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Fahrerlaubnisentziehung nach Unfallflucht, oder: Schaden mindestens bei 1.500 €

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Urheber Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium des Innern

Und zum Tagesschluss dann noch der LG Dresden, Beschl. v. 07.05.2019 – 3 Qs 29/19 -, der sich zur Frage der Grene beim bedeutenden Sachschaden i.S. von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB – Stichwort: Regelentziehung beim Unerlaubten Entfernen vom Unfallort, verhält. Das LG Dresden hebt die Grenze auf 1.500 € an.

Im Streit war/ist ein Schaden in Höhe von 1.645,03 EUR brutto. Die Geschädigte ihr Fahrzeug nicht reparieren lassen, sondern hat den Schaden lediglich bei der Versicherung abgerechnet. Das AG hat die Fahrerlaubnis nach § 111a StPO entzogen. Das LG hat aufgehoben:

„Nach Aktenlage sind gegenwärtig keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Angeklagten die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen durch Urteil gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entzogen werden wird. Denn nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist ein Kraftfahrer nur dann in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er sich eines Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht hat (1.), obwohl er weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist (2.). Auch wenn die Beschwerdeführerin nach Aktenlage dringend verdächtig ist, sich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht zu haben, liegt kein Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vor, da es nach gegenwärtigem Ermittlungsstand an einem bedeutenden Schaden an fremden Sachen im Sinne der Norm fehlt.

1. Nach der gebotenen vorläufigen Betrachtung ergibt sich der dringende Tatverdacht hinsichtlich eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen, insbesondere aus der Aussage der Zeugin pp……

2. Indes liegen keine dringenden Gründe für einen Regelfall im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vor, da nach Aktenlage kein bedeutender Schaden an fremden beweglichen Sachen im Sinne der Norm gegeben ist. Zwar entschied das Oberlandesgericht Dresden am 12.05.2005 (Az.: 2 Ss 278/05), dass die Grenze für einen bedeutenden Sachschaden von 1.200,00 DM (so zuvor das Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 10.04.1995 – 1 Ss 91/95) auf 1.300,00 EUR angesichts der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung heraufzusetzen ist. Nunmehr, vierzehn Jahre später, ist es jedoch geboten, diese Grenze auf mindestens 1.500,00 EUR anzuheben (vgl. LG Braunschweig, Beschluss vom 03.06.2016 – 8 Qs 113/16 [min. 1.500,00 EUR]; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018 – 2 Rv 33 Ss 959/17 [1.600,00 EUR]; LG Wuppertal, Beschluss vom 26.10.2017 – 25 Qs 34/17 [1.500,00 EUR]), da bei der Interpretation ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale wie bei dem „bedeutenden Schaden“ im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die allgemeine Geldentwicklung nicht außer Betracht bleiben darf.

Als Vergleichsmaßstab bietet sich der jährlich vom statistischen Bundesamt berechnete und veröffentlichte Verbraucherpreisindex an. Der aktuell geltende Verbraucherpreisindex hat das Jahr 2015 als Basisjahr. Im Jahr 2005 erreichte der Verbraucherpreisindex noch einen durchschnittlichen Jahreswert von 86,2 % und im Jahr 2018 einen Wert von 103,8 %. Die Veränderungsrate beträgt somit 20,42 % (103,8/86,2 x 100 – 100). Der Wert von 1.300,00 EUR aus dem Jahr 2005 stieg somit unter Berücksichtigung dieser Preissteigerungsrate von 20,42 % im relevanten Vergleichszeitraum auf 1.565,46 EUR. Leicht gerundet erscheint es daher sachgerecht, die Wertgrenze für die Annahme eines bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nunmehr auf jedenfalls mindestens 1.500,00 EUR festzusetzen.

Diese Grenze ist vorliegend jedoch nicht erreicht, da es allenfalls auf den im Kostenvoranschlag des Autoservices pp. bezifferten netto-Reparaturkostenbetrag in Höhe von 1.382,38 EUR ankommt und nicht auf den brutto-Reparaturkostenbetrag in Höhe von 1.645,03 EUR. Denn nach § 249 Abs. 2 BGB kann Umsatzsteuer nur dann geltend gemacht werden, wenn sie tatsächlich auch angefallen ist (BGH, Urteil vom 03.03.2009 – VI ZR 100/08). Da der Schutzzweck von § 142 StGB ist, die Vereitelung der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche der Unfallbeteiligten zu verhindern (Fischer, 66. Auflage, § 142 Rn. 2), können nur solche Schadenspositionen herangezogen werden, die erstattungsfähig sind (OLG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2018 – 2 Rv 33 Ss 959/17; LG Aachen, Beschluss vom 13.11.2017 – 66 Qs 10/16; LG Wuppertal, Beschluss vom 26.10.2017 – 25 Qs 34/17). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der hier relevante Fremdsachschaden lediglich der netto-Reparaturkostenbetrag in Höhe von 1.382,38 EUR. Denn die Zeugin … gab in der Hauptverhandlung am 21.03.2019 an, ihr Fahrzeug tatsächlich nicht reparieren lassen zu haben, sodass keine Umsatzsteuer angefallen ist. Auch eine spätere Reparatur kommt nicht in Betracht, da die Zeugin pp. angab, den Schaden bei der Versicherung bereits abgerechnet und das Fahrzeug verkauft zu haben. Unklar bleibt zwar, ob das Fahrzeug durch den Unfall einen merkantilen Minderwert erlitten hat, der als direkte Folge des schädigenden Ereignisses bei der Berechnung des „bedeutenden Schadens“ zusätzlich zu den netto-Reparaturkosten Berücksichtigung zu finden hätte. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen besteht aber kein dringender Verdacht, dass hierdurch die Grenze von jedenfalls mindestens 1.500,00 EUR überschritten wird. Umstände, die auch jenseits des Regelfalls von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegend eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 StGB erwarten lassen, sind nicht ersichtlich.“

Pflichti II: Bindung an eine Bestellungszusage, oder: Versprochen ist versprochen

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Die zweite Entscheidung ist ebenfalls schon etwas älter. Sie stammt bereits aus dem Jahr 2013. Der Kollege Boine hat sie mir übersandt, weil die Verfahrensumstände, die damals zur Beiordnung geführt haben, nun in einem Verfahren erneut aufgetreten sind und er in dem Verfahren auf diesen Beschluss hinweisen musste.

Das LG hatte den Kollegen 2013 bestellt, nachdem das AG die Bestellung zugesagt, dann aber nicht bestellt hatte. In dem LG Dresden, Beschl. v. 02.07.2013 – 3 Qs 84/13 – hat das LG einen neuen Bestellungsgrund geschaffen, nämlich den der „Bindung an eine Zusage“:

„Zwar liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO nicht zwingend vor, denn der Fall ist denkbar einfach gelagert und der Angeklagte hat auch bereits ein schriftliches Geständnis abgelegt. Weder die Sprachschwierigkeiten des Angeklagten, noch der Umstand, dass dem Mtangeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt wurde noch eventuelle, nicht konkret drohende ausländerrechtliche Nachteile führen zu einer anderen Einschätzung der Sachlage.

Gleichwohl war dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Denn das Amtsgericht hat mit Verfügung vom 02.01.2013 (Blatt 58 der Akte) sowie mit Verfügung vom 03.04.2013 (Blatt 75 der Akte) einen Vertrauenstatbestand geschaffen, indem es dem Angeklagten jeweils mitteilte, dass das Gericht beabsichtigt, ihm gemäß § 140 Abs. 2 StPO einen Verteidiger zu bestellen. Dies war für den bereits geständigen Angeklagten Anlass, sich am 12.04.2013 an Rechtsanwalt pp. zu wenden. Nunmehr muss sich das Gericht an den geschaffenen Vertrauenstatbestand gebunden fühlen.“

Nun ja. Die rechtliche Konstruktion für diese Bestellung ist mir nicht so ganz klar.

Pflichti I: Bestellung im JGG-Verfahren, oder: Wie bei Erwachsenen, wenn es schwierig ist

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Heute dann mal wieder drei Entscheidungen zu Pflichtverteidigungsfragen.

Ich eröffne mit dem schon etwas älteren LG Dresden, Beschl. v. 09.05.2018 – 2 Qs 13/18 -, den ich allerdings erst vor kurzem übersandt erhalten habe. Themati: Beiordnung im JGG-Verfahren. Das LG sagt: Das läuft wie bei Erwachsenen:

„Ein Pflichtverteidiger ist gemäß §§ 68 Nr. 1 JGG, 140 Abs. 2 StPO dann zu bestellen, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mit-wirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Für die Beurteilung der Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung gelten zunächst die Grundsätze, wie sie auch bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafverfahren gegen Erwachsene gelten. Jedoch bedarf § 140 Abs. 2 StPO einer jugendspezifischen Auslegung, die zu berücksichtigen hat, dass der Jugendliche oder Heranwachsende insbesondere in der Regel unerfahren ist im Umgang mit staatlichen Instanzen, eingeschränkte sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten hat und dadurch in seiner Interessenwahrnehmung vor Gericht gehandicapt sein könnte (OLG Schleswig StV 2009, 86).

Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es geboten, dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Zum Einen ist für eine effektive Rechtsverteidigung eine Akteneinsicht geboten, um sich mit dem von der Staatsanwaltschaft eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen, dessen Inhalt dem Angeklagten nicht bekannt ist. Zum Anderen stellt § 176 Abs. 4 Nr. 3 und Nr. 4 StGB Straftatbestände dar, die erst zum 27.01.2015 neu gefasst wurden und deren Subsumtion nicht einfach erscheint. So hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 22.01.2015, Az. 3 StR 490/14 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Einwirken auf ein Kind mit pornografischen Abbildungen im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art bedarf.“

Nochmals: Kein Automatismus: Verurteilung in einer „KiPo-Sache“ = DNA-Identitätsfeststellung

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Und dann als drittes Tagesposting der Hinweis auf den LG Dresden, Beschl. v. 02.01.2018 – 15 Qs 47/17 -, der anknüpft an das Posting Kein Automatismus: Verurteilung in einer „KiPo-Sache“ = DNA-Identitätsfeststellung zum LG Braunschweig, Beschl. v. 19.04.2018 – 4 Qs 72/18. Auch im Fall des LG Dresden lag eine Verurteilung wegen des Besitzes von kinder- und jugendpornografischer Schriften vor, die zum Anlass für einen Antrag auf molekulargenetische Untersuchung der durch eine körperliche Untersuchung erlangten Körperzellen zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren genommen wurde. Das AG ist dem Antrag gefolgt, obwohl der Beschuldigte zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Das LG hat aufgehoben:

„b) Für eine negative Gefahrenprognose liegen jedoch keine konkreten Anhaltspunkte vor.

Zwar ist das Gericht hierbei nicht an die von einem anderen Gericht zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung getroffene Sozialprognose gebunden, was schon daraus folgt, dass die Gründe der Entscheidung nicht in Rechtskraft erwachsen (BVerfG, Beschl. v. 14.12.2000 — 2 BvR 1741/99 Rn. 60). Für eine der bei der Strafaussetzung zur Bewährung getroffenen Prognose entgegenlaufende Entscheidung besteht jedoch regelmäßig ein erhöhter Begründungsbedarf (BVerfG a.a.O. Rn. 61).

Umstände, die eine solche, von der im Urteil des Amtsgerichts vom 29.03.2017 zugrunde gelegten Sozialprognose abweichende, Gefahrenprognose rechtfertigen würden, sind jedoch nicht ersichtlich.

Die Kammer verkennt nicht, dass die der Verurteilung zugrunde liegenden Bilder auf ein sexuelles Bedürfnis des Beschwerdeführers hindeuten, das auf legalem Weg nicht zu befriedigen ist. Jedoch würde selbst die Annahme, der Beschwerdeführer werde sich wieder Besitz an kinderpornografischen Schriften verschaffen, die Maßnahme nach § 81g Abs. 1 StPO nicht rechtfertigen. Denn es ist nicht zu erwarten, dass das DNA-Identifizierungsmuster bei derartigen Delikten einen Aufklärungsansatz bieten würde, sodass die Maßnahme hierfür bereits ungeeignet wäre (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 54; LG Traunstein, Beschl. v. 12.03.2007 — 1 Qs 27107 — Rn. 7). Es ist insbesondere nicht erkennbar, inwiefern bei der Speicherung kinderpornografischer Schriften auf Medien des Beschwerdeführers dessen Identifikation anhand eines DNA-Musters möglich und notwendig sein sollte.

Die molekulargenetische Untersuchung wäre somit nur dann erforderlich, wenn zu erwarten wäre, dass der Beschwerdeführer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unmittelbar an anderen Personen begehen werde. Hierfür ergeben sich jedoch auch aus den beigezogenen Ermittlungsakten zu dem Besitz kinderpornografischer Schriften keine konkreten Anhaltspunkte. Allein die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die inkriminierten Dateien auf verschiedenen Speichermedien zur wiederholten Betrachtung gespeichert hatte, vermag als typischer Fall des Besitzes solcher Dateien einen Schluss auf mögliche Übergriffe gegen Kinder nicht zu begründen. Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit der hier maßgeblichen und mittlerweile mehr als dreieinhalb Jahre zurückliegenden Tat nach der von der Kammer eingeholten Auskunft aus dem Bundeszentralregister nicht weiter einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.“

Dem Kollegen der mir die Entscheidung geschickt hat, herzlichen Dank. Ich habe leider nicht vermerkt, wer es war 🙂 .

Wenn der Verteidiger den Mandanten in den Zug setzt, oder: Fahrtkosten?

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Der Kollege Breu hat mir gestern den LG Dresden, Beschl. v. 25.07.2016 – 6 II StVK 609/15 – übersandt mit dem Bemerken, dass sein Thematik wohl besser in mein Blog passe als in das Blog des Kollegen. Nun ja, der Beschluss behandelt eine kostenrechtliche Frage und die ist hier vielleicht wirklich ganz gut – ich sage nicht „besser“ – aufgehoben. Es geht um die Erstattung von Fahrtkosten. Der Kollege hat einen ausländischen Mandanten im Strafvollstreckungsverfahren vertreten, dort war er als Pflichtverteidiger beigeordnet (das OLG hat eine Pauschgebühr nach § 51 RVG) gewährt. Nun ging es noch um Fahrtkosten, und zwar für 1.004 nach Verfahrensabschluss gefahrene Kilometer. Das LG hat die Fahrtkosten als notwendige Auslagen i.S. des § 46 RVG, Nr. 7003 VV RVG angesehen und erstattet:

Der Verteidiger berechnet Fahrtkosten für 1004 gefahrene Kilometer (301,20 EUR) sowie ein Abwesenheitsgeld von 70,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer, wobei die Hinreise über Berlin, die Rückreise über Leipzig/Braunschweig erfolgte. Nach Darlegung des Verteidigers wäre diese Route so auch ohne den „Zusatzdienst“, den Mandanten in den richtigen Zug zu setzen, gewählt worden.

Die Staatskasse tritt der Kostenerstattung entgegen, es hätte keinerlei Veranlassung (mehr) bestanden, den Mandanten nach der verfahrensabschließenden OLG-Entscheidung vom 21.08.2015 persönlich aufzusuchen. Die Entlassung selbst wäre vom OLG und der JVA in die Wege geleitet worden.

Die Anwaltsreisekosten waren als notwendige Aufwendungen im Rahmen des Pflichtverteidigermandats zu erstatten. Es handelte sich um den einzigen abgerechneten Mandantenbesuch während des gesamten, nicht ganz einfachen Verfahrens. Zugegeben könnte argumentiert werden: wenn die Verteidigung die ganze Zeit schriftlich/fernmündlich zu bewältigen war, warum dann nach gutem Ausgang der persönliche Kontakt? Dies ist jedoch nicht der Punkt. Jedem Betroffenen ist mindestens ein persönlicher Kontakt mit dem Anwalt zuzugestehen. Dies ist im Zivilrecht anerkannt und gilt im Strafrecht umso mehr. Wenn die Ausreisebegleitung im engeren Sinne tatsächlich nicht zu den Verteidigeraufgaben gehört, so doch die Verfahrensnachbereitung, Belehrung und Besprechung der Rechtsfolgen – und im vorliegenden Fall – der Risiken des weiteren Verfahrensverlaufs. Wie dies erfolgt, muss im Ermessen des Anwalts bleiben, ob schriftlich, fernmündlich oder wie hier persönlich. Auch weil es nicht der 10. kostenintensive, sondern augenscheinlich der einzige persönliche Kontakt war, verbietet sich jede kleinliche Betrachtung und Frage nach der zwingenden Notwendigkeit der Reise. Es handelte sich um eine mögliche und nicht gänzlich sinnfreie Form des Verfahrensabschlusses, mit der der Verteidiger sein Ermessen zur Mandatsausübung nicht überschritten hat.“