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Strafzumessung I: Serienstrafttaten, oder: Wo ist der Unterschied zwischen 1.999 EUR und 2.000 EUR Schaden?

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Ich habe länger keinen „Strafzumessungstag“ mehr gemacht. Das hole ich dann heute nach und eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 23.11.2017 –  1 StR 150/17. Der Beschluss ist also schon etwas älter, aber ich weise dann trotzdem noch auf ihn hin, ist m.E. für die Strafzumessung „im unteren Bereich“ ganz interessant.

Das LG hat den Angeklagten in mehreren Fällen wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB) verurteilt. Dem BGH „passen“ die dafür verhängten Einzelstrafen von jeweils drei Monate Freiheitsstrafe so wie vom LG festgesetzt nicht:

„2. Die in den 67 Fällen, in denen die „Schäden“ die Betragsschwelle von 2.000 Euro erreicht oder überschritten hatten, verhängten Einzelstrafen – zu-gleich die Einsatzstrafe – von jeweils drei Monaten Freiheitsstrafe halten recht-licher Nachprüfung nicht stand.

a) Zwar begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht, das die Einzelstrafen den Strafrahmen des § 266a Abs. 1 und 2 StGB und des § 370 Abs. 1 AO entnommen hat, angesichts der gleichgelagerten Begehungsformen eine Kategorisierung nach der Schadenshöhe vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, Rn. 32 mwN, wistra 2017, 400). Jedoch fehlt es an einer tragfähigen Begründung für die Wertung des Landgerichts, dass kurze Freiheitsstrafen „jedenfalls bei Schäden ab 2.000 Euro in jedem einzelnen Fall unerlässlich“ waren (UA S. 196).

Gemäß § 47 Abs. 1 StGB verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten nur dann, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Dies kann auch bei einer Vielzahl von Einzelfällen mit insgesamt hohem Schaden der Fall sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. September 1995 – 1 StR 456/95 [insoweit in NStZ 1996, 351 nicht abgedruckt] und vom 6. Juni 1994 – 5 StR 229/94; Urteil vom 8. April 2004 – 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554 sowie Eschelbach in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 47 Rn. 13). In Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte, von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, liegt dabei die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen nach § 47 StGB auch in den Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 8 und vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08 Rn. 48, BGHSt 53, 221, 232).

Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor. Das Landgericht hat in keinem der Fälle Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten oder mehr für erforderlich gehalten. Zudem ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz der vorliegenden Tatserie bei Schäden bis zu 1.999 Euro Einzelgeldstrafen von nicht mehr als 60 Tagessätzen schuldangemessen sind. Das Landgericht hätte deshalb darlegen müssen, weshalb bei dem nicht vorbestraften Angeklagten gerade die Überschreitung der Schwelle von 2.000 Euro ein Umstand sein soll, der für die betroffenen Einzelfälle die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung uner-lässlich macht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. September 1989 – 2 StR 387/89, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 3). Dieser Erörterungsmangel führt zur Aufhebung aller kurzen Einzelfreiheitsstrafen.“

Strafzumessung III, oder: Tatbeute 22,99 € – drei Monate Knast?

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Und die dritte Strafzumessungsentscheidung ist „taufrisch“, nämlich erst gestern bei mir eingegangen. Sie behandelt (mal wieder) die Problematik der Verhängung einer (kurzen) Freiheitsstrafe bei einer Bagatellstraftat. Das AG hat die Angeklagte wegen Ladendiebstähle verurteilt, bei welchen die Angeklagte Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände im Werte von 15,99 € bzw. 7,– € an sich nahm. Dagegen die Strafmaßberufung der Staatsanwaltschaft. Das LG hat das Urteil des AG aufgehoben und gegen die Angeklagte auf eine nicht mehr zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten – bei Einzelstrafen von je zwei Monaten – erkannt. Dagegen die Revision. Das OLG Köln sagt im OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2018 – 1 RVs 54/18: So nicht, die Urteilsgründe sind unvollständig:

„Das Tatgericht führt – wenn auch im Kontext mit der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB – mit Recht aus, dass gerade bei Bagatelltaten das Übermaßverbot besonderer Beachtung bedürfe und geht zutreffend davon aus, dass dann, wenn schon geringfügige Straftaten ohne erschwerende Besonderheiten den Ausspruch einer Freiheitsstrafe erfordern, es die Anforderung an einen gerechten Schuldausgleich und die Beachtung des Übermaßverbots gebieten können, auf die Mindeststrafe zu erkennen (st. Senatsrechtsprechung vgl. beispielhaft zu Ladendiebstählen SenE v. 03.03.2009 – 81 Ss 8/09 – [Beutewert 9,20 € und 9,99 €]; SenE v. 20.07.2010 – III-1 RVs 125/10 – [9,95 €]; SenE v. 08.02.2011 – III-1 RVs 23/11 – [11,10 €]; SenE v. 28.04.2017 – III-1 RVs 87/17 – [9,75 €]; vgl. weiter OLG Celle NStZ-RR 2004, 142; OLG Oldenburg StRR 2008, 323). Dieser Umstand musste das Tatgericht zu einer besonders gründlichen und umfassenden Abwägung namentlich der strafmildernden Gesichtspunkte drängen; dem genügen die Urteilsgründe nicht zur Gänze:

Das Amtsgericht hat der Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zugute gebracht, dass die entwendeten Waren „letztlich auch bei den Geschädigte verblieben“ seien. Feststellungen zum Verbleib der Tatbeute sind mit Blick auf den Schuldumfang stets geboten (SenE v. 12.07.2013 – III-1 RVs 135/13 -; SenE v. 29.09.2017 – III-1 RVs 228/17; SenE v. 20.10.2017 – III-1 RVs 258/17 -). Sie nehmen als diesen (mit-)bestimmend und als Umstand, der geeignet ist, die Tat als einen geschichtlichen Vorgang näher zu beschreiben (hierzu vgl. jüngst SenE v. 02.03.2018 – III-1 RVs 14/18 m. zahlr. Nachw.) an der durch die erklärte Beschränkung bewirkten Bindung der Berufungsstrafkammer an die amtsgerichtliche Feststellungen teil (so auch KG StraFo 2016, 83 – bei Juris Tz. 18). Im Rahmen ihrer Ausführungen zur Strafbemessung hat die diesen Umstand an keiner Stelle der Urteilsgründe erwähnende Berufungsstrafkammer aber nicht erkennbar in ihre Überlegungen mit einbezogen, dass sich selbst der potentiell geringe Schaden hier nicht realisiert hat. Das wäre aber nach dem zuvor Dargestellten im Sinne einer umfassenden Abwägung und erschöpfenden Würdigung der strafzumessungsrelevanten Umstände in einem Bereich geboten gewesen, der im Hinblick auf die Höhe zu verhängender Freiheitsstrafe einen Grenzfall darstellt (vgl. auch KG a.a.O. – bei Juris Tz. 16). Der Senat vermag letztlich nicht auszuschließen, dass  die erkannten Einzelstrafen niedriger ausgefallen wären, hätte das Tatgericht sich den Umstand bewusst gemacht, dass die Tat letztlich ohne Realschaden geblieben ist.“

Strafzumessung III: Kurzfristige Freiheitsstrafe, oder: Unerlässlich?

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Und zum Tagesschluss dann ncoh eine Entscheidung zur kurzfristigen Freiheitsstrafe und zur Unerlässlichkeit i.S. von § 47 StGB. Dazu hat das OLG Braunschweig im OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.08.2017 – 1 Ss 35/17 – Stellung genommen:

„Die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen ist gem. § 47 StGB nur zulässig, wenn besondere Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung soll die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe weitgehend zurückgedrängt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Mai 2013, 1 Ss 29/13, juris, m.w.N.). Die Anordnung einer kurzen Freiheitsstrafe hat dabei in der Regel nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird (BGH Urteil vom 08.April 2004, 3 StR 465/03, zitiert nach juris, Rn. 4). Die kurze Freiheitsstrafe ist in diesem Sinne ultima ratio (OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. Januar 2017, 1 Ss 261/16; OLG Dresden Beschluss vom 10. September 2014, 23 Ss 557/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Juni 2014, 1 RVs 74/13, alle zitiert nach juris).

Diesen Maßstäben wird die Begründung des angefochtenen Urteils nicht gerecht.

Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, es sei eine besondere Auseinandersetzung mit der strafursächlichen Drogen- und Spielsucht des Angeklagten erforderlich und diesem müsse besonders vor Augen geführt werden, dass auch aus der Suchterkrankung heraus begangene Taten mit Freiheitsstrafe gesühnt werden können. Es erscheine sinnvoll, den Angeklagten nicht nur eine Geldstrafe abzahlen zu lassen, sondern diesen unter die Aufsicht eines Bewährungshelfers zu stellen und die Suchtproblematik anzugehen.

Diese Begründung lässt besorgen, dass das Amtsgericht die anzuwendenden Maßstäbe hinsichtlich der Unerlässlichkeit der kurzen Freiheitstrafe verkannt hat. Denn das Gericht nennt die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen selbst sinnvoll und erforderlich, wodurch sich die Besorgnis begründet, das Gericht könnte statt des anzuwendenden Maßstabs der Unerlässlichkeit den der bloßen Angemessenheit der kurzen Freiheitsstrafe angewandt haben. Diese Besorgnis wird noch dadurch verstärkt, dass das Gericht zwar maßgeblich die erforderliche Auseinandersetzung mit der Suchterkrankung zur Begründung der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen heranzieht, dabei aber die Auswirkungen der von dem Angeklagten aus eigenem Antrieb in Anspruch genommenen therapeutischen Hilfe wegen dessen Drogen- und Spielsucht auf die Unerlässlichkeit der kurzen Freiheitsstrafe nicht darstellt. Schließlich lässt sich dem Urteil auch nicht entnehmen, dass das Gericht ausreichend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte unvorbestraft ist.“

Strafzumessung III: Bei positiver Entwicklung kurze Freiheitsstrafe nicht „unerlässlich“….

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Und zum Abschluss der kleinen Strafzumessungsserie dann der OLG Naumburg, Beschl. v. 30.06.2016 – 2 Rv 50/16, der eine alt bekannte und auch hier shcon häufig behandelte Problematik zum Gegenstand hat, nämlich die mit § 47 Abs. 2 StGB zusammenhängenden Fragen. Der bereits vielfach vorbestrafte Angeklagte ist vom LG noch einmal wegen eines Einmietungsbetrugs verurteilt worden. Das OLG hebt im Strafausspruch auf und führt aus:

„Die Kammer hat festgestellt, dass der Angeklagte während des Strafvollzuges an der Arbeitsgruppe „Deliktaufarbeitung“ teilgenommen hat. Der Angeklagte strebte eine vorzeitige Entlassung in eine betreute Wohneinheit an, wo ihm ein Platz zur Verfügung stand. Ein Mitarbeiter der Jugendanstalt hatte dem Angeklagten am 7. März 2016, also zwei Tage vor der Hauptverhandlung, mitgeteilt, dass die Anstalt bei der Strafvollstreckungskammer eine positive Stellungnahme zu einer vorzeitigen Haftentlassung einreichen werde.

Die Kammer hat nicht verkannt, dass eine kurze Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB nur verhängt werden darf, wenn dieses unerlässlich ist. Die Unerlässlichkeit hat sie mit den zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten, seiner umfangreichen Hafterfahrung auch vor der hier abgeurteilten Tat, seinem Bewährungsversagen und seiner schnellen Rückfälligkeit begründet. Auf seine Entwicklung während der jetzigen Haftverbüßung und die angekündigte positive Stellungnahme der Justizvollzuganstalt gegenüber der Strafvollstreckungskammer ist sie nicht eingegangen. Diese Ausführungen tragen die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nicht.

Die Annahme der Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstraße bedarf einer besonderen und eingehenden Begründung. Sie bedeutet mehr als Gebotenheit (BGH 2, StR 407/10 vom 8. September 2010, Senat, Beschlüsse vom 13. August 2015 — 2 Rv 94/15, Beschluss vom 12. März 2012 — 2 Ss 157/11, Beschluss vom 28. Juni 2011, 2 Ss 68/11, alle zitiert nach juris, Francke in MüKo StGB, § 47 Rn 9). Voraussetzung ist, dass unter Beachtung des Regel-Ausnahmeverhältnisses die Unverzichtbarkeit einer freiheitsentziehenden Einwirkung mit einer umfassenden und erschöpfenden Begründung dargestellt wird. Zwar ist die Würdigung der Vorstrafen im Rahmen dieser Abwägung nicht zu beanstanden. Indes hat das Landgericht dabei einen Gesichtspunkt nicht erörtert, nämlich die Entwicklung des Angeklagten während des laufenden Strafvollzuges. Er hat an der Arbeitsgruppe Deliktsaufarbeitung teilgenommen und dies offenbar erfolgreich, außerdem hat er sich offenbar in der JVA gut geführt und gezeigt, dass er gewillt und in der Lage ist, in Zukunft ein straffreies Leben zu führen. Anders wäre es nicht zu erklären, dass seitens der JVA eine positive Stellungnahme gegenüber der Strafvollstreckungskammer zu einer vorzeitigen Haftentlassung formuliert worden ist. Dem Senat ist nämlich bekannt, dass die Mitarbeiter der JVA Rillet insbesondere bei vielfach vorbestraften hafterfahrenen Gefangenen nicht bloße verbale Absichtsbekundungen als Grundlage für positive Stellungnahmen ausreichen lassen. Das Landgericht hat die Entwicklung des Angeklagten in der Haft zwar bei der Prüfung einer positiven Kriminalprognose i. S. d. § 56 Abs. 1 StGB erörtert, das kann indes eine vorherige Erörterung dieses Umstandes bei Prüfung der Unerlässlichkeit i. S. d. § 47 StGB nicht ersetzen. Insoweit sind die Maßstäbe unterschiedlich: Eine negative Kriminalprognose führt nicht zur Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe (Senat, Beschluss vom 13. August 2015, 2 Rv 94/15, juris). Eine Strafaussetzung zur Bewährung setzt die Erwartung straffreier Führung voraus, d. h., eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit straffreier Führung (Fischer, StGB, 63. Auf., Rn 4 zu § 56). Insoweit muss die Wahrscheinlichkeit straffreier Führung positiv festgestellt werden, sie kann nicht zu Gunsten des Angeklagten unterstellt werden. Demgegenüber bedarf die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe der Feststellung ihrer Unerlässlichkeit. Zwar ist es ein Indiz für eine solche Unerlässlichkeit, wenn die Verhängung mehrerer Geldstrafen den Täter ebensowenig zu straffreier Führung veranlassen konnte wie die Verhängung von Bewährungsstrafen und die Verbüßung von Freiheitsstrafen. Diese Indizwirkung kann jedoch entfallen, wenn der Täter konkrete Änderungen in seinen Lebensumständen vorgenommen hat, die zu seiner künftigen Straffreiheit führen können, selbst wenn deren Erfolg nicht überwiegend wahrscheinlich ist. In einem solchen Fall ist die Unerlässlichkeit i. S. d. § 47 StGB nicht festgestellt, mögen die Dauer oder der Erfolg der Änderung der Lebensumstände auch ungewiss sein. Hier hat der Beschwerdeführer an der Arbeitsgruppe Deliktsaufarbeitung teilgenommen, sein Verhalten im Strafvollzug ist Anlass für die JVA, eine positive Stellungnahme zur Haftentlassung abzugeben. Dies hätte bei der Frage, ob die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerlässlich ist, erörtert werden müssen.“

Der (unbestrafte) Familienvater ist besonders haftempfindlich ….

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 29.09.2015 – 5 RVs 121/15 – ist strafzumessungsrechtlich interessant. Nicht wegen der Ausführungen des OLG zu § 47 StGB und zur Frage der Begründung der Unerlaässlichkeit“ der verhängten kurzfristigen Freiheitsstrafe. Insoweit etnhält der Beschluss nichts Neues, das sind „olle Kamellen“, was das OLG dazu ausführt. Interessant ist der Beschluss vielmehr wegen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen, die das OLG beim AG beanstandet, und zwar zum zweiten Mal.

Das AG hatte den Angeklagten bereits im Sommer 2014 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis u.a. zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Auf die Revision hatte das OLG im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und zurückverwiesen. Im zweiten „Durchgang“ hat das AG dann noch eine (Gesamt)Freiheitsstrafe von vier Monaten“ festgesettzt.

Und das OLG beanstandet erneut. Einmal wegen der viel zu knappen Ausführungen zur § 47 StGB. Und das ist das OLG „not amused“, wenn es ausführt:

„b) Außerdem hat das Amtsgericht erneut verkannt, dass bereits im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 46 StGB) zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen ist, dass dieser als Familienvater, der bislang keine Hafterfahrung gesammelt hat, besonders haftempfindlich ist.

Soweit das Amtsgericht bei der Entscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB ausgeführt hat, im Fall des Angeklagten sei gerade nicht von einer besonderen Haftempfindlichkeit auszugehen, wird zum einen die gebotene Trennung von Strafzumessungserwägungen und Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung außer Acht gelassen. Zum anderen hat das Amtsgericht die nach § 358 Abs. 1 StPO bestehende Bindungswirkung hinsichtlich der Aufhebungsansicht des Revisionsgerichts verkannt. Zu den für die Aufhebungsansicht tragenden sachlich-rechtlichen Erwägungen können Rechtsausführungen aller Art gehören, so auch über Strafzumessungserwägungen (vgl. BGH, NStZ 1993, 552; Gericke, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 358 Rdnr. 9). Der teilweisen Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils vom 31. Juli 2014 durch den Senatsbeschluss vom 27. November 2014 lag ausdrücklich die Rechtsauffassung zugrunde, dass zugunsten des Angeklagten, der Familienvater ist und bislang noch keine Haftstrafe verbüßt hat, eine besondere Haftempfindlichkeit anzunehmen ist. Das Amtsgericht hat gleichwohl eine besondere Haftempfindlichkeit mit der Erwägung verneint, der Angeklagte habe als Familienvater gewusst, welches Risiko er mit der weiteren Begehung einer Straftat eingegangen sei. Damit hat das Amtsgericht die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Der Verstoß gegen § 358 Abs. 1 StPO ist bereits auf die allgemeine Sachrüge hin zu prüfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 358 Rdnr. 10).“