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Mehrere Geschwindigkeitsverstöße auf einer Fahrt: Tateinheit oder Tatmehrheit?

In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob und ggf. wann mehrere auf einer Fahrt begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen in Tateinheit oder in Tatmehrheit zueinander stehen.

Das AG Suhl, Beschl. v. 21.02.2011 – 330 Js 21777/10 1 OWi geht von Tateinheit aus, wenn es sich um mehrere Geschwindigkeitsverstöße, die innerhalb weniger Kilometer bei gleichbleibender Geschwindigkeitsbegrenzung auf einer Fahrt begangen werden, gehandelt hat.  In den Feststellungen heißt es dazu:

Der Betroffene tat dieses mit einer Geschwindigkeit von mindestens 98 km/h gegen 14.47 Uhr bei km 117 und mit mindestens 92 km/h bei km 127, obwohl an angegebenen Stellen die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 StVO auf 80 km/h begrenzt ist.“

Folge:

„Der Bußgeldkatalog sieht für eine entsprechende Übertretung um 18 km/h in Nr. 11.3.3 ein Bußgeld von 30,- Euro vor.

Die weitere geringfügigere Geschwindigkeitsübertretung innerhalb der Strecke mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h war nicht bußgelderhöhend zu berücksichtigen. Wird, wie im Bußgeldbescheid zutreffend, zugrunde gelegt, Tateinheit angenommen, d.h. mehrere Verstöße durch eine Handlung, so gilt gemäß § 2 Abs. 6 BKatV, dass jedenfalls im Verwarnungsgeldbereich unter 35,- Euro nur ein Verwarnungsgeld, und zwar das höchste der in Betracht kommenden, verhängt wird.“

OLG Hamm zur Geschwindigkeitsüberschreitung und Geständnis

Das OLG Hamm, Beschl. v. 15.02.2011 – III-3 RBs 30/11 bestätigt die Rechtsprechung des 3. Senats für Bußgeldsachen, wonach bei geständiger Einlassung eines Betroffenen Feststellungen zu Messverfahren und Toleranzabzug im Urteil unterbleiben dürfen; andere Senate und Gerichte sehen das ein wenig strenger.

Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit sei nicht zu beanstanden, wenn im Urteil zwar Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzabzug nicht enthalten sind, der Betroffene sich aber vollumfänglich geständig eingelassen hat. Die fraglichen Angaben seien kein Teil der den Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung tragenden Feststellungen, sondern gehören zu der ihm zugrunde liegenden Beweiswürdigung. In deren Rahmen dürfen sie durch die Bezugnahme auf das Geständnis des Betroffenen unterbleiben. Es reiche aus, wenn der Tatrichter sich Gewissheit von der Richtigkeit des Geständnisses verschafft hat und dies in den Urteilsgründen eindeutig zum Ausdruck bringt.

Der Hase und die Geschwindigkeitsüberschreitung

Es ist gar nicht so einfach, zum heutigen Tag thematisch etwas zum Hasen zu bringen und dabei einen verkehrs- bzw. strafrechtlichen Bezug herzustellen. Dazu passt nun mal nicht der Streit um den Goldhasen.

Eingefallen ist mir dann aber AG Lüdinghausen, Urt. v. 19.01.2009 – 19 OWi -89 Js 1880/08-170/08, das ich – aus anderem Grund – immer gern auf Fortbildungen vorstelle. Dort ging es um einen Hasen, denn der Betroffene hatte sich wie folgt eingelassen:

„Ich war auf der oben genannten Straße mit ca. 75-80 km/h unterwegs als ich am rechten Straßenrand einen Hasen bemerkte, der für eine kurze Zeit meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nach ein paar Metern raste der Hase nach vorne und überquerte einige Meter vor meinem Fahrzeug die Straße, so dass ich ihn aus den Augen verlor. Dieses Ereignis muss die Messung zu meinem Nachteil beeinflusst haben.“

Das AG setzt sich damit auseinander und verweist zunächst darauf, dass ein Hase auf dem Messfoto nicht zu erkennen sei. Dann heißt es weiter:

Wie bereits oben dargestellt, ist auf dem Messfoto ein Hase nicht zu erkennen, sondern vielmehr das Fahrzeug des Betroffenen. Zudem ist auf der Gegenfahrbahn unmittelbar im Bereich vor der Front des Betroffenen ein entgegenkommendes Fahrzeug erkennbar, so dass eine Überquerung der Fahrbahn durch einen Hasen nach Einschätzung des Gerichtes nicht glaubhaft ist, sondern als bloße Schutzbehauptung des Betroffenen zu werten ist. Ein unmittelbar vor dem Fahrzeug des Betroffenen querender Hase müsste nämlich auch eigentlich aufgrund der zwei sich begegnenden Fahrzeuge „unter die Räder“ gekommen sein. Hiervon hat der Betroffene allerdings nichts berichtet.

Im Übrigen bewegen sich Hasen üblicherweise nicht mit Geschwindigkeiten von nahezu 100 km/h. So heißt es etwa in einem Im Internet unter http://www.vu-wien.ac.at/i128/pub/weidwerk/valencak%20ruf%205-2005.pdf frei abrufbaren Beitrag „Wildtiere: Schnelligkeit entscheidet!“ der renommierten Wissenschaftler Mag. Teresa Valencak und Univ.-Prof. Dr. Thomas Ruf, erschienen in der Zeitschrift Weidwerk 5/2005 zur Geschwindigkeit von Hasen:…

„Bei besonders schnellen Tieren beobachtet man, dass die Muskelmasse eher nach innen Richtung Körperschwerpunkt verlagert wird, sodass die Unterläufe zart erscheinen, Oberschenkel und Hüfte dagegen von großen Muskelpaketen umgeben sind. Diese anatomischen Verhältnisse finden sich zum Beispiel sowohl beim Geparden als auch bei unserem einheimischen Feldhasen. Die „Leichtfüßigkeit“ dieser Tiere maximiert ihre Geschwindigkeit, da der äußere Lauf beim Rennen die größte Beschleunigung erfährt. Hasen sind etwa viermal schneller als Nagetiere der gleichen Körpergröße, wobei die hohe Geschwindigkeit von 72 km/h praktisch ausschließlich mithilfe der körpernahen Muskulatur der Hinterläufe und durch eine enorme Streckphase erreicht wird.“

Wer sich fragt, warum ich die Entscheidung auf Fortbildungen vorstelle. Nicht wegen des Hasen, sondern wegen der Ausführungen des AG zum Absehen vom Fahrverbot. Die sind m.E. falsch, allerdings vom OLG Hamm, das die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil verworfen hat, abgesegnet.

Wochenspiegel für die 9. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten über:

  1. Über Kachelmann, der allerdings hinter Punkt 2 zurücktreten musste :-), aber dennoch präsent war, vgl. u.a. auch hier,
  2. Was dem Kachelmann recht ist, ist dem Guttenberg billig, allerdings kann man darüber nur mit einem kleinen Ausschnitt berichten, sonst wird es zu viel, vgl. hier, hier, hier, hier und hier und noch an vielen weiteren Stellen.
  3. Besoffene Vernehmung.
  4. Rechtsirrtum bei der Notwehr.
  5. Rambo im Gerichtssaal.
  6. Über das Parken in der Waschstraße.
  7. Zur Pressearbeit des Strafverteidigers.
  8. Wer holt die Deckungszusage bei der RSV ein?
  9. Zur Geschwindigkeitsüberschreitung genötigt?
  10. Und: Die Strafgebühr beim BVerfG.