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Immer wieder: Getürkter Unfall – hier eine Checkliste

entnommen wikimedia.org Author Harald Wolfgang Schmidt at de.wikipedia

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Unfallmanipulation kommt doch wohl häufiger vor, als man denkt. Jedenfalls spricht dafür m.E. die doch recht großen Zahl von (OLG-)Entscheidungen, die sich mit der Problematik befassen. Auch ich habe darüber ja schon häufiger berichtet (vgl. die u.a. Zusammenstellung). Nun hat mir eine Kollege erneut eine Entscheidung übersandt, die zu den mit der Unfallmanipulation zusammenhängenden Fragen Stellung nimmt und noch einmal die Indizien, die für eine Unfallmanipulation sprechen (können) zusammenstellt. Es ist das OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.2014 – 1 U 122/13. Das OLG stellt, wie zuvor auch schon das LG (vgl. “Getürkter” Unfall auf der BAB: Abdrängen in die Leitplanke?) ab, auf:

  • Die Art des Unfalls = Indizien aus technischer Sicht, die für eine Einwilligung in den Unfallschaden anlässlich eines Unfalls bei einem Fahrstreifenwechsel auf einer BAB sprechen, nämlich
    • ein zu viel zu steiler Fahrstreifenwechsel, der atypisch ist,
    • das Ausweichen des Geschädigten in die Leitplanke, ohne dass dafür objektiv Anlass besteht  und
    • das Aufrechterhalten des Kontakts mit der Leitplanke ohne Ausweichmanöver über einen längeren Zeitraum.
  • das Fehlen von Zeugen,
  • ein Unfall zur Nachtzeit und
  • die fiktive Abrechnung eines lukrativen Seitenschadens.
  • Nicht erforderlich ist, ob eine konkrete Bekanntschaft der Beteiligten oder aber die Verwicklung in eine Vielzahl an anderen Unfällen nachzuweisen ist.

Nun, an der Checkliste kann man sich ja schon mal abarbeiten.

Ähnlich entschieden bzw. ähnliche Indizien findet man bei

Reden ist Silber, oder: 2,56 Promille, warme Motorhaube und Reden rechtfertigen MPU-Anordnung

© ExQuisine - Fotolia.com

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Und das dicke Ende kommt dann hinterher, oder: Vielleicht hätte ich im Strafverfahren doch besser geschwiegen, wird sich ein Kraftfahrzeugführer sagen, gegenüber dem die Fahrerlaubnisbehörde die MPU angeordnet hat. Begründet hat sie das damit, dass nach ihrer Auffassung Tatsachen vorliegen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat ihr im OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.06.2014 – 16 B 358/14 – Recht gegeben. Es argumentiert u.a. mit 2,56 Promille und und warmer Motorhaube und eben einer Äußerung im Strafverfahren, und zwar wie folgt:

„—Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, hat der Antragsgegner auf § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a Alt. 2 FeV gestützt. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Der Antragsgegner hat insofern darauf abgestellt, dass beim Antragsteller am 6. Juli 2012 eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 2,56 Promille festgestellt worden sei, der Antragsteller selbst im Strafverfahren nicht ausgeschlossen habe, vielleicht doch das Fahrzeug an dem Abend geführt zu haben, und die Polizei vor Ort festgestellt habe, dass die Motorhaube noch warm gewesen sei. Diese Umstände lassen den Schluss zu, dass der Antragsteller am 6. Juli 2012 unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug führte. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass der Antragsteller nunmehr behauptet, er habe die Erklärung im Strafverfahren nur aus rein prozesstaktischen Erwägungen abgegeben, um einer weiteren Konfrontation mit den mutmaßlich die Unwahrheit sagenden, mit dem Antragsteller verfeindeten Nachbarn zu entgehen. Dieser Vortrag ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Nachbarn in der Verhandlung am 23. April 2013 bereits als Zeugen vernommen worden waren, bevor der Antragsteller in derselben Verhandlung nach Inaugenscheinnahme eines Videos auf dem Smart-Phone eines Zeugen erklärte: „Es kann sein, dass ich doch gefahren bin“.

Schließlich dringt der Antragsteller auch mit der Rüge nicht durch, die Entscheidung beruhe auf der hypothetischen Annahme, dass grundsätzlich von einer Alkoholabhängigkeit bzw. einem Alkoholmissbrauch auszugehen sei bei Personen, die in der Lage seien, eine Alkoholkonzentration von 2,56 Promille zu erreichen. Bereits Blutalkoholkonzentrationen von 1,6 Promille setzen nach verkehrsmedizinischen Erkenntnissen regelmäßig normabweichende Trinkgewohnheiten voraus und sprechen für eine Alkoholproblematik. Das gilt erst recht für deutlich darüber liegende Werte. Vgl. dazu Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, S. 132; BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 – 7 C 46.87 -, BVerwGE 80, 43 = […] Rn. 9, jeweils mit weiteren Nachweisen….“

„Getürkter“ Unfall auf der BAB: Abdrängen in die Leitplanke?

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Zur Veröffentlichung im VRR Heft 10/2013 vorgesehen ist das LG Duisburg, Urt. v. 02.07. 2013 – 4 O 345 / 11-, das (mal wieder) ein offensichtlich manipuliertes Unfallgeschehen zum Gegenstand hat (vgl. auch schon Unfallmanipulation, oder: Manchmal haben auch Zivilrichter mit einem “Tatverdacht” zu tun, oder: “Pechfamilie” – 25 Verkehrsunfälle in vier Jahren?, sowie: Woran erkennt man einen fingierten/manipulierten Verkehrsunfall?

Geltend gemacht worden ist Schadensersatz aus einem Unfallereignis zur Nachtzeit auf einer BAB ohne unbeteiligte Zeugen, bei dem ein PKW Mercedes 500 durch den beklagten Fahrzeugführer im Rahmen eines unachtsamen Fahrstreifenwechsels beschädigt, ins Schleudern geraten und gegen eine Leitplanke abgedrängt worden sein soll. Der Beklagte fuhr dabei ein für lediglich einen Tag einschließlich Vollkaskoversicherung angemietetes Fahrzeug und erschien bei Gericht trotz Ladung nicht. Der vom LG eingeschaltete Sachverständige stellte zum einen fest, dass an dem Mercedes Schäden bestanden haben und abgerechnet worden sind, die nicht auf dem Unfallereignis beruhen. Zum anderen fand er erhebliche Indizien für eine bewusste Schadensherbeiführung heraus: Einerseits fiel ihm ein besonders starker Lenkeinschlag des Schädigers auf, der nicht auf den ersten Kontakt mit dem PKW des Klägers reagiert hat. Andererseits bestand aus seiner Sicht kein so starker Anstoß, dass ein Abdrängen gegen die Leitplanke zu erwarten gewesen wäre, bei dem der Kontakt auch ohne weitere Ausweichbewegung über 15m aufrecht erhalten worden ist.

Das LG ist von einem manipulierten Unfallereignis ausgegangen, weil:

  1. Unfall zur Nachtzeit
  2. Unfall mit einem hochwertigen Luxusfahrzeug,
  3. ein hoch abzurechnender, aber günstig instandsetzbarer Schaden
  4. keine unbeteiligte Zeugen
  5. entscheidend aber das Verhalten des Schädigers mit einem atypisch starken Lenkeinschlag ohne später mögliche Korrektur und
  6. Verhalten des klägerischen Fahrzeugführers, der über 15 m trotz Ausweichmöglichkeit einen Schaden an der Leitplanke herbeigeführt hat und
  7. zudem auch noch im Bereich der Felgen vorne und hinten nicht kompatible Schäden.

 Tja, wahrscheinlich wird die graue Zivilakte dann Beiakte einer Strafakte mit rotem Aktendeckel.

Woran erkennt man einen fingierten/manipulierten Verkehrsunfall?

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In der Unfallschadensregulierungspraxis – und dann ggf. später in einem Strafverfahren – spielt immer wieder die Frage eine Rolle, ob nicht ggf. ein gemeldeter Unfallschaden auf einen fingierten/manipulierten Unfall zurückgeht und damit kein Schadensersatz geleistet werden muss. Dazu, wie man ggf. einen solchen Unfall erkennt, gibt es an verschiedenen Stellen Checklisten und auch eine ganz Reihe von Entscheidungen, die sich mit den Fragen befassen und die die entsprechenden Indizien zusammenstellen. Dazu gehört z.B. auch das LG Wuppertal, Urt. v. 02.04.2013 – 2 0 167/11.

Allgemein weist das LG auf folgende Indizien hin:

Indizien für einen gestellten Verkehrsunfall sind im Allgemeinen vorgeschädigte Fahrzeuge, Altfahrzeuge oder kurzzeitig versicherte Fahrzeuge auf Schädigerseite, Abrechnung auf Reparaturkostenbasis, einfach zu stellenden Unfallhergang an abgelegenen Unfallorten zu späten Tages bzw. Nachtzeiten, unerklärliche Fahrfehler, fehlende Plausibilität des Unfallherganges, keine unabhängigen Zeugen, die beteiligten Personen kommen aus der Fahrzeugbranche, die beteiligten Personen sind miteinander bekannt, Vorschäden werden verschwiegen, eine Nachbesichtigung wird verhindert, sofortiger Verkauf des Fahrzeuges, Schädiger räumt Verschulden sofort und uneingeschränkt ein und die Beteiligten leben in schwachen finanziellen Verhältnissen, fahren aber gleichwohl Fahrzeuge der gehobenen Klasse (vgl. zusammenfassend Arendt, NJW-Spezial 2005, 447).“

Auf der Grundlage ist es dann in seinem entschiedenen Fall im Wege des Indizienbeweises von einem fingierten Unfall ausgegangen, weil:

  • das Unfallgeschehen nicht plausibel geschildert worden ist,
  • das Unfallgeschehen in einer Einbahnstraße als Streifschaden ohne Eigenrisiko einfach zu inszenieren war
  • weil der Unfall sich auf einer abgelegenen Einbahnstraße zur Nachtzeit gegen 23.45 Uhr ereignete , so dass mit Zufallszeugen sicher nicht zu rechnen war,
  • weil die beteiligten Fahrzeuge kurz vor dem Unfall angeschafft und sogleich wieder veräußert wurden und
  • weil eine fiktive Abrechnung bei einer Reparatur in Eigenregie zu einem 10x so niedrigen Aufwand erfolgte.

Und dazu aus der Rechtsprechung der OLG hier OLG Hamm, Urt. v. 11. 3. 2013  – I 6 U 167/12.

Unfallmanipulation, oder: Manchmal haben auch Zivilrichter mit einem „Tatverdacht“ zu tun

Eine Schnittstelle Strafrecht/Zivilrecht sind sicherlich die Fälle der Unfallmanipulation. Da müssen sich vor allem auch Zivilrichter mit Indizeien für einen manipulierten Unfall befassen. So das KG in seinem Beschl. v. 07.09.2010 – 12 U 210/09, in dem es um den Nachweis einer Unfallmanipulation anhand einer Indizienkette ohne weitere Beweisaufnahme ging.

Das KG ist zu folgenden Leitsätzen gekommen:

1. Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen. Es ist auch ohne Bedeutung, wenn sich für einzelne Indizien – isoliert betrachtet – eine plausible Erklärung finden lässt oder die Umstände jeweils für sich allein nicht den Schluss auf ein gestelltes Ereignis nahe legen.

2. Als Indizien für die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Geschehens sind insbesondere Art und Zustand der beteiligten Fahrzeuge (hier: „Opferfahrzeug“, vorgeschädigter BMW X 5 mit einer Laufleistung von 82.501 km), Hergang des „Unfalls“ sowie das nachträgliche Verhalten der Beteiligten von Bedeutung (BMW wurde kurz nach dem Geschehen unrepariert verkauft; Verhinderung einer Unfallrekonstruktion; Verschweigen der aus dem Geschehen verfolgten Ansprüche in Höhe von ca. 28.000 EUR sowie des erhaltenen Kaufpreises von 13.000 EUR im Vermögensverzeichnis einer etwa 4 Wochen nach dem Vorfall abgegebenen eidesstattlichen Versicherung).

Zu den Indizien gibt es eine schöne Checkliste von Nugel in VRR 2010, 367 (vgl. hier).