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StGB I: NSDAP-Zeichen auf Corona-Schutzmaske, oder: Veröffentlichung bei Twitter

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

In die neue Woche geht es dann mit zwei StGB-Entscheidungen, beide zu – man sieht es an der Überschrift – § 86a StGB. Also Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Orgnaisationen, und zwar beide Male das Hakenkreuz.

Ich eröffne mit dem KG, Urt. v. 30.09.2024 – 2 ORs 14/24 – 121 SRs 43/24. Das ist bisher nur als PM veröffentlicht, aber noch nicht im Volltext. Ich hatte es mir vom KG „besorgt“.

Es geht um einen Fall aus dem Sommer 2022, also noch Corona-Pandemie-Zeit. Nach den Feststellungen des AG hatte der Angeklagte am 24.08.2022 um 17.51 Uhr und am 27.08.2022 um 8.47 Uhr auf seinem bei Twitter geführten, öffentlich einsehbaren Nutzerprofil mit dem Benutzernamen @c…_f…. ein Foto veröffentlichte, auf welchem eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung sichtbar ist, wel­che mittig die Abbildung eines sogenannten Hakenkreuzes trägt.

Der Veröffentlichung des Fotos am 24.08.2022 fügte er den folgenden Text bei: „Die #Masken sind Symbole der Ideologiekonformität. Das ist alles, was sie sind. Das waren sie schon immer. Hören Sie auf, so zu tun, als wären sie jemals etwas anderes, oder gewöhnen Sie sich daran, sie zu tragen. #MaskensindkeinmildesMittel“. Der Veröffentlichung des Fotos am 27.08.2022 fügte er den folgenden Text bei: „,Von der Maske geht immer auch ein Signal aus‘ – K… L…, August 2022“. Darunter verlinkte er einen Artikel der „Welt“ mit dem Titel „Von der Maske geht immer auch ein Signal aus“.

Das AG ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte wusste, dass dieser Post durch einen größeren, durch persön­liche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden könnte. Ihm war ferner bewusst, dass es sich bei dem Hakenkreuz um ein Symbol der verbotenen NSDAP handelt.

Das AG hat den Angeklagten  vom Vorwurf, im Inland Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation in zwei Fällen verbreitet zu haben, „aus tatsächlichen Gründen“ mit der Begründung freigesprochen, dass die Veröffentlichungen des Angeklagten nicht vom Tatbestand des § 86a StGB erfasst seien.

Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hatte. Das KG hat den Freispruch aufgehoben, den Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Or­ganisationen in zwei Fällen schuldig gesprochen und die Sache dann zur Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch an dass AG zurückverwiesen.

Wegen der Einzelheiten der Begründung verweise ich auf den verlinkten Volltext. Ich stelle hier nur die Passagen ein, die sich mit der sog. Tatbestandsrestriktion befassen: Danach kann im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen der Gebrauch eines Kennzei­chens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in of­fenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Be­kämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, dem Schutzzweck ersichtlich nicht zu­widerlaufen und daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst werden. Das hat das KG aber verneint:

„cc) Ein solcher Ausnahmefall, der eine zulässige Verwendung des verbotenen Kenn­zeichens begründen würde, liegt hier nicht vor.

(1) Die Ausführungen des Amtsgerichts Tiergarten zur Begründung einer Tatbestands­restriktion überzeugen nicht. Danach sei ohne weiteres erkennbar, dass die Verbin­dung zum Nationalsozialismus in einem nachdrücklich ablehnenden Sinn hergestellt werde; es sei ersichtlich, dass der Angeklagte als Verfasser den Nationalsozialismus scharf ablehne. Der Angeklagte habe – auch für seine Anhänger erkennbar – durch die Verwendung des Hakenkreuzes im Zusammenhang mit der Maske als Symbol der Corona-Maßnahmen gerade seine Ablehnung des durch das Hakenkreuz repräsen­tierten nationalsozialistischen Totalitarismus zum Ausdruck bringen wollen, um seine Kritik an den Corona-Maßnahmen zu verdeutlichen. Damit fehle den Posts jede Eig­nung, einer Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts oder gar ehemali­ger nationalsozialistischer Organisationen zu dienen.

(2) Eine solche eindeutige Abkehr vom Nationalsozialismus ist aus den Posts des An­geklagten, die dem Senat aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme des Amtsgerichts nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in den Urteilsgründen aus eigener Anschauung zu­gänglich und damit in seine revisionsgerichtliche Prüfung einzubeziehen sind, nicht erkennbar.

Aus Sicht eines objektiven Betrachters zeigt die Fotomontage in Form einer weißen Mund-Nasen-Bedeckung mit einem weißen Hakenkreuz allenfalls indirekt eine kriti­sche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Ziel der Verwendung der Ab­bildung sollte nach den Feststellungen des Amtsgerichts die Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie sein. Durch die Verbindung des Abbildes der Mund-Nasen-Bedeckung mit dem weißen Hakenkreuz solle nach den Vorstellungen des Angeklagten darauf hingewiesen werden, dass das Handeln der Regierung an die Methoden des Nationalsozialismus erinnere und das Vorgehen der Regierung mit den Methoden des NS-Staats vergleichbar sei. Kritisiert werden damit allein die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie, nicht aber der Nationalsozialismus. Es sollen jedoch nur solche Handlungen nicht vom Tat­bestand des § 86a StGB erfasst werden, in denen das Kennzeichen offenkundig ge­rade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zu Grunde lie­genden Ideologie eingesetzt wird, woran es hier fehlt.

Der Vergleich von Corona-Maßnahmen, die durch die Verwendung der Mund-Nasen-Bedeckung verkörpert werden sollen, mit dem durch das Hakenkreuz symbolisierten NS-Terrorregime stellt eine Verharmlosung des Nationalsozialismus und des national­sozialistischen Völkermordes an Millionen Juden dar, nicht aber eine Kritik daran (zu § 130 StGB vgl. BayObLG, Urteil vom 20. März 2023 – 206 StRR 1/23 –). Selbst die teilweise – nicht jedoch vom Senat (vgl. Urteil vom 13. Februar 2023 – [2] 121 Ss 140/22 [44/22] –, juris) – vertretene Auffassung, dass Gegner der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie durch entsprechende Vergleiche das durch Na­tionalsozialisten zugefügte Unrecht gerade nicht bagatellisieren, sondern das eigene Leid lediglich im Sinne einer überzogenen Dramatisierung aufwerten wollen, führt hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn auch darin liegt keine für die Tatbestandsrest­riktion des § 86a StGB erforderliche Abkehr vom Nationalsozialismus, die voraussetzt, dass sich – wie der Senat ausgeführt hat – die Gegnerschaft eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag.

Eine andere Beurteilung folgt ebenso wenig aus dem Zusammenhang mit den den Abbildungen jeweils beigefügten Texten. Aus den Texten ist eine Ablehnung des Na­tionalsozialismus ebenfalls nicht zu erkennen, diese beziehen sich jeweils nur auf die Maßnahme der Maskenpflicht; aus ihnen wird allein deren Ablehnung deutlich.

Auch liegt es nicht fern, dass derartige Abbildungen einer Wiederbelebung nationalso­zialistischen Gedankenguts oder ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen dienen. Eine Maske mit einem Symbol des Nationalsozialismus erweckt bei einem ein­sichtigen Betrachter ohne Weiteres den Eindruck, die Verwendung des Hakenkreuzes werde in der Bundesrepublik Deutschland geduldet (vgl. BGHSt 25, 133).“

Edit: Der Beitrag hatte zunächst eine andere Überschrift. Aber mit „Hakenkreuz“ im Titel wird er bei FB als gewaltverherrlichendes Spam eingeordnet. So viel zur KI 🙂 .

Der “Badenweiler Marsch” – kein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation…

© Haramis Kalfar - Fotolia.com

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Eine Demonstration in Münster im Jahr 2013 hat jetzt noch das VG Münster beschäftigt und zum VG Münster, Urt. v. 28.11.2014 – 1 K 2698/13 – geführt. Vorstellen möchte ich es hier nur wegen eines Aspekts, nämlich der Frage, ob die Polizeibeamten das Abspielen des “Badenweiler Marsches”, der Lieblingsmarsches von Adolf Hitler, untersagen durften. Es ging um die Demonstration vom 15.08.2013 zu dem Thema “Asylflut und Eurowahn stoppen – NPD in den Bundestag”. Vor Beginn der Versammlung der Klägerin sagte ein Beamter der Polizei ihrem Versammlungsleiter, ein Abspielen des “Badenweiler Marschs” würde nicht hingenommen, sondern als eine Störung der öffentlichen Ordnung unterbunden. Das VG hat diese Anordnung als rechtswidrig angesehen. Ich versuche mal das – wie immer – ein wenig lange VG, Urteil in dem Punkt zusammen zu fassen::

  • Das Verbot des Abspielens des Marsches bedurfte einer gesetzlichen Grundlage. Es beschränkte die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG) der Klägerin.
  • Die für eine Auflage im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG erforderliche unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung lag nicht vor. Eine solche setzt voraus, dass auf Grund einer konkreten Gefahrenprognose mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintritt.
  • Das Abspielen des Badenweiler Marsches in der öffentlichen Versammlung hätte weder die öffentliche Sicherheit noch die öffentliche Ordnung gestört.
  • Ein Abspielen des Badenweiler Marsches hätte den Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) nicht erfüllt. Dieser Marsch stellt kein Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB dar.
  • Dem aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammenden (textlosen) Badenweiler Marsch ist durch die Nationalsozialisten nicht eine hymnische Funktion für die eigene Propaganda gegeben worden. Er ist damit kein NS-Symbol.
  • Das Abspielen des Marsches ist auch kein Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen nach § 86 Abs. 1 und 2 StGB.
  • Schließlich hätte ein Abspielen des Badenweiler Marsches in der öffentlichen Versammlung der Klägerin auch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 4 StGB) erfüllt. Die Begrenzung des rechtmäßigen Abspielens des Marsches in der NS-Zeit auf Veranstaltungen, an denen Hitler teilnahm, durch die Polizeiverordnung vom 17. Mai 1939 lässt nicht den Schluss zu, dass nunmehr ein öffentliches Abspielen die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Hierdurch würde der Straftatbestand überdehnt. Vgl. auch VG Bremen, Urteil vom 4. September 2014 – 5 K 1145/13 -, […], Rn. 27.
  • Auch ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung war nicht (mit hoher Wahrscheinlichkeit) zu befürchten.

Rest/Einzelheiten bitte selber lesen.

Werbung mit dem Truppenkennzeichen der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“

Das OLG Rostock, Urt. v. 09.09.2011 – 1 Ss 31/11 I 47/11 befasst sich mit einem Werbeaufsteller, der zur Werbung für einen „Werwolfshop“ das Truppenkennzeichen der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ enthielt. Der Geschäftsführer des Shops ist deshalb wegen Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation gem. § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB verurteilt worden.

Das OLG Rostock hat die dagegen gerichtete Revision verworfen. Begründung: Die zweite SS-Panzer-Division „Das Reich“ falle als Teil- bzw. Unterorganisation der SS unter die Vorschrift im StGB über das Verwenden von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation, sodass sich das Verwenden ihres Kennzeichens als strafbar erweise. Entscheidend sei, dass die 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ der SS bzw. Waffen-SS als ehemaliger nationalsozialistischen Organisation zuzurechnen sei und das von ihr benutzte grafische Erkennungsmerkmal diese Zugehörigkeit auch nach außen dokumentiere. Es sei daher geeignet, in- und ausländischen Beobachtern den Eindruck zu vermitteln, in der Bundesrepublik würde die Wiederbelebung entsprechender Organisationen angestrebt. Dies soll nach dem Schutzzweck der Norm jedoch gerade vermieden werden.

Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole – ja, nein oder vielleicht doch?

Der BGH hat gestern das Urteil des LG Gera, das einen Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB) zu einer Geldstrafe von 4.200 Euro veruteilt hatte aufgehoben.

Das LG Gera hatt den fremdsprachigen Gebrauch einer NS-Parole als auch unter § 86a StGB fallend angesehen. Der Senat hat – anders als das Landgericht – entschieden, dass der fremdsprachige Gebrauch einer NS-Parole nicht dem Straftatbestand des § 86 a StGB unterfällt. Diese Vorschrift stelle nicht jedes Bekenntnis zu einer NS-Organisation – was fraglos vorliege – unter Strafe, sondern nur die Verwendung von Kennzeichen dieser Organisationen, etwa ihrer Parolen, Abzeichen, Fahnen etc.. Gleichermaßen strafbar ist auch der Gebrauch von Symbolen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich sind. Eine Verwechslungsgefahr liege jedoch nur dann vor, wenn die Nachahmung und das Original in wesentlichen Vergleichspunkten übereinstimmen, was bei leichten Abwandlungen des Originalsinnbilds regelmäßig der Fall ist. Durch die Übersetzung in eine andere Sprache erfahre eine NS-Parole, die nicht nur durch ihren Sinngehalt sondern ebenso durch die deutsche Sprache ihre charakteristische Prägung erfahren hat, jedoch eine grundlegende Verfremdung, die der Tatbestand des § 86 a StGB nicht erfasst.

Nach Auffassung des BGH kann der Angeklagte kann sich jedoch gleichwohl wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht haben, wenn er nämlich den Namen der in Deutschland verbotenen Vereinigung „Blood & Honour“ symbolhaft verwendet hat.  Diese Frage muss jetzt in der neuen Hauptverhandlung geklärt werden.

BGH, Urt. v. 13.08.2009 – 3 StR 228/09

Verwenden des Leitspruchs „Blood & Honour“ strafbar?

Morgen (13.08.2009) wird der 3. Strafsenat des BGH im Verfahren 3 StR 228/09 anhand des Beispiels der in Deutschland verbotenen rechtsextremistischen Vereinigung „Blood & Honour“ über die Frage zu entscheiden haben, ob der Straftatbestand des Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation (§ 86 a StGB) auch dann erfüllt ist, wenn eine NS-Parole (hier der Leitspruch „Blut und Ehre“ der Hitlerjugend) in wortgetreuer Übersetzung in eine andere Sprache Verwendung findet. Ferner muss sich der BGH in seiner Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob und ggfs. unter welchen Umständen dem Namen einer verbotenen Vereinigung die Eigenschaft eines Kennzeichens im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 1 StGB zukommt.