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Ich will dabei sein – bei Gegenüberstellung/Wahllichtbildvorlage…

entnommen openclipart.org

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Eine Frage, die für den Verlauf/Ausgang des Strafverfahrens von erheblicher Bedeutung sein kann, ist, ob dem Verteidiger ein Anwesenheitsrecht zusteht, wenn es zu einer Gegenüberstellung und/oder eine Wahllichtbildvorlage bei einem Zeugen kommt. Zu der Frage ist übrigens einiges in meinen Handbüchern beim Stichwort „Gegenüberstellung“ ausgeführt. Viel Rechtsprechung gibt es dazu nicht, nur einige schon etwas ältere Entscheidungen. Vor kurzem hat aber ein Kollege die Frage beim LG Düsseldorf problematisiert. Da war eine erkennungsdienstliche Behandlung des Mandanten vorgesehen, gegen deren Anordnung sich der Beschuldigte gewandt hat. Im Beschwerdeverfahren hatte der Kollege dann hilfsweise die Teilnahme an einer Gegenüberstellung beantragt. Die Kammer lehnt eine Entscheidung im LG Düsseldorf, Beschl. v. 23.07.2014 – 014 Qs-110 Js 1842114-28/14 – ab:

„Über den Hilfsantrag hatte die Kammer nicht zu entscheiden.

Bei polizeilichen Vernehmungen – auch bei Vernehmungen des Beschuldigten – hat der Verteidiger kein Anwesenheitsrecht (vgl. Meyer-Goßner, 55. Aufl., § 163 StPO, Rn. 15 f). Gleiches gilt auch für die von der Polizei durchgeführte WahllichtbiIdvorlage.

Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung der Polizei, auf die die Kammer keinen Einfluss hat.“

Na ja, ob das so richtig ist. Denn, wenn man die Gegenüberstellung/Wahllichtbildvorlage als einen vorgezogenen Teil der Hauptverhandlung ansieht……

Akteneinsicht a la Langenfeld – Nachschlag vom LG Düsseldorf

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Ich hatte vor einigen Tagen über den AG Langenfeldberg, Beschl. v. 30.08.2012 – 16 OWi 89/12 [b] -, den mir der Verteidiger aus dem Verfahren übersandt hatte, berichtet (vgl. hier). Dazu liegt jetzt die Beschwerdeentscheidung des LG Düsseldorf vor, die sich in bemerkenswerter Kürze mit der Frage auseinandersetzt. Im LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.09.2012 – 61 Qs 100/12 heißt es nur – kurz und knapp:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedenfalls unbegründet, da das Recht auf Akteneinsicht nicht die Möglichkeit umfasst, die Bußgeldbehörde zu einer bestimmten inhaltlichen Gestaltung der Akte zu veranlassen.“

Nun ja: in der Kürze liegt die Würze. Aber so kurz? In der Sache trifft die Begründung des LG m.E. auch nicht den Kern. Es geht nämlich nicht um die Frage, ob der Verteidiger die inhaltliche Gestaltung der Verfahrensakte bestimmen kann. Vielmehr geht es darum, ob dem Betroffenen/Verteidiger im Wege des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 2 GG) die Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind, die erforderlich sind, um die Ordnungsgemäßheit der Messung zu überprüfen.

Und: Das LG hat in der Sache Stellung genommen. Das erstaunt, da die Entscheidung des AG, was häufig übersehen wird, nach § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG nicht anfechtbar war. Oder übersehe ich was?

Der (weg)rollende Einkaufswagen

Manchmal ist es ja schon eigenartig. Da ist es monatelang „ruhig“ und es gibt kaum Rechtsprechung zu einer Vorschrift, die an sich eine große Rolle in der Praxis spielt. Und dann auf einmal „prasseln“ die Entscheidungen nur so rein (na ja, so in etwa). So zur Zeit bei § 142 StGB, also unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Nach dem OLG Köln nun auch das LG Düsseldorf. Das hat sich zum wegrollenden Einkaufswagen geäußert und den Angeklagten frei gesprochen.

Sachverhalt wie folgt: Der Angeklagte begibt sich nach einem Einkauf mit zwei Einkaufswagen zu seinem auf einem Parkplatz dem abgestellten Lkw. Beim Ausladen eines der Einkaufswagen gerät der andere Einkaufswagen selbstständig ins Rollen und prallt gegen einen in einer gegenüberliegenden Parklücke abgestellten Pkw, an dem dadurch ein Sachschaden in Höhe von rund 1.500 € entsteht. Der Angeklagte holt den den Einkaufswagen zurück und verlässt, obwohl er die Beschädigung des Pkw wahrgenommen hatte, den Parkplatz.

Das LG Düsseldorf, Urt. v. 06.05.2011 – 29 Ns 3/11 verneint einen Verstoß gegen § 142 StGB mit der Begründung, dass kein Unfall i.S. des § 142 StGB vorgelegen habe, da sich in dem schädigenden Ereignis keine typische Gefahr des Straßenverkehrs verwirklicht habe. Die wohl h.M. sieht das in den Fällen wohl anders und kann bzw. muss man m.E. auch wohl anders sehen. Denn die Unterscheidung des LG zwischen „Fortbewegungsverkehr“ und „ruhendem Verkehr“ ergibt sich m.E. nicht aus § 142 StGB. Das OLG Köln hat das gerade für Be- und Entladen auch anders gesehen.

Ich bin gespannt, wie das OLG Düsseldorf das sehen wird. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass die StA diesen Freispruch „schluckt“.

Die Entscheidung ist aber natürlich „Argumentationshilfe“ bei der Verteidigung in vergleichbaren Fällen.

Zum Sonntag ein Gebührentipp: Bitte Nr. 5115 Nr. 5 VV RVG nicht übersehen.

Im OWi-Verfahren gar nicht so selten, ist die Entscheidung im Beschlussweg (§ 72 OWiG). Wenn das Gericht das anregt oder so vorgeht, wird dem Verteidiger sein Einverständnis dadurch „versüsst“ (er verliert ja ggf. eine Terminsgebühr), dass ihm eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5115 Anm. 1 Nr. 5 VV RVG zusteht. So auch das LG Düsseldorf im Beschl. v. 30.07.2010, 061 Qs 65/10, mit den Leitsätzen:

  1. Nach Abs. 1 Nr. 5 der Anm. zu Nr. 5115 VV RVG entsteht die zusätzliche Verfahrensgebühr, wenn das Gericht nach § 72 Abs. 1 S. 1 OWiG durch Beschluss entscheidet.
  2. Als Mitwirkung des Verteidigers reicht es aus, wenn darauf hingewiesen wird, dass aufgrund der verdachtsunabhängigen Aufzeichnung von Daten der Betroffenen ein Verfahrenshindernis vorliegen dürfte und das Verfahren einzustellen sei.

Die Gebühr wird leider immer noch oft übersehen, und das mehr als 6 (!!) Jahre nach Inkrafttreten des RVG.

Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg

Der Beschl. des LG Düsseldorf v. 22.07.2010 – 11 Qs 86/10 ist Anlass, noch einmal darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn wegen eines Verstoßes gegen § 81a StPO bei der Blutentnahme ein Beweisverwertungverbot angenommen wird, zwar eine Schlacht gewonnen ist, aber noch nicht der Krieg. Denn natürlich kann ggf. aus anderen Beweisanzeichen auf Fahrunsicherheit des Beschuldigten geschlossen werden. Das hat das LG Düsseldorf – ebeno wie vor einiger Zeit das OLG Celle und auch das LG Berlin- getan. Wird leider häufig übersehen.

M.E. muss der Verteidiger den Beschuldigten über diese Möglichkeit aufklären, wenn andere Beweismittel vorliegen. Denn dann nützt die Schlacht um das Beweisverwertungsverbot nicht viel.