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OWi III: Datenzeile des Messfotos nicht lesbar, oder: Freispruch

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Und als dritte Entscheidung des Tages dann noch das AG Dortmund, Urt. v. 27.02.2020 –  729 OWi-267 Js  1493/19-252/19. Das AG hat einen Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung frei gesprochen. Begründung: Die Datenzeile des Messfotos war nicht lesbar:

„Das Gericht hat feststellen können, dass der Betroffene zur Tatzeit am Tatort Fahrzeugführer des genannten Fahrzeugs war. Das Gericht konnte den Geschwindigkeitsverstoß jedoch nicht feststellen.

Der Betroffene, der von der Erscheinenspflicht entbunden war, hat durch seinen Verteidiger die Fahrereigenschaft zugestanden. Aus dem Messprotokoll vom Tattage ergab sich, dass zur Tatzeit am Tatort ein Messgerät des Typs TraffiStar S 350 eingesetzt worden ist. Es konnte mit diesem Messgerät auch an dem Tattage das Fahrzeug des Betroffenen mit dem amtlichen Kennzeichen AA BB 123 festgestellt werden. Das Gericht hat insoweit das Messfoto in Augenschein genommen. Hinsichtlich des Messfotos wird auf Bl. 5 d.A. Bezug genommen. Das Gericht hat versucht, die Datenzeile des Messfotos urkundsbeweislich zu verlesen. Es hat diese Datenzeile auch im Wege der Inaugenscheinnahme in das Verfahren eingeführt. Wegen des Aussehens der Datenzeile wird auf Bl. 5 d.A. Bezug genommen gemäß § 267 Abs. I Satz 3 StPO. Im oberen Messfotobereich ist die Datenzeile zu erkennen. Die Inaugenscheinnahme der Zeile ergab, dass sich dort nicht lesbare Zeichen befinden, die offensichtlich Teile von Buchstaben wiedergeben. Ein Sinn ist in dieser Zeichenfolge nicht erkennbar, dies ergab die Inaugenscheinnahme, die dazu führte, dass die urkundsbeweisliche Verlesung letztlich inhaltlich scheitern musste. Da ein Messwert dementsprechend aus dem Messfoto nicht festgestellt werden konnte, war der Betroffene  aus tatsächlichen Gründen freizusprechen mit der Kostenfolge des § 467 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG.

Die Parkscheibe im Seitenfenster

ParkscheibeIn § 13 Abs. 2 StVO heißt es: Wird im Bereich eines eingeschränkten Haltverbots für eine Zone (Zeichen 290.1 und 290.2) oder einer Parkraumbewirtschaftungszone (Zeichen 314.1 und 314.2) oder bei den Zeichen 314 oder 315 durch ein Zusatzzeichen die Benutzung einer Parkscheibe (Bild 318) vorgeschrieben, ist das Halten und Parken nur erlaubt

  1. für die Zeit, die auf dem Zusatzzeichen angegeben ist, und,
  2. soweit das Fahrzeug eine von außen gut lesbare Parkscheibe hat und der Zeiger der Scheibe auf den Strich der halben Stunde eingestellt ist, die dem Zeitpunkt des Anhaltens folgt.

Um die Nr. 2 ging/geht es im AG Lüdinghausen, Beschl. v. 20.04.2015 – 19 OWi-89 Js 399/15-25/15. Da hatte der Betroffene die Parkscheibe im Seitenfenster der Fahrerseite seines Pkw angebracht, was „nach der Rechtsprechung durchaus für § 13 Abs. 2 Nr. 2 StVO („gut lesbar“) ausreichen kann (vgl. a. OLG Naumburg NZV 1998, 168).“

Die Sicht auf die Parkscheibe darf jedoch nicht eingeschränkt sein. Das war aber offenbar der Fall, da sich an der Seite des Fahrzeugs ein Beet befand. Das hat die Sicht deutlich eingeschränkt, unmöglich war sie aber nicht. Das AG hat daher Verfahren „nur“ nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.

Akteneinsicht in den Messfilm – Jenoptik antwortet – bemerkenswert!!!

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Ich erinnere: Das AG Schleiden hatte mit dem AG Schleiden, Beschl. v. 13.07.2012 – 13 OWi 92/12 (b) – die Einsicht in einen Messfilm bzw. die Messdatei gewährt, nachdem die Verwaltungsbehörde das abgelehnt hatte. Der Kreis Euskirchen hatte daraufhin die Datei zur Verfügung gestellt, allerdings in einem nicht mit gängigen Windows-Programmen lesbaren Zustand. Insoweit hatte es den Verteidiger letztlich an den Hersteller des Messgerätes, die Fa. Jenoptik, verwiesen. Die hatte der Verteidiger angeschrieben (vgl. hier). Sie hat nun geantwortet, und zwar wie folgt:

Sehr geehrter Herr Rößler,
wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 10.8.2012 und können von hieraus nicht nachvollziehen, weshalb Ihnen seitens des Kreises Euskirchen eine komplette Messsequenz mit allen Bild- und Messinformationen zur Verfügung gestellt wurde. Schließlich enthalten die Daten auch schutzwürdige Messinformationen anderer Verkehrsteilnehmer.
Dementsprechend dürfen wir schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bereit sein, Ihnen durch Überlassung unseres BiffProcess-Programms die Möglichkeit zu eröffnen, die offensichtlich vorliegenden Daten bzw. deren Integrität zu prüfen bzw. einzelne Vorgänge zu visualisieren.
Unseres Erachtens hätte es genügt, Ihnen einen JPG-Ausdruck des konkreten Falls zu überlassen.
Wenn Sie bzw. Ihre Mandantin bzw. Ihr Mandant dann noch Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses hätten, könnte dieses im Gerichtsverfahren zum Ausdruck gebracht werden und das Gericht hätte die Möglichkeit, durch die Beauftragung eines vereidigten Verkehrssachverständigen eine Einzelfallprüfung zu veranlassen.
Insofern, und das bitten wir zu verstehen, sehen wir uns als Gerätehersteller beim besten Willen nicht in der Lage, Ihrem Wunsch nach Überlassung des von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Braunschweig, zugelassenen Verifikations- und Visualisierungsprogramms BiffProcess zu entsprechen.
Wenn vereidigte Sachverständige von einem Gericht mit der Vorgangsprüfung beauftragt wurden und noch nicht über das BiffProcess-Programm verfügen, können diese das Softwaremodul gewissermaßen als Sachverständigenwerkzeug für einen Betrag in Höhe von € 2.150,00 zuz. MWST. käuflich bei uns erwerben.

M.E. – gelinde ausgedrückt – bemerkenswert. Denn ist ist nicht Aufgabe des Herstellers, etwas nachzuvollziehen, oder Verfahrenshinweise zu geben bzw. die Entscheidung des AG über den Umfang der Akteneinsicht zu bewerten. Zudem: Der Hersteller als Datenschützer? Auch der Ton des Schreibens ist schon interessant. Mit ihm wird letztlich der Beschluss des AG Schleiden auf „kaltem Wege“ unterlaufen, und zwar auch vom Kreis, wenn er das so hinnimmt. Denn was nutzt eine Datei, wenn ich sie nicht lesen kann.

Was tun: Der Verteidiger hat m.E. keine andere Möglichkeit (mehr), als mit einem weiteren Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu versuchen, an eine lesbare Version der Dateien zu kommen, wenn der Kreis das nicht noch freiwillig sicher stellt. Aber der wird sich im Zweifel hinter dem Hersteller verstecken. Eine unheilige Allianz???

Das Schreiben von Jenoptik geht im Übrigen in die Richtung, die das AG Landstuhl vor einiger Zeit nicht hingenommen und einen Betroffenen frei gesprochen hatte (vgl. hier).