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Manipulierter Unfall – ein Hauch von Strafrecht, oder: Welche Indizien sprechen gegen einen Unfall?

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Heute im „Kessel Buntes“ zwei zivilrechtliche Entscheidungen, und zwar beide zum Schadensersatz nach (angenommenen) Manipulationen. Über solchen Entscheidungen liegt ja immer auch ein Hauch von Strafrecht 🙂 . Die damit zusammenhängenden Fragen, vor allem die der Unfallmanipulation, haben die Rechtsprechung früher häufiger beschäftigt. In der letzten Zeit tauchen sie m.E. nicht mehr so häufig auf. Beide Entscheidungen befassen sich mit der Beweiswürdigung. I.d.R. liegt hier immer der Schwerpunkt der entsprechenden Entscheidungen.

Zunächst stelle ich den OLG Bremen, Beschl. v. 01.07.2022 – 1 U 24/22 – zu einer Unfallmanipulation vor. Es handelt sich um einen gem. § 522 ZPO ergangenen Beschluss. Das LG hatte die Schadensersatzklage abgewiesen. Dagegen dann die Berufung des Klägers. Das OLG arbeitet sich in seinem Hinweisbeschluss minutiös an der landgerichtlichen Beweiswürdigung, die ein zum Schadensersatz führendes Unfallereignis verneint hatte, ab:

„2. Das Landgericht ist im vorliegenden Fall aufgrund einer zutreffenden Gesamtwürdigung der für und gegen die Annahme eines manipulierten Unfallgeschehens sprechenden Umstände auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gekommen, dass ein manipuliertes Unfallgeschehen vorgelegen hat.

a) Diese Tatsachenfeststellungen des Gerichts des ersten Rechtszuges hat nach § 529 Nr. 1 ZPO auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO können sich grundsätzlich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Bewertungen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2005 – VIII ZR 266/03, juris Rn. 7, BGHZ 162, 313; Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, juris Rn. 26, NJW 2016, 3015). Das Berufungsgericht ist demnach zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet, wenn aus der für dieses Gericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 403/14, juris Rn. 11, VersR 2016, 1194). Hält es das Berufungsgericht es für denkbar, dass die von der Berufung aufgeworfenen Fragen zu einer anderen Würdigung führen können, besteht Anlass für die Überlegung, ob für die andere Würdigung zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht und deshalb Anlass zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2016 – VIII ZR 300/15, juris Rn. 24, NJW-RR 2017, 75).

b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben: Für eine abweichende Würdigung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme besteht keine solche Wahrscheinlichkeit und daher ist auch ein Anlass zu einer Wiederholung oder zu einer Ergänzung der Beweisaufnahme um weitere Feststellungen nicht gegeben. Die Würdigung und Berücksichtigung der für und gegen eine Unfallmanipulation sprechenden Indizien ist im angefochtenen Urteil im Einklang mit den Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung hierzu erfolgt (siehe hierzu die Rechtsprechung des Senats in Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 08.03.2021 – 1 U 48/20, juris Rn. 26 ff. m.w.N.) und die hiergegen erhobenen Angriffe der Berufung sind nicht durchschlagend.

c) Hierzu ist zunächst festzustellen, dass diejenigen vom Landgericht als Indizien für die Annahme einer Unfallmanipulation angesehenen Umstände, gegen die sich die Berufung nicht wendet, auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats in diesem Sinne bewertet wurden: Dies betrifft namentlich die Beteiligung eines Pkw der Oberklasse auf der Klägerseite; die Suggestion einer eindeutigen Haftungslage nach dem geschilderten Unfallgeschehen; die fiktive Abrechnung; die Beteiligung eines Miet-Fahrzeugs auf Verursacherseite, welches dort keinen relevanten Vermögensschaden entstehen lässt; das sofortige Schuldeingeständnis des Schädigers gegenüber der Polizei; die wiederholte Verwicklung des Zeugen pp. in Unfälle mit Mietwagen und eine fehlende plausible Erklärung des Zeugen pp. dafür, mehrere Unfälle mit angemieteten Fahrzeugen verursacht zu haben; sowie die fehlende Anwesenheit des Klägers am Unfallort (siehe hierzu sowie zu den nachstehenden Punkten jeweils die Rechtsprechung des Senats in Hanseatisches OLG in Bremen, a.a.O.). Ergänzend zu den vom Landgericht berücksichtigten Umständen wären im Übrigen auch noch weitere Indizien zugunsten der Annahme einer Unfallmanipulation zu bewerten gewesen, namentlich die nur kurze Zulassungszeit des Geschädigtenfahrzeugs erst kurz vor dem Unfallereignis, dessen Wertminderung durch eine vergleichsweise hohe Laufleistung und die Schadensnatur in Form von seitlichen Schrammschäden.

d) Auch soweit der Kläger einzelne Rügen gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vornimmt, erweisen sich diese nicht als durchgreifen. Dies gilt zunächst für die Rüge, dass das Landgericht den Umstand nicht berücksichtigt habe, dass im vorliegenden Fall die Polizei eingeschaltet worden sei, was gegen die Annahme einer Unfallmanipulation spreche. Hierbei handelt es sich vielmehr um einen neutralen Umstand; die Hinzuziehung der Polizei muss nicht notwendigerweise der Annahme einer Unfallmanipulation entgegenstehen, insbesondere wenn dies mit einer gegenüber den Polizeibeamten suggerierten eindeutigen Unfallverursachung oder einer klaren Verantwortungsübernahme des vermeintlichen Schädigers einhergeht.

e) Soweit der Kläger weiter rügt, dass das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass das Geschehen sich gegen 22.50 Uhr auf der pp. zugetragen haben soll, die zu dieser Zeit stark frequentiert sei, vermag auch dies keine Zweifel an den Tatsachenfeststellungen des Landgerichts zu begründen. Gegen die Annahme eines gestellten Unfallgeschehens würde es sprechen, wenn bei einem Unfall, der nach Örtlichkeit und Uhrzeit des Geschehens das Vorhandensein solcher Zeugen erwarten lässt, von den Parteien auch tatsächlich solche neutrale Zeugen benannt worden wären, was vorliegend aber gerade nicht der Fall war.

f) Der Kläger kann der Beweiswürdigung des Landgerichts auch nicht durchgreifend entgegenhalten, dass der Kläger bzw. der Zeuge pp. nicht mit dem Zeugen pp. bekannt sei. Der fehlende Nachweis einer Bekanntschaft stellt für sich genommen kein gegen die Annahme einer Unfallmanipulation sprechendes Indiz dar, sondern ist ein lediglich neutraler Umstand, zumal Unfallmanipulationen auch ohne eine direkte Bekanntschaft zwischen den Beteiligten über Dritte organisiert werden können.

g) Zweifel gegenüber der Beweiswürdigung des Landgerichts zeigt der Kläger auch nicht mit seinem Vorbringen auf, dass der Zeuge pp. eine nachvollziehbare Schilderung des Unfalls gegeben und auch eine plausible Erklärung für seine Anwesenheit am Unfallort geboten habe, indem er darauf verwiesen habe, dass er sich am Unfalltag im nördlichen Teil von Bremen aufgehalten und dort ein Date mit einem Bekannten gehabt habe, mit dem er zuvor nur flüchtig geschrieben habe, und dass sich dieses nachher dann verlaufen habe. Die Beschreibung der Umstände der Anwesenheit am Unfallort bleibt damit weiterhin in höchstem Maße vage – insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine wegen des Unfallgeschehens eine genauere Erinnerung zu erwarten gewesen wäre. Auch ist festzustellen, dass nicht nachvollziehbar ist, warum sich der aus dem nördlichen Teil von Bremen kommende Zeuge auf seiner Heimfahrt nach pp. auf der pp. in Höhe pp. befunden haben sollte, um dort – wie er in seiner schriftlichen Unfallanzeige angegeben hat – die Abfahrt nehmen zu wollen.

h) Ebenso begründet es keine Zweifel gegenüber der Beweiswürdigung des Landgerichts, wenn der Kläger vorbringt, dass der Zeuge pp. zwar nur eine vage Unfallschilderung gegeben und er sich nicht mehr daran zu erinnern vermocht habe, warum er am Unfallort gewesen sei, dass aber seine Aussage dadurch beeinflusst gewesen sei, dass er an Klaustrophobie leide. Dafür, dass aus diesen Gründen dem Zeugen eine Aussage nur erschwert möglich gewesen wäre, bietet das richterliche Protokoll seiner Vernehmung keinerlei Anhaltspunkte. Auch seitens des Klägers ist dieser Umstand erstinstanzlich nicht gerügt worden, weswegen er mit diesem Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht mehr zu hören ist, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO, zumal auch dem Berufungsvorbringen des Klägers nicht eine plausible Erklärung dafür zu entnehmen ist, weswegen sich der Zeuge pp. am Unfallort befunden haben soll. Daher bedarf es auch nicht der Einholung der hierzu angebotenen Beweise.

i) Ferner kann der Kläger der Beweiswürdigung des Landgerichts auch nicht durchgreifend entgegenhalten, das klägerische Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt vollkaskoversichert gewesen sei, dass weder der Kläger noch der Zeuge pp. bislang in Vorunfälle verwickelt gewesen sei, dass der Kläger in geordneten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen lebe, einen festen Wohnsitz mit jederzeitiger Erreichbarkeit unterhalte und nicht vorbestraft sei Hierbei handelt es sich vielmehr um neutrale Umstände. Auch eine günstige finanzielle Situation eines Beteiligten ist nicht als Indiz gegen die Annahme einer Unfallmanipulation zu werten, da die Lebenserfahrung nicht belegt, dass Versicherungsbetrug ein in wohlhabenden Kreisen weniger übliches Vergehen darstellen würde.

j) Auch die weitere Rüge des Klägers erweist sich nicht als durchschlagend gegenüber der Beweiswürdigung, dass aus technischer Sicht keine Bedenken gegen den klägerseits behaupteten Unfallablauf bestünden und dass nicht nachgewiesen sei, dass die Leitplanke tatsächlich nicht beschädigt worden sei. Dabei ist zutreffend, dass die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Unfallgeschehens ein Indiz darstellt, dass gegen die Annahme einer Unfallmanipulation spricht. Hierbei handelt es sich aber lediglich um ein einzelnes Indiz, welches die Annahme einer Unfallmanipulation nicht ausschließt, sondern welches lediglich in die Gesamtwürdigung einzustellen ist. Nach Bewertung des Senats ist auch unter Berücksichtigung dieses Umstands aber davon auszugehen, dass die Vielzahl der einzelnen für die Annahme einer Unfallmanipulation sprechenden Umstände weiterhin die Überzeugungsbildung trägt, dass im vorliegenden Fall das vermeintliche Unfallgeschehen auf einer Manipulation beruht. Dabei bedarf es auch keiner ergänzenden Befragung des Sachverständigen zur Frage der Plausibilität und Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens: Es kann vielmehr unterstellt werden, dass sich hieraus ergeben würde, dass das Unfallgeschehen nach der Darstellung des Klägers tatsächlich plausibel ist und dass bei einem entsprechenden Hergang, wenn er nicht durch Manipulation eingeleitet worden wäre, eine Vermeidbarkeit nicht gegeben wäre. Ungeachtet dessen würde das Indiz der Plausibilität und Nachvollziehbarkeit eine anderweitige Bewertung in der Gesamtwürdigung nicht tragen.

k) Dasselbe gilt sodann für die Rüge, dass das Landgericht den Umstand nicht korrekt in die Gesamtwürdigung einbezogen habe, dass eine nicht unerhebliche Gefahr von Verletzung der beteiligten Fahrer bestanden habe und dass sich aus einer ergänzenden Befragung ergeben hätte, dass bei dem Unfallgeschehen ein noch schwerwiegenderes Verletzungsrisiko der beteiligten Fahrzeugführer bestanden hätte als zunächst angenommen. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass ein typisches Indiz, das gegen die Annahme eines gestellten Unfallgeschehens spricht, der Umstand ist, dass bei dem Unfall eine konkrete erhebliche Verletzungsgefahr bestand. Dies gilt aber vor allem dann, wenn diese Verletzungsgefahr nicht lediglich als unbeabsichtigte Nebenfolge eines nicht wie geplant verlaufenen gestellten Unfallgeschehens entstanden ist, sondern vielmehr nach der Art der Kollision ohne weiteres zu befürchten war. Letzteres ist auch vom Kläger nicht behauptet. Insgesamt verbliebe es im Ergebnis auch insoweit dabei, dass nach Bewertung des Senats auch unter Berücksichtigung dieses Umstands davon auszugehen bliebe, dass die Vielzahl der weiteren anderen für die Annahme einer Unfallmanipulation sprechenden Umstände weiterhin die Überzeugungsbildung tragen, dass im vorliegenden Fall das vermeintliche Unfallgeschehen auf einer Manipulation beruht. Dabei bedarf es auch keiner ergänzenden Befragung des Sachverständigen zur Frage des Verletzungsrisikos im Rahmen des Unfallgeschehens: Auch wenn sich hieraus ein gesteigertes Verletzungsrisiko für den Fall des Reifenschadens mit vollständigem Druckverlust oder einem Achsschaden ergeben würde, ist bereits nichts dazu vorgetragen, dass diese Verletzungsgefahr als ohne weiteres zu erwartende Kollisionsfolge anzusehen wäre, so dass dieses Indiz im vorliegenden Fall eine anderweitige Bewertung in der Gesamtwürdigung nicht tragen würde.

l) Soweit der Kläger schließlich rügt, dass sich die Beweiswürdigung fehlerhaft lediglich in der bloßen Addition von Umständen erschöpfe, bei der auch entlastende Umstände nicht berücksichtigt worden seien, kann auch dies Zweifel an der Beweiswürdigung des Landgerichts im vorstehenden Sinne nicht begründen. Wie vorstehend ausgeführt, begründen die vom Kläger vorgebrachten entlastenden Umstände keine anderweitige Bewertung. Das Landgericht hat erkennbar die wesentlichen Umstände berücksichtigt und es hat erkennen lassen, welche Umstände es für seine Überzeugungsbildung als maßgeblich ansieht, dies genügt den Anforderungen an die Führung des Indizienbeweises.“

Der fingierte/manipulierte/gestellte Verkehrsunfall, oder: Welche Umstände sprechen dafür?

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Im „Kessel Buntes“ heute dann seit längerer Teit mal wieder ein landgerichtliches Urteil zu den Umständen und Indizien, die für einen manipulierten/fingierten Verkehrsunfall sprechen. Darüber habe ich früher ja schon häufiger berichtet. Hier ist dann mit dem LG Duisburg, Urt. v. 12.10.2021 – 4 O 175/20 – mal wieder eine Entscheidung.

Das LG führt zum „fingierten“ Verkehrsunfall aus:

„1. Das Gericht ist davon überzeugt, dass es sich um einen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) fingierten Unfall handelt. Dies stellt eine Einwilligung des Klägers in die Beschädigung seines Eigentums dar, so dass eine Schadensersatzpflicht aus den §§ 823 BGB, 7, 18 StVG entfällt. Für das Vorliegen dieser Einwilligung sind die Beklagten beweispflichtig (vgl. BGH, VersR 1979, 514; BGHZ 71, 339, OLG Koblenz, NJW-RR 2006, 95). Der Beweis der Einwilligung in die Fahrzeugbeschädigung kann dann als geführt angesehen werden, wenn sich eine Häufung von Umständen findet, die darauf hindeuten. Unerheblich ist dabei, ob diese Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden können. Ausschlaggebend ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise, bei der aus einer Indizienkette auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann (OLG Koblenz, Urteil vom 04.10.2005 – 12 U 1114/04 m.w.N.)

Dieser Nachweis ist hier erbracht.

a) Zunächst sprechen die am Unfallereignis beteiligten Fahrzeuge für eine Manipulation.

Bei dem PKW des Klägers handelte es sich um ein älteres, hochwertiges Fahrzeug, bei dem in der Regel teurere Schäden zu erwarten sind als bei einem preiswerteren Fahrzeug, mit einer hohen Laufleistung von jedenfalls 160.000 km. Es wies auch erhebliche Vorschäden auf, die der Kläger bei der von ihm veranlassten Bewertung durch den Sachverständigen nicht angegeben hat. Einer dieser, nach Vortrag des Klägers anlässlich eines Urlaubs in der Türkei reparierten, Vorschäden, ist seinerseits bei einem Unfall mit klarer Haftungslage entstanden und auf fiktiver Basis abgerechnet worden.

Auch bei dem von dem Beklagten zu 2) gefahrenen PKW handelt es sich um ein für Unfallfiktionen typischerweise verwendetes Fahrzeug; nämlich um einen Mietwagen, für den eine Vollkasko-Versicherung bestand und für den eine Selbstbeteiligung nicht vereinbart wurde, sodass der Beklagte zu 2) auch nicht fürchten musste, selbst finanziell an der Beseitigung des Schadens beteiligt zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist in der Gesamtschau der Indizien auch zu berücksichtigen, dass die vom Kläger begehrte Abrechnung auf Gutachtenbasis in der Rechtsprechung als Indiz für einen manipulierten Unfall gewertet wird (OLG Frankfurt ZfSch 2004, 501, 503).

b) Hinzu kommt, dass der Kläger seine Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten zu 3) mittels eines erkennbar falschen Gutachtens bezifferte und durchzusetzen versuchte. Zum einen ist im Gutachten ein reparierter Vorschaden im betroffenen Unfallbereich angegeben, den der eigene Privatgutachter des Klägers festgestellt haben will, der Kläger selbst aber bestreitet. Es kann dahinstehen, ob an der Stelle tatsächlich ein Schaden repariert wurde, oder ob der Kläger hiervon ggf. auch nichts wusste, da dies vor seiner Besitzzeit repariert wurde. Jedenfalls hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und bei einmaligem Durchblättern des Gutachtens auffallen müssen, dass das Gutachten diesbezüglich nicht stimmen kann.

Gleiches gilt für den unstreitig vormals vorhandenen Vorschaden auf der rechten Fahrzeugseite sowie den im Mai 2019 behobenen Wasserschaden, bei dem auch das Tachometer ausgewechselt wurde. Es kann dahinstehen, ob der Kläger diese Schäden gegenüber seinem Gutachter erwähnt und dieser sie fahrlässig nicht aufgenommen hat, wobei der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung zunächst angegeben hat, diese nicht erwähnt zu haben und auf erneute Nachfrage dann angab, dass man „bestimmt“ darüber gesprochen habe. Bezüglich des unrichtigen Tachostandes erscheint dies im Übrigen zweifelhaft, da jedenfalls davon auszugehen ist, dass der Gutachter nicht den abgelesenen Tachostand in das Gutachten aufgenommen hätte, wenn offengelegt worden wäre, dass der richtige Tachostand nicht bekannt ist. Unabhängig davon hat der Kläger aber vor Einreichung des Gutachtens bei der Beklagten zu 3) zwecks Schadensregulierung auch an diesen für ihn offenbaren Unrichtigkeiten – insbesondere, wenn er die Schäden gegenüber dem Gutachter erwähnt hätte, hätte ihm dies auffallen müssen – keinerlei Anstalten gemacht, das Gutachten diesbezüglich berichtigen zu lassen und so in Kauf genommen, dass die Beklagte auf Grundlage eines für sie aufgrund des Weglassens von Vorschäden ggf. nachteiligen Gutachtens reguliert.

c) Der behauptete Unfall fand im Winter abends in einer ruhigen Straße statt, in der zu dieser Zeit mit neutralen Zeugen nicht zu rechnen ist.

d) Zwar ist das an sich weiter heranzuziehende Indiz für eine Unfallmanipulation, das Nichterscheinen der beklagten Partei in der mündlichen Verhandlung, hier nicht gegeben. Der Beklagte zu 2) war nämlich im Termin anwesend und hat Angaben zur Sache gemacht.

Der von Ihm im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angegebene Ablauf, der zu seiner Anwesenheit am Unfallort geführt haben soll, ist jedoch unplausibel. So gab er an, kurz zuvor seine Mutter am Düsseldorfer Flughafen abgesetzt und sich nunmehr auf dem Rückweg zu seiner damaligen Wohnung in Oberhausen befunden zu haben. Er sei dann von der Autobahn abgefahren, um in der Umgebung des Unfallorts etwas zu essen und konnte sich auch noch erinnern, dass er einen Döner essen wollte. Auf Nachfrage konnte er weder den Laden benennen, in dem er essen war oder zumindest essen gehen wollte, noch konnte er Restaurants in der Umgebung benennen. Stattdessen gab er – wiederholt – an, dass dort „viele“ Läden seien, wie bereits ausgeführt ohne Nennung derer Namen, und er einen Parkplatz finden wollte, um einen der dort ansässigen Imbisse auszusuchen. Sodann gab er selbst an, dass er die T.-Straße, auf der die Fahrgeschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt ist, mit 40 km/h befahren habe. Auf die Frage des Gerichts, warum er denn zu schnell gefahren sei, räumte er dann zwar ein, dass dies nicht richtig sei, konnte jedoch nicht erklären, wieso er mit 40 km/h eine Straße befuhr, in der er nach eigenen Angaben einen Parkplatz suchte, obwohl er bereits nach eigenen Angaben aufgrund der links stehenden Transporter und dem rechts stehenden Fahrzeug des Klägers ohnehin nur einen geringen Spielraum zum Fahren hatte.

Gleichermaßen konnte er nicht erklären, weshalb er in der Umgebung des Unfallorts, die er nach eigenen Angaben nicht kannte, einen Imbiss aufsuchen wollte, den er ebenfalls nicht kannte, und dies nicht in der Nähe seines Wohnorts tat. Die Antwort des Beklagten zu 2), in D. würden die Döner einfach besser schmecken, ist nicht geeignet, um den Hergang plausibel erscheinen zu lassen.

Für den von ihm angegebenen Grund der Anmietung des Fahrzeugs, sein eigenes Fahrzeug habe sich in Reparatur befunden, gibt es, da die Reparatur nach seinen Angaben durch einen Freund ohne Rechnung erfolgte, keinerlei nachvollziehbare objektive Anknüpfungspunkte.

Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 2) – auch wenn er glaubhaft erklärt hat, dass er im Vorlauf zum Termin keinen Anwalt beauftragt habe, weil die Versicherung ihm mitgeteilt habe, dies sei nicht notwendig – auch im Nachgang des Termins, in dem ihm ausführlich erklärt wurde, dass die Versicherung ihm einen Betrug vorwirft, keine Schritte unternommen hat, um seine Rechte entsprechend zu verteidigen. Auch in der Verhandlung selbst äußerte er Empörung nicht etwa darüber, dass ihm ein versuchter Betrug vorgeworfen wird, sondern darüber, dass ihm nicht bewusst war, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1) und 3) nicht seine Interessen vertrete. Obwohl er sodann ausführte, dass er nicht eigens aus Berlin angereist wäre, wenn er gewusst hätte, dass er nicht anwaltlich vertreten ist und damit auch keine Anträge stellen kann, und dies getan hätte, wenn ihm nicht seitens der anderen Beklagten mitgeteilt worden wäre, dass er sich nicht kümmern müssen, beauftragte er auch nach dem Erlass des Versäumnisurteils und der Anberaumung des Einspruchstermins keinen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte.

e) Auch der Schadenshergang spricht für eine Unfallmanipulation. Der Schaden entstand durch das Auffahren des PKW der Beklagten gegen den am Straßenrand geparkten Pkw des Klägers. Dieser Schadenshergang ließ sich leicht steuern. Dabei entstanden für den Beklagten zu 2) keine nennenswerten gesundheitlichen Risiken. Zugleich aber konnte, wie an dem langen Streifschaden am Fahrzeug des Klägers zu sehen ist, ein hoher Schaden verursacht werden. Außerdem brauchte bei der eindeutigen Schuldzuweisung nicht mit einer Anspruchskürzung durch den Einwand von Mitverschulden oder mitwirkende Betriebsgefahr gerechnet zu werden (vgl. OLG Hamm OLG-Report Hamm 2001, 58, 60 und VersR 2002, 700 f.).

Weiterhin begründet die Art des Schadens, ein „lukrativer“ Streifschaden, ein Indiz für eine Unfallmanipulation (vgl. LG Essen, Urt. v. 16.12.2010, 3 O 190/10). Bei dem Schaden an dem auf Klägerseite beteiligten Fahrzeug handelt es sich um einen Streifschaden über eine beachtliche Länge des Fahrzeuges.

f) Bei der genannten auffälligen Häufung manipulationstypischer Indizien wird der sich hieraus ergebende Anscheinsbeweis für einen gestellten Unfall (vgl. OLG Celle OLG-Report Celle 2004, 175 ff.) nicht dadurch erschüttert, dass die Schäden an den beteiligten Fahrzeugen kompatibel sind (vgl. HansOLG Bremen VersR 2003, 1553, 1554). Es kann hier also dahinstehen, ob die Schäden der Fahrzeuge kompatibel sind und zu der Schadensschilderung passen, was die Beklagten zu 1) und 3) bestreiten. Damit entfällt nämlich nur ein Einzelindiz, ohne dass die Indizienkette aufgrund der übrigen Umstände reißt.

Nach alledem reichen die Indizien aus, um dem Gericht die Überzeugung des Vorliegens eines fingierten Verkehrsunfalls zu verschaffen. Der Umstand, dass ein vorheriger persönlicher Kontakt zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) nicht nachgewiesen werden konnte, vermag diese Überzeugung nicht infrage zu stellen, da die nicht erwiesene Bekanntschaft der Beteiligten aufgrund der Beweisschwierigkeiten der KFZ-Versicherer ohnehin nur ein schwaches Indiz darstellt.“

Manipulierter Vandalismusschaden, oder: Zahlreiche/ Einige Indizien sprechen für eine Manipulation

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Heute im „Kessel Buntes“ seit längerem mal wieder zwei Entscheidungen zu „manipulierten“ Unfällen/Beschädigungen – „get……“ darf ich ja nicht mehr schreiben 🙂  .  In beiden Entscheidungen geht es letztlich darum, wie und das nachgewiesen werden kann, dass es sich nicht um tatsächliche Schadensgeschehen handelt.

Ich beginne mit dem OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.12.2020 – 5 U 8/20. Der Kläger – „ein frühpensionierter Polizeibeamter“ nimmt die beklagte Versicherungauf Entschädigung wegen Vandalismus aus einer Fahrzeugversicherung in Anspruch. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Geltend gemacht werden rund 10.000 EUR. Das LG hat die Klage abgewiesen. Ihr fehle es schon am ausreichenden Nachweis eines Versicherungsfalles; denn es lasse sich insoweit schon nicht feststellen, dass die streitgegenständlichen Schäden von ihrer Art und ihrem Erscheinungsbild als bedingungsgemäßer Vandalismusschaden zu werten seien, weil sie augenscheinlich darauf angelegt seien, mit einem relativ geringen Beschädigungsaufwand einen kalkulatorisch hohen Reparaturaufwand zu verursachen. Der Versicherer brauche auch dann nicht zu zahlen, wenn es ihm gelinge, konkrete Tatsachen nachzuweisen, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen; auch diesbezüglich stünden mehrere Tatsachen fest, nachdem der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach vergleichbare Schäden geltend gemacht und abgerechnet habe.

Dagegen dann die Berufung des Klägers zum OLG, das die Berufung zurückgewiesen hat. Das OLG wertet folgende Indizien gegen den vom Kläger behaupteten Vandalismusschaden:

„3. Hiervon ausgehend, kann vorliegend offen bleiben, ob die vom Kläger behaupteten Beschädigungen an seinem Fahrzeug, die diesem zwischen dem 15. Dezember 2017 und dem 3. Januar 2018 in Gestalt von zahlreichen tiefen Kratzern in unterschiedlicher Form, Aussehen und Richtung mit einem offensichtlich spitzen bzw. scharfkantigen Gegenstand zugefügt worden sein sollen, überhaupt einen „Unfall“ oder eine „mutwillige Beschädigung“ des „versicherten Fahrzeuges“ und damit ein über den vorliegenden Vertrag versichertes entschädigungspflichtiges Ereignis darstellen. Der Senat folgt dem Landgericht nämlich in seiner weiteren Einschätzung, dass dieser zur Begründung eines Versicherungsfalles angeführte Zustand des versicherten Fahrzeugs durch den Kläger oder eine von diesem beauftragte Person bewusst und gewollt herbeigeführt wurde, weil zahlreiche konkrete – unstreitige oder bewiesene – (Indiz-)Tatsachen vorliegen, die in ihrer Gesamtheit diesen Schluss mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit rechtfertigen. Über die in dem angefochtenen Urteil bereits erwähnten Umstände hinaus (LGU, Seite 7) liegen auch noch zahlreiche weitere Auffälligkeiten vor, die sich schon aus den Akten ergeben, auf die auch die Beklagte zuletzt ausdrücklich verwiesen hat, und die bei der gebotenen Gesamtschau die Überzeugungsbildung rechtfertigen, dass eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Kläger oder von ihm beauftragter Personen mit hinreichender Sicherheit feststeht:

a) Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht ausführt, ist insoweit schon auffällig, dass der Kläger in der Vergangenheit bereits wiederholt vergleichbare angebliche „Vandalismusschäden“ an verschiedenen Fahrzeugen bei unterschiedlichen Versicherungsgesellschaften geltend gemacht und abgerechnet hat. ……

b) Hinzu kommen in allen hier bekannten Schadensfällen weitere Auffälligkeiten hinsichtlich der Fahrzeuge und ihrer Beschädigungen. Sämtliche (angeblichen) Versicherungsfälle betreffen ältere deutsche Markenfabrikate mit dementsprechend hohen Wiederbeschaffungswerten, die selbst kostenträchtige Reparaturen immer noch wirtschaftlich erscheinen lassen. Die geltend gemachten Schäden sind nach Darstellung des Klägers jeweils ausnahmslos großflächig und, wie die beanspruchten Beträge zeigen, sämtlich geeignet, im Falle ihrer fachgerechten Reparatur – die hier jeweils nicht durchgeführt wurde – sehr hohe Kosten für den Schadensversicherer zu generieren. …..

c) Darüber hinaus weisen alle hier bekannt gewordenen Schadensfälle in geradezu ungewöhnlicher Weise auffällige Gemeinsamkeiten auf, die das Geschehen sprichwörtlich „verdächtig“ machen. So ist jedes Mal unklar geblieben, wann und wo genau die Beschädigungen an dem jeweiligen Fahrzeug durch Dritte verursacht worden sein sollen. ….

d) Darauf deuten auch die wechselnden und widersprüchlichen Angaben des Klägers zum (mutmaßlichen) Verursacher des Schadens hin. ….

e) Beachtlich sind des Weiteren die bis zuletzt verbleibenden Zweifel an der Herkunft und dem Zustand des versicherten Fahrzeuges, die die Beklagte auch schon dazu veranlasst haben, die Identität des von ihrem Gutachter in Augenschein genommenen beschädigten Fahrzeugs in Frage zu stellen.

f) Letztlich geben auch die aus den Prozessakten ersichtlichen Erkenntnisse zu früheren (Ermittlungs-)verfahren betreffend den Kläger und seine Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen dem Senat Anlass, der Einschätzung des Landgerichts zu folgen und sich mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit davon zu überzeugen, dass insbesondere der hier geltend gemachte Versicherungsfall von ihm selbst bzw. in seinem Auftrag herbeigeführt worden ist…..

g) Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Umstände und Auffälligkeiten des vorliegenden Falles, die zwar jeweils für sich möglicherweise noch zu erklären wären, in der Gesamtschau aber ein eindeutiges, in der Sache überaus fragwürdiges Bild ergeben, sieht es der Senat als erwiesen (§ 286 ZPO) an, dass der geltend gemachte Versicherungsfall, mag man ihn als „Unfall“ oder als „mutwillige Beschädigung“ ansehen, vom Kläger selbst herbeigeführt wurde; jedenfalls aus diesem Grunde ist die Beklagte nicht zur Leistung verpflichtet (§ 81 Abs. 1 VVG; C.1.10 AKB), wie schon das Landgericht in dem angefochtenen Urteil mit knapper, der Sache nach aber vollkommen zutreffender Begründung angenommen hat. …..“

Gestellter Unfall?, oder: Was spricht dafür, was dagegen?

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Nach längerer Zeit stelle ich heute im „Kessel Buntes“ mit dem OLG Frankfurt, Urt. v. 08.04.2019 – 23 U 112/17 – mal wieder eine Entscheidung zum „gestellten Unfall“ vor (Anmerkung: „getürkt“ draf man ja nicht mehr schreiben, das gibt Ärger“). Das OLG hat in seiner Entscheidung dazu bzw. zu den Indizien, die für einen „gestellten Unfall“ sprechen – neben den Ausführungen zu einer verfahrensrechtlichen Fragestellung – wie folgt Stellung genommen:

„Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend um einen gestellten Unfall. Dafür sprechen vorliegend folgende Indizien:

Das Geschehen hat sich Mitte November 2014 um … Uhr an einem Ort ereignet, an dem die Anwesenheit von zufälligen und unabhängigen Zeugen und damit die Gefahr der Entdeckung eines verabredeten Unfalls äußerst unwahrscheinlich war. Der Beklagte zu 2) hat das Schadensereignis auf dem Parkplatz vor dem sogenannten „X“ auf dem … in Stadt1 verursacht. Durchgangsverkehr auf dem Weg1 ist ausgeschlossen, sämtliche Einrichtungen auf dem … sind zu dieser Zeit frühmorgens geschlossen. Auch die zufällige Anwesenheit von Passanten war sehr unwahrscheinlich. Es handelte sich insgesamt gesehen unter Berücksichtigung der Jahres- und der Tageszeit um einen abgelegenen Ort.

Für den Beklagten zu 2) bestand überhaupt kein Anlass, das klägerische Fahrzeug zu beschädigen. Der – wie aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich und zudem hinsichtlich der Örtlichkeiten gerichtsbekannt ist – weitläufige und übersichtliche Parkplatz war zum Unfallzeitpunkt nahezu leer. Geparkt war dort lediglich das Fahrzeug des Klägers, möglicherweise noch ein weiteres Fahrzeug. Der Beklagte zu 2) hatte damit eine überaus große Fläche zur Verfügung, um sein Fahrzeug ordnungsgemäß abzustellen. Warum der Beklagte zu 2) dann so dicht neben dem Fahrzeug des Klägers und zudem rückwärts parken wollte, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte zu 2) hat dies auch in seiner informatorischen Anhörung nicht erklären können. Unter keinem Gesichtspunkt ist nachvollziehbar, dass es für den Beklagten zu 2) „ordentlicher“ war, derart dicht neben dem Fahrzeug des Klägers einzuparken. Zudem ist der Beklagte zu 2), wie er in der informatorischen Anhörung eingeräumt und auch der Sachverständige SV1 in seinem Gutachten vom 9. Januar 2017 festgestellt hat, dabei ungewöhnlich schnell gefahren. Der Sachverständige spricht ausdrücklich von einer „ungewöhnlich hohen Intensität“ des Einparkvorgangs. Dafür spricht auch, dass durch den Aufprall dem eigenen Bekunden des Beklagten zu 2) zufolge das parkende klägerische Fahrzeug seitlich verschoben wurde.

Der Beklagte zu 2) hat zudem das klägerische Fahrzeug beim versuchten Einparken nicht nur einfach gestreift, sondern durch ein kaum nachvollziehbares Fahrmanöver die gesamte linke Seite des klägerischen Fahrzeugs großflächig beschädigt. Der Sachverständige erwähnt in diesem Zusammenhang „mehrere unabhängig voneinander erfolgte Kontakte“. Der Beklagte zu 2) hat dies damit zu erklären versucht, dass er nach dem rückwärtigen Anstoßen den Vorwärtsgang eingelegt hat und wieder nach vorne gefahren ist. Auch das begegnet erheblichen Zweifeln. Der Beklagte zu 2) hat angegeben, der erste Kontakt beim rückwärtigen Einparken hätte am Heck des gegnerischen Fahrzeugs stattgefunden. Warum dann beim Vorwärtsfahren und einem Einschlagen des Lenkrades nach links und damit vom klägerischen Fahrzeug weg noch nahezu die gesamte Seite des Klägerfahrzeugs bis nahezu zum Vorderrad beschädigt wurde, ist nicht erklärlich.

Der Beklagte zu 2) hat ferner angegeben, er sei beim rückwärtigen Einparken „von der Kupplung gerutscht“. Der Beklagte zu 2) hat seit 1989 eine Fahrerlaubnis, nach eigenem Bekunden war ihm dies bis zum damaligen Zeitpunkt noch nie geschehen. Warum dem Beklagten zu 2) dies gerade in der streitgegenständlichen Situation, in der der Beklagte zu 2) weder abgelenkt war noch andere außergewöhnliche Umstände vorlagen, widerfahren ist, bleibt ebenfalls offen.

Insgesamt handelte es sich bei dem zum Schaden führenden Ereignis um einen einfach zu beherrschenden und vollkommen risikoarmen Vorgang, der die Fahrweise des Beklagten zu 2) als nicht erklärbar erscheinen lassen. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass dem Beklagten zu 2) bei dem eigentlich einfachen Manöver – dem Einparken auf einem nahezu leeren und großen Parkplatz – gleich mehrere Fahrfehler unterlaufen sind, nämlich das Abrutschen von der Kupplung sowie das Anfahren nach vorne mit weiteren Beschädigungen am klägerischen Fahrzeug, die bei einem geübten Kraftfahrer bereits schon einzeln äußerst ungewöhnlich sind und den Verdacht eines gestellten Verkehrsunfalls erwecken.

Mögen nach der Einlassung des Beklagten zu 2) diesem auch mehrere ungewöhnliche und schwer nachvollziehbare Fahrfehler unterlaufen sein, wird die Schilderung vollends unglaubwürdig durch die informatorische Anhörung des Klägers. Der Kläger hat mit auffallender Detailarmut eigentlich nur angegeben, der Beklagte zu 2) habe ihn im Arbeitsraum aufgesucht, kurz den Unfall geschildert und habe nach dem gemeinsamen Begehen der Unfallstelle seine Versicherung angerufen. Auf ausdrückliches Nachfragen hat der Kläger erklärt, er habe sich die Beschädigung seines Fahrzeugs im Einzelnen eigentlich gar nicht angeschaut, er sei B von Beruf und kenne sich da nicht aus. Ein solches Verhalten ist in jeder Beziehung lebensfremd. Auch ein Laie konnte und musste erkennen, dass der Beklagte zu 2) ein offenbar gänzlich sinnloses und überflüssiges Fahrmanöver vollzogen und dabei massive Schäden am klägerischen Fahrzeug verursacht hat. Dass der Kläger dies zunächst vollkommen kommentarlos hingenommen und den Beklagten zu 2) nicht nach Einzelheiten befragt haben will, obwohl sein Herz ihm wehgetan hätte, ist nicht nachvollziehbar. Erst auf ausdrückliches Befragen durch das Gericht hat der Kläger bekundet, er sei selbstverständlich aufgebracht gewesen, will aber gleichwohl dem Beklagten zu 2) – was überaus nahe gelegen hätte – keine Vorwürfe gemacht haben, obwohl letzterem unschwer bereits nach dem äußeren Geschehensablauf jedenfalls der Vorwurf eines außergewöhnlich grobem und ungewöhnlichem Sorgfaltsverstoß mit erheblichen Folgen gemacht werden konnte und musste. Wichtig war für den Kläger in erster Linie, dass „keine Polizei“ geholt werden müsse, wie der Beklagte zu 2) nach einem Telefonat mit seiner Versicherung ihm versichert habe.

Zu den oben dargestellten Ungereimtheiten und Widersprüchen kommen weitere Indizien für einen gestellten Unfall hinzu, die zwar jeweils für sich genommen „unverdächtig“ sind, aber im Zusammenhang und unter Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers und des Beklagten zu 2) den Eindruck verstärken, dass vorliegend ein Unfall lediglich gestellt wurde. So sind beide Parteien Landsleute und haben sich auf Polnisch vor Ort verständigt. Beide Parteien kannten sich von gemeinsamen Besuchen im örtlichen Fitnesscenter. Beide Parteien wohnen nur wenige hundert Meter voneinander entfernt. Bei dem klägerischen Fahrzeug handelte es sich um ein höherwertiges Fahrzeug mit hoher Laufleistung, welches einen Totalschaden erlitt, dessen Schäden auf Gutachterbasis abgerechnet wurden, aber so beschaffen waren, dass sie wesentlich kostengünstiger repariert werden konnten, wie hier auch geschehen. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2) besaß einen äußerst geringen Wert und wurde erst wenige Tage vor dem streitgegenständlichen Ereignis bei der Beklagten zu 1) versichert.“

Trunkenheitsfahrt, oder: 0,54 BAK, Vorfahrtsverstoß und Nervosität reichen nicht….

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Und die letzte Entscheidung am heutgen Tag stammt vom Kollegen Sokolowski. Der hat darüber ja in seinem Blog auch schon berichtet. Ich habe mir die Entscheidung dann erbeten und erhalten. Besten Dank.

Es geht in dem LG Darmstadt, Beschl. v. 12.03.2018 – 3 Qs 112/18 – um eine für den Verteidiger im Verkehrsrecht alltägliche/häufige Problematik, nämlich die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt bei relativer Fahruntüchtigkeit. Da spielt dann die Frage eine Rolle, welche Indizien/Tatsachen angeführt werden können, um relative Fahruntüchtigkeit annehmen zu können. Und das müssen, wenn wir nur eine geringe BAK haben – hier waren es nur 0,54 Promille – eine Menge Tatsachen sein. Und die hatte das LG Darmstadt. Ergebnis: Aufhebung des amtsgerichtlichen Entziehungsentscheidung und Freigabe der Fahrerlaubnis:

„Die Kammer sieht derzeit keinen dringenden Tatverdacht, der eine Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen würde. So liegen nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt fahruntüchtig gewesen ist.

Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ergab die Untersuchung der um 00:32 Uhr beim Beschuldigten entnommenen Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,54 Promille. Die festgestellte Blutalkoholkonzentration lag damit unterhalb der Schwelle zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille. Je weiter die festgestellte
Blutalkoholkonzentration von der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit entfernt ist, desto höher sind die Anforderungen an die für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit festzustellenden alkoholbedingten Ausfallerscheinungen.

Ausweislich des ärztlichen Untersuchungsberichts konnten während der medizinischen Untersuchung in der Tatnacht keine Ausfallerscheinungen festgestellt werden. Auch der Bericht des Zeuge PKA M vom 24.11.2017 zu auffälligen Merkmalen insbesondere auf Alkohol und Drogen lässt keine Schlüsse auf alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zu.

Soweit der Zeuge PKA M angab, dass der Beschuldigte dem Polizeifahrzeug die Vorfahrt genommen habe, kann der Vorfahrtsverstoß auch als üblicher Verkehrsverstoß gewertet werden und muss keine alkoholbedingte Ausfallerscheinung sein. Auch der Umstand, dass es etwa knapp 5 Sekunden dauerte, bis der Beschuldigte nach dem Aufleuchten des Anhaltesignals „Stop Polizei“ am Fahrbahnrand anhielt, deutet nicht zwingend auf eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung hin, denn dem Beschuldigten muss eine gewisse Zeit zum Realisieren und Verarbeiten des Anhaltesignals zugestanden werden. Auch die vom Zeugen PKA Müller geschilderte Nervosität des Beschuldigten begründet nicht zwingend eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung, denn eine gewisse Nervosität des Beschuldigten ist vor dem Hintergrund seines Alkoholkonsums nachvollziehbar unabhängig von etwaigen Ausfallerscheinungen, Soweit der Beschuldigte seinen Schlüssel im Auto suchte, obwohl er ihn in der Hand hielt, kann dies auch auf seine Nervosität zurückzuführen sein und lässt nicht zwingend den Schluss auf eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung zu. Der Hinweis des Beschuldigten, er habe keine Waffen dabei, kann durch die übliche Eigensicherung von Polizeibeamten veranlasst sein.“