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EncroChat: Ein rechtsstaatlicher Lichtblick aus Berlin, oder: Beweisverwertungsverbot endlich bejaht

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Zum Wochenauftakt heute zwei Entscheidungen aus Bereichen, die in der letzten Zeit „Dauerbrenner“ waren.

Ich starte mit einer Entscheidung zum EncroChat-Komplex. Darüber und über Entscheidungen dazu habe ich hier ja schon wiederholt berichtet. So z.B. über den OLG Schleswig, Beschl. v. 29.04.2021 2 Ws 47/21 und dazu Haft I: Dringender Tatverdacht, oder: Verwertungsverbot wegen EncroChat-Krypto-Handys? oder über den OLG Rostock, Beschl. v. 23.03.2021 – 20 Ws 70/21 und dazu: EncroChat: Verwendung eines Krypto-Handys genügt für dringenden Tatverdacht, oder: Nein, OLG Rostock oder über den OLG Hamburg, Beschl. v. 29.01.2021 – 1 Ws 2/21 – und dazu: EncroChat-Erkenntnisse, oder: Verwertbar, auch wenn “nicht mehr hinnehmbar rechtsstaatswidrig….”  oder über den OLG Bremen, Beschl. v. 18.12.2020 – 1 Ws 166/20 berichtet (vgl. BVV I: Verwertung einer Überwachung der TK mit Krypto-Handys, oder: Stichwort “EncroChat”) . Das ist so ungefähr das, was an OLG-Rechtsprechung zu der Problematik vorliegt. Die Rechtsprechung geht – kurz zusammengefasst dahin: Ist/war alles zulässig, was da an Überwachung (im Ausland) gelaufen, und wenn nicht: Ist nicht so schlimm, denn wir brauchen die Ergebnisse, auch wenn die „nicht mehr hinnehmbar rechtsstaatswidrig….”  sind, wie das OLG Hamburg meint(e). Und ein Beweisverwertungsverbot: Vergesst es (in die Richtung auch LG Flensburg, Beschl. v. 11.06.2021 – V Qs 26/21).

Wenn man die Liste der Gerichte sieht, die sich bisher zu den Fragen „EncroChat“ geäußert haben, dann kann man schon denken/meinen: Das war es bzw. das bringt nicht mehr viel, gegen die Verwertung der Überwachung der Kommunikation bei Verwendung eines Krypto-Handys Sturm zu laufen. Es gibt eine herrschende Meinung bei den OLG und dagegen kommt man nicht an – es wird eh nur voneinander abgeschrieben (was tatsächlich auch geschehen ist, wenn man sich die Beschlüsse mal genauer anschaut).

Aber: Man soll nie, nie sagen oder die Flinte zu früh ins Korn werfen. Denn: Es gibt inzwischen einen Lichtblick, und zwar aus Berlin (wer hätte gedacht, dass mal „Lichtblicke“ aus Berlin kommen). Aber es ist so. Denn das LG Berlin hat im LG Berlin, Beschl. v. 01.07.2021 – (525 KLs) 254 Js 592/20 (10/21), den mir ein Kollege, der ungenannt bleiben möchte (dazu unten mehr), geschickt; er verteidigt in einer EncroChat-Sache. Der Beschluss hat ja medial auch schon viel Aufmerksamkeit bekommen (auch dazu unten).

Dieser LG-Beschluss ist m.E. nun wirklich ein Lichtblick.  Denn das LG Berlin hat auf 25 Seiten minutiös dargelegt, warum die Überwachung der Kommunikation bei Verwendung eines Krypto-Handys im In- und Ausland unzulässig war und warum – und das ist das besonders Besondere an dem Beschluss – die Verwertung der Erkenntnisse einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Und die Ausführungen erfolgen nicht „nur“ im Rahmen einer Haftprüfung, sondern im Eröffnungsverfahren über eine Anklage wegen eines Verstoßes gegen das BtMG. Das LG lehnt die Eröffnung ab und hebt den Haftbefehl gegen den Beschuldigten natürlich auf.

Wie gesagt: 25 Seiten. Das ist so viel, dass ich das hier nicht alles einstellen kann/will, sondern auf den verlinkten Volltext verweise, und zwar auch wegen des Sachverhalts. Das LG hat nämlich auch sehr schön und übersichtlich dargestellt, worum es eigentlich geht und was geschehen ist (was dem ein oder anderen vielleicht noch gar nicht so klar war). Also: Auf zum Lesen.

Vorab – bevor ich hier die Kernsätze der Entscheidung vorstelle: Das LG hat ausdrücklich hervorgehoben, dass eine Prüfung der Verwertbarkeit der Erkenntnisse von Amts wegen erfolgt ist. Das ist von einigen Kommentatoren, die sich bereits zu dem Beschluss geäußert haben, als etwas ganz Besonderes herausgestellt worden. Ist es m.E. nicht. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. wegen der Nachweise der Beschluss) ist das Tatgericht gehalten, bereits die Eröffnung abzulehnen, „wenn durchgreifende Anhaltspunkte für eine Unverwertbarkeit entscheidender Beweismittel bestehen und nicht zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung insoweit andere Erkenntnisse erbringen wird.“ Das hat das LG getan – genauso wie es m.E. jedes andere Gericht auch prüfen muss.

Zu den Kernsätzen der Entscheidung:

  • Das LG bejaht eine Verletzung des IT-Grundrechts und des Art. 10 GG – Stichwort: Online-Durchsuchung und/oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung – die nicht gerechtfertigt ist.
  • Art. 31 RiLi-EEA, § 91g Abs. 6 IRG sind verletzt, da es ein danach erforderliches Ersuchen des französischen Staats und eine Überprüfung durch die zuständige deutsche Stelle nicht gegeben hat.
  • Die Prüfung nach Art. 31 RiLil-EEA, § 91g Abs. 6 IRG hätte ergeben, dass die Maßnahme mit den §§ 100a, 100b StPO nicht vereinbar ist. Der danach erforderliche qualifizierte Tatverdacht gegen die betroffenen deutschen Nutzer — einschließlich des hiesigen Angeschuldigten — lag nicht vor.
  • §§ 100a, 100b StPO als Prüfungsmaßstab: Die Voraussetzungen der bei einem vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalt zu beachtenden §§ 100a, 100b StPO sind im Rahmen der hier zu treffenden Entscheidung über die Verwertung der Chat-Nachrichten in vollem Umfang zu prüfen. Sie haben nicht vorgelegen.
  • Aus dem Vorstehenden ergibt sich ein Verwertungsverbot.
    • Missachtung von Art. 31 RiLi-EEA, § 91g Abs. 6 IRG: Die Unverwertbarkeit ergibt sich bereits aus der Missachtung der rechtshilferechtlichen Unterrichtungspflicht. Diese ist so gewichtig, dass sie das staatliche Interesse an der Strafverfolgung überwiegt.
    • Fehlender qualifizierter Tatverdacht: Unabhängig. davon begründet das Fehlen eines qualifizierten Tatverdachts auch für sich gesehen die Unverwertbarkeit der Chat-Daten.
    • Hilfsweise: Ein Verwertungsverbot besteht schließlich auch dann wenn man die Nutzer nicht als Beschuldigte, sondern als Dritte ansieht. Denn Nutzer sind keine Nachrichtenmittler.
    • §§ 100e Abs. 5, 479 Abs. 2 StPO: Die Verwertbarkeit der Daten lässt sich schließlich auch nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 100e Abs. 6 StPO (für die Online-Durchsuchung) bzw. § 479 Abs. 2 StPO (für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung) stützen.

Und da das LG für die Hauptverhandlung keine besseren Erkenntnismöglichkeiten gesehen hat, hat es – folgerichtig – die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 203 StPO abgelehnt.

Noch Fragen?

Ja, sicherlich die, wie es nun weitergeht? Das folgt aus der StPO:

  • Die StA kann und wird nach § 210 Abs. 2 StPO sofortige Beschwerde einlegen.
  • Über die entscheidet das KG.
  • Wenn das KG dem LG folgt, wird die sofortige Beschwerde verworfen. Das Verfahren ist beendet und wir haben die erste OLG-Entscheidung, die es anders sieht als die o.a. OLG.
  • Folgt das KG dem LG nicht, wird es eröffnen, entweder vor der Strafkammer, die hier entschieden hat oder ggf. nach § 210 Abs. 3 Satz 1 StPO vor einer anderen Strafkammer des LG Berlin.
  • Im letzteren Fall sind die Karten dann wieder neu gemischt, weil man nicht weiß, wie die Kammer die Rechtsfragen sieht. Geht es zurück zur „Ursprungskammer“, dann dürfte der Freispruch vorgegeben sein.
  • Egal, was passiert: In dem Fall der Eröffnung wird auf jeden Fall der BGH demnächst mit den Fragen befasst sein/werden und – je nachdem, wie er entscheidet – dann sicherlich auch das BVerfG und der EGMR.

Und eine Frage bleibt dann noch: Warum wollte eigentlich der Kollege, der die Entscheidung geschickt hat, „ungenannt bleiben“. Nun, das hatte mit der „medialen Aufmerksamkeit“ zu tun, die diese Entscheidung bereits hervorgerufen hat. Die wollte der Kollege für sich nicht noch anheizen und außerdem auch nicht als „Einsender“ einer Entscheidung genannt werden, die er gar nicht erstritten hat, sich also nicht mit den berühmten fremden Federn schmücken. Das haben leider manche getan. Was davon zu halten ist/war, beschreibt der Kollege Siebers sehr schön in seinem Blogbeitrag: EncroChat – und die Provinzgrößen im Hintergrund. Ich denke auch, man sollte den Ball flach halten. Medial ist ja ganz schön, aber alles mit Maß und Verstand und nicht mit fremden Federn am Hut.

Im Übrigen: Natürlich werden sich Verteidiger, die in EncroChat-Verfahren verteidigen, über die Entscheidung des LG Berlin freuen. Und das mit Recht. Aber: Keep cool, denn es ist eine (kleine) Schlacht gewonnen, noch nicht der Krieg. Es handelt sich um einen Etappensieg. Die nächste Klippe „lauert“ schon, nämlich das KG 🙂 .

EV I: Durchsuchungsbeschluss, oder: Etwas Mühe sollte man sich mit der Begründung schon machen

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Heute dann mal ein wenig StPO, und zwar Ermittlungsverfahren.

Zunächst dann hier der LG Berlin, Beschl. v. 20.11.2020 – 517 Qs 63/20 – zu den Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss. Dem dem Beschluss liegt folgender Verfahrensablauf zurgunde: Am 12.12.2019 beantragt die Staatsanwaltschaft Berlin beim AG einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung der Beschuldigten. Der Antrag geht am 23.12.2019 beim AG ein; am selben Tag fasste die Ermittlungsrichterin den beantragten Beschluss, welcher in der Begründung im Wesentlichen wortgleich mit der des Antrags war. Bei dem Versuch der Vollziehung des Durchsuchungsbeschlusses am 17.06.2020 wurde die Beschuldigte in ihrer Wohnung nicht angetroffen. Das LKA verschob daher die Maßnahme und regte am selben Tag bei der Staatsanwaltschaft die Beantragung der „Verlängerung“ des Durchsuchungsbeschlusses an. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 24.06.2020 bei dem AG, den Durchsuchungsbeschluss vom 23.12.2019 erneut zu erlassen. Hierauf fasste das AG den Durchsuchungsbeschluss vom 30. 06.2020, der am 06.08.2020 vollzogen wurde.

Dagegen dann die Beschwerde. Das LG stellt die Rechtswidrigkeit des Beschlusses fest.:

„Die Beschwerde ist auch begründet. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts genügt nicht den rechtlichen Anforderungen (1.); eine Heilung im Beschwerdeverfahren ist vorliegend nicht möglich (2.).

1. Der angefochtene Beschluss umschreibt zwar ausreichend den Tatvorwurf sowie die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden sollte, sodass der äußere Rahmen des grundsätzlich unter Richtervorbehalt stehenden Grundrechtseingriffs hinreichend bestimmt und somit messbar und kontrollierbar war (zu diesen auch verfassungsrechtlichen Erfordernissen vgl. u.a. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. April 2003 — 2 BvR 358/03 —, juris Rn. 15 sowie Nichtannahmebeschluss vom 20. April 2004 — 2 BvR 2043/03 —, juris Rn. 3 f.; jeweils m.w.N.).

Es mangelt jedoch an der erforderlichen Darlegung der wesentlichen Verdachtsmomente sowie an den Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit im Einzelfall.

a) Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Der Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus. Diesen Verdacht hat der für die vorherige Gestattung und für die nachträgliche Kontrolle zuständige Richter eigenverantwortlich zu prüfen. Hierzu gehören eine sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und eine umfassende Abwägung zur Feststellung der Verhältnismäßigkeit – insbesondere der Angemessenheit – des Eingriffs im konkreten Fall. Neben der Schwere der Tat ist die Stärke des Tatverdachts mitentscheidend dafür, ob eine strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu dem Gewicht der Grundrechtsbeeinträchtigung steht (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, Beschluss vom 20. April 2004 a.a.O., juris Rn. 5 sowie stattgebender Kammerbeschluss vom 11. Februar 2015 — 2 BvR 1694/14).

Die Darlegung der diesen Verdacht einer Straftat begründenden wesentlichen Verdachtsmomente samt Indiztatsachen ist jedenfalls einfachgesetzlich geboten (§ 34 StPO); denn nur hierdurch wird dem Betroffenen eine sachgerechte, umfassende Prüfung ermöglicht, ob der Beschluss rechtmäßig ergangen ist und ob es angezeigt erscheint, hiergegen im Wege der Beschwerde vorzugehen. Darüber hinaus bezweckt das Gebot der umfassenden Begründung des Durchsuchungsbeschlusses die Erleichterung der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung durch das Beschwerdegericht. Die Angabe der wesentlichen Verdachtsmomente darf daher nur dann unterbleiben, wenn dies den Untersuchungszweck gefährden würde (zum Vorstehenden vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08 -, juris Rn. 8).

b) Der angefochtene Beschluss genügt diesen Anforderungen nicht. Die Darlegung der wesentlichen Verdachtsmomente fehlt gänzlich, wobei nicht ersichtlich ist, dass durch eine Darlegung der Untersuchungszweck gefährdet worden wäre. Die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme erschöpfen sich in der Formulierung, die Anordnung der Durchsuchung in dem vorgenannten Umfang sei im Hinblick auf den Tatvorwurf und die Stärke des Tatverdachts verhältnismäßig, insbesondere seien keine milderen Maßnahmen ersichtlich. Derartige allgemeine formelhafte Wendungen genügen indes zur Begründung rechtsmittelfähiger gerichtlicher Entscheidungen grundsätzlich nicht (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 34 Rn. 4; so auch BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 — StB 26/08 —, juris Rn. 7 zum bloßen Verweis auf das „bisherige Ermittlungsergebnis“).

2. Die vorgenannten Darlegungsmängel können durch die Beschwerdekammer nicht geheilt werden, weil der Beschluss in seiner Gesamtheit nicht in ausreichendem Maße erkennen lässt, dass der Ermittlungsrichter die Voraussetzungen für seinen Erlass eigenständig geprüft hat.

a) Zwar können Defizite in der Begründung des Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nachgebessert werden, weil sie – anders als Ausführungen zum Tatvorwurf und zu den zu suchenden Beweismitteln – regelmäßig für die verfassungsrechtlich erforderliche Umgrenzung der Durchsuchungsgestattung ohne Bedeutung sind (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 11. Februar 2015 – 2 BvR 1694/14 -, juris Rn. 25 sowie Nichtannahmebeschluss vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03 -, juris Rn. 5). Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Beschluss in seiner Gesamtheit in ausreichendem Maße erkennen lässt, dass der Ermittlungsrichter die Voraussetzungen für seinen Erlass eigenständig geprüft hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08 -, juris Rn. 9); denn andernfalls würden Sinn und Zweck der präventiven richterlichen Kontrolle unterlaufen (vgl. MüKoStPO/Hauschild, 1. Aufl. 2014, § 105 Rn. 41b sowie Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 105 Rn. 15a).

b) Diese erforderliche Prüfung lässt der Beschluss nicht erkennen. Zwar folgt das nicht bereits aus der im Wesentlichen wörtlichen Übernahme der Antragsbegründung der Staatsanwaltschaft in den hier angefochtenen Beschluss des Ermittlungsrichters vom 30. Juni 2020 (und im Übrigen auch in den gleichlautenden vorangegangenen Beschluss vom 23. Dezember 2019). Eine solche wörtliche Übernahme ist zwar bedenklich (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, juris Rn. 13), aber möglich, da der Ermittlungsrichter mit seiner Unterschrift bezeugt, dass er den Text geprüft hat und als Richter verantwortet (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 -, juris Rn. 19). Indes: Die wörtliche Übernahme, die nicht vorhandene Darlegung zu den Verdachtsmomenten und die nur formelhafte Wendung zur Verhältnismäßigkeit schaffen andererseits auch keine Substanz, anhand derer eine eigene Prüfung im Beschluss erkennbar werden könnte.

Dabei wären vorliegend gerade auch angesichts des zeitlichen Ablaufes weitere Ausführungen im Beschluss zu erwarten gewesen. Insbesondere hätte es nahegelegen, sich zumindest knapp zu den Ermittlungsergebnissen zu verhalten, welche nach Erlass des vorangegangenen Durchsuchungsbeschlusses hinzugekommen sind, insbesondere zu den Vernehmungen der Zeugen P und S die nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin den Tatverdacht von ihr abgelenkt haben sollen. Ferner wären Ausführungen dazu zu erwarten gewesen, warum nach mehr als einem Jahr nach der Tat das Tatmittel in Form von Buttersäure bei der Beschwerdeführerin zu vermuten gewesen sein soll.

Eine ausreichende Prüfung ist auch nicht aus dem Verfahrensablauf erkennbar. In dem Übersendungsvermerk des LKA 534 vom 17. Juni 2020 wird die „Verlängerung“ des Durchsuchungsbeschlusses beantragt, da dieser am „23. Juni 2020 seine Gültigkeit“ verliere. Die Staatsanwaltschaft Berlin beantragte daraufhin in der Übersendungsverfügung an das Amtsgericht Tiergarten vom 24. Juni 2020 „den Durchsuchungsbeschluss vom 23. Dezember 2019 erneut aus den Gründen des [damaligen] Antrags“ […] zu erlassen. Am 30. Juni 2020, am Tage des Eingangs auf der Geschäftsstelle des Ermittlungsrichters, erließ das Amtsgericht Tiergarten den neuen Beschluss, gleichlautend zu dem Beschluss vom 23. Dezemnber 2019.“

Pflichti III: Nachträgliche Bestellung, oder: Einmal hopp, einmal topp

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Und als letztes Posting dann noch einmal zwei Entscheidungen zum Dauerbrenner: Nachträgliche Bestellung.

Zunächst der AG Wuppertal, Beschl. v. 01.02.2021 – 20 Gs 12/21. Das AG hat beigeordnet:

„Die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO lagen vor. Dabei ist es unerheblich, ob die Untersuchungshaft in einer anderen Sache vollstreckt wurde, da eine Einschränkungen der Verteidigungsmöglichkeiten, die eine Pflichtverteidigerbeiordnung erst erfordern, auch in diesem Falle gegeben ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.04.2010, – 3 Ws 351/10).

Die Bestellung ist nach § 141 Abs. 1 StPO unverzüglich durchzuführen. Der Umstand, dass dies vorliegend aufgrund der weiteren Aktenbearbeitung durch die Staatsanwaltschaft zunächst unterblieben ist, darf dem Angeschuldigten nicht zum Nachteil gereichen, auch wenn das Verfahren später am 18.12.2020 eingestellt wurde (vgl. auch LG Bonn, Beschluss vom 28.04.2020 -21 Qs 25/20).

Es handelt sich auch nicht um eine unzulässige rückwirkende nachträgliche Bestellung, da keine Pflichtverteidigerbeiordnung für eine bereits erfolgte Verteidigung vor Antragstellung erfolgen soll (insoweit abweichend von OLG Brandenburg, NStZ 2020, 625).

Und dann der LG Berlin, Beschl. v. 25.01.2021 – 511 Qs 3/21, das getreu dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht, eine nachträgliche Bestellung abgelehnt hat:

„Die Bestellung eines Pflichtverteidigers dient nicht dem Kosteninteresse des Angeklagten oder seines Verteidigers, sondern allein dem Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Betroffener in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und gewährleistet den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf (KG, BeckRS 2006, 3283 m.w.N.; KG, Beschluss vom 30. Dezember 2019 — 4 Ws 115/19; OLG Hamburg, Beschluss vom 16. September 2020 — 2 Ws 122/20 – juris).

Diese Interessenlage ist entfallen.

Eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung für das abgeschlossene Verfahren ist schlechthin unzulässig und unwirksam und mithin grundsätzlich ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn der Wahlverteidiger bereits rechtzeitig seine Bestellung beantragt hatte (KG, BeckRS 2006, 3283 m.w.N.; KG, Beschluss vom 20. August 2019 — 4 Ws 81/19; KG, Beschluss vom 9. April 2020 —2 Ws 30/20, 2 Ws 31/20 — juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2020 — 1 Ws 19/20, 1 Ws 20/20 — juris). Denn der Verteidiger hat seine Leistung bereits als Wahlverteidiger auf Grund eines Mandatsverhältnisses abschließend erbracht und die mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger einsetzende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Tätigwerden kann er nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr erfüllen (KG, BeckRS 2006, 3283 m.w.N.). Ein Verteidiger kann im Laufe eines Verfahrens daher nur so lange bestellt werden, wie er überhaupt noch eine Tätigkeit entfalten kann. Eine rückwirkende Bestellung für bereits abgeschlossene Verfahrensabschnitte scheidet hingegen aus (KG, Beschluss vom 20. August 2019 — 4 Ws 81/19; KG, Beschluss vom 13. Februar 2019 — 2 Ws 32/19; OLG Hamburg a.a.O.).

Auch das Gebot der fairen Verfahrensführung zwingt nicht zu einer anderen Entscheidung. Neben dem Umstand, dass vorliegend zwischen dem Antrag vom 14. Juli 2020 und der Mitteilung des Todes des Beschuldigten keine fehlerhafte Verzögerung durch die Justizbehörden stattfand, ist selbst bei einer solchen untunlichen Verzögerung nicht durch eine rückwirkende Bestellung zu reagieren, sondern durch eine Untätigkeitsbeschwerde nach § 304 StPO (KG, Beschluss vom 20. August 2019 — 4 Ws 81/19).

Eine Änderung der Rechtsprechung ist auch unter Berücksichtigung des Gesetzes vom 10. Dezember 2019 zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung (Bundesgesetzblatt I Seite 2128  ff.) nicht veranlasst, welches insoweit keine Ausdehnung der Pflichtverteidigerbestellung enthält. Vielmehr gilt weiterhin, dass die Bestellung eines Verteidigers grundsätzlich nur für die Zukunft erfolgt (so ausdrücklich: KG, Beschluss vom 30. Dezember 2019 — 4 Ws 115/19; OLG Hamburg a.a.O.; vgl. auch OLG Brandenburg a.a.O.; KG, Beschluss vom 9. April 2020 — 2 Ws 30/20, 2 Ws 31/20 — juris).

Soweit vereinzelt im Hinblick auf die Gesetzesänderung eine rückwirkende Bestellung befürwortet wird, da die Intention des Gesetzgebers auch die Freistellung eines mittellosen Beschuldigten von den Kosten seiner Verteidigung sei (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 142 Rn. 20; vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. November 2020 — Ws 962/20, Ws 963/20 — juris), verkennt diese Ansicht, dass nach dem zugrundeliegenden Artikel 4 der PKH-Richtlinie EU 2016/1919 vom 26. Oktober 2016 der „Anspruch auf Prozesskostenhilfe“ nur dann besteht, „wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist“, mithin für das weitere Verfahren von Bedeutung ist. Keineswegs sieht die Richtlinie vor, den Beschuldigten nachträglich in jedweder Phase des Verfahrens von den Kosten der Verteidigung frei zu halten (OLG Hamburg a.a.O.). So liegt der Fall auch hier. Eine Freistellung des Beschuldigten ist nicht im Interesse der Rechtspflege erforderlich. Aber selbst wenn die Freistellung des mittellosen Beschuldigten eine rückwirkende Bestellung rechtfertigen würde, kann dies nicht gleichermaßen die Freistellung des Nachlasses eines verstorbenen Beschuldigten rechtfertigen.“

Wenn ich schon „Kosteninteresse des Angeklagten“ lese und „vereinzelt“.

Pflichti II: Rückwirkende Bestellung, oder: Einmal ja, einmal/nein, aber nur alte Rechtsprechung zitiert

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Ein Pflichtverteidigungstag ohne Entscheidungen zur rückwirkenden Bestellung eines Pflichtverteidigers – der Dauerbrenner im Recht der Pflichtverteidiger – geht nicht. Und daher auch heute zu der umstrittenen Frage einige Entscheidungen:

Grundsätzlich ist eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit vornehmbar. Von dieser Regel kann jedoch abgewichen werden, wenn trotz zwischenzeitlich erfolgter Verfahrenseinstellung zum Zeitpunkt der Antragstellung die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorlagen und die Entscheidung über diese z.B. aus gerichtsinternen Gründen unterblieben ist.

Die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist schlechthin unzulässig.

Anzumerken ist: Beide Entscheidungen erwähnen die gesetzlichen Neuregelungen in den §§ 140 ff. StPO mit keinem Wort, setzen sich damit also nicht auseinander.Die Neuregelungen scheint man dort aber zu kennen, da man den neuen § 142 Abs. 7 StPO zitiert.

Beim LG Stralsund wird auch viel alte Rechtsprechung verwendet, dafür sprechen die zitierten Entscheidungen. Wahrscheinlich ein Textbaustein. Ähnlich, aber nicht ganz so schlimm, das LG Berlin, das eine Entscheidung aus 2004 zitiert. Ich meine, mal sollte sich als Kammer eines LG über ein Jahr nach Inkrafttreten von Neuregelungen u.a. dann doch mal von alten Zöpfen trennen und ggf. einen neuen Taxbaustein entwerfen. So viel Zeit sollte sein.

Und wie das eben so bei großen LG ist: Der LG Berlin, Beschl. v. 17.11.2020 – 539 Qs 25/20 – vertritt die gegenteilige Auffassung. Innendivergenz nennt man so etwas. Ist unschön für die Beschuldigten.

Bewährung III: Widerrufsklassiker, oder: Erneute Straffälligkeit und/oder Auflagenverstoß

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Die dritte Entscheidung ist dann eine LG-Entscheidung betreffend den Widerruf (§ 56f StGB). Sie stammt vom LG Berlin. Geschickt hat mir den LG Berlin, Beschl. v. 02.12.2020 – 510 Qs 90/20 der Kollege F. Glaser aus Berlin. Er geht um den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung in den Fällen erneuter Straffälligkeit und/oder eines Auflagenverstoßes. Also ein Klassiker 🙂 .

Das AG hatte widerrufen. Das LG hat den Widerruf gehalten:

„Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung sind in zweifacher Hinsicht erfüllt.

1. Durch seine erneute Straffälligkeit hat der Beschwerdeführer gezeigt, dass sich die der Straf-aussetzung zugrunde liegende Erwartung, er werde keine Straftaten mehr begehen, als unzutreffend erwiesen hat (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB).

Grundlage der zu treffenden Widerrufsentscheidung bilden nicht nur die zuletzt geahndeten Ver-gehen, sondern darüber hinaus das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers während der Bewährungszeit. Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer bereits am 15. November 2017 und damit nur zwei Monate, nachdem das Urteil im Ausgangsverfahren, durch das ihm eine Strafaussetzung zur Bewährung gewährt worden war, Rechtskraft erlangt hatte, erneut straffällig wurde. Dieser frühe Bewährungsbruch stellt eine besonders gravierende Missachtung der mit der Verurteilung verbundenen Warnung dar. Dass er bereits Anlass für eine Verlängerung der Bewährungszeit gewesen ist, steht seiner Berücksichtigung im hiesigen Widerrufsverfahren nicht entgegen (vgl. KG, Beschluss vom 23. Oktober 2009 – 2 Ws 376-378/09). Am 11. April 2020 und damit ebenfalls innerhalb der Bewährungszeit hat er zwei weitere Straftaten begangen. Damit aber hat er gezeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, nicht erfüllt hat.

Bereits für sich genommen ist jede der neuerlichen Taten als Widerrufsgrund geeignet, wofür nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts jede in der Bewährungszeit begangene Straftat von einigem Gewicht reicht (vgl. jüngst KG, Beschluss vom 2. November 2020 – 2 Ws 79/19 m.w.N.). Die neuerlichen Straftaten, die Geldstrafen in Höhe von 60 bzw. 50 Tagessätzen nach sich zogen und keinesfalls Bagatelldelikte darstellen, erreichen das erforderliche Gewicht jeweils. Dies gilt auch, wenn man im Hinblick auf die ausgeurteilte Bedrohung der Darstellung des Beschwerdeführers folgen wollte, er hätte nicht mit einem Messer in der Hand vor der Tür des Zeugen pp. gestanden. Dass sich der Beschwerdeführer im Zuge der Auseinandersetzung vom 11: April 2020 selbst Verletzungen zugezogen hat, ist ein Umstand, der im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung zu finden hat, nicht jedoch im Rahmen einer Widerrufsentscheidung.

Im vorliegenden Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich das Gewicht einer Tat auch nach der bisherigen Delinquenz eines Verurteilten bemisst. Straftaten, die mit geringeren Geldstrafen geahndet wurden und sogar Bagatelldelikte können einen Widerruf begründen, wenn in ihnen „eine die Rechtsordnung negierende Einstellung zum Ausdruck kommt“ (vgl. KG, Beschluss vom 9. August 2010, 2 Ws 323/10 m.w.N.). Dies aber trifft auf den Beschwerdeführer zu, der vor der Verurteilung im hiesigen Ausgangsverfahren bereits zweimal in kurzen Abständen zu Geldstrafen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt werden musste. Weder die Verhängung von Geldstrafen noch die Verhängung von Bewährungsstrafen nebst Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin vermochten den Beschwerdeführer aber von neuerlicher Delinquenz abzuhalten.

Erst recht sind die neuerlichen Taten in ihrer Gesamtheit geeignet, den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zu rechtfertigen, wobei die Kammer gesehen hat, dass beide Taten am selben Tag begangen wurden und angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen ihnen im Rahmen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung ein straffer Zusammenzug der Strafen geboten erscheint.

2. Daneben hat der Beschwerdeführer den Widerrufsgrund des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erfüllt. Er hat beharrlich gegen die ihm gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StGB erteilte Arbeitsauflage verstoßen. Dies hat grundsätzlich den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zur Folge, ohne dass es — anders als im Fall des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB — noch zusätzlich der Fest-stellung einer ungünstigen Legalprognose bedürft.

Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen beharrlichen Verstoßes gegen eine Auflage setzt in objektiver Hinsicht ein wiederholtes, andauerndes Verhalten voraus, das auf einer ablehnenden Haltung oder fehlendem Genugtuungswillen beruht. In subjektiver Hinsicht ist Ver-schulden erforderlich (vgl. KG, Beschluss vom 17. August 2012 – 2 Ws 339/12). Dieses scheidet aus, wenn der Verurteilte aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen außerstande war, die verlangten Leistungen zu erbringen.

Der Beschwerdeführer hat die — hinreichend bestimmte (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 4. April 2014 — 3 Ws 165/14 — Rdnr. 6 m.w.N.) — Arbeitsauflage innerhalb der ihm vom Amtsgericht Tier-garten gesetzten und mittlerweile verstrichenen Fristen nicht erfüllt. Trotz regelmäßiger Intervention seiner Bewährungshelferin hat er noch nicht einmal eine einzige der ihm auferlegten 250 Arbeitsstunden erbracht. Auch nach Mahnung durch das Amtsgericht Tiergarten, die weit nach Ablauf der ihm zur Ableistung der Arbeitsauflage gesetzten Frist erfolgte, unternahm der Beschwerdeführer keinerlei Anstrengungen; ein Vorstellungsgespräch im Mai 2020, das dazu diente, ihn in Arbeit zu vermitteln, versäumte er. Vor diesem Hintergrund, der einen Zeitraum von über zweieinhalb Jahren betrifft, muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt gewillt war, die ihm auferlegten Stunden gemeinnütziger Arbeit zu erbringen.

Entgegen dem Vortrag des Verteidigers ist dem Beschwerdeführer die Nichterbringung der ihm auferlegten Arbeitsstunden auch vorzuwerfen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beschwerdeführer zumindest teilweise leistungsfähig gewesen ist (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 56f Rdnr. 16 a.E.). Hiervon ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft auszugehen. Dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Juni 2018 (241 Ds 38/18) sowie den Berichten der Bewährungshelferin ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zumindest innerhalb des Zeitraums von Dezember 2017 bis Anfang Juli 2018 „Minijobs“ bei zwei Umzugsfirmen wahrgenommen hat. Dies aber bezeugt, dass der Beschwerdeführer in jenem Zeitraum durchaus zur Ableistung von Arbeitsstunden imstande war. Gleichwohl hatte er noch nicht einmal damit begonnen, auch nur eine der ihm auferlegten Arbeitsstunden abzuleisten. Dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht gewillt war, die Arbeitsstunden abzuleisten, spricht auch der Bericht der Bewährungshelferin vom 21. Juni 2018. Die Bewährungshelferin begründete darin den Umstand, dass der Beschwerdeführer zum Berichtszeitpunkt noch nicht mit dem Ableisten der Arbeitsstunden begonnen hatte, damit, dass er hierzu zunächst habe motiviert werden müssen und schließlich eine Entzündung im Schultergelenk geltend gemacht habe…….“