Die Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes

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Manche Entscheidungen verstehe ich nicht. So den OLG Koblenz, Beschl. v. 21.09.2012 – 2 SsBs 54/12, den mir ein Kollege übersandt hat. Da habe ich aber keine Problem mit dem OLG-Beschluss, denn der ist richtig, sondern mit der zugrunde liegenden amtsgerichtlichen Entscheidung.

Es geht um die bekannte Problematik der Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes. Eine seit Jahren „ausgekaute“ Problematik, die einem Amtsrichter, der Bußgeldsachen macht, bekannt sein sollte. War sie aber wohl nicht – was mich erstaunt, denn die den Fragen zugrunde liegende BGH-Entscheidung BGHSt 41, 376 stammt aus dem Jahr 1995 (!!) und ist von den OLG seitdem immer wieder übernommen worden. Warum man dann als Tatrichter immer noch Fehler macht, ist unverständlich.

So allerdings beim AG Linz. Da war nicht ordnungsgemäß auf das vom Verkehrsverstoß gefertigte Lichtbild Bezug genommen worden mit der Folge, dass der Amtsrichter dass dann die Feststellungen des Amtsrichters nicht ausreichend. Dazu noch einmal das OLG:

„Die Feststellungen im Urteil vom 13.03.2012 sind lückenhaft und entsprechen nicht den Anforderungen der §§ 261, 267 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG. Die Urteilsgründe lassen nicht in rechtlich überprüfbarer Weise erkennen, ob die vom Sachverständigen oder vom Bußgeldrichter selbst durch Vergleich des Tatfotos mit dem Gesicht des Betroffenen, vorgenommene Identifizierung eine tragfähige Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung ist (vgl. Senat, Beschluss vom 02.10.2009 – 2 SsBs 100/09 – zitiert nach juris). Hat der Tatrichter den Betroffenen anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Lichtbildes als Fahrer identifiziert, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Beweisfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (Senat a.a.O., Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rdnr. 47a m.w.N.). Die Urteilsfeststellungen enthalten insoweit keinerlei Ausführungen zur Bildqualität des Messfotos und beschreiben die abgebildete Person oder mehrere charakteristische ldentifizierungsmerkmale nicht so präzise, dass dem Rechtsbeschwerdegericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wurde, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist (vgl. Göhler a.a.O.).

Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Messfoto nur Teile des Gesichts des Fahrers wiedergibt. Anhand der weiteren Beschreibung erschließt sich nicht, welche Teile des Gesichts durch Hand- und Wageninnenspiegel verdeckt werden und welche Gesichtspartien noch erkennbar sind (UA S. 3). Angaben zur Bildqualität im Übrigen enthält das Urteil nicht.

Eine Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG liegt hinsichtlich des Messfotos ebenfalls nicht vor. Die Verweisung im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO muss grundsätzlich prozessordnungsgemäß sein, Zweifel am Vorliegen einer Verweisung müssen ausgeschlossen sein; die bloße Mitteilung der Fundstelle und die Mitteilung, das Lichtbild sei in Augenschein genommen worden, genügen hierzu nicht (Göhler a.a.O., § 71 Rdnr. 47b m.w.N.).

Die Urteilsausführungen enthalten keine über die reine Mitteilung der Fundstelle und der Inaugenscheinnahme hinausgehenden Feststellungen (UA S. 3 oben). Eine prozessordnungsgemäße Bezugnahme liegt nicht vor; eine eigene Würdigung durch das Rechtsbeschwerdegericht scheidet insoweit aus.

Ob und inwieweit das vom Bußgeldrichter zum Vergleich herangezogene Lichtbild bzw. Lichtbilder zur Identifizierung geeignet sind, kann somit anhand der Urteilsfeststellungen durch das Rechtsbeschwerdegericht im vorliegenden Fall nicht geprüft werden. Das gilt auch soweit der Bußgeldrichter seine Überzeugung überdies auf das Gutachten eines Sachverständigen gestützt hat. Hat der Sachverständige im Rahmen seiner Gutachtenerstattung auch Lichtbilder ausgewertet, muss dem Rechtsbeschwerdegericht in der oben beschriebenen Weise – prozessordnungsgemäße Verweisung auf ein Lichtbild oder Beschreibung – die Nachprüfung ermöglicht werden, ob die Lichtbilder für eine Überzeugungsbildung überhaupt geeignet sind (OLG Bamberg, NZV 2008, 211 m.w.N.). Daran fehlt es hier.“

Wie gesagt: Unverständlich. Zumal zu der Problematik in allen Handbüchern und Kommentaren dasselbe steht. Muss man nur nachlesen

 

Mobiltelefon im Straßenverkehr – wie kommt das AG an die Feststellungen?

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Nach dem telefonierenden Fahrlehrer, ein weitere Entscheidung zum Mobiltelefon im Straßenverkehr (§ 23 Abs. 1a StVO). Allerdings nicht zum eigentlichen Kernbereich der Vorschrift, nämlich z.B. zum Begriff der Benutzung, sondern zur Frage der tatsächlichen Feststellungen bzw. dazu, wie das AG eigentlich zu den Feststellungen gekommen ist. Ist also eine allgemeine verfahrensrechtliche Frage.

Das AG führt im Urteil aus – so der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 04.01.2012 – 1 SsRs 48/11:

Der Bußgeldrichter hat in dem angegriffenen Urteil folgende Feststellungen getroffen:

„Am 3. 10.2010 um 19.41 Uhr überschritt der Betroffene in Kaiserslautern, A 6, Höhe Km 618,7 Lautertalbrücke, Richtung Mannheim als Fahrer des PKW Audi, amtliches Kennzeichen … die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 18 km/h. Zur gleichen Zeit benutzte der Betroffene als Führer seines Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobiltelefon, in dem er dieses ans linke Ohr hielt und ein Gespräch führte.

Der Sachverhalt steht auf Grund der Einlassung des Betroffenen sowie des in der Akte enthaltenen Lichtbildes fest…“

Nach den Urteilsgründen beruhen die Feststellungen zur verbotswidrigen Benutzung des Mobiltelefons, die der Betroffene in Abrede stellt, ausschließlich auf dem in der Akte befindlichen Lichtbild (Bl. 1 d.A.). Das Amtsgericht hat dazu ausgeführt, dass sich aus dem Lichtbild zweifelsfrei entnehmen lasse, dass der Betroffene während der Fahrt ein Gespräch mit seinem Mobiltelefon führe, welches er ans linke Ohr halte.“

Nun, kein Problem. Natürlich kann das AG seine Überzeugung auf ein Lichtbild stützen. Nur: Dann muss das Lichtbild auch Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sein. Und das war hier nicht der Fall. Denn, so das OLG:

Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde unter anderem mit der Rüge, dass das von dem Bußgeldrichter aufgeführte Lichtbild zu keinem Zeitpunkt in prozessual ordnungsgemäßer Form zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sei, weshalb weder Anlass noch eine Möglichkeit bestanden hätte zu dem in Rede stehenden Lichtbild Stellung zu nehmen.

Die Rüge ist begründet. Das verwendete Lichtbild war nicht Gegenstand der Hauptverhandlung. Dies belegt das Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 14. September 2011. Die Beweisaufnahme wurde zwar eröffnet, nach Aufruf und Entlassung des geladenen Zeugen und nachdem keine Beweis- oder Beweisermittlungsanträge gestellt wurden, ohne weitere Feststellungen wieder geschlossen. An keiner Stelle des Protokolls ist die Inaugenscheinnahme des Lichtbildes aufgeführt. Dass das Lichtbild in anderer Form in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, ist auszuschließen. Dennoch wurde es im Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers verwertet, der das Telefonieren während der Fahrt ausdrücklich bestritt. Der Bußgeldrichter hat demnach seine Überzeugung nicht ausschließlich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen und damit gegen § 261 StPO verstoßen.

Also: Inbegriffsrüge, die nicht ganz einfach zu erheben/begründen ist.

Und: Der Amtsrichter kann, wenn das Lichtbild Gegenstand der Hauptverhandlung war, darauf gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO im Urteil Bezug nehmen.

Messung mit VAMA – Urteilsanforderungen

Ich habe schon länger nicht mehr über interessante Entscheidungen zum Owi-Verfahren berichten können. Was ist los? Flaute? Die ein oder andere Entscheidung habe ich aber noch im Bestand. So den OLG Bamberg, Beschl. v. 01.09.2011 – 2 Ss OWi 1036/11 – also auch schon nicht mehr ganz taufrisch.

Der Beschluss nimmt zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei Verurteilung wegen Nichteinhaltung der Höchstgeschwindigkeit und des Sicherheitsabstands Stellung, und zwar mit folgenden Leitsätzen.

1. Die Geschwindigkeits- und Abstandsmessung mit dem Video-Abstands-Messverfahren VAMA erfüllt die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens.

2. Die auf den Videoaufnahmen dokumentierten Verstöße werden jedoch im Rahmen einer nachträglichen Auswertung des Videobandes durch eine Weg-Zeit-Berechnung ermittelt, wobei sich die für die jeweiligen Zeitnahmen maßgeblichen Zeitpunkte aus der Richtlinie des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren zur polizeilichen Verkehrsüberwachung vom 12.05.2006 (VÜR), Ergänzende Weisung Nr. 6.1 Ziff. 7, ergeben.

3. Da diese Weg-Zeit-Berechnung nicht automatisiert erfolgt, muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung seiner Berechnung ermöglichen, wobei er im Regelfall zumindest die in den polizeilichen Richtlinien genannten Zeitpunkte mitzuteilen und auch darzulegen hat, dass die nach den polizeilichen Richtlinien vorgeschriebenen Toleranzen eingehalten worden sind.

Und: Bedenken hatte das OLG hinsichtlich der Ausführungen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen.

Zwar hat das Amtsgericht auf das bei der Akte befindliche Fahrerlichtbild (Bl. 7 d.A) gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG verwiesen. Allerdings scheint die Tatrichterin gewisse Bedenken hinsichtlich der Qualität und Eignung der (bisher) bei der Akte befindlichen Beweisbilder gehabt zu haben. Dies entnimmt der Senat aus folgendem Passus der Urteilsgründe:

„Die Lichtbilder sind im Bezug auf Farbqualität und Schärfe von mittlerer Qualität. Im Bezug auf die Anzahl erkennbarer Merkmale aus Gesicht und Ohren sind die Bilder von mittlerer Qualität.“

Wenn aber Lichtbilder eines Betroffenen zur Identifizierung nur eingeschränkt geeignet sind, dann muss der Tatrichter weiter darlegen, warum ihm die Identifizierung trotz der eingeschränkten Bildqualität möglich erscheint. Die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale des Betroffenen, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend sind, sind zu benennen und zu beschreiben (OLG Hamm NZV 2006, 162 [OLG Hamm 13.05.2005 – 2 Ss OWi 274/05]).

Für den Fortgang des Verfahrens weist der Senat rein vorsorglich darauf hin, dass Hochglanzabzüge vom Fahrerlichtbild, die beim Bayerischen Polizeiverwaltungsamt – Zentrale VOWi-Stelle – Straubing angefordert werden können, unter Umständen eine bessere Qualität aufweisen, als normale Videoprints.